Matthias Matussek
Agent provocateur
Matthias Matussek
Eins muss man Matussek lassen, er hat 1997/98 mit seiner etwas holzschnittartig überspitzten Polemik den bundesrepublikanischen mütterideologischen Hühner- und Hahnenhaufen gehörig aufgescheucht. Dabei hat er eigentlich nichts anders gemacht als die "Alle Mütter sind Opfer Lobby" es jahrzehntelang vor ihm betrieben hat, nur eben mal umgedreht. Doch die deutsche Muttilobby versteht keinen Spaß. Bei Hitler, dem großen Mutterkultler wäre Matussek folgerichtig gleich ins KZ eingeliefert worden - R.u. - Rückkehr unerwünscht. Am besten zur KZ-Kommandantin Ilse Koch in Buchenwald, die aus tätowierten Männerhäuten Lampenschirme anfertigen ließ. So was ist ja heute im bundesdeutschen Muttistaat mit seiner jahrzehntelangen Staatsdoktrin der Ausgrenzung nichtverheirateter Väter und ihrer Kinder im Schafspelz des Kindeswohls verkleidet, gottlob nicht mehr möglich, wer weiß, wer sich aus der Regierungsriege sonst alles Lampenschirme mit Matusseks Haut bestellen würde.
01.04.2014
Matthias Matussek
"Die vaterlose Gesellschaft - überfällige Anmerkungen zum Geschlechterkampf", Rowohlt, 1998
"Vaterlose Gesellschaft - Briefe, Berichte, Essays"
Ein Interview mit Matussek in "Paps", 1998, Heft 2
Johannes Ohr (geb. zensiert durch Anordnung des "Berliner Beauftragten für Datenschutz" 1945) - weiterer aufsichtführender Richter am Amtsgericht Wiesbaden / Familiengericht - Abteilung 532 (ab 29.09.2001, ..., 2010) - im Handbuch der Justiz 1988 und 1998 ab 01.07.1977 als Richter am Amtsgericht Wiesbaden aufgeführt. Matthias Matussek: "Die vaterlose Gesellschaft - überfällige Anmerkungen zum Geschlechterkampf", Rowohlt, 1998. 05.02.2008: "An den Deutschen Bundestag -Rechtsausschuss- Betrifft: Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz - FGG-RG) BT-Drucksache 16/6308 ..." - http://www.lag-autonomefrauenhaeusernrw.de/contenido/cms/upload/pdf/Stellungnahme_Ohr01-08MaJu.pdf. 2012: tätig als Mediator - http://www.mediator-finden.de
Der entsorgte Vater
Von Matussek, Matthias
Über feministische Muttermacht und Kinder als Trümpfe im Geschlechterkampf Eine Polemik von Matthias Matussek
Am vierten Tag des Hungerstreiks vor dem Kreuzberger Familiengericht kommt der erwartete Zusammenbruch. Dem Mann mit der Glatze wird schwarz vor den Augen, sein Blutdruck sackt ab, auf seiner Haut bilden sich Ausschläge, eine Welle der Verzweiflung schlägt über ihm zusammen. Der Notarzt stabilisiert und beruhigt ihn. So ist das, wenn der Körper zum Schlachtfeld wird.
Am nächsten Tag sitzt Günter Gempp wieder vor dem Justizgebäude mit der stählernen Würfelskulptur, die so gradlinig und normensicher in der Sonne liegt wie ein unerschütterliches Versprechen auf Gerechtigkeit.
Der hungernde Sozialarbeiter ist kein Fanatiker. Er will den Staat nicht aushebeln, will keine neue Weltordnung. Er will nur eines: seine Kinder Sarah und Fabian wiedersehen. Das verwehrt ihm die Mutter, seit sie sich von ihm getrennt hat. Daß sie das kann, verdankt sie Gerichten wie jenem, vor dem Gempp seine Mahnwache hält.
Ein Mann, der unter der Trennung von seinen Kleinen leidet? Krumme Nummer, hart am Rand des Versagertums, kein Handlungsbedarf. "Was sollen wir machen", sagt ein Richter, der an ihm vorbei zum Dienst schreitet, mit demütigender Lässigkeit. "Sollen wir ihm die Kinder polizeilich zuführen lassen?"
Mehr noch - die Ranküne der Mutter bleibt nicht nur juristisch, sondern auch sozial ungeächtet: Frauenpower! Also streikt Gempp doch: gegen den Staat, gegen das Recht, gegen Gott und die Welt, ein düsterer Freak wie Michael Kohlhaas, allein gegen alle.
Erstaunlich, denn Gempp steht für viele. Es gibt rund eine Million Trennungsväter in Deutschland. Jährlich kommen 100 000 hinzu. Knapp 60 Prozent von ihnen werden nach der Trennung ihre Kinder nicht wiedersehen.
Sicher, es sind verantwortungslose Männer darunter, die sich nicht kümmern wollen. Doch daneben wächst, unbemerkt, ein Heer von verzweifelten Vätern, die als abgeliebter und ausgemusterter Beziehungs-Restmüll allenfalls alimentieren dürfen und ansonsten aus dem Leben ihrer Kinder gelöscht werden wie Unpersonen. Entsorgt von Müttern, die die Kinderliebe der Väter, laut einer Umfrage des "Deutschen Jugend Instituts", als Einmischung in die Erziehung mehrheitlich ablehnen. Die vaterlose Gesellschaft - eine radikalfeministische Utopie wird leise und allmählich Wirklichkeit.
Die Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz. Mutterliebe ist kinoträchtig, Vaterliebe nicht. Millionen heulen in die Taschentücher, wenn Mutterlöwin Sally Field in dem Rührschocker "Nicht ohne meine Tochter" ihr Kind aus der Obhut eines iranischen Vaters entführt. Gempp, dem die Kinder aus dem Leben gerissen wurden, lockt zunächst allenfalls ein paar verwehte Spaziergänger an seinen Klapptisch.
Obwohl seine Kinder in der gleichen Stadt wohnen, sind sie weit weg für ihn, weiter als Teheran, unerreichbar. Keine Entführung war dazu nötig. Nur eine leichthändig-feudale Geste der Mutter, ein genervtes "Keinen Bock".
Wütende Telefonanrufe, ein Streit vor Gericht? Ganz schlecht, denn damit hätte er sich "feindselig" gezeigt. Jugendämter schalten sich ein. Therapeuten werden hinzugezogen, die die "Eignung" des Vaters auf Umgang beurteilen, ergraute Frauenbeauftragte in Birkenstocksandalen schütteln sorgenvoll die Köpfe.
Am besten, so raten Veteranen, blutet man leise und zeigt sich gleichgültig. Gempp gelang die Scharade nicht, paradoxerweise weil er genau der Mann ist, den sich die Frauenbewegung mit großem Tamtam herbeigestikuliert hat: verantwortungsvoll, mitfühlend, männergruppenerfahren, ein Vater, der Anteil nimmt, anstatt sich davonzustehlen.
