Intersexuelle Kinder


 

 

 

Ulla Fröhling

Leben zwischen den Geschlechtern

Intersexualität – Erfahrungen aus einem Tabubereich

Ch. Links Verlag 2003, 240 Seiten, Klappenbroschur, ISBN 3-86153-290-5, 14,90 €; 25,90 sFr

 

Schätzungsweise leben 80.000 bis 100.000 Intersexuelle in der Bundesrepublik. Frau oder Mann – dieser eindeutigen Zuordnung entziehen sie sich. Das trifft jedoch nicht unbedingt für die äußere Erscheinung zu, nur stimmt dieses Bild dann nicht mit der genetischen Grundlage überein.

Verstehen kann dieses Phänomen nur, wer bereit ist, die Geschlechter nicht als zwei Extreme wahrzunehmen, sondern als Kontinuum. Viele Zwischenformen sind möglich. Männliche Chromosomen produzieren nicht immer männliche Körper, weibliche Körper können männliche innere Geschlechtsorgane beherbergen.

Intersexualität ist eines der letzten Tabuthemen in unserer Gesellschaft.

Viele Betroffene verbergen diesen Aspekt ihrer Person, um nicht im sozialen Abseits zu landen. Einige wurden im Laufe ihres Lebens so beschämt und gedemütigt, daß sie sich weit in sich selbst zurückgezogen haben. Phasen tiefer Traurigkeit, eine starke Entfremdung vom eigenen Körper, Selbstverletzungen, Selbstmordgedanken sind nur einige Stationen in der Achterbahnfahrt der Gefühle dieser Menschen.

Dazu hat die Medizin mit ihren Praktiken nicht unerheblich beigetragen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts besteht die Gesellschaft per Gesetz auf Geschlechtszuweisung, und die Chirurgie führt sie durch. Überwiegend werden intersexuelle Kinder zu Mädchen »umgebaut«, weil das als technisch einfacher und kostengünstiger (!) gilt. Die meisten Betroffenen, mit denen die Autorin sprach, haben die medizinischen Eingriffe eher als Machtmißbrauch und sexuellen Mißbrauch empfunden denn als notwendige Behandlung. Die Eltern werden gezwungen, sich zu Komplizen der Mediziner zu machen. Ihnen wird in der Mehrzahl der Fälle strikte Geheimhaltung empfohlen. Für die Kinder hat das zur Folge, daß sie sich aus Teilwahrheiten, Lügen und bedeutsamem Schweigen ihre eigene Geschichte zusammenreimen und oft jahrelang mit der Angst vor einer tödlichen Krankheit leben.

Bisher gibt es keine aussagekräftigen Studien zur Lebenszufriedenheit Betroffener, geschweige denn Nachfolgestudien zu den seelischen Auswirkungen auf die Kinder durch die Operationen und häufigen Untersuchungen ihrer Genitalien – in einem Alter, in dem sie bestrebt sind, gerade ihren Intimbereich zu schützen.

Ulla Fröhling hat das erste populäre Sachbuch zum Thema Intersexualität geschrieben.

Sie hat mit vielen Betroffenen gesprochen und erkundet, mit welchen Anstrengungen diese ihr Schicksal bewältigen, in welche seelischen Nöte sie geraten und wie sie ein neues Selbstbewußtsein aufbauen. Sie hat Sexualforscher, Therapeuten, Traumatologen zu Rate gezogen, und es gelingt ihr, auch die fachlichen Hintergründe und medizinisch-genetischen Zusammenhänge, die für das Begreifen dieses Phänomens unverzichtbar sind, verständlich und eingängig zu erklären. So ist ein Buch entstanden, das sich nicht nur für Betroffene, sondern durch seine faszinierenden Lebensgeschichten für einen breiten Leserkreis eignet.

