Trennungstrauma

Väter


 

 

 

Der plötzliche Verlust des Kindes als Bindungs- und Beziehungsperson für einen oder beide Elternteile wirkt in der Regel traumatisierend. Bekannt ist das bei Eltern, deren Kind plötzlich und unvorhersehbar durch einen Unfall oder ein Verbrechen  ums Leben gekommen ist. Diesen Eltern wird in der Regel einfühlsam psychologische oder seelsorgerische Hilfe angeboten werden.

Nicht so dagegen bei Elternteilen, die den Kontakt zum Kind infolge von Umgangsvereitelung verloren haben. Sie werden nicht selten stigmatisiert - "er wird sich schon was zu schulde kommen haben lassen, dass die Mutter ihm vermutlich mit Recht, den Kontakt verweigert." Sie werden in der Regel nicht nur mit Verlusterleben alleingelassen, zusätzlich haben sie häufig enorme Kraft und finanzielle Ressourcen aufzubringen, um zu versuchen über das Jugendamt oder das Familiengericht, so diese den Elternteil überhaupt dabei beistehen und nicht noch gegen ihn arbeiten, den Kontakt zum Kind wieder herzustellen. Man stelle sich ähnliches einmal bei einem Elternteil vor, der sein Kind infolge eines Unfalls oder Verbrechens verloren hat und dem die Gesellschaft Hilfe und Beistand verweigern würde.

Durch die Traumatisierung verlieren die betroffenen Väter häufig den Lebensmut, werden depressiv und suizidal. Gleichzeitig werden sie aber von Rechtsanwälten, Jugendamt, Unterhaltsvorschusskasse  und Sozialamt massiv bedrängt den Kindesunterhalt zu leisten. Dies können sie subjektiv häufig gar nicht, da sie psychisch angeschlagen oder sogar traumatisiert sind. Den Behörden, Rechtsanwälten ist dies aber in der Regel nicht bekannt, bzw. egal oder sie sehen auf Grund der rigiden Rechtssprechung keine Möglichkeit hier auf die zwangsweise Durchsetzung zu verzichten. Der Druck wird daher nicht eingestellt, die primäre Traumatisierung findet in staatlicher Traumatisierung ihre Fortsetzung.  Dies führt die Betroffenen im Regelfall noch stärker in die Depression und wohl in nicht wenigen Fällen in die Chronische Krankheit, Suizid  oder Tod.

 

Vom Trennungstrauma sind überwiegend Väter betroffen. Untersuchungen zu Ausmaß und Qualität der psychosozialen Belastungen betroffener Eltern liegen nur wenige Untersuchungen vor, z.B. Ursula Kodjoe „Die psychosoziale Situation nichtsorgeberechtigter Väter“, Diplomarbeit. 

 

 

 

 

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Psychologisches Institut

DIE PSYCHOSOZIALE SITUATION NICHTSORGEBERECHTIGTER VÄTER

Betreuer: Dr. E. Furch-Krafft und Prof. Dr. F. Buggle

Ursula Ofuatey-Kodjoe und Simone Wiestler

Freiburg, im April 1994

“ Der Vater ist das Dach des Hauses ”

(vietnamesisches Sprichwort )

 

 

INHALTSVERZEICHNIS Seite

 

