Bindung

Bindungen


 

 

Bindungen

"Der Anspruch des Kindes auf den Schutz früher Bindungen sollte im Mittelpunkt des Handelns stehen. Dass Beziehungsabbrüche im Kindesalter Menschen lebenslang belasten und dazu führen, dass sie im Jugend- und Erwachsenenalter oft irreversible erhebliche seelische und soziale Probleme im Persönlichkeits- und Leistungsbereich entwickeln, wurde von Bettelheim, Erikson, Bowlby, Redl, Wineman u.v.a. eindrücklich dargestellt."

Wiemann, I., 1997

 

 

 


 

 

 

"Bindung? - Ja Sicher"

Kai Uwe Fock

in: "Pfad", 4/2001

Ein Aufsatz zum Thema Bindung und Bindungstheorie. Gravierender Mangel des Aufsatzes, die durchgängige Übernahme der Sprechweise des englischen Psychiaters John Bowlby bei Bindungen nur von Bindungen zwischen Mutter und Kind zu reden und die Vater-Kind-Bindungen völlig unreflektiert zu lassen.

Da drängt sich die Vermutung auf Kai Uwe Fock und auch John Bowlby haben selber nur ein unsicher-vermeidendes oder gar desorganisiertes Bindungsverhalten zu ihrem eigenem Vater entwickeln können.

 

 


 

 

"Die Bindungsbeziehung des Kindes ist Handlungsmaxime nach der Kindschaftsrechtsreform"

Franz Weisbrodt, Neustadt a. d. Weinstraße.

Er ist Richter am Pfälzischen OLG Zweibrücken und Mitglied des Familiensenats

in: DAVorm. 08/2000, S. 617 - 630

 

Franz Weisbrodt (geb. zensiert durch Anordnung des "Berliner Beauftragten für Datenschutz" 1952) - Richter am Amtsgericht Landau in der Pfalz / Familiengericht - Abteilung 1 / Direktor am Amtsgericht Landau in der Pfalz (ab 16.12.2004 , ..., 2011) - im Handbuch der Justiz 1988 ab 09.04.1987 als Richter/Staatsanwalt auf Probe im OLG-Bezirk Zweibrücken aufgeführt. Ab 21.05.1996 Direktor am Amtsgericht Germersheim und Richter am Oberlandesgericht Zweibrücken (2000) - Mitautor "Familien-Vermögensrecht", Gieseking, 2008. "Die Bindungsbeziehung des Kindes als Handlungsmaxime nach der Kindschaftsrechtsreform“, Franz Weisbrodt in: „Der Amtsvormund", 08/2000, S. 616-630.

 

 

 


 

 

 

"Bindungsmuster von Psychotherapeuten"

Carlotta Nord, Diether Höger, Jochen Eckert

in: "Persönlichkeitsstörungen. Theorie und Therapie", PTT 2/2000, S. 85

 

 

 


 

 

 

„Bindungsstörungen. Von der Theorie zur Therapie“

Karl-Heinz Brisch

1999, Klett-Cotta, Stuttgart

 

 

 

Karl-Heinz Brisch

Dr. med. habil, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

Leiter der Abteilung für pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie an der Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximillians-Universität München

 

 

 


 

 

Kaukasischer Kreidekreis

Das bekannte 1944/45 von Bertolt Brecht geschrieben Stück "Der kaukasische Kreidekreis", dem ein altes chinesisches Stück zugrunde liegt (In der Bibel soll es eine ähnliche Textstelle zu einer Entscheidung des Weisen Salomos geben.),  wird immer wieder irrigerweise als Synonym für den Streit getrennter Eltern um das gemeinsame Kind genannt. Wahrscheinlich von Leuten, die das Stück nie gelesen oder gesehen haben. Denn sonst würde damit nicht so leichtfertig umgegangen werden.  

Im "normalen" Elternkonflikt befinden sich Vater und Mutter, zu denen das Kind Bindungen besitzt und die beide für das Kind wichtig sind. Damit stellt sich aus Sicht des Kindes nicht die Frage, wer der "bessere" Elternteil ist, sondern wie dem Kind beide Elternteile trotz einer Trennung erhalten bleiben können. Die Geschichte vom "Kaukasischen Kreidekreis" handelt dagegen von einer leiblichen Mutter, der Ehefrau des Gouverneurs, die ihr Kind in der Gefahr im Stich lässt und kein wirkliches Interesse an dem Kind hat und der Gänsemagd Grusche, die das Kind im Moment der Gefahr zu sich nimmt und es dann "annimmt". 

