Apartheid


 

 

 

 

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein nichtverheirateter Vater und in ihrem Wohnhaus wäre ihnen vom Hauseigentümer aufgegeben, dass Sie nur durch den Nebenaufgang zu Ihrer Wohnung gehen dürfen. Der Vorderaufgang ist der Mutter ihres Kindes vorbehalten. 

Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit Ihrem Kind in einem öffentlichen Park spazieren und wollen sich auf eine Bank setzen. Doch Sie entdecken gerade noch rechtzeitig ein Schild auf dem steht: Für nichtverheiratete Väter ist das Hinsetzen verboten.

Stellen Sie sich vor, Sie schreiben wegen dieser Skandale eine Petition an den Deutschen Bundestag und erfahren von dort, dass das alles rechtmäßig sei und sogar das Bundesverfassungsgericht mit dieser Form der Behandlung nichtverheirateter Väter einverstanden sei.

 

Sie denken, womöglich sie wären im falschen Film, doch wenn Sie die Augen aufmachen, dann werden Sie sehen, dass Sie in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2004 sind.

 

 

Apartheid

(afrikaans, eigentlich "Gesondertheit"

Bezeichnung für die von der ehemaligen Regierung der Republik Südafrika seit 1948 praktizierte Politik der Rassentrennung zwischen weißer und farbiger Bevölkerung.

Ziel der Apartheid war die gesonderte Entwicklung der verschiedenen ethnischen Bevölkerungsteile, durch die auf das Rassenkriterium basierende Herrschaftssystem der privilegierten weißen Minderheit gesichert bleiben soll.

 

 

Das Apartheidsystem in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2004 ist schon ein wenig fortschrittlicher.

 

§ 1626a BGB (Gemeinsame elterliche Sorge durch Sorgeerklärungen)

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge dann gemeinsam zu, wenn sie

1. erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen

2. einander heiraten, dies gilt auch, wenn die Ehe später für nichtig erklärt wird.

(2) Im übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge

 

 

Hier kann der nichtverheiratete Vater durch Hoheitsakt der nicht mit ihm verheirateten Mutter in den Rang eines vollwertigen Elternteils erhoben werden. Die Mutter kann dies aber auch ohne Angabe von Gründen verweigern. Bei genauer Betrachtung ein wohl einmaliger Vorgang rechtlicher Abhängigkeit von gesellschaftlich stigmatisierten, weil nicht verheirateten Männern, von dem Willen von Frauen. 

Die eigentlich Verantwortlichen für diesen gesellschaftspolitischen Skandal sind allerdings nicht die betreffenden Mütter, diese nutzen nur das aus, was ihnen der Staat als rechtmäßig anbietet. Die verantwortlichen dieses Skandals sitzen vielmehr im Bundesjustizministerium, im Bundestag und - wer hätte das gedacht - sogar im Bundesverfassungsgericht, das diese diskriminierende Regelung für vereinbar mit dem Grundgesetz deklariert.

 

 

 


 


Kündigung einer Musicaldarstellerin wegen fehlender Corona-Schutzimpfung

Pressemitteilung Nr. 03/22 vom 02.03.2022

Ein Arbeitgeber darf in einem Musicalaufführungsbetrieb ein „2G-Modell“ durchsetzen und einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn kündigen. Die Arbeitnehmerin ist mit ihrer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin unterlegen.