VORWORT 1

A. LITERATURTEIL

1. PSYCHOSOZIALE RAHMENBEDINGUNGEN

1.1. Relevanz des Themas 3

1.2. Die historische Entwicklung der Familie 5

1.3. Familienbeziehungen 9

1.3.1. Familienbeziehungen aus systemischer Sicht 12

1.3.2. Familienbeziehungen aus rechtlicher Sicht 15

1.4. Die gesellschaftliche Entwicklung der Vaterrolle 16

1.4.1. Verhaltensmuster der Männer 19

1.4.2. Verhaltensmuster der Frauen 22

1.4.3. Widerstände im sozialen Umfeld 23

1.5. Die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung des Kindes 24

1.5.1. Kleinkinder 24

1.5.2. Ältere Kinder 27

1.5.3. Die Auswirkungen der Abwesenheit von Vätern 29

1.6. Die Entwicklung der Vateridentität 33

1.7. Reaktionen auf die Scheidung 38

1.8. Zusammenfassung 44

2. RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN

2.1. Trennung und Scheidung 46

2.2. Scheidungsstatistik 50

2.3. Familienrecht 54

2.3.1. Alte Bundesländer 54

2.3.2. Neue Bundesländer 58

2.4. Sorgerecht 59

2.5. Rechte nichtsorgeberechtigter Väter und Mütter 64

2.6. Judikation 68

2.6.1. Familienrichter 70

2.6.2. Rechtsanwälte 71

2.6.3. Jugendämter 72

2.6.4. Gutachter 74

2.7. Psychologie und Gesetzgebung 75

2.8. Zusammenfassung 79

3. STAND DER FORSCHUNG

3.1. Entwicklung der Vater-Kind-Forschung 81

3.1.1. Barrieren der frühen Vaterforschung 81

3.1.2. Phasen der Vater-Kind-Forschung 82

3.2. Nichtsorgeberechtigte Väter 83

3.2.1. Emotionale und psychosomatische Probleme 83

3.2.2. Alltagsprobleme 85

3.2.3. Soziales Umfeld 86

3.2.4. Beziehung zur geschiedenen Ehefrau 87

3.2.5. Beziehung zu den Kindern 90

3.2.6. Identität und Vaterrolle 93

3.3. Zusammenfassung 95

4. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

4.1. Organisation von Vätern 96

4.1.1. ISUV/VDU Interessenverband Unterhalt und Familienrecht 98

4.1.2. DIALOG zum Wohle des Kindes e.V. 99

4.1.3. Verein Humane Trennung und Scheidung e.V. 101

4.1.4. Väteraufbruch für Kinder e.V. 103

4.1.5. Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. . 103

4.2.(Selbst-)Darstellungen in den öffentlichen Medien 104

4.2.1. Dokumentarfilme 104

4.2.2. Diskussionsrunden 107

4.2.3. Zusammenfassung 109

B. DIE EIGENE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG

1. METHODIK

1.1. Fragestellung und Hypothesenbildung 110

1.1.1. Fragestellung 110

1.1.2. Ableitung der Hypothesen 112

1.2. Entwicklung des Erhebungsinstruments 113

1.2.1. Zielsetzungen 113

1.2.1.1. Methodische Zielsetzungen 113

1.2.1.2. Inhaltliche Zielsetzungen 113

1.2.2. Pretest 114

1.2.3. Endgültige Fassung 115

1.3. Durchführung 117

1.3.1. Datenerhebung und Fragebogenrücklauf 117

1.3.2. Stichprobe 118

1.4. Statistische Auswertung 119

2. ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG

2.1. Reaktionen der Befragten auf die Untersuchung 120

2.1.1. Voruntersuchung 120

2.1.2. Untersuchung 121

2.1.2.1. Telefongespräche 121

2.1.2.2. Zuschriften 122

2.1.2.3. Zusammenfassung 123

2.2. Beschreibung der Stichprobe 124

2.3. Einzelergebnisse 126

2.3.1. Biographische Daten 126

2.3.2. Sorgerecht und Umgangsrecht 129

2.3.3. Kontakt zu den Kindern 131

2.3.4. Trennung von den Kindern 134

2.3.5. Kontaktbehinderung 136

2.3.6. Rolle und Identität des Vaters 139

2.3.7. Lebenszufriedenheit 148

2.3.8. Körperliche Beschwerden 150

2.3.9. Fragen zum Sorge- und Umgangsrecht 152

2.4. Ergebnisse des Gruppenvergleichs 155

2.5. Überblick der Ergebnisse und deren Interpretation

im Zusammenhang mit den Hypothesen 159

2.6. Diskussion 180

3. LITERATURVERZEICHNIS 184

4. ANHANG 190

 

VORWORT

Väter ohne Sorgerecht ist ein bisher wenig beachtetes Thema. In der Literatur über rechtliche Grundlagen und psychologische Auswirkungen von Trennung und Scheidung führt der Vater ein Schattendasein. Nur in wenigen Büchern ist ihm und seiner Situation ein eigenes Kapitel gewidmet. Ein einziges Buch: ,Väter” von Fthenakis, W.E. (1985) behandelt ausschließlich seine Situation.

Es stellte sich daher die Frage : Wie bewältigen Väter die mit einer Scheidung verbundenen, veränderten Lebensumstände, insbesondere die Trennung von ihren Kindern? Wie gehen sie mit ihren Verletzungen um, mit ihrer Trauer, mit ihrer Wut? Welche Vorstellungen haben sie von der zukünftigen Beziehung zu ihren Kindern, wie verändern sich diese Vorstellungen im Laufe der ersten Monate und Jahre gelebter äußerer Trennung, wie verändern sich die Väter selbst mit diesen und durch diese Erfahrungen?

