Väternotruf
Februar 2013
Interview
„Der Streit um das Sorgerecht wird teurer“
28.02.2013, 11:16 Uhr
Das neue Sorgerecht soll unverheirateten Vätern mehr Rechte verschaffen. Familienanwalt Wolfgang Schwackenberg erklärt, warum die Reform nicht weit genug geht und sogar zu finanziellen Nachteilen führen kann.
von Katharina Schneider
An diesem Freitag entscheidet der Bundesrat über die Reform des Sorgerechts. Sind die Eltern nicht verheiratet, konnte der Vater bislang nicht gegen den Willen der Mutter das Sorgerecht bekommen. Werden unverheiratete Väter nun bessergestellt?
Ja, aber im Vergleich zu verheirateten Vätern ist ihre Position immer noch schlechter. Auch künftig müssen die Unverheirateten das Sorgerecht erst beantragen. Väter, deren Kind in einer Ehe geboren wird, teilen sich dagegen automatisch ab der Geburt des Kindes das Sorgerecht mit der Mutter.
Immerhin soll den Vätern das Sorgerecht nur noch dann verwehrt werden, wenn es dem Kind schaden würde. Die Mutter kann sich nicht mehr quer stellen.
Das ist ein Fortschritt. Mir ist allerdings die Perspektive des Kindes wichtiger als die Sicht der Väter. Deshalb geht mir das Gesetz auch nicht weit genug, das gemeinsame Sorgerecht sollte die Regel sein.
Zwischen verheirateten und ledigen Eltern sollte also nicht mehr unterschieden werden?
Aus jahrelanger Erfahrung weiß ich: Auch wenn die Eltern verheiratet sind, kann es sein, dass sie bei der Geburt des Kindes bereits getrennt leben. Grundsätzlich ist die Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Eltern also in der Praxis wenig sinnvoll.
Ist denn das gemeinsame Sorgerecht tatsächlich immer besser?
Die gemeinsame Sorge ist der natürliche Zustand und müsste der Normalfall sein. Aus Sicht des Kindes spielen der Familienstand der Eltern und die Umstände der Zeugung keine Rolle. Wichtig ist nur, dass beide Elternteile Verantwortung übernehmen und sich um das Kind kümmern.
Was aber tun, wenn die Eltern partout nicht miteinander auskommen?
Es gibt immer Einzelfälle, in denen es zwischen den Eltern nicht klappt. In diesen Fällen kann die gemeinsame Sorge im Streitfall durch das Gericht aufgehoben werden. Die Frage ist, womit fängt man an. Da hat sich der Gesetzgeber aus meiner Sicht leider für das falsche Modell entschieden.
Damit unverheiratete Väter schnell das gemeinsame Sorgerecht bekommen können, sieht das reformierte Gesetz nun ein Eilverfahren vor. Ist das ein Fortschritt?
Dieses Eilverfahren führt zu einer schwierigen Rechtskultur. Das Familiengericht wird dadurch quasi zu einer Verwaltungsbehörde degradiert. Es entscheidet ohne persönliche Anhörung der Eltern und ohne Anhörung des Jugendamtes. Das wird einer so persönlichen Sache wie dem Sorgerecht nicht gerecht.
Wie wird das Eilverfahren in der Praxis ablaufen?
Wenn der Vater das Sorgerecht beantragt, wird die Mutter vom Gericht über diesen Antrag informiert und muss dazu innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich Stellung nehmen. Lässt sie diese Frist verstreichen, muss sie das Sorgerecht mit dem Vater teilen.
Doch auch bei einem rechtzeitigen Widerspruch ist es für die Mutter nicht mehr so einfach, den Vater von der Sorge auszuschließen.
Die Mutter muss qualifizierte Einwände vorbringen. Was genau darunter zu verstehen ist, wird im Gesetz aber nicht näher erklärt.
Was könnte Ihrer Meinung nach ein solcher Einwand sein?
Wenn das Kind beispielsweise bei einem One-Night-Stand gezeugt wurde und der Vater bislang weder Interesse an dem Kind gezeigt hat noch Unterhalt zahlt, dürfte die Mutter gute Chancen auf das alleinige Sorgerecht haben.
Für die Aufteilung des Sorgerechts ist es also letztlich nur entscheidend, ob die Mutter gute Argumente vorbringt?
So kann man es sagen, sie muss diese Argumente aber auch in der schriftlichen Stellungnahme überzeugend darlegen. Die Entscheidung des Gerichts ist jedoch nicht final, beide Eltern können dagegen Beschwerde einlegen. Spätestens dann kommt es zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren, in dem die persönlichen Anhörungen nachgeholt werden.
Ab dann geht also alles wieder den gleichen Weg wie bisher?
Ja, das Schnellverfahren ist überflüssig. Entweder sind beide Elternteile mit dem gemeinsamen Sorgerecht einverstanden, dann braucht es keinen Gerichtsentscheid. Oder sie sind es nicht, dann werden sie sich aber auch nicht mit dem Ergebnis des Eilverfahrens zufriedengeben und könnten genauso gut direkt in ein ordentliches Verfahren eintreten.
Der Begriff Eilverfahren verspricht ja zumindest eine rasche Entscheidung, müssen Eltern bisher sehr lange auf ein ordentliches Verfahren warten?