Im zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin mit zwei Veranstaltungsgesellschaften Arbeitsverträge für die Proben und die Beschäftigung in einem Musical geschlossen. Vor Vertragsbeginn erfuhren die Arbeitgeberinnen, dass die Klägerin ungeimpft war und kündigten die Arbeitsverhältnisse ordentlich fristgerecht. Die Klägerin hatte angeboten, täglich Testnachweise vorzulegen. Das Arbeitsgericht Berlin hat die Kündigungen für wirksam erachtet.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Kündigungen insbesondere keine Maßregelung gemäß § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen würden. Die persönliche Haltung der Klägerin zur Corona-Schutzimpfung sei nicht tragendes Motiv für den Kündigungsentschluss gewesen, sondern habe lediglich den Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Der Arbeitgeber könne als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen. Wenn dies mit der höchstpersönlichen Entscheidung der Klägerin, sich nicht impfen zu lassen, unvereinbar sei, liege keine Maßregelung vor. Der Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstoße auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auch sei das „2G-Modell“ nicht willkürlich gewählt, da insbesondere das tägliche Vorlegen eines negativen Corona-Testergebnisses die Betriebsabläufe stärker beeinträchtigen und die Beschäftigung nicht geimpfter Personen aufgrund der strengeren Quarantäneregelungen ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle für den Musicalbetrieb darstellen würde. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass die Arbeitgeberinnen ein Schutzkonzept umsetzen, das einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursache, da neben der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Arbeitgeberinnen auch die körperliche Unversehrtheit der übrigen Belegschaft zu berücksichtigen sei.

Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gegeben.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 03.02.2022, Aktenzeichen 17 Ca 11178/21


https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1181839.php




ArbG Berlin, Urteil vom 04.01.2022 - 17 Ca 11178/21
Fundstelle
openJur 2022, 4869

Rkr:

1. Eine zur Unwirksamkeit einer Probezeitkündigung führende Maßregelung (§ 612a BGB) liegt nicht vor, wenn die Rechtsausübung des Arbeitnehmers kein tragender Beweggrund des Arbeitgebers beim Kündigungsentschluss bildet. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitgeber als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit die Umsetzung eines bestimmten Anforderungsprofils für alle Arbeitsplätze im Betrieb anstrebt und dieses allgemeingültige Profil mit höchstpersönlichen Entscheidungen des daraufhin gekündigten Arbeitnehmers unvereinbar ist. Dementsprechend bewirkt die vom Arbeitgeber bezweckte Durchsetzung des "2G-Modells" in einem Musicalaufführungsbetrieb keine Maßregelung einer nicht gegen das Coronavirus (SARS-Cov-2) geimpften Darstellerin.

2. Die Kündigung gegenüber einer nicht geimpften Arbeitnehmerin verstößt nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wenn die Entscheidung der Arbeitnehmerin gegen die Inanspruchnahme der Schutzimpfung allein auf medizinische Bedenken gestützt wird.
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes (Beschwerdewert) wird auf 32.646,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen.

Die Klägerin schloss mit der Beklagten zu 1 unter dem 08./15.04.2021 einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Kopie Anlage K 1; Bl. 10 ff. d. A.), der die befristete Beschäftigung der Klägerin vom 18.10.2021 bis 27.11.2021 als Darstellerin zum Zwecke von Proben für das Musical "Ku’damm 56" zu einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 5.166,00 Euro mit einer vierwöchigen Probezeit vorsah. Ferner schloss die Klägerin mit der Beklagten zu 2 einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Kopie Anlage K 3; Bl. 18 ff. d. A.), der ihre weitere Beschäftigung als Darstellerin in dem besagten Musical ab dem 28.11.2021 bis zum Ende des Aufführungszeitraums, "d.h. voraussichtlich bis zum 24.04.2022" zu einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 5.716,00 Euro vorsah. Ferner heißt es in diesem Vertrag auszugsweise:

8. Vertragsdauer, Probezeit, Vertragsende

8.1 Dieser Vertrag ist bis zum Ende der Produktion fest abgeschlossen. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. [...]

8.2 DARSTELLER und VERANSTALTER vereinbaren eine Probezeit von einem Monat d.h. vom 28.11.2021 bis zum 27.12.2021 innerhalb derer beide Parteien den Vertrag einseitig ohne Angaben von Gründen jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen kündigen können (Beispiel: Kündigung 18.10.2021, Ende des Vertragsverhältnisses 31.10.2021).[...]