Was ist da los? War es nicht zunächst die kämpferische Frauenbewegung, die die vaterlose Gesellschaft beklagte und das Desinteresse der Männer an Erziehung? Und nun sind es zunehmend die Frauen, die Väter entsorgen und sie ihren Kindern entfremden? Zeit für eine neue Bestandsaufnahme, für eine Bilanz der Opfer. "Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft", heißt es in Artikel 6 des Grundgesetzes. Nun wird es höchste Zeit, die Väter zu schützen.
Gempp durchlebt die Nachtseite einer Gesellschaft, die das langfristige Projekt Familie durch die kurzfristige Spaßbeziehung abgelöst hat. Die Leidtragenden dieses amourösen Schichtwechsels sind die Kinder - immer öfter wird auch von ihnen verlangt, den abgeliebten Elternteil als verflossene Null zu vergessen.
Doch als ihm seine Partnerin am Heiligabend vor zwei Jahren den Schlüssel zur gemeinsamen Wohnung wegnahm - das Szene-Äquivalent zur Scheidung -, war keine beliebige Szene-Liebe geplatzt, aus der man hinausschlendert; Gempp war Vater, da war plötzlich etwas überraschend Archaisches im Spiel, da ist das Herz altmodischer. Und er wußte, daß seine Kinder ihn vermissen würden, wie er sie vermißte.
Gempp suchte den Kontakt zu seinen Kindern auf Spielplätzen, wo sie ihn als bettelnden Clown erlebten, der alle Demütigungen durch die Mutter hinzunehmen hatte, denn nur als solcher wurde er noch eine Zeitlang geduldet. Andere "entsorgte" Väter wählen noch bizarrere Formen wie Plakate in der Nachbarschaft, um ihren Kindern an der von Müttern verhängten Kontaktsperre vorbei die Botschaft zukommen zu lassen: Papa liebt euch.
Jetzt sitzt Gempp hinter Bergen von hilflos-zornigen Pamphleten und Flugblättern der Selbsthilfeorganisation "Väteraufbruch für Kinder e. V.", der er vor zwei Jahren beigetreten ist. Viel zu spät, sagt er heute. "Jeder Stadtteil hat mittlerweile Frauenbüros, Frauenhäuser, Frauenbeauftragte, alle mit staatlicher Unterstützung, und für Männer gibt es so gut wie nichts."
Ganz bestimmt keine Lobby in Bonn. Während Gempp in Berlin hungert, wird im Bonner Parlament eine Reform zum Kindschaftsrecht verabschiedet, die im Kern eine Verhöhnung von Trennungsvätern ist.
Zwar ist nun das Recht der Kinder auf beide Elternteile formuliert und die gemeinsame Sorge formal auch für unverheiratete Männer wie Gempp vorgesehen - doch die kann jederzeit einseitig aufgekündigt werden. "Ein falsches Wort", sagt Gempp, "und ich sehe meine Kinder nicht wieder."
Seine Ex-Freundin lebt ihre Allmacht übers Kind, die ihr das geltende Familienrecht praktisch in die Hand drückt, als kindischen Machtrausch aus. Sie verlangt ihrem Ex-Partner Demut ab und verachtet ihn dafür und nimmt ihn mit auf ihre Höllenfahrten aus Rache und Gutwetterlaune, in irrationale Loopings, aus denen es keinen Ausstieg gibt, solange er an seinen Kindern hängt und sie den goldenen Schlüssel zu ihnen verwaltet. Gempps Grundgefühl: das der kompletten Ohnmacht.
Die Benachteiligung von unverheirateten Vätern im Familienrecht ist mittlerweile unbestritten. Doch selbst verheiratete Männer haben im Ernstfall keine guten Karten. Mit Gempp zusammen hungert Zmeyko, ein älterer, müder, schlechtrasierter Kellner, von dem sich die Frau vor acht Jahren scheiden ließ.
Auf den Flugblättern, die er verteilt, ist ein Bild seiner Töchter, eine schlechte Kopie. Es sieht aus wie das Foto von Vermißten, von vermutlich Toten. Seit sechs Jahren hat er seine Zwillingstöchter nicht mehr gesehen - nur einmal, für ein paar Stunden vor Gericht, in Anwesenheit eines Jugendamtsvertreters.
Den Grund dafür lieferte die Mutter. Um ihn auf Distanz auch von den Kindern zu halten, behauptete sie, daß ihr Mann, der vor gut 20 Jahren aus Mazedonien eingewandert war, versuchen könnte, mit ihnen in die alte Heimat zu verschwinden.
Zmeykos Beteuerungen, daß er doch seine Töchter nur gelegentlich sehen möchte, helfen ihm in dieser irrationalen Verdächtigungsspirale nichts. Und seit er in einem Telefongespräch mit der Lehrerin seiner Töchter explodierte - sie weigerte sich, ihm über ihre schulischen Leistungen Auskunft zu geben -, ist er als potentiell gewalttätig aktenkundig.
Zmeyko reagiert mit Schriftsätzen, die immer schriller werden. "Faschistoid" nennt er das Vorgehen der deutschen Justiz. "Jede Buschgesellschaft geht menschlicher mit Vätern um."
Beide, Glempp und Zmeyko, können sich ihr Recht nicht erkämpfen, sondern nur mit ihrer Schwäche punkten. Sie wehren sich, indem sie ihre Niederlage verdoppeln, denn "schlimmer kann es ohnehin nicht mehr werden".
Die Männer, die sich nach und nach um die Hungerstreikenden vor dem Kreuzberger Familiengericht sammeln, wirken wie eine düstere Sekte im Untergrund sozialen Dschungelkampfes. Männer in Lederjacken, Studenten in Anzügen, Alternative in Latzhosen. Sie verheddern sich im gewundenen Deutsch von Schriftsätzen, ziehen Behördenbescheide aus der Tasche und zerknitterte Fotos von ihren Kindern, und sie sind vor allem eines: von einer merkwürdigen Sprachlosigkeit.
Sie brechen aus in lächerliche misogyne Tiraden, brechen ab, zweifeln. Merkwürdige Stadtwüstenprediger vor dem adrett gestutzten Rasen, zwischen pünktlich ratternden U-Bahnen und bepflanzten Betonkübeln, stammelnd, als könnten sie immer nur den Zipfel einer verborgenen Wahrheit erwischen: Sie stemmen sich gegen einen öffentlichen Diskurs, in dem sie chancenlos sind. Fest steht immer nur eines: Sie lieben ihre Kinder und dürfen sie nicht sehen.
Sie sind schrill, und sie sind sanft. Einer, ein Schrank von Kerl, betreibt aus einem Neuköllner Hinterzimmer den Internet-Info-Service "paPPa.com", der sich um Gegenöffentlichkeit bemüht. Ein anderer, schmaler Diplomchemiker mit Nickelbrille, engagiert sich in der Zeitschrift "Paps", wo sich sanfte Väter in Naturgestricktem als bessere Mütter beweisen wollen. Doch über all den Versuchen steht dick und fett: NIEDERLAGE.
Sie haben gegen ein Klischee zu kämpfen, das die realen Machtverhältnisse im Familienrecht auf den Kopf dreht. Männer gelten vorzugsweise als rücksichtslose Egoisten, Frauen als Opfer.
