Overprotectnes

Überbehütung


 

 

Überbehütung (Overprotectnes) ist eine klassisch weibliche Form von Kindesmisshandlung. Sie fällt mit der gesellschaftlichen Zuweisung der Zuständigkeit von Müttern für die Betreuung und Pflege der Kinder zusammen. Jungen und Mädchen sind um so gefährdeter, um so geringer die Einbindung der Mutter in außerfamiliäre Zusammenhänge sind. Kinder alleinerziehender Mütter sind stärker gefährdet als die Kinder bei denen der Vater präsent ist. Overprotectnes wird von Außenstehenden häufig nicht als solche wahrgenommen, weil sie im Gewand einer guten und fürsorglichen Betreuung des Kindes durch die "gute Mutter" daher kommt.

Overprotectnes erzeugt beim Kind (verdrängten) Ärger und Wut und weckt Schuldgefühle gegenüber der misshandelnden überbehütenden Person. Psychosomatische Symptome beim Kind wie z.B. Asthma können eine Folge sein.

 

In der vom Bundesfamilienministerium geförderten Broschüre 

"Kindesmisshandlung, Erkennen und Helfen"

Hg. Kinderschutzzentrum Berlin, Berlin 2000, 8. überarbeitete Auflage, 156 Seiten, ISBN 3-00-006109-6  

wird "Überbehütung" nicht als eine mögliche Form von Kindesmisshandlung erwähnt, obwohl die Folgen nicht weniger gravierend sein können wie bei einer Kindesvernachlässigung. Über die Gründe kann hier nur spekuliert werden, vielleicht deshalb, weil nicht wenige Professionelle selbst unter Overprotectnes gelitten haben und sie daraus eine entsprechende Wahrnehmungsstörung entwickelt haben.

 

 


 

 

 

"Weiblicher Narzissmus. Der Hunger nach Anerkennung

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Essen hat aber nicht nur eine vermeidende Bedeutung im Sinne von Diäthalten und Nicht-dick-werden-Wollen, sondem auch eine fürsorgliche. Eine >gute Mutter< sorgt für ausreichende Ernährung und erhält zudem eine narzißtische Gratifikation, indem sie ihres Essens wegen geliebt und gelobt wird. Berichte von Patientinnen bestätigen die ständige Versorgung durch die Mutter mit Essen, gegen die sie sich kaum zu wehren wissen. Sie bekommen >Freßpakete< geschickt und werden >wahnsinnig verwöhnt<, wenn sie die Mutter besuchen. >Liebe geht durch den Magen<, besonders, wo sie sonst keinen Ausdruck findet.
»Ich fand das alles zum Kotzen«, sagte eine Betroffene, die von frühester Kindheit an die Erinnerung hat, ständig von ihrer Mutter etwas in den Mund gestopft bekommen zu haben. Sie konnte dieses Überfüttertwerden nicht aushalten und so fing sie an zu erbrechen . Andere Frauen reagieren auf die Überfürsorge mit Verweigerung des Kontakts oder überstarker Abgrenzung. Diese werden ebensowenig direkt geäußert, da das Beziehungsmuster zwischen den Töchtern und den Müttern dies verhindert. Vielmehr wendet sich der untergründige Arger in trotziges Verhalten. Betrachtet man einmal die Situation, in der sich die Mutter befindet, so ist diese sowohl durch eigene unbefriedigte Wünsche und Vorstellungen als auch durch unhinterfragte gesellschaftliche Konventionen geprägt. In vielen Fällen entscheidet sich die Mutter aufgrund der Schwangerschaft gegen ihren Beruf und stellt ihre ursprüngliche Lebensplanung zugunsten von Familie und Kindererziehung zurück. Sie erlebt diese Entscheidung sehr ambivalent und hat oft den Verdacht, etwas versäumt zu haben. Häufig sucht sie dann in ihrer Mutterrolle eine Kompensation für unbefriedigt gebliebene Wünsche und übt Macht innerhalb des Familiensystems aus. Sie kontrolliert die Familienmitglieder durch totale Versorgung und Hilfe bei allen Entscheidungen. Da die Mütter ganz in ihrer Rolle aufgehen, ist jede Unabhängigkeitsbestrebung der Tochter für sie mit Angst und Verlust der Einflußnahme und Macht verbunden. Durch die Ablösung der Tochter wird sie sich ihrer eigenen Wert- und Funktionslosigkeit bewußt, die sie mit der Aufopferung an das Muttersein ausgeglichen hat. Dieselbe Einmischung und Überfürsorge können jedoch auch Mütter zeigen, die beruflich tätig sind und darin auch eine Erfüllung finden. Sie sind nicht dagegen gefeit, ihrer Tochter Vorschriften für ihr Leben zu machen oder Entscheidungen für sie zu treffen. Denn diese Prozesse laufen teilweise unbewußt ab, und die Mütter spüren erst spät, wie stark sie sich an ihre Töchter gebunden haben. Die Mutter, die keine belohnende Arbeit außer Haus hat, wird in noch höherem Maße ihre Kompetenz in der guten Erziehung ihrer Kinder und einer perfekten Haushaltsführung suchen. Konsequenterweise werden damit Essen, Sauberkeit und Nettsein die Bereiche, auf die die Mutter Einfluß hat und die zu Auseinandersetzungen mit der Tochter führen."

 

aus: 

"Weiblicher Narzissmus. Der Hunger nach Anerkennung"

Bärbel Wardetzki, Kösel, 1991, ISBN 3-466-30320-6, 32 DM

Seite 104-105 

 

 

 


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