Nachdem die Beklagten erfahren hatten, dass die Klägerin nicht über eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) verfügt, sprachen sie mit Schreiben vom 18.10.2021 (Kopien Anlagen K 2 und K 4; Bl. 17 und 27 d. A.) jeweils die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 01.11.2021 aus. Ob diese Schreiben jeweils eine vollständige handschriftliche Wiedergabe der Namen der beiden Geschäftsführer der Beklagten tragen, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin hatte den Beklagten vor Ausspruch der Kündigungen unter anderem angeboten, mit Blick auf die unterbliebene Impfung täglich Testnachweise vorzulegen.

Mit einem am 08.11.2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin eine Kündigungsschutzklage anhängig gemacht und insbesondere das Vorliegen einer unzulässigen Maßregelung gerügt, wobei wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens auf den Inhalt der Klageschrift (Bl. 3 ff. d. A.) sowie ihre Schriftsätze vom 09.12.2021 (Bl. 57 ff. d. A.) und 03.01.2022 (Bl. 67 ff. und Bl. 85 f. d. A.) Bezug genommen wird. Die Klägerin hat zudem nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 02.02.2022 (Bl. 104 ff. d. A.) weiter vorgetragen.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zu 1 durch die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 18.10.2021 nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zu 1 auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern unverändert zu den bisherigen Bedingungen über den 01.11.2021 hinaus fortbesteht;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zu 2 durch die Kündigung der Beklagten zu 2 vom 18.10.2021 nicht aufgelöst worden ist;

4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zu 2 auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern unverändert zu den bisherigen Bedingungen über den 01.11.2021 hinaus fortbesteht.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf ihre Schriftsätze vom 02.12.2021 (Bl. 43 ff. d. A.), 06.01.2022 (Bl. 89 ff. d. A.) und 01.02.2022 (Bl. 100 f. d. A.) Bezug genommen.
Gründe

Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

I. Die Klageanträge zu 2 und 4 sind dabei bereits mangels Feststellungsinteresses gemäß § 46 Absatz 2 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) in Verbindung mit §§ 495 Absatz 1, 256 Absatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) unzulässig, nachdem die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Umstände dargetan hat, die - abgesehen von den bereits mit den Klageanträgen zu 1 und 3 angegriffenen Kündigungen - eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse bewirkt haben könnten.

II. In dem im Übrigen zulässigen Umfang ist die Klage unbegründet. Die Kündigungen der Beklagten vom 18.10.2021 sind wirksam und haben die Arbeitsverhältnisse zum jeweils vorgesehenen Beendigungszeitpunkt aufgelöst.

1. Die Klägerin hat dabei zunächst rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Kündigungsschutzklage erhoben, so dass die Kündigungen nicht schon nach § 7 KSchG als wirksam gelten.

2. Die Kündigungen sind nicht nach § 623 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mangels eigenhändiger Namensunterschrift gemäß § 126 Absatz 1 BGB unwirksam. Die Kündigungsschreiben sind von den Geschäftsführern der Beklagten jeweils ordnungsgemäß unterzeichnet und nicht nur mit einem Handzeichen (Paraphe) versehen worden.

a) Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift verlangt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht, dass unmittelbar bei Abgabe der schriftlichen Erklärung für den Erklärungsempfänger die Person des Ausstellers feststehen muss. Dieser soll nur identifiziert werden können. Hierzu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Namenszugs. Vielmehr genügt ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, welche die Nachahmung erschweren. Der Schriftzug muss sich als Wiedergabe eines Namens darstellen und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lassen, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist (BAG, Urteil vom 24.01.2008 - 6 AZR 519/07 -, juris, Rn. 11).