Verglichen mit anderen Fällen geht das auch heute schon recht schnell. Nachdem der Antrag auf gemeinsames Sorgerecht gestellt wurde, dauert es etwa vier Wochen bis zum Gerichtstermin.
„Ein ordentliches Verfahren wäre günstiger“
Und der finanzielle Aspekt: Ist das Eilverfahren günstiger?
Bei Streitfällen über das Sorgerecht besteht grundsätzlich keine Anwaltspflicht. Die Gerichtskosten sind bei einem Eilverfahren und einem ordentlichen Verfahren in erster Instanz gleich hoch, sie liegen bei etwa 45 Euro. Die Anwaltskosten erhöhen sich jedoch von circa 250 Euro bei einem Eilverfahren auf circa 500 Euro bei einem ordentlichen Verfahren, weil in einem ordentlichen Verfahren immer auch eine mündliche Anhörung stattfindet.
Wenn die Eltern mit dem Ergebnis des Eilverfahrens nicht einverstanden sind, können Sie dann noch ein ordentliches Verfahren vor dem Familiengericht führen?
Nein, dann müssen sie Beschwerde einlegen und das Beschwerdeverfahren wird vor dem Oberlandesgericht geführt. Dabei entstehen in etwa die gleichen Kosten wie bei einem ordentlichen Verfahren vor dem Familiengericht.
Bei dieser Kombination sind die Kosten also höher als bei einem ordentlichen Verfahren vor dem Familiengericht?
Genau, in diesem Fall wird der Streit ums Sorgerecht teurer. Ordentliche Verfahren vor dem Familiengericht werden dagegen meist schon in erster Instanz entschieden, ohne dass eine Beschwerde eingelegt wird. Die Eltern werden dabei persönlich angehört und haben das Gefühl, schon alles getan zu haben, was möglich war. In die nächste Instanz gehen dann nur noch Wenige. Wenn schon vorab klar ist, dass die Eltern sich auf dem schriftlichen Weg nicht einigen können, wäre es also günstiger, gleich ein ordentliches Verfahren zu führen.
Mit Ihren Bedenken gegen die Reform stehen Sie nicht alleine. Rechnen Sie damit, dass der Bundesrat kurzfristig noch etwas an dem Gesetzesentwurf verändern wird?
Es wird vermutlich eine lebhafte Diskussion geben. Auch einige Länder hätten sich eine andere Lösung gewünscht. Am Ende wird das Gesetz aber sehr wahrscheinlich durchgehen.
Wie wird dann die Zukunft für unverheiratete Eltern aussehen, rechnen Sie mit vielen Eilverfahren?
Vermutlich werden die Richter das Eilverfahren erst einmal testen. Ich vermute aber, dass sie relativ schnell wieder zu einem ordentlichen Verfahren übergehen, immerhin sind die Richter nicht zu einem Eilerfahren verpflichtet.
Wolfgang Schwackenberg ist Fachanwalt für Familienrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Familien- und Erbrecht und Anwaltsnotariat im Deutschen Anwaltverein (DAV). Er ist Gründer einer Kanzlei in Oldenburg.
NRW stellt im Bundesrat Entschließungsantrag gegen die Abmahnabzocke
13.02.2013
Nordrhein-Westfalen hat einen Entschließungsantrag im Bundesrat eingebracht, um die Bundesregierung zum Handeln gegen die sog. "Abmahnabzocke" zu zwingen.
Die Bundesjustizministerin hat in dieser Legislaturperiode bereits fünf Mal öffentlich angekündigt, das Problem der "Abmahnabzocke" kurzfristig zu lösen. Zuletzt kündigte sie sogar einen Gesetzentwurf an, der am 6. Februar im Kabinett hätte beschlossen werden sollte. Auch die fünfte Ankündigung blieb ohne Ergebnis. Das Bundeskabinett hat sich am 6. Februar überhaupt nicht mit dem Thema befasst. Eine Begründung für die erneute Verschiebung nannte die Bundesjustizministerin nicht.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat daher auf Vorschlag von Justizminister Thomas Kutschaty beschlossen, in der nächsten Sitzung des Bundesrates am 1. März einen Entschließungsantrag einzubringen, um den unstreitig bestehenden Abmahnmissbrauch einzudämmen. Kutschaty erklärt hierzu: "Leider müssen wir die Bundesregierung zum Handeln treiben. Denn die Bundesregierung schafft durch ihre Untätigkeit regelrecht „ein Biotop für Abmahnwahnsinn in Deutschland"! Der wichtige Schutz des geistigen Eigentums gerät durch völlig überzogene Abmahnkosten in den Hintergrund." Der Bundesverband der Verbraucherzentrale geht aufgrund von Erhebungen von rund 220.000 Abmahnungen allein für das Jahr 2011 aus. Die geltend gemachten Gesamtforderungen sollen sich in diesem Zeitraum nach Angaben der Verbraucherzentrale auf insgesamt rund 165 Millionen Euro belaufen haben. Die Verbraucherzentrale geht weiter davon aus, dass jeder Verbraucher durchschnittlich 800 Euro für eine Abmahnung zahlen musste.
Für Fragen, Kommentare und Anregungen steht Ihnen zur Verfügung: pressestelle@jm.nrw.de
http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/PresseJM/13_02_13_Abmahnabzocke/index.php