Später spürt die leibliche Mutter das Kind wieder auf und will es zurückhaben. Der Dorfschreiber und spätere Richter Azdak stellt das Kind in der darauffolgenden Gerichtsverhandlung in den Kreidekreis und ... 

Trotzdem es nicht um einen klassischen Trennungskonflikt von Eltern geht, ist die Geschichte lesenswert, besonders auch unter dem modernen Aspekt der "Bindungsforschung".  Die Geschichte sagt uns auch, eine gute Mutter, ist eine Mutter, die auch unter widrigen Umständen ihr Kind loslassen kann, erst recht, wenn der Gegenüber keine kaltherzige, berechnende Gouverneursfrau ist, sondern ein das Kind liebender Vater.

 

Hier einige Ausschnitte aus dem "Kaukasischen Kreidekreis": 

 

GRUSCHE: Simon Chachava, geh nicht weg, es ist nicht meins, es ist nicht meins! Sie hört die Kinder rufen. Was ist, Kinder?

STIMMEN: Hier sind Soldaten! — Sie nehmen den Michel mit!

Grusche steht entgeistert. Auf sie zu kommen zwei Panzerreiter, Michel führend.

EIN PANZERREITER: Bist du die Grusche? Sie nickt. Ist das dein Kind?

GRUSCHE: Ja. Simon geht weg. Simon!

DER PANZERREITER: Wir haben den richterlichen Befehl, dieses Kind, angetroffen in deiner Obhut, in die Stadt zu bringen, da der Verdacht besteht, es ist Michel Abaschwili, der Sohn des Gouverneurs Georgi Abaschwili und seiner Frau Natella Abaschwili. Hier ist das Papier mit den Siegeln.

Sie führen das Kind weg.

GRUSCHIE läuft nach, rufend: Laßt es da, bitte, es ist meins!

DER SÄNGER:

Die Panzerreiter nehmen das Kind fort, das teure. Die Unglückliche folgte ihnen in die Stadt, die gefährliche.

Die leibliche Mutter verlangte das Kind zurück. Die Ziehmutter stand vor Gericht.

Wer wird den Fall entscheiden, wem wird das Kind zuerteilt?

Wer wird der Richter sein, ein guter, ein schlechter?

Die Stadt brannte. Auf dem Richterstuhl saß der Azdak.

 

......

 

DIE PANZERREITER unter sich: Sie haben die Hosen voll, weil sie den Großf ürsten noch nicht geschnappt haben. —Das verdanken wir diesem Dorfschreiber, er hat ihn laufenlassen. — Sie fühlen sich noch nicht sicher, da heißt es ,,meine Freunde“ und ,,das Volk hat die Entscheidung“. — Jetzt will er sogar Gerechtigkeit für Grusinien.

- Aber eine Herz ist eine Hetz, und das wird eine Hetz.

- Wir werden den Dorfschreiber fragen, der weiß alles über Gerechtigkeit. He, Halunke...

AZDAK: Meint ihr mich?

DER ERSTE PANZERREITER fährt fort: Würdest du den Neffen als Richter haben wollen?

AZDAK: Fragt ihr mich? Ihr fragt nicht mich, wie?

DER ZWEITE PANZERREITER: Warum nicht? Alles für einen Witz!

AZDAK: Ich versteh euch so, daß ihr ihn bis aufs Mark prüfen wollt. Hab ich recht? Hättet ihr einen Verbrecher vorrätig, daß der Kandidat zeigen kann, was er kann, einen gewiegten?

DER DRITTE PANZERREITER: Laß sehn. Wir haben die zwei Doktoren von der Gouverneurssau unten. Die nehmen wir.