Im Kern ist eines klar: Das geltende Familienrecht, vor gut 20 Jahren als sozialliberale "Jahrhundert-Reform" gefeiert, hat seinen Sinn verfehlt, hat sich als Höllenmaschine erwiesen. Es hat zu Egoismus verführt und damit Familien zertrümmert, Väter entrechtet, Tücke belohnt, Güte bestraft und buchstäblich das Schlechteste aus Männern und Frauen herausgeholt. Mit Reformen der Reform versuchte man seither, die schlimmsten Schäden zu begrenzen. Vergebens.
Es war ein Gesetz für den Extremfall. Etwa für eine Frau, die nach 20 Jahren Ehehölle einen Seitensprung riskiert, dabei von den Detektiven ihres Mannes erwischt und schuldig geschieden wird. Sie hätte, nach altem Recht, keinen Anspruch auf Unterhalt gehabt und das Sorgerecht für die Kinder in der Regel verwirkt.
Dieser Frau, so die Reformer, mußte geholfen werden. Von nun an sollte ohne "Schuldprinzip" geschieden werden. Die Ansage der "Zerrüttung" genügt. Automatisch solle der nicht arbeitenden Frau über die Hälfte des Einkommens des Mannes zufallen, auf Jahre, ja Jahrzehnte hinaus, soweit sie sich das Verfügungsrecht über die Kinder sichert.
Die Reform, so zeitgebunden wie Glockenhosen und Abba-Musik, war in einem Kultur-Milieu formuliert worden, das Männer als Unterdrücker, Väter als erziehungsuntauglich und die Familie ohnehin als Keimzelle der Reaktion entlarvt hatte - sie wollte Frauen den Ausstieg erleichtern.
Sie leistete ganze Arbeit: Einem der traditionellen weiblichen Motive zur Eheschließung, dem Wunsch nach Versorgung, wurde nun zeitgemäßer entsprochen - man entkoppelte es von der Loyalitätspflicht. Nun bietet das Gesetz Sicherheit durch einen Familienernährer - ohne den Ernährer. Als Romeo mag der Abgeliebte ja nicht die erhoffte Garantie auf immerwährende Sinnerfüllung und Lebensglück gewesen sein, als entfernter Tributpflichtiger aber ist er durchaus noch einige Jahre brauchbar.
Und er wäre gut beraten, alle finanziellen Ansprüche zu erfüllen - denn nur dann, berichten die Väter vor dem Kreuzberger Familiengericht, haben sie eine Chance, ihre Sprößlinge, womöglich jedes zweite Wochenende, wiederzusehen. Unerwartet hatten die Rechtsreformer Erpressung als profitables Geschäft eröffnet - Vaterliebe ist zur Goldader geworden.
Sie hatten ein Gesetz für besonnenen Gebrauch formuliert - und eine goldgerahmte Einladung zum massenhaften Mißbrauch ausgegeben. Wer auch könnte diesen Sommerschlußverkauf ausschlagen? Allein im vergangenen Jahr waren es 175 550 Ehen, die in die Brüche gingen - neuer Rekord. Jede zweite Großstadtehe wird geschieden, besonders viele innerhalb der ersten sieben Jahre. Und es sind in der großen Mehrheit Frauen, die die Ehe verlassen.
Doppelt so viele Frauen wie Männer reichen die Scheidung ein - für letztere oft eine traumatische Erfahrung: Bei den 40- bis 50jährigen etwa schnellte die Selbstmordquote um das Sechsfache nach oben, so stand es in der Frauenzeitschrift "Brigitte".
In einem "Brigitte"-Dossier spekuliert Familientherapeut Josef Duss-von Werdt: "Frauen sind einfach krisensicherer." Die Gründe für diese größere Krisensicherheit werden allerdings nur in zwei knappen Halbsätzen gestreift. Es sind ja nicht die Frauen, sondern die Männer, die im Fall der Scheidung mit großer Wahrscheinlichkeit die Kinder verlieren und finanziell ausbluten.
In der Therapieszene ist der "Scheidungskrüppel" ein fester Begriff. Er mag sich mit schnellebigen Ersatzbeziehungen trösten - zu einer dauerhaften Bindung, gar einer Wiederheirat ist er weit weniger in der Lage als eine geschiedene Frau. Spöttelt "Brigitte"-Autorin Vera Sandberg: "Männer sind einfach die schlechteren Verlierer."
Als die besseren Verlierer präsentieren sich Frauen nicht immer, denn die Männer, die von sich aus die Ehe kündigen, bekommen die strukturelle Gewalt zu spüren, die der Gesetzgeber in Frauenhand gelegt hat: Kindesentzug, wirtschaftliche Rache.
Zum Kult-Movie ist "The First Wives Club - Der Club der Teufelinnen" avanciert, in welchem verlassene Ehefrauen ihre Männer in den Ruin treiben. In einer "Ersten Hilfe Box für gebrochene Herzen" wird er derzeit vom "Teufelinnen"-Versand der Wiesbadener Journalistin Jasmine Kuster vertrieben - samt einem "Leidfaden", wie dem Ex "das Leben zur Hölle" gemacht werden kann. Etwa: "Soziale Blamage" oder "Verpfeifen beim Finanzamt". Das Konterfei des Abtrünnigen ist als Putzlumpen erhältlich - offenbar hilft es den besseren Verliererinnen, denjenigen zu treten, den sie nicht mehr halten können.
Immer noch gilt, was Goethe in "Dichtung und Wahrheit" notierte: "Die Ursachen eines Mädchens, das sich zurückzieht, scheinen immer gültig, die des Mannes niemals." Trotz allen Gleichheitsgeredes besteht dieser Schein nach wie vor - und wird konsequent genutzt. Heute nämlich sind die "Mädchen", anders als zur Goethezeit, mit wirkungsvollen Sanktionsmitteln für ihre Rachetrips ausgerüstet.
Heute sind es die Männer, die an ihren Ehen kleben und selbst Xanthippen eher ertragen, als sich zu trennen. Die Frauen dagegen, einst Bewahrer der Familie, sind heute viel eher diejenigen, die sie auflösen.
Lauter Opfer, die sich emanzipiert haben? Wie man es nimmt. Da läßt sich eine Frau wegen "seelischer Grausamkeit" von ihrem Mann scheiden, weil er, so ihre Anwältin, nicht die gewünschte Schrankwand angeschafft hatte. "Ein Drittel aller Scheidungen", berichtet "Brigitte", "werden mit Kleinigkeiten begründet."
Zwanzig Jahre nach der Jahrhundertreform ist den emanzipationsbewegten Gesetzesautoren eine völlig neue Klientel zugewachsen: eine unideologische Generation, geformt in einer Gesellschaft, die, wie es Historiker Christian Meier beschreibt, "auf Abbruch lebt", und in der jeder "nur noch herausholt, was herauszuholen ist".
