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Nach Kindstötung

Jugendamt will Fehler aufarbeiten

Stuttgart - Sie war erst 21 Jahre alt, ihr Sohn zehn Wochen. Im Kreis Reutlingen hat eine junge Frau ihr Baby zu Tode misshandelt. Jahrelang wurde sie vom Jugendamt betreut, doch das verteidigte sich am Montag vehement. Man habe keinerlei Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kinds gefunden.

Es muss Ende Mai oder Anfang Juni gewesen sein. So genau lässt sich das nicht mehr feststellen. Doch in dieser Zeit misshandelte die junge Frau ihren zehn Wochen alten Sohn so schwer, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste. Sie soll den Säugling unter anderem gegen eine Wand geworfen haben. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft ist auf das Kind "nicht eingeschlagen worden". Die Ärzte diagnostizierten innere Verletzungen und Schädelfrakturen und versuchten, das Leben des Kleinen zu retten. Mit allen medizinischen Mitteln. Am 29.Juni starb das Kind. Die Mutter sitzt seither in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen die Frau eingeleitet. Grund: Verdacht auf Totschlag.

Beim Kreisjugendamt Reutlingen war die 21-Jährige keine Unbekannte. Vor vier Jahren brachte sie bereits ein Kind zur Welt. Das Jugendamt vermittelte es an eine Pflegefamilie. Seit diesem Zeitpunkt wurde die Frau von ein und derselben pädagogischen Fachkraft betreut. Diese stellte zuletzt eine positive Prognose, was die 21-Jährige und ihren Sohn betraf. Wenige Tage später kam es zu der tödlichen Misshandlung.

Der Reutlinger Landrat Thomas Reumann verteidigte am Montag das Jugendamt. Zwei pädagogische Fachkräfte hätten unabhängig voneinander die Lebenssituation der jungen Frau beurteilt. Mit demselben Ergebnis: Das Wohl des Kindes sei nicht gefährdet. Im Nachhinein habe man außerdem einen Gutachter eingesetzt. Dieser habe alle Akten durchgesehen und keine Fehler des Jugendamts entdeckt. "Die Jugendämter stehen in solchen Fällen in einem Spannungsfeld", sagte Roland Kaiser, Leiter des Landesjugendamts in Stuttgart. Einzelne Eltern würden