An drei Zahlen wird die Dynamik des Themas deutlich. Die ersten beiden sind aus dem statistischen Jahrbuch 1989, die dritte aus einer Untersuchung zur Scheidungsproblematik von A. Napp-Peters (1988):

• 66% der 1989 in der BRD gestellten Scheidungsanträge gingen von Frauen aus

• 92% der Mütter erhielten 1989 das alleinige Sorgerecht über ihre Kinder

• 54% der Väter aus Scheidungsfamilien brachen ein bis zwei Jahre nach der Scheidung den

Kontakt zu ihren Kindern vollständig ab

Allein bei oberflächlicher Betrachtung ergibt sich hier ein hoher Prozentsatz von gegen ihren Willen geschiedenen und gegen ihren Willen von ihren Kindern getrennten Vätern, die nach kurzer Zeit ihre Kinder nicht mehr sehen. Einfach wäre es, daraus auf väterliches Desinteresse, Lieblosigkeit und Egoismus zu schließen. Die Frage ist, ob dieser Schluß der Identität, dem Rollenverständnis und der gesamten Vaterrealität der betroffenen Männer gerecht wird. Was geschieht also mit den geschiedenen Vätern und ihren Kindern?

Gesicherte Erkenntnis sind heute die Verlassenheits- und Verlustgefühle der Trennungskinder, die den Vater durch die Scheidung unwiederbringlich verloren haben und die gewaltige Aufgabe, die es bedeutet, diese Kindheitsverletzungen zu verarbeiten. Kaum Erkenntnisse gibt es jedoch über die Gefühle, Motivationen und Kognitionen des Vaters, der Verlassender und Verlassener zugleich ist.

Schon bei Gesprächen über unsere Absicht, die Situation der nichtsorgeberechtigten Väter zum Thema einer Diplomarbeit zu machen, zeigten sich eine Reihe erstaunlicher Reaktionen, die alle einen gemeinsamen Tenor hatten: Warum beschäftigen sich zwei Frauen mit einem derart männerspezifischen Thema? Auf männlicher Seite waren Verwunderung und Mißtrauen, aber auch Anerkennung und Begeisterung zu spüren. Einige Frauen reagierten mit Abwehr über den "Verrat an der Unantastbarkeit der guten Mutter”. Viele betroffene Väter waren nach anfänglicher Vorsicht bereit, über ihre eigenen Erfahrungen zu sprechen und sicherten uns ihre Mitarbeit bei der späteren Untersuchung zu. Es war ermutigend, auf so viel Interesse für eine Arbeit zu stoßen, die noch nicht begonnen war.

Zur Zusammensetzung des Autorenteams dieser Diplomarbeit ist zu sagen, daß es sich aus zwei Generationen und zwei Erfahrungswelten zusammensetzt:

eine ledige, kinderlose Diplomandin von Ende zwanzig, und eine geschiedene, alleinerziehende Mutter von drei Kindern von Mitte vierzig.

 

 

 


 

 

Traumatisierung

"Anläßlich des nächsten Anhörungstermins beim Familiengericht wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind der Mutter übertragen. Ein Umgangsrecht des Vaters wurde zwischen den Eltern vereinbart, jedoch weiterhin von der Mutter nicht eingehalten. Die vereinbarte - für einen begrenzten Zeitraum - festgelegte Umgangsregelung lief aus, ohne daß der Vater die Tochter auch nur einmal hätte sehen können.

Der Vater verfiel in Schweigen. Er schrieb dann, daß bei ihm nun eine Depression diagnostiziert worden sei. <Was das Thema Umgang betrifft, so bin ich der Ansicht, daß es keinen Sinn macht, weiter zu insistieren. Die Mutter hat ja deutlich gesagt, daß sie nicht davor zurückschreckt, das Kind von zig verschiedenen Arzten untersuchen zu lassen, um den Umgang zu torpedieren. Ich möchte nicht in die heuchlerische Kindeswohl-Rhetorik einstimmen, es geht mir auch um mich selbst. Nach der erneuten Aussetzung des Umgangsrechtes zwischen dem Kind und mir habe ich für die Dauer von sechs Wochen nicht länger als 4 Stunden in der Nacht schlafen können und in den ersten Wochen von meinem Kind geträumt, wobei Alpträume mit der Folge des Verlustes des Kindes vorherrschten. Dies ist nicht die Vaterrolle, die ich mir vorgestellt habe, so daß ich in der jetzigen Phase, in der der Mutter offenbar bessere Fähigkeiten zur Erziehung des Kindes unterstellt werden, keine weiteren Versuche unternehmen werde, um das Kind zu sehen. Ich hoffe Sie können das verstehen.>"

 

aus: "Familienrecht und Strafrecht - Unterschiede und Zusammenhänge am Beispiel des Mißbrauchverdachts"

Ingeborg Rakete-Dombek

in: "Familie, Partnerschaft, Recht", FPR 5/1997, S. 218-225

 

 

 


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