AZDAK: Halt, das geht nicht. Ihr dürft nicht richtige Verbrecher nehmen, wenn der Richter nicht bestallt ist. Er kann ein Ochse sein, aber er muß bestallt sein, sonst wird das Recht verletzt, das ein sehr empfindliches Wesen ist, etwa wie die Milz, die niemals mit Fäusten geschlagen weiden darf, sonst tritt der Tod ein. Ihr könnt die beiden hängen, dadurch kann niemals das Recht verletzt werden, weil kein Richter dabei war. Recht muß immer in vollkommenem Ernst gesprochen werden, es ist so blöd. Wenn zum Beispiel ein Richter eine Frau verknackt, weil für ihr Kind ein Maisbrot gestohlen hat, und er hat seine Rohe nicht an oder er kratzt sich beim Urteil, so daß mehr als ein Drittel Von ihm entblößt ist, das beißt, er muß sich dann am Oberschenkel kratzen, dann ist das Urteil eine Schande und das Recht ist verletzt. Eher noch könnte eine Richterrobe und ein Richterhut ein Urteil sprechen als ein Mensch ohne das alles. Das Recht ist weg wie nix, wenn nicht aufgepaßt wird. Ihr würdet nicht eine Kanne Wein ausprobieren, indem ihr sie einem Hund zu saufen gebt, warum, dann ist der Wein weg.

DER ERSTE PANZERREITER: Was schlägst du also vor, du Haarspalter?

AZDAK: Ich mache euch den Angeklagten. Ich weiß auch schon, was für einen. Er sagt ihnen etwas ins Ohr.

DER ERSTE PANZERRETTER: Du?

 

...

 

AZDAK: Und das Kind, behauptest du. kommt von der Hurerei? Da Grusche nicht antwortet: Ich stell dir eine Frage: Was für ein Kind ist es? So ein zerlumpter Straßenbankert oder ein feines, aus einer vermögenden Familie?

GRUSCHE böse: Es ist ein gewöhnliches.

AZDAK: Ich mein: Hat es frühzeitig verfeinerte Züge gezeigt?

GRUSCHE: Es hat eine Nase im Gesicht gezeigt.

AzDMC: Es hat eine Nase im Gesicht gezeigt. Das betracht ich als eine wichtige Antwort von dir. Man erzählt von mir, daß ich vor einem Richtersprucb hinausgegangen bin und an einem Rosenstrauch hingerochen hab. Das sind Kunstgriffe, die heut schon nötig sind. Ich werd‘s jetzt kurz machen und mir eure Lügen nicht weiter anhören, —zu Grusche — besonders die deinen. Ich kann mir denken, was ihr euch — zu der Gruppe der Beklagten — alles zusammengekocht habt, daß ihr mich bescheißt, ich kenn euch. Ihr seid Schwindler.

GRUSCHE plötzlich: Ich glaub‘s Ihnen, daß Sie‘s kurz machen wollen, nachdem ich gesehen hab, wie Sie genommen haben!

AZDAK: Halts Maul. Hab ich etwa von dir genommen?

GRUSCHE obwohl die Köchin sie zurückhalten will: Weil ich nichts hab.

AZDAK: Ganz richtig. Von euch Hungerleidern krieg ich nichts, da könnt ich verhungern. Ihr wollt eine Gerechtigkeit, aber wollt ihr zahlen? Wenn ihr zum Fleischer geht, wißt ihr, daß ihr zahlen müßt, aber zum Richter geht ihr wie zum Leichenschmaus.

SIMON laut: ,,Als sie das Roß beschlagen kamen, streckte der Roßkäfer die Beine hin“, heißt es.

AZDAK nimmt die Herausforderung eifrig auf: ,,Besser ein Schatz aus der Jauchegrube als ein Stein aus dem Bergquell.“

SIMON: ,,Ein schöner Tag, wollen wir nicht fischen gehn? sagte der Angler zum Wurm.“

AZDAK: ,,Ich hin mein eigener Herr, sagte der Knecht und schnitt sich den Fuß ab.“

SIMON: ,,Ich liebe euch wie ein Vater, sagte der Zar zu den Bauern und ließ dem Zarewitsch den Kopf abhaun.“

AZDAK: "Der ärgste Feind des Narren ist er selber.“

SIMON: Aber ,,der Furz hat keine Nase“!

AZDAK: 10 Piaster Strafe für unanständige Sprache vor Gericht, damit du lernst, was Justiz ist.