b) Im Falle des Geschäftsführers Herrn B ist auf den Kündigungsschreiben der erste Buchstabe des Namens ohne Weiteres lesbar. An diesen Buchstaben schließt sich von dessen Mitte ausgehend eine Linie mit einem charakteristischen Schwung an, der zur Wiedergabe der weiteren Buchstaben des Namens ausreichend erscheint. Demgegenüber besteht die Unterschrift des weiteren Geschäftsführers Herrn C zwar nur aus der Wiedergabe der ersten beiden Buchstaben seines Namens, wobei diese Buchstaben auch nicht miteinander verbunden sind. Ein Handzeichen liegt infolgedessen aber nicht vor. Denn die Beklagten haben hierzu vorgetragen, dass diese Art und Weise der Unterzeichnung für den Geschäftsführer Herrn C üblich sei und er sie immer so leiste, so dass eine gewollte Namensabkürzung nicht angenommen werden kann. Zudem befindet sich unterhalb der handschriftlichen Unterzeichnung - wie auch im Falle des Geschäftsführers Herrn B - noch eine maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens, welche dessen Deutung erleichtert und zugleich den vorhandenen Willen zur Unterschriftsleistung verdeutlicht.

c) Soweit die Klägerin weiter bestritten hat, dass die Unterschriften nicht durch die Geschäftsführer der Beklagten selbst, sondern durch einen (nicht bevollmächtigten) Dritten aufgebracht wurden, kann sie mit diesem Einwand ebenfalls nicht durchdringen. So hat die Klägerin ihre dahingehende Behauptung erst mit einem den Beklagten im Termin am 04.01.2022 übergebenen Schriftsatz vom 03.01.2022 vorgebracht. Mit daraufhin nach § 283 Satz 1 ZPO nachgelassenem Schriftsatz haben die Beklagten sich zu den Hintergründen der Unterschriftsleistung im Einzelnen erklärt und Beweis angeboten. Näherer Vortrag der Klägerin ist hierzu im Anschluss nicht erfolgt. Wäre dies - etwa im Schriftsatz vom 02.02.2022 - geschehen, wäre das Vorbringen nach § 296a Satz 1 ZPO aber auch nicht mehr zu berücksichtigen gewesen. Wenngleich es einer Erhebung der von der Beklagten angebotenen Beweise damit ohnehin nicht bedurfte, hätte dies schließlich auch eine von der Klägerin verursachte und mit Blick auf §§ 296 Absatz 2, 282 Absatz 1 und 2 ZPO dabei nicht hinzunehmende Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt.

3. Die Kündigungen der Beklagten vom 18.10.2021 sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Ein nachvollziehbarer Grund für deren Ausspruch ist jeweils gegeben.

a) Die Klägerin genießt keinen allgemeinen Kündigungsschutz, da ihr Arbeitsverhältnis bei den Beklagten jeweils keine sechs Monate bestanden und sie infolgedessen die Wartezeit nach § 1 Absatz 1 KSchG nicht erfüllt hat. Ob die Beklagten - wie die Klägerin meint - einen gemeinschaftlichen Betrieb bilden, kann insoweit dahinstehen. Denn selbst unter Hinzurechnung der Beschäftigungszeit bei der Beklagten zu 1 war die Klägerin auch bei der Beklagten zu 2 weniger als sechs Monate beschäftigt.

b) Die Kündigungen sind nicht nach § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen § 612a BGB unwirksam. Nach der letztgenannten Vorschrift darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dies ist hier nicht geschehen.