Lässig benutzen die Kriegsgewinnlerinnen von der Scheidungsfront die alten Kampfwörter von den "patriarchalischen Unterdrückern" und die neuen vom "Authentizitätsgewinn durch Trennung", und sie wissen - ihre Machtspiele bleiben ungeahndet, weil sie sich der etablierten Notwehrrhetorik bedienen können wie eines abgegriffenen, aber stets effektiven Fertigbausatzes.
Und die Kinder? Sie sind zum Spekulationsobjekt geworden, mit sicherer Rendite. Ihre Mütter müssen kein Geld verdienen, und sie dürfen darüber jammern, daß sie es wegen der Kinder nicht können. Sie müssen nur dafür sorgen, daß sie die Väter als Miterzieher entsorgen. Solange sie über die Kinder verfügen, zahlen die Männer. Und da zwei Drittel von ihnen mittlerweile selber verarmt sind, tut es der Staat.
Böser konnte ein gutgemeintes Gesetz nicht wirken. Den ohnehin Emanzipierten brachte es kaum Vorteile. Rund 40 Prozent alleinerziehender Frauen beweisen nach einer Trennung über kurz oder lang, daß sich Full-time-Job und Kindererziehung durchaus vereinbaren lassen, so, wie es knapp 80 Prozent der alleinerziehenden Väter ohnehin tun. Doch die unreifen unter den Frauen ermunterte das automatische Alimentierungsversprechen des Gesetzgebers zum unduldsamen Ausbruch aus der Familie, verkümmerte ihren Antrieb zu eigener Erwerbstätigkeit und verwandelte ihre Kinder in Wirtschaftsgeiseln.
Vor allem aber verfehlte es sein populärstes Ziel auf grandiose Weise: das der sauberen, schnellen Trennung.
Nun waten die Richter durch Gülle, besonders im Streit ums Sorgerecht. Viele Väter geben von vornherein klein bei, und sie sind gut beraten, die Kontrollhoheit der Mütter über ihre Kinder gar nicht erst herauszufordern. Im Löwinnenkampf ums Kind ist jedes Mittel recht, denn der raunend beschworene Mutterinstinkt verleiht jeder Skrupellosigkeit höhere Weihen. Der Karlsruher Gerichtsgutachter Ernst Ell schätzt, daß in "jeder dritten Streit-Akte der Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs eine Rolle spielt". Oft sind es staatlich geförderte Frauengruppen wie "Wildwasser e. V.", die suggestiv bei der Indiziensuche gegen Väter helfen. In 95 Prozent der Fälle in Sorgerechtsprozessen sind die Anschuldigungen frei erfunden.
Mißbrauch mit dem Mißbrauch - eine universelle Erfindung und von tödlicher Wirksamkeit, wie der wohl bekannteste Sorgerechtsstreit, der des Filmemachers Woody Allen mit Mia Farrow, zeigt. Jeder Freispruch bleibt schal - Kinder werden in solchen Verfahren psychisch schwer beschädigt, Väter sozial gemordet.
Das Schuldprinzip, das die Gesetzesreformer für abgeschafft erklärten, spült mit Macht zurück in die Verhandlungssäle. Gewalt ist mittlerweile ein wirksamer Routine-Vorwurf. Welcher Richter will die Sorge einem als Gewalttäter beschriebenen Mann anvertrauen?
Selbst eheliche Vergewaltigung gehört bei Sorgerechtsprozessen mittlerweile zum Klage-Repertoire, wie eine Berliner Scheidungsanwältin berichtet - ein praktischer Vorwurf, denn da Zeugnisse Dritter schlecht möglich sind, gilt hier die Anschuldigung gleichzeitig als Beweis.
Eine ihrer Mandantinnen, so die Anwältin, hatte ihrem türkischen Mann damit Gefängnis und Ausweisung beschert. Später gestand sie ihr, daß sie nur hatte Rache nehmen wollen. Sie hatte vermutet, daß er fremdgegangen sei. Die Kinder? Verblieben natürlich bei ihr.
Selten hat eine Rechtspraxis wie die des deutschen Familienrechts so erfolgreich an niedere Instinkte appelliert, an Vernichtungswut und sudelnde Häme. Geahndet werden Falschbeschuldigungen selten, im Gegenteil: Die Sorgerechtsvergabe spricht dafür, daß sie belohnt werden. In 75 von 100 Fällen haben sich getrennt lebende Frauen das alleinige Sorgerecht fürs Kind gesichert.
In Schweden, einem kinderfreundlichen Land mit kinderfreundlichem Rechtsmilieu, ist die gemeinsame Sorge auch nach Trennungen gelebter Regelfall. In Deutschland dagegen ist das Kind ein Besitzstand, den sich überwiegend Frauen sichern.
Die alleinige Verfügung ist das angestrebte Traumziel in den Verfahren. Sie garantiert neben den Alimenten noch einen ganz anderen Vorteil. Nämlich, wie die feministische Rechtsexpertin Sibylla Flügge kritisch anmerkt, die exklusive "Liebe des Kindes, aber auch die daraus resultierende Kontroll- und Herrschaftsgewalt".
Es ist ein Kontrollwunsch, der sich aus der Angst speist, das Kind könne sich dem Vater zuwenden und die Existenzgrundlage gefährden. Und er äußert sich in einem kalkuliert aufgerührten "Mutterkult", der die feministischen Kritikerinnen der ersten Stunde auf die Palme bringt.
Haben sie nicht gekämpft gegen das "reaktionäre" Muttergebrumme und für eine gerechte Verteilung der Erziehungslasten? Haben sie nicht gestritten für die Freistellung von Kindern und Küche, um eigene Karrieren verfolgen zu können?
Es ist eine alleinerziehende Kindergärtnerin, die an den Klapptisch vor dem Kreuzberger Familiengericht tritt und Gempp Mut zuspricht. Und später ist es eine Anwältin, Mutter eines fünfjährigen Sohnes, die ihm vorschlägt, eine Unterschriftenliste auszulegen, um für einklagbare Rechte von Vätern zu streiten.
Sie ist die erste, die sich einträgt. Sie schüttelt den Kopf über Gempps Partnerin. Sie spürt, daß ihre emanzipatorischen Erfolge durch sie denunziert werden. Daß sich in ihrem Windschatten die Heulsusen der Spaßgeneration breitmachen, für die Muttermacht ein teils lebensängstlich, teils zynisch genutztes goldenes Ticket geworden ist.
Zaghaft bildet sich auch öffentlich feministische Kritik an diesen neuen Müttern. "Emma"-Autorin Uta König verging Hören und Sehen, als sie in einer Frauengruppe ihren Entschluß bekanntgab, sich nach 18 Jahren friedlich von ihrem Mann zu trennen und ihm die Sorge für die Kinder zu übertragen.
Die Frauen reagierten empört. Sie hatten, so König in ihrem bemerkenswerten Report, gerade ihren "Mutterinstinkt neu entdeckt, weil er als Waffe brauchbar ist, um den Kindern den Vater zu entfremden oder ihn als ,Störfaktor'' auszulöschen".
Sie entschuldigten die Kontaktsperre mit fürsorgenden "Lächerlichkeiten". Einer der Väter habe die Tochter mit in einen stickigen Baumarkt genommen, wo ein Spaziergang an frischer Luft gesünder gewesen wäre. Dann habe er sie sogar einen Nagel in die Wand klopfen lassen. "Ihr Daumen war ganz blau."