GRUSCHE: Das ist eine saubere Justiz. Uns verknallst du, weil wir nicht so fein reden können wie die mit ihren Anwälten.

AZDAK: So ist es. Ihr seid zu blöd. Es ist nur recht, daß ihr‘s auf den Deckel kriegt.

GRIJSCHE: Weil du der da das Kind zuschieben willst, wo sie viel zu fein ist, als daß sie je gewußt hat, wie sie es trockenlegt! Du weißt nicht mehr von Justiz als ich, das merk dir.

AZDAK: Da ist was dran. Ich bin ein unwissender Mensch, ich habe keine ganze Hose unter meinem Richterrock, schau selber. Es geht alles in Essen und Trinken bei mir, ich hin in einer Klosterschule erzogen. Ich nehm übrigens auch dich in Straf mit 10 Piaster für Beleidigung des Gerichtshofs. Und außerdem bist du eine ganz dumme Person, daß du mich gegen dich einnirnmst, statt daß du mir schöne Augen machst und ein bissel den Hintern drehst, so daß ich günstig gestimmt bin. 20 Piaster.

GRUSCHE: Und wenn‘s 30 werden, ich sag dir, was ich von deiner Gerechtigkeit halt, du besoffene Zwiebel. Wie kannst du dich unterstehn und mit mir reden wie der gesprungene Jesaja auf dem Kirchenfenster als ein Herr? Wie sie dich aus deiner Mutter gezogen haben, war‘s nicht geplant, daß du ihr eins auf die Finger gibst, wenn sie sich ein Schälchen Hirse nimmt irgendwo, und schämst dich nicht, wenn du siehst, daß ich vor dir zitter? Aber du hast dich zu ihrem Knecht machen lassen, daß man ihnen nicht die Häuser wegträgt, weil sie die gestohlen haben; seit wann gehören die Häuser den Wanzen? Aber du paßt auf, sonst könnten sie uns nicht die Männer in ihre Kriege schleppen, du Verkaufter.

Der Azdak hat sich erhoben. Er beginnt zu strahlen. Mit seinem kleinen Hammer klopft er auf den Tisch, halbherzig, wie um Ruhe herzustellen, aber wenn die Schimpf erei der Grusche fortschreitet, schlägt er ihr nur noch den Takt.

GRUSCHE: Ich hab keinen Respekt vor dir. Nicht mehr als vor einem Dieb und Raubmörder mit einem Messer, er macht, was er will. Du kannst mir das Kind wegnehmen, hundert gegen eins, aber ich sag dir eins: Zu einem Beruf wie dem deinen sollt man nur Kinderschinder und Wucherer auswählen, zur Strafe, daß sie über ihren Mitmenschen sitzen müssen, was schlimmer ist, als am Galgen hängen.

AZDAK setzt sich: Jetzt sind‘s 30, und ich rauf mich nicht weiter mit dir herum wie im Weinhaus, wo käm meine richterliche Würde hin, ich hab überhaupt die Lust verloren an deinem Fall. Wo sind die zwei, die geschieden werden wollen? Zu Schauwa: Bring sie herein. Diesen Fall setz ich aus für eine Viertelstunde.

DER ERSTE ANWALT während Schauwa geht: Wenn wir gar nichts mehr vorbringen, haben wir das Urteil im Sack, gnädige Frau.

DIE KÖCHIN zu Grusche: Du hast dir‘s verdorben mit ihm. Jetzt spricht er dir das Kind ab.

...

 

DER SÄNGER:

Und nach diesem Abend verschtwand der Azdak und ward nicht mehr gesehen.

Aber das Volk Grusiniens vergaß ihn nicht und gedachte noch

Lange seiner Richterzeit als einer kurzen

Goldenen Zeit beinah der Gerechtigkeit.

Die Tanzenden tanzen hinaus. Der Azdak ist verschwunden.

Ihr aber, ihr Zuhörer der Geschichte vom Kreidekreis

Nehmt zur Kenntnis die Meinung der Alten:

Daß da gehören soll, was da ist, denen, die für es gut sind, also

Die Kinder den Mütterlichen, damit sie gedeihen

Die Wagen den guten Fahrern, damit gut gefahren wird

Und das Tal den Bewässerern, damit es Frucht bringt.

 

Ende

 

 

 


zurück