aa) Das Maßregelungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob er ein Recht ausüben will oder nicht. Diese Entscheidung soll er ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers treffen können. Indem die Vorschrift dem Arbeitgeber untersagt, bei Vereinbarungen oder Maßnahmen den Umstand zum Nachteil des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hat, schränkt sie die Vertrags- und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers ein. Wie aus dem auf Arbeitnehmer beschränkten Anwendungsbereich der Bestimmung deutlich wird, beruht sie auf dem für Arbeitsverhältnisse typischen Ungleichgewicht, das sich durch Weisungsrechte des Arbeitgebers und Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers auszeichnet (BAG, Urteil vom 21.09.2011 - 7 AZR 150/10 -, juris, Rn. 32). Eine taugliche Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer kann hierbei nicht nur in der Geltendmachung von Ansprüchen bestehen, sondern auch in der Wahrnehmung sonstiger Rechtspositionen. Von § 612a BGB wird auch die Ausübung von Grundrechten erfasst, soweit sie im Verhältnis zum Arbeitgeber rechtserheblich sind (BAG, a.a.O., Rn. 33). Die verbotene Benachteiligung seitens des Arbeitgebers kann sowohl in einer einseitigen Maßnahme, als auch in einer vertraglichen Vereinbarung liegen (BAG, a.a.O., Rn. 34). Ferner muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung gegeben sein. Die zulässige Rechtsausübung darf dabei nicht nur äußerer Anlass, sondern muss der tragende Beweggrund, das heißt das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzungen und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung (BAG, Urteil vom 16.10.2013 - 10 AZR 9/13 -, Rn. 38, juris). Daran gemessen liegt keine Maßregelung der Klägerin vor.

bb) Zwar ist es Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz - GG) der Klägerin, sich gegen die Inanspruchnahme einer gesetzlich nicht vorgeschriebenen Schutzimpfung zu entscheiden und auch den mit der Impfung verbundenen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 GG) nicht hinzunehmen. Indem sie ihre Absicht bekundet hat, ihre Beschäftigung bei den Beklagten ohne einen nicht verpflichtenden Impfschutz aufzunehmen, hat sie zudem auch ein gegenüber den Beklagten bestehendes Recht ausgeübt. Ferner liegt in den seitens der Beklagten erklärten Kündigungen jeweils auch eine Benachteiligung der Klägerin. Es fehlt jedoch am notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Rechtsausübung und Benachteiligung.

(1) Die persönliche Haltung der Klägerin zur Corona-Schutzimpfung ist auf Seiten der Beklagten nicht tragendes Motiv beim Kündigungsentschluss gewesen, sondern gab lediglich Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. So haben die Beklagten vorgebracht, mit Blick auf den Infektionsschutz für die Gesamtbelegschaft das Anforderungsprofil aller Beschäftigten dahingehend ausgestaltet zu haben, dass diese die sogenannten 2-G-Voraussetzungen zu erfüllen haben, mithin entweder gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) geimpft oder nach einer Infektion mit dem Virus genesen seien müssen.

(2) Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Arbeitgeber sich selbst unter Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes und zur sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Absatz 2 KSchG darauf berufen kann, die Beschäftigungsmöglichkeit für einen Arbeitnehmer sei infolge Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes und einer Neubestimmung des Anforderungsprofils entfallen (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2010 - 2 AZR 337/08 -, juris, Rn. 20). Mithin kann die zwecks Umsetzung eines allgemeinen unternehmerischen Konzepts ausgesprochene Kündigung aber grundsätzlich keine Maßregelung beinhalten. Eine unzulässige Motivation des Arbeitgebers liegt gerade nicht vor, wenn sie nur auf einer betriebswirtschaftlichen Überlegung beruht (BeckOGK/Benecke, Stand: 01.12.2021, § 612a BGB, Rn. 37).

(3) Das von den Beklagten gewählte unternehmerische Konzept begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Mit dem Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmer geht zunächst kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 1 Absatz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) einher. Insbesondere macht die Klägerin selbst nicht geltend, dass ihre Entscheidung gegen eine Corona-Schutzimpfung Ausdruck einer Weltanschauung (zu den Schwierigkeiten einer Definition dieses Begriffs siehe ErfK/Schlachter, 22. Auflage, § 1 AGG, Rn. 8 m.w.N.) sei, sondern beruft sich auf medizinische Bedenken unter Verweis auf eine in ihrer Familie verbreitete Disposition zu Autoimmunerkrankungen.