Schließlich platzte es aus einer der Frauen heraus, laut und ziemlich verworren: "Solange wir nicht die Hälfte der Macht in der Gesellschaft haben, geben wir kein Stück von unserer Macht als Mütter ab."
Da ist es heraus, das häßliche Krötenwort: Macht. Macht über Kinder. Macht über die Gefühle des Verflossenen, Macht als Revanche am Mann und als Kompensation womöglich für eine eigene Biographie ohne Vater.
Uta König begriff vor allem zwei Dinge: Diese Frauen haben sich als Mütter "nicht freigemacht von dem unerträglichen Geklammere, unter dem sie doch selber gelitten haben, als Töchter". Und: Ihre "Wut gegen den Mann äußert sich bei diesen Frauen als Wut gegen den Vater des Kindes". Sie besuchen Opfergruppen, wo sie "Selbsthilfe für mehr Selbstmitleid" praktizieren, und berufen sich auf ihre "Natur-Mutter-Macht". Insgesamt ihr Befund: "Jetzt setzen sie alles daran, um ihren Töchtern diese Karikatur von Muttersein als Emanzipation zu verkaufen."
Vor allem ist diese Mutterschaft genau dosiert. Ein Kind ist lifestyle-gerecht. Und ein einziges Kind reicht, um die Freistellung von Erwerbstätigkeit auf Jahre hinaus zu erreichen. So steigt die Zahl der Einzelkinder stetig. Mittlerweile leben in einem Drittel aller Familien in Deutschland Einzelkinder.
Das heimliche Ideal: ein Kind als Teddy und als Tamagotchi, das bei genau bemessenem Pflegeaufwand den erforderlichen Unterhalt abwirft und jene Zufuhr an Wärme und Beziehungsseligkeit leistet, die im leeren Single-Alltag nicht ausreichend befriedigt wird. Psychologen sprechen inzwischen von einer "Entkindlichung der Kindheit".
Mittlerweile lebt jede vierte Familie ohne Vater. Es gibt 1,7 Millionen Trennungs- und Scheidungskinder. Jedes Jahr kommen rund 150 000 hinzu, viele im Vorschulalter. Rund ein Drittel aller Kinder sind zum Zeitpunkt der Trennung jünger als drei Jahre - viele Frauen fliehen die Ehe, sobald ihr Versorgungsanspruch zur Welt gekommen ist.
In diesem Trend steht Deutschland beileibe nicht allein, und am Beispiel der USA läßt sich ein Blick in die Zukunft werfen, wo nur noch 51 Prozent aller Kinder mit beiden Eltern zusammenleben. Hier ist es die "welfare mom" in den schwarzen Ghettos, die Teenager-Mutter der weißen Trailer-Parks, die mit der Geburt eines Kindes das Recht auf eigene Wohnung und bescheidene, aber stetige Sozialhilfe erwirbt - eine gesellschaftlich durchaus akzeptable Karriere.
Auch in Amerika werden Väter ausgegrenzt: Jedem dritten nicht sorgeberechtigten Vater wird dort von der Mutter der Zugang zu seinen Kindern verwehrt.
Doch anders als bei uns hat man dort die vaterlose Gesellschaft als gesellschaftliche Katastrophe erkannt. In jeder zweiten Fernsehansprache appelliert der Präsident an die Familienwerte, und die schwarzen Reverends in den Ghettos richten sich an die Väter, Verantwortung zu übernehmen - und an die Mütter, den Vätern die Chance dazu zu geben.
Amerikanische Soziologen haben längst begonnen, die Verheerungen einer vaterlosen Gesellschaft zu untersuchen. Aus vaterlosen Familien stammen in den USA
* 63 Prozent der jugendlichen Selbstmörder,
* 71 Prozent der schwangeren Teenager,
* 90 Prozent aller Ausreißer und obdachlosen Kinder,
* 70 Prozent der Jugendlichen in staatlichen Einrichtungen,
* 85 Prozent aller jugendlichen Häftlinge,
* 71 Prozent aller Schulabbrecher,
* 75 Prozent aller Heranwachsenden in Drogenentzugszentren.
Nicht im satten, gelähmten Deutschland, sondern in Dänemark ging man daran, den Wert der Väter bei der Erziehungsarbeit zu ermitteln. Das Sozialforschungsinstitut in Kopenhagen hat Vergleiche zwischen alleinerziehenden Müttern und Vätern angestellt. Es kam zu einem verblüffenden Ergebnis. Es sind die Väter, zu denen die untersuchten Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren ein "weniger problematisches Verhältnis" haben.
Alleinerziehende Väter, so die Studie, sind toleranter, neigen weniger zu Wutanfällen und strafen weniger, um Konflikte zu lösen. Für Kinder, die bei ihren Müttern leben, war ein generöses Umgangsrecht mit den Vätern lebenswichtig. "Kinder mit hochinvolvierten Vätern wurden besser stimuliert, was unter anderem an schulischen Leistungen abzulesen war."
Obwohl es in Deutschland vergleichbar intensive Forschung noch nicht gibt und obwohl das Elend zerrütteter Familien bräsig ignoriert wird, melden sich auch hier Experten, die Alarm schlagen.
Selbst das linke Milieu wacht auf. "Wenn die Familie kein durch Moral und Gesetz geschütztes Gehege für unsere Küken ist", schrieb der Medizinsoziologe Alexander Arenberg in der "Tageszeitung", "werden die Küken zu Geiern."
Wie kann es auch anders sein: Eine Gesellschaft, in der die Eltern die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung als Lebensrecht propagieren und jeden Frust vermeidend aus ihren Beziehungen fliehen, brütet traurige, ichschwache Null-Bock-Treter aus. Die gestiegene Bereitschaft Jugendlicher zur Gewaltkriminalität in Deutschland - sie explodierte in den letzten fünf Jahren um über 100 Prozent - ist auch ein Echo auf die seelische und emotionale Verwahrlosung der Elterngeneration.
Die sanfte Gesellschaft, die manche Theoretiker irgendwann außerhalb der verachteten patriarchalischen Familie vermutet hatten, hat sich verkalkuliert. Sie steuert auf eine Katastrophe hin. Und ihre Vermeidungsstrategien sind nicht minder katastrophal.
Als blanker Hohn muß es auf ausgegrenzte Väter wie Gempp wirken, daß es in Großstädten wie Düsseldorf mittlerweile Initiativen gibt, die den alleinerziehenden Müttern "Väter auf Zeit" vermitteln. Es ist das Lebensborn-Prinzip in der matriarchalischen Variante: Die leiblichen Väter werden chancenlos gehalten, ein staatlich finanzierter Stunden-Papa tut''s auch.
Wenn Arbeit, wie die Feministin Helen Wilkinson ausführt, eine "wichtige Identitätsquelle" für junge Frauen darstellt, warum, so fragt sich Gempp, kämpfen junge Frauen bis zum Meineid um das Recht, als Alleinerziehende zu Hause zu bleiben und ihre Kinder großziehen zu dürfen, und nicht im Gegenteil darum, getrennte Väter einzubeziehen, um Zeit für eigene Karriere zu schaffen?
