Ausländerbehörde

Ausländerrecht - Familienrecht - Kindschaftsrecht


 

 

 

 

Keiner will über Vaterschaft entscheiden

Senat und Bezirke streiten um Zuständigkeit bei binationalen unehelichen Kindern

Von Marina Mai

Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) streitet mit dem Rat der Bürgermeister um die Anfechtung von sogenannten Scheinvaterschaften. Es geht um binationale uneheliche Kinder. Seit Juni dürfen Behörden solche Vaterschaften vor einem Gericht anfechten, wenn ihrer Meinung nach die Vaterschaft allein dazu diente, der Mutter über ein vermeintlich deutsches Kind ein Aufenthaltsrecht zu gewähren (siehe Kasten).

Die Entscheidung über die Zuständigkeit hat der Bundestag den Ländern überlassen. Infrage kommen Standesämter, Jugendämter und Ausländerbehörden. Wenn die zuständige Behörde die Vaterschaft anfechtet, entscheidet ein Familiengericht, ob der Vater wirklich Vater ist. Wird befunden, dass weder eine soziale noch eine biologische Vaterschaft vorliegt, wird diese hinfällig. Die Mutter verliert das Aufenthaltsrecht. Das Kind dürfte in vielen Fällen den deutschen Pass verlieren. Beide müssen dann ausreisen. Für Berlin hat Gisela von der Aue festgelegt: Die Ausländerbehörde ist nicht zuständig.

Die Bezirke sollen selbst entscheiden, ob sie die Kompetenz dem Jugendamt oder dem Standesamt übertragen. Die Entscheidung kam auf Druck von Grünen und LINKEN im Abgeordnetenhaus zustande. Die wollten einen Generalverdacht gegen binationale uneheliche Kinder verhindern. »Die Ausländerbehörde entscheidet häufig zulasten der Flüchtlinge«, ist die Erfahrung von Benedikt Lux (Grüne). Die Bezirke wollen jedoch für diese Anfechtungen nicht zuständig sein. Auf Initiative von Neukölln hat der Rat der Bürgermeister vor wenigen Wochen beschlossen, dass der Senat, also die Ausländerbehörde, diese Aufgabe übernehmen soll. Die Entscheidung fiel einstimmig – auch mit den Stimmen linker und grüner Bürgermeister.

Bis Mitte September muss die Landesregierung nun darauf reagieren. »Der Missbrauch von Scheinvaterschaften muss bekämpft werden. Dafür sind aber die Bezirke zuständig«, sagte der Sprecher des Justizsenats Mark Weber. Neuköllns stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Stefanie Vogelsang (CDU) erklärt hingegen, der Senat müsse die Entscheidung zurücknehmen. In ihren Augen würden die Familien mit Scheinvätern Sozialleistungen erschleichen. In Neukölln geht sie von 60 Familien aus und einem Schaden für die Bezirkskasse von 240 000 Euro.

Was sie nicht sagt: Das Geld, das der Bezirk mehr ausgibt, kommt Familien mit Kindern am unteren sozialen Rand zugute, mindert also die Armut in Berlin. Das sieht der Rechtspolitiker Klaus Lederer, Linke-Landeschef, anders. »In den Ausländerbehörden entscheidet man nach ausländerrechtlichen Gesichtspunkten. In den Jugendämtern steht das Kindeswohl im Vordergrund.« Deshalb gehöre das Thema in die Bezirke. Weder Lederer noch Lux sind glücklich über das Votum der Bezirkschefs, das auch Kommunalpolitiker ihrer eigenen Parteien mitgetragen haben.

* Kommt das uneheliche Kind einer Asylbewerberin und eines deutschen Vaters zur Welt, dann erwirbt es mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit.

* Die Mutter bekommt als allein erziehende Mutter eines Deutschen ein Aufenthaltsrecht bis zur Volljährigkeit des Kindes.

* Nach Auffassung des Bundestages gibt es Missbrauchsfälle: Väter erkennen die Vaterschaft an, damit die Mutter ein Bleiberecht erhält. Das seien zumeist alkoholabhängige oder sozial schwache Väter, die von der Mutter Geld dafür bekämen.

* Um solche Missbrauchsfälle zu verhindern, hat der Bundestag beschlossen, dass seit Juni eine Behörde die Vaterschaft anfechten darf, falls die Mutter dadurch ein Aufenthaltsrecht erworben hat.

* Der Verein für binationale Familien und Partnerschaften sowie die Opposition im Bundestag haben das Gesetz heftig attackiert. Sie befürchten einen Generalverdacht gegen uneheliche binationale Partnerschaften.

 

27.08.2008

www.neues-deutschland.de/artikel/134512.keiner-will-ueber-vaterschaft-entscheiden.html

 

 


 

 

Abschiebestopp

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Einstweiligen Anordnung am 7.3.2001 der Ausländerbehörde untersagt, den Verfassungsbeschwerde führenden türkischen Vater einer 1996 geboren Tochter abzuschieben.

ausführlich in: "FamRZ", 2001, Heft 17

 

mitgeteilt von Rechtsanwalt Sebastian Kreibig, Berlin

 

 

 

 


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