(4) Zwar ist der Klägerin im Weiteren zuzugestehen, dass die Beklagten rechtlich nicht befugt waren oder sind, den Impfstatus ihrer Beschäftigten zu erfragen. Insbesondere stand und steht den Beklagten als Inhaber eines Musicalbetriebs kein dahingehender Auskunftsanspruch aus § 36 Absatz 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) zu. Dies führt andererseits aber nicht zur Rechtswidrigkeit des gewählten unternehmerischen Konzepts, sondern berührt lediglich dessen praktische Umsetzbarkeit. Selbst die Umsetzung dürfte allerdings nicht in Frage stehen, nachdem nach Vortrag der Beklagten die Belegschaft selbst das betriebliche 2-G-Modell eingefordert hat und es damit auch auf Grundlage zu erwartender freiwilliger Auskünfte der Arbeitnehmer über ihren Geimpften- oder Genesenenstatus tragfähig erscheint.

(5) Das vorgeschriebene Anforderungsprofil erscheint ferner auch nicht willkürlich gewählt. Die Beklagten haben insoweit darauf hingewiesen, dass die Umsetzung einer auf dem 2-G-Modell beruhenden Betriebsstruktur besonders gut und wirkungsvoll zu handhaben sei. Demgegenüber würde ein sogenanntes betriebliches 3-G-Modell, bei dem neben Geimpften und Genesenen auch solche Beschäftigten zugelassen werden, die ein negatives Corona-Testergebnis vorlegen (siehe dazu auch die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung jedoch noch nicht in Kraft getretene Regelung des § 28b IfSG), die Betriebsabläufe bei den Beklagten stärker beeinträchtigen. Denn anders als der Nachweis einer Impfung oder Genesung muss ein Testnachweis täglich erneuert und damit auch laufend durch den Arbeitgeber überprüft werden. Ferner haben die Beklagten zutreffend darauf hingewiesen, dass nicht geimpfte Personen im Falle eines Risikokontakts mit einem infizierten Dritten strengeren Quarantäneregelungen unterfallen als geimpfte Personen. Infolgedessen würde die Beschäftigung von nicht geimpften Beschäftigten aber zugleich ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle und damit zugleich für den gesamten Musical-Aufführungsbetrieb mit sich bringen.

(6) Im Weiteren steht es den Beklagten auch frei, Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu ergreifen, die über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehen. Demgegenüber kann die Klägerin nicht verlangen, dass die Beklagten ein Schutzkonzept umsetzen, welches mit Blick auf die von der Klägerin vorzulegenden Testnachweise einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursacht. Die höchstpersönliche Entscheidung der Klägerin gegen die Inanspruchnahme einer Corona-Schutzimpfung gebietet dies ebenfalls nicht. Denn die durch Artikel 12 Absatz 1 und 14 Absatz 1 Satz 1 GG geschützte unternehmerische Handlungsfreiheit der Beklagten bleibt ebenfalls bestehen und muss im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen auch nicht zurücktreten. Dies gilt umso mehr, als die Rechtsposition der Beklagten zugleich eine Verstärkung durch den von der übrigen Belegschaft begehrten Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 GG) erfährt. Das einfachgesetzliche Maßregelungsverbot aus § 612a BGB kann in diesem Zusammenhang auch gerade nicht bewirken, dass sich bei zwei rechtmäßigen Handlungsmöglichkeiten (hier: 2-G-Modell oder 3-G-Modell im Betrieb) zwangsläufig die von (einem) Arbeitnehmer gewünschte Form der Ausgestaltung durchsetzen muss.

(7) Soweit die Klägerin das Vorliegen und die Umsetzung des von den Beklagten dargelegten Schutzkonzepts in tatsächlicher Hinsicht bestritten hat, ist ihr Vorbringen mit Blick auf die sie treffende Darlegungslast unzureichend. Die Klägerin hätte insofern insbesondere dartun müssen, welche Arbeitnehmer die Beklagten beschäftigen, die weder geimpft noch genesen sind. Demgegenüber sind von der Klägerin beschriebene Geschehnisse im Theater .... während der Proben schon deshalb nicht von Belang, da es sich hierbei um Umstände handelt, die nicht bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs (§ 130 BGB) der Kündigung vorlagen. Soweit die Klägerin hierzu mit Schriftsatz vom 02.02.2022 weiter vorgetragen hat, war dieses Vorbringen schon nach § 296a Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen.

c) Die Kündigung ist überdies nicht sittenwidrig (§ 138 BGB) und verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Insbesondere liegt aus den oben - unter b) bb) (5) und (6) - genannten Gründen kein Verstoß der Beklagten gegen das Willkürverbot vor.