Jeffrey Eugenides hat mit seinem Roman »Middlesex«, der nicht nur in Deutschland viel Aufsehen erregte, viel dafür getan, das öffentliche Interesse und Verständnis für die Intersexualität zu befördern, wie es die Aktivisten der Intersex-Bewegung schon seit Jahren versuchen. Ulla Fröhling gelingt es mit großem Einfühlungsvermögen, das Unbekannte, Unbegreifliche, das nicht selten Angst und Intoleranz auslöst, aus der Tabuzone herauszuholen und das Bewußtsein dafür zu schärfen, daß auch intersexuellen Menschen ein Raum in dieser Gesellschaft zusteht – in all ihrer Vielfalt, Eigenart und Kreativität.

 

 

Ch. Links Verlag, Schönhauser Allee 36, Haus S, KulturBrauerei, 10435

Berlin, www.linksverlag.de

 

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Edda Fensch, Tel.: (030) 44 02 32-10,

Fax: (030) 44 02 32-29

E-Mail: fensch@linksverlag.de

 

ULLA FRÖHLING

Jahrgang 1945, Studium der Soziologie, Anglistik, Publizistik in Hamburg und Dublin; nach 15 Jahren als Redakteurin, Ressortleiterin und Autorin bei Time-Life, Brigitte und Cosmopolitan arbeitet die mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin und Buchautorin für ARTE, WDR, NZZ-Folio und Die Zeit. Ihre Schwerpunkte sind Erinnerungsforschung, Traumatologie und gesellschaftliche Tabus wie Inzest und Langzeitfolgen sexueller Gewalt.

Als Sachverständige wurde sie in Bundestagsanhörungen zu »Destruktiven Kulten« gehört, im Europäischen Parlament in Brüssel zu »Kindesmißbrauch und Kindesentführung«; für ihre Arbeiten zum Thema Trauma erhielt sie den amerikanischen Media Achievement Award 2001.

Zahlreiche Buchveröffentlichungen, darunter:

»Droge Glücksspiel« München 1984, Frankfurt 1993;

»Nur noch einmal«, Erotische Kurzgeschichten, München 1994/2001;

»Vater unser in der Hölle«, Tatsachenbericht, Seelze 1996;

»Berliner Balladen« (Hrg.) Anthologie, Düsseldorf 2001;

»Nur noch einmal II«, Erotische Kurzgeschichten, Reinbek 2003.

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

Ganz Deutschland spricht von sexuellen Kindesmissbrauch, Kinderschänder werden gejagt. Politiker trompeten öffentlichkeitswirksam herum und fordern Strafverschärfung, wohl um von ihrem eigenen politischen Versagen abzulenken.

Ganz unbemerkt von all dem Trubel werden seit Jahrzehnten intersexuelle Kinder mit staatlichen Segen und staatsfinanziert misshandelt und missbraucht. Die leiblichen Eltern schauen dem billigend zu oder fördern es nach besten Kräften. Zum Wohle des Kindes, versteht sich.

Die Sache hat Tradition. Im Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten war man noch etwas radikaler, da wurden die die nicht ins Konzept passten mit der Giftspritze oder den Gaswagen "eingeschläfert". Zu ihrem Wohle, versteht sich, denn welchem Epileptiker wollte man schon zumuten, mit seiner Behinderung zu leben.

 

Heute in unserer Gesellschaft geht es natürlich etwas humaner zu. Mit Skalpell und Hormonpräparaten, malträtieren Mediziner Kinder so lange bis sie sie da haben, wo sie nach deren Meinung hingehören. Aus praktischen Gründen "entstehen" dabei fast immer "Mädchen", ist eben leichter einen Penis abzuscheiden, als ihn zu plastizieren.

Das Strafgesetzbuch interessiert dabei niemanden, am allerwenigsten den Staatsanwalt. Denn die Kinder werden schließlich zu ihrem Wohle misshandelt. Und das Kindeswohl hat nun mal oberste Priorität in Deutschland. KZ-Arzt Mengele lässt grüßen.

15.01.2004

 

 


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