Vor allem aber: Warum ignorieren sie die Sehnsucht ihrer Kinder nach dem Vater? Warum verkrüppeln sie ihnen das lebenswichtige Gefühl, von ihren Vätern geliebt zu werden?
Die Antwort klingt bizarr: Auch die jungen Klammermütter sind zum großen Teil Opfer. Sie sind Gefangene des Systems, Geiseln eines ideologischen Trends, Verführte im falschen Sirenengesang des Scheidungsrechts.
Sie sind eingebettet in eine florierende Beratungsindustrie von Frauenbüros und Frauenbeauftragten. Sie verlieren ihre eigene Sprache in der funkelnden Egoismus-Theologie von Modetherapeuten und der eingeschliffenen Kampfmechanik von Anwälten, Rächerinnen und Leidenden, die ihren Verzicht auf Ausgrenzung und Drangsalierung des Mannes als Verrat an der eigenen "Emanzipation" brandmarken würden.
Die schrille Mißbrauchsfolklore, die heute Prozeßroutine geworden ist, bietet nicht nur skrupellosen Abzockerinnen eine sozial akzeptable Maskerade zum Ausstieg, sie entwickelt ihren Sog auch auf schlicht irritierte, hilfesuchende, versöhnungsuchende Frauen.
Statt Konfliktberatung und Partnertherapie anzusteuern, die in anderen Ländern obligatorisch ist, fühlen sie sich aufgefordert, den Scheidungsknüppel zur Selbstversorgung zu schwingen und mit dröhnender Propaganda gegen seelisch verrohte Männer ihren Vorteil zu suchen.
Dann sind sie reif für Organisationen wie "Forte".
Das Büro des Berliner Vereins "Forte" ist ein Schützengraben im Beutekrieg. Kaputte Klingel, fleckige Auslegeware und bleiches Licht über Broschüren, die Rechtshilfe und Karate anbieten. Wie üblich in der Selbsthilfe-Subkultur ist auch "Forte" ein drastisches Akronym. Es steht für "Frauen ohne Recht nach Trennung und Ehe". "Ein Name aus der alten Kampfzeit", sagt die Chefin, Frau Skrowonnek, entschuldigend, als wolle sie ihn entschärfen für Nichtinitiierte - Männer verirren sich selten hierher.
Sie ist Gründungsmitglied, eine energische 70jährige, die alles gesehen und alles erlebt hat - vor allem drei Ehen und einen "endlosen Streit ums Geld". Ihr Leben: ein Kampf gegen Ex-Männer, dessen Dauer darauf schließen läßt, daß er es, jenseits von Siegen oder Niederlagen, mit Sinn erfüllte. Ihr Fazit: "Die Zweierbeziehung ist die beschissenste Art des Zusammenlebens, die es gibt."
Sie ist selbst dann noch beschissen, wenn frau sie beendet hat: Seit 16 Jahren streitet sie mit ihrem letzten Mann um den Unterhalt. Eigentlich stünden ihr über 5000 Mark zu. "Doch er hat mich auf 3300 runtergebracht." Ihre kalte Erbitterung läßt ihn zum Wicht schrumpfen. "Er hat geweint", sagt sie angeekelt. "Er meinte, er könne die Last nicht mehr tragen, und er ist damit durchgekommen."
Andere sollen es besser haben, deshalb gibt es "Forte". Die Vereinsbroschüre liefert das Drehbuch für die perfekte Scheidung. Von Kindern und ihren Nöten ist darin nicht die Rede. Sie tauchen allenfalls als "Berechnungsgrundlage" auf. Das Heft, dessen Druckkosten von der "Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen" übernommen wurde, verrät Tricks für den Erstschlag im durchaus konspirativen Krimijargon.
Als sei eine Scheidung keine Familien-Tragödie, sondern ein sorgfältig vorzubereitendes Schnäppchen, empfiehlt die "Forte"-Broschüre trennungswilligen Frauen nicht Partner-Therapie, sondern die "Sicherstellung von wichtigen Dokumenten". Sicherstellung? "Na ja", erläutert Frau Skrowonnek, "der Ehemann ist ja wohl nicht immer zu Hause, der muß ja auch auf Arbeit." Die meisten sind sowieso ahnungslos.
Wichtige Dokumente, so die Bros chüre, sind vor allem "Gehaltsabrechnungen, Steuerbescheide der letzten 2 oder 3 Jahre, Vermögensnachweise wie Sparbücher, Festgeldeinlagen, Depotauszüge", denn danach bemißt sich die zu erwartende nacheheliche Tantieme. Da es auch mißtrauische Männer gibt, wird den Frauen vor dem entscheidenden ersten Schachzug geraten: "Fertigen Sie Fotokopien von allen Unterlagen, die Sie im Original nicht entnehmen können."
Dann, so immer noch die vom Senat geförderte Broschüre, gehe es um das "Sichern von persönlichen Vermögenswerten". Also: Rechtzeitig Schmuck beiseite schaffen, eigene Sparbücher, eigene Depots - man hat es schließlich mit einem hinterhältigen Feind zu tun.
Wer die Broschüre von "Forte" liest, sollte, angesichts der Scheidungsquoten, keine Illusionen mehr über die Ehe hegen. Männer sollten spätestens nach dem Verfliegen der ersten Verliebtheit beginnen, für abschließbare Schränke im Haushalt zu sorgen und ansonsten versuchen, die Ehefrau stets bei guter Laune halten. Bei wirklich guter Laune. Stichwort: Schrankwand.
Besser noch: gleichzeitig mit dem Heiratsantrag einen vorbereiteten Ehevertrag präsentieren - vor dem Jawort das Geschacher, so romantisch wie die Tarifverhandlungen der ÖTV. Und das nicht aus Geiz, sondern um - für Regentage in der Ehe - den Anreiz zur Familienzertrümmerung zu nehmen.
Die "Forte"-Broschüre liest sich wie ein Handbuch zur Wirtschaftskriminalität. Und sie verrät, wozu Männer im Falle der Scheidung in der Lage sind: "Sie verschleudern vorsätzlich vorhandenes Vermögen", ja, manche Freiberufler führen ihr "Unternehmen in den Konkurs", und Angestellte "machen Schulden", all das, um Frauen zu schädigen. Frau Skrowonnek kann ein Lied davon singen.
Überhaupt kein Verständnis hat sie für Männer, die "ganz gezielt in die Arbeitslosigkeit gehen, um sich vor dem Unterhalt zu drücken". Das ist so was wie Selbstverstümmelung an der Front. Desertion. Pfui.
Nun gilt es also, Schlupflöcher für zahlungsunwillige Väter aufzuspüren und zu verbauen. Frau Skrowonnek ist im Kampf gegen ihren Mann zur Expertin geworden, und ihr Zynismus ist der einer überkochenden Scheidungsindustrie, die nicht nur das familiäre Gewebe zerstört und Tugenden wie Loyalität und Toleranz als Dummheit verhöhnt, sondern den Sozialstaat extrem belastet.