4. Die Beklagte zu 2 war ferner auch berechtigt, die Kündigung bereits vor dem insoweit vereinbarten Vertragsbeginn am 28.11.2021 auszusprechen. Denn grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag vor dem vereinbarten Dienstantritt nur dann nicht gekündigt werden, wenn die Parteien dies ausdrücklich ausgeschlossen haben oder sich der Ausschluss der Kündigung aus den Umständen zweifelsfrei ergibt (BAG, Urteil vom 23.02.2017 - 6 AZR 665/15 -, juris, Rn. 30). Hier fehlt es an einem ausdrücklich vereinbarten Kündigungsausschluss. Vielmehr macht das unter Ziffer 8.2 des Arbeitsvertrages genannte Beispiel gerade deutlich, dass die Parteien den Ausspruch einer Kündigung vor Vertragsbeginn für zulässig erachtet haben.

5. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kündigungsfrist von zwei Wochen innerhalb der Probezeit (§ 622 Absatz 3 BGB) hat die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 18.10.2021 das zwischen ihr und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnisse zum 01.11.2021 beendet.

6. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 2 ist ebenfalls zu diesem Zeitpunkt durch die weitere Kündigung vom 18.10.2021 aufgelöst worden, wenngleich es an sich erst am 28.11.2021 hätte beginnen sollen. So hängt es in erster Linie von den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen ab, ob bei einer vor Dienstantritt ausgesprochenen ordentlichen Kündigung die Kündigungsfrist bereits mit dem Zugang der Kündigung oder erst an dem Tage beginnt, an dem die Arbeit vertragsgemäß aufgenommen werden soll. Haben die Parteien - wie hier - keine Vereinbarung über den Beginn der Kündigungsfrist getroffen, so liegt eine Vertragslücke vor, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (BAG, Urteil vom 25.03.2004 - 2 AZR 324/03 -, juris, Rn. 13). Lässt sich ein hypothetischer Parteiwille - wie vorliegend - nicht eindeutig ermitteln, beginnt die Kündigungsfrist im Zweifel mit dem Zugang der Kündigungserklärung (BAG, a.a.O., Rn. 15), hier also am 18.10.2021.

III. Hinsichtlich der prozessualen Nebenentscheidungen gilt Folgendes:

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Der nach § 63 Absatz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) gegebenenfalls noch gesondert festzusetzende Kostenstreitwert beläuft sich dabei auf 32.646,00 Euro und setzt sich aus (5.166,00 Euro x 3 =) 15.498,00 Euro für den Klageantrag zu 1 sowie (5.716,00 Euro x 3 =) 17.148,00 Euro für den Klageantrag zu 3 zusammen.

2. Die Entscheidung über die Wertfestsetzung in der Urteilsformel (Beschwerdewert) stützt sich auf § 61 Absatz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 2 ff. ZPO.

3. Die Berufung ist gemäß § 64 Absatz 2 Buchstabe c) ArbGG kraft Gesetzes statthaft.

 

https://openjur.de/u/2388723.html

 

 

Kommentar:

Eines dieser skandlösen Coronahysterieurteile, mit denen in Deutschland unangepasste und impfkritische Menschen bestraft werden.

Man kann nur hoffen, dass die Klägerin für dieses skandalöse Urteil im Nachhinein vom deutschen Staat entschädigt und rehabilitiert wird, sonst könnte man meinen man wäre Nordkorea, wo der Staat mit den Menschen machen darf, was er will.

 

 

 


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