Rechtsextremismus und Vaterschaft


 

 

 

Kein Vater, kein Sohn

"Der verlorene Sohn - er ist nach schwerem Weg heimgekehrt"

Der Dokumentarfilm ´Verlorene Söhne` zeichnet das Doppelbild des Antifaschisten Hans Canje und seines sohnes Ingo Hasselbach, ehemaliger Neonazi"

Angelika Nguyen

in: "Disput" Mitgliederzeitschrift der PDS, 9/2001, S. 32-33

 

"...

3. Kein Vater, kein Sohn

Ingo Hasselbach als leiblicher Sohn eines Antifaschisten wurde nicht aus Überdruss der ewig gleichen Leitbilder des Vaters Neonazi. So einfach war das nicht. Was auf den ersten Blick wie ein Vater-Sohn-Konflikt aussieht, ist keiner: Ingo hatte Hans nie als Vater und Hans ihn nie als Sohn. Sie wurden früh getrennt. Es folgten das Versagen einer Mutter, die aggressive Eifersucht eines unreifen Stiefvaters. Diese beiden Menschen waren in erster Linie lieblos und erst in zweiter Linie SED-Mitglieder. Die politische Angepasstheit jener Menschen, die ihm Liebe versagten, hatte Ingos Feindbild DDR nachhaltig geprägt. Uber die Ursprünge seines rechtsextremen Weltbildes sagt Ingo Hasselbach: »Ich wurde im Hochsicherheitstrakt mit solchen Altnazis wie dem Mörder von Oradour, Heinz Bart und Henry Schmidt, Gestapochef von Dresden, zusammengebracht. (...) Die hätten gar nicht so viel machen müssen. Zu dieser Zeit war es eigentlich egal, wer da gekommen wäre, Hauptsache, das war nichts, was mit Antifaschismus zu tun hat. Es hätten wahrscheinlich auch die Scientologen sein können.«

Zu dieser Zeit wird mit Mutter und Stiefvater nicht mehr geredet, Hans Canje ist weit weg. Er, der Chef des Jugendradios, besucht seinen jugendlichen Sohn nicht im Gefängnis. Wer ruft »Die Mauer muss weg«, der ist nicht mehr sein Freund. Teuflische Kontinuität. Die Abwesenheit des Vaters im Leben des Kindes setzt sich, als es dringender denn je Rückhalt braucht, bei dem Jugendlichen fort. Wer statt dessen mit ihm sprach in dieser Zeit, waren die Alt-Nazis Bart und Schmidt.

Der Weg des Ingo Hasselbach in die Führungsgremien der Neo-Naziszene des vereinten Deutschland hat eine private und eine höchst politische Seite.

...

Das Beispiel Ingo Hasselbach entmystifiziert die Aura von Nazis, dass sie Tiere seien oder Ungeheuer...

Hans Canje deutet dasselbe an, indem er schonungslos und offen darüber spekuliert, was aus ihm selbst geworden wäre, wenn es das faschistische Deutschland weiter gegeben hätte: »Ich hätte einer von diesen fanatisierten Hitlerjungen werden können. Ein Killer.«

Im Film gab es kein Happy End, aber in Wirklichkeit.

Zwei denkende, politisch engagierte Menschen haben sich wiedergetroffen, sie sind Vater und Sohn geworden. Ingo Hasselbach ist, um bei dem biblischen Bild vom »Verlorenen Sohn« zu bleiben, nach einem radikalen, schweren, bitteren Weg heimgekehrt."

 

"Disput" Mitgliederzeitschrift der PDS.

Redaktion: 030-24009510, e-mail: disput@pds-online.de

 


 

"Rechtsextremistische Orientierungen männlicher Jugendlicher

... Bei der Gruppe der Mehrfachauffälligen, die insgesamt sozial sehr belastende Lebensumstände aufwies, stellte sich die familiäre und berufliche Situation bei der sehr rechtsextremistisch eingestellten Untergruppe noch schlechter dar. So war die Familiensituation eher von dem Fehlen des Vaters bestimmt ..."

Angela Kunkat in: "Neue Kriminalpolitik", 2/1999, S.30-32

 

e-mail: bruechert@soz.uni-frankfurt.de

 

 


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