In vielen Fällen treffen sich Eheleute, die über ein ausreichendes gemeinsames Familieneinkommen verfügt haben, nach ihrer Trennung auf dem Sozialamt wieder.
Viele Familien leben an oder unter der Armutsgrenze, oft mit Partnern, von denen mindestens einer geschieden ist und eine Erstfamilie zu versorgen hat. Die Zahl der auf Scheidungskosten zurückzuführenden Bankrotte kleiner und mittelständischer Familienbetriebe nimmt rasant zu.
Das Scheidungsrecht ermutigt das Prinzip Brandrodung, ermuntert zum Vernichtungskampf mit Blick auf den kurzfristigen Gewinn, ohne Rücksicht auf die katastrophalen Folgeschäden. Wie kann in einem solchen Rechtsmilieu den Kindern anderes vermittelt werden als Haß, Raffgier und Tücke?
"Forte" berät, und Frau Skrowonnek ist kompetent. Ja, sie hat aus der Verfolgung ihres Mannes einen Beruf gemacht, und das Gefühl, um ihren gerechten Anteil an seinem Verdienst betrogen worden zu sein, gibt ihr Schubkraft.
So wie bei jener Ärztin, die ihrem Mann im Laufe der Jahre mit 21 Anwälten zugesetzt hat. Er steht derzeit vor dem Konkurs. "Sie arbeitet nicht mehr als Ärztin, sie hat einen neuen Beruf", sagt er sarkastisch. "Sie sitzt in ihrer Villa, schreibt Schriftsätze und konferiert mit Anwälten." Natürlich erschwert sie ihm den Umgang mit den Kindern, wo sie nur kann. Und die Richter? "Sie sagen, sie hat einen Anspruch darauf."
Sie hat einen Anspruch. Kein Wort hat in einem Wohlfahrts- und Versorgungsstaat größere Magie. Es ist ein sozialdemokratisches Totemwort, verehrt und angestarrt und durchaus in der Lage, sämtliche Lebensanstrengungen zu bündeln.
Einen Anspruch. Bei Frau Skrowonnek hat das Wort die triumphierende Wucht einer Wunderwaffe. Sie muß nur richtig positioniert werden, und hier kommen die Kinder ins Spiel. "Eine Frau darf nie ihre Kinder zurücklassen", sagt sie, "denn dann hat sie ganz schlechte Karten im Kampf ums Sorgerecht." Und nur ein siegreicher Kampf an dieser Front garantiert fortlaufende Bezüge.
In einer geglückten Trennung nach "Forte"-Drehbuch kehren Männer von der Arbeit zurück und finden leergeräumte Spielzimmer vor. Der erste, kühne Zugriff entscheidet. Und die Väter, sofern sie nicht an Rückentführung denken, haben die Kinder verloren, denn die Behörden geben dem das Sorgerecht, der sie für längere Zeit bei sich hat.
Frau Skrowonnek ist kein Fan gemeinsamen Sorgerechts. Da müsse frau dann immer "dem Mann hinterherlaufen". Im übrigen: "Wenn das Kind die Hälfte der Zeit beim Vater ist, verliert die Frau ihre Unterhaltsansprüche."
Von Männern spricht Frau Skrowonnek als "Kerlchen", während sie in ihrer Broschüre als "Herren der Schöpfung" apostrophiert werden. Männer werden in der "Forte"-Perspektive entweder unterschätzt oder überschätzt, Mitmenschen auf Augenhöhe sind sie so gut wie nie.
Doch am Ende ihrer Tirade wird Frau Skrowonnek überraschend leise. Vielleicht ist es eine kurzfristige Ermattung, vielleicht aber auch eine über Jahre gewachsene, heimliche Erkenntnis. Sie sagt: "Die jungen Dinger sollen sich mal zusammenreißen und nicht bei der ersten Frustration abhauen - eine Familie gibt Halt."
Eine unpopuläre Erkenntnis dieser Tage, wie die Autorin Karin Jäckel erfahren hat.
Karin Jäckel ist eine starke Frau, in jeder Hinsicht. Sie hat drei Kinder großgezogen, 60 Bücher verfaßt und einen Mann, den sie noch nach 25 Ehejahren zu Liebesgedichten inspiriert.
Sie ist opulent, eine Zigeunerin in der braven Provinz von Oberkirch, ein kreatives Kraftwerk mit schweren Granatringen und rasselnden Goldarmbändern und einem Hang zu Bauernkeramik. An ihrem Arbeitszimmer hängt das Schild "Schuld abladen verboten".
Seit 25 Jahren verheiratet? Was ist da faul? "Ehe ist Arbeit", sagt sie trocken, "aber eine, die sich lohnen kann." Die Familie ist so gut eingespielt, daß Karin Jäckel mehrere Stunden am Tag Zeit für ihre schriftstellerische Arbeit findet.
Einer ihrer Bestseller beleuchtete die Schicksale von Priesterkindern. Sie brachte die katholische Kirche damit auf die Palme und begeisterte vor allem weibliche Rezensenten.
Mit ihrem neuesten Buch allerdings hat sie Todeszone betreten, das ewige Eis stiller Ablehnung, die komplette Echo-Losigkeit selbst unter ihren Bekannten in der Provinz. Sie hat sich mit einem mächtigen Feind angelegt: der Frauenbewegung.
Ihr Buch heißt "Der gebrauchte Mann. Abgeliebt und abgezockt - Väter nach der Trennung".
Karin Jäckel schildert Fälle wie den von Frank, den die Frau nach elf Jahren wegen eines anderen verlassen hat. Sie war es müde, Franks schmutzige Socken zu waschen. Doch selbst wenn Frank nur saubere Socken in die Wäsche gegeben hätte, hätte seine Frau der Verlockung wohl nicht widerstanden, ihre Amouren mit dem neuen Freund, einem Franzosen, mit Franks Geld zu finanzieren.
Während seine Frau von seinen Überweisungen ein Haus bauen will, wohnt er in einer Bude mit Kochecke und Duschklo, weil er sich nichts anderes mehr leisten kann. Und wenn er abgekämpft von der Arbeit kommt, sieht er an Kiosken Illustriertentitel wie: "Väter - das faule Geschlecht".
Am schlimmsten für ihn: Die Ex-Frau verweigert ihm, mit allen möglichen Verfahrenstricks, den Umgang mit seinem Sohn. Als der einmal zu ihm flüchtete, ließ sie ihn gewaltsam abholen. Noch Wochen hörte er in der Erinnerung seine Schreie.
Kurz, Frank ist fertig. Seine neue Freundin muß mit Resten vorliebnehmen: mit einem Mann, der sich nicht mehr traut, echte Bindungen einzugehen, Kinder zu zeugen. Möglicherweise wird sie das gründen, was in Los Angeles der "Second Wives Club" heißt - eine Selbsthilfegruppe der Zweiten-Ehe-Frauen, die gegen die Raffgier und Drangsalierungen der ersten mobil machen.
Franks geschiedene Frau hingegen kann mit Applaus rechnen. Sie hat nicht unverantwortlich und egoistisch gehandelt. Im Gegenteil. Modernen Beziehungstheoretikern wie Anthony Giddens zufolge hat sie mit ihrem Partnerwechsel einen entscheidenden "Individualisierungsschub" geleistet. Sie hat einen "Zuwachs an Authentizität" erfahren, weil sie ja den "Selbstverständlichkeitspanzer" ihrer Ehe geknackt hat.
Während sich das therapeutische Neusprech-Gequassel narkotisierend über den Skandal dieser gesellschaftlichen Verrohung legt, lenkt Karin Jäckel die Aufmerksamkeit auf die heranwachsenden Opfer. Es sind ihre Protokolle, die in ihrem Buch zu den erschütterndsten gehören, ein Stimmenkonzert aus trauriger Illusionslosigkeit und unkindlicher Abgebrühtheit, aber auch vergeblicher Friedenssehnsucht, das da aus Scheidungs-Schlachtfeldern und familiären Trümmerlandschaften aufsteigt.
Da ist die 15jährige Inge, deren Mutter sich wegen "seelischer Vernachlässigung" scheiden ließ. "Ich finde, es sollte ein Gesetz geben, das es den Eltern verbietet, sich scheiden zu lassen. Leute, die Kinder haben, sollen mindestens so lange zusammenbleiben, bis die Kinder groß sind."
Oder Rosi, die 10jährige, die mit Mutter und Großmutter zusammenlebt: "Wenn ich groß bin, heirate ich einen reichen Mann. Er muß mich sehr lieben. Er muß alles machen, was ich will. Und er darf keine andere angucken. Wenn er das tut, lasse ich mich scheiden. Dann kriege ich die Hälfte von allem. Und er kriegt den Ärger."
Karin Jäckel polemisiert mit ihrem Buch nicht nur gegen ein Gesetz, das Frauen unterfordert, indem es ihnen den Ausbruch aus der Ehe und die Zertrümmerung der Familie mit grenzenloser Allmacht belohnt, sondern auch gegen die Kultur, die diese Gesetze und ihren Mißbrauch erst ermöglicht.
Sie polemisiert gegen den alten ideologischen Schwanz-ab-Feminismus, der im Mann den Feind sah, genauso wie gegen den neuen Girlie-Feminismus, der den Schwanz sozusagen ganz unideologisch stehen läßt, aber den Rest für dumm und verzichtbar hält.
Die Frauenbewegung, die einst erfolgreich um die Gleichstellung in der Arbeitswelt stritt, ist für Karin Jäckel heute nahe am intellektuellen und moralischen Bankrott und erschöpft sich in bösartigen kontrollsüchtigen Lächerlichkeiten.
Da ist etwa die Gesetzesinitiative einer SPD-Abgeordneten zur Haushaltspflicht für Männer. Wunderbare Vorstellung: Da kassiert der Schichtarbeiter, der nach Hause kommt, von der Frau das Strafmandat wegen vorsätzlich unterlassenen Teppichsaugens oder böswilliger Mißachtung schmutziger Teller. "Die Abgeordnete selber übrigens läßt sich von ihrer Mutter die Wäsche bügeln", erzählt sie kopfschüttelnd.
"Die grenzenlose Verächtlichmachungung der Männer in den achtziger Jahren" (Jäckel) ist mittlerweile zum amüsierten Gesellschaftsspiel geworden, an dem ironischerweise Männer mitwirken.
Die überlassen es meistens wiederum Frauen, über Familienprobleme zu reden und zu schreiben, und räumen ihnen die Deutungshoheit freiwillig ein. "Und dann stehen sie an der Seitenlinie und nicken onkelhaft und gutmütig noch die dämlichsten Verhöhnungen ab."
Oder sie liefern tränenschlierige Interviews mit gutverdienenden Prominenten wie Hillu Schröder, die es schafft, ihre Rachsucht in der Scheidungsschlammschlacht gegen ihren Mann als Notwehr und sich als Opfer zu vermarkten. Pikanterweise outete sie ihr Kaschmir-Elend, die Unterversorgung ihrer erwachsenen Kinder, ihrer Pferde, ihrer Hunde, zunächst in einer Obdachlosenzeitung.
Es sei Zeit für einen neuen Ruck, einen Paradigmenwechsel, sagt Karin Jäckel. Und der müsse auch von Frauen ausgehen. Es geht darum, "daß wir aufstehen, um das zu schützen, was Emanzipation meint, nämlich praktizierte Partnerschaft und Liebe jenseits von Ex-und-hopp".
Damit liegt sie nicht gerade im Trend. Wie wenig, das spürt sie jetzt mit ihrem neuen Buch. Es kommt mit einem ketzerischen Vorschlag: Wie wäre es, fragt Jäckel, mit ein bißchen mehr Anerkennung für jene Frauen, die sich entschließen, ihre Kinder innerhalb der Familie, gemeinsam mit dem Vater großzuziehen?
Das Buch heißt "Die Frau an seiner Seite" und schildert geglückte Biographien von Frauen, die mit ihren Männern durch einen Familien-Alltag marschieren, der nicht immer nur Rosen bedeutet. Während "Der gebrauchte Mann" immerhin zur Drucklegung kam, stieß dieses schon als Manuskript auf Widerstand.
"Nicht geeignet zur Veröffentlichung", befand die Lektorin des dtv-Verlages in München, und, wie eine gestrenge Deutschlehrerin, "am Thema vorbei". Die Lektorin sah in Jäckels Manuskript ein "Lamento über den armen verunsicherten Mann" sowie einen "Rundumschlag gegen die Emanzipation". Besonders für "Frauenzeitschriften" sei das uninteressant. Die Lektorin fordert die Autorin abschließend ultimativ auf, "im ganzen die Tendenz zurückzunehmen, die ich oben erwähnt habe", kurz: Sie forderte Karin Jäckel auf, ein anderes Buch zu schreiben, eines, das sie selber gern verfassen würde.
Mittlerweile befaßt sich eine andere Lektorin mit dem Projekt. Es soll nun im nächsten Jahr erscheinen. Dennoch sieht Karin Jäckel in diesem Zensurversuch die totalitäre Unterseite feministischer Befreiungslitanei, die "mittlerweile eine Macht" darstellt.
Ein neues Familienrecht muß her, sagt sie, und die Voraussetzung dafür ist ein neuer Diskurs der Geschlechter. "Die Welt", schreibt sie, "braucht nicht nur einen neuen Mann und Vater, sondern auch eine neue Frau und Mutter."
Vor allem aber braucht sie reife Partner, die kapieren, daß Frustrationen und Streit zum Leben gehören - und die Beständigkeit, sie auszutragen, zur Liebe, zur Ehe - und erst recht zur Familie.
Günter Gempp übrigens hat nicht umsonst protestiert. Der öffentliche Druck und die Vermittlung einer gemeinsamen Freundin haben seine Partnerin vorübergehend erweicht. Er durfte mit seinen Kindern eine Woche lang in den Urlaub fahren - eine Woche wieder Vater sein.
DER SPIEGEL 47/1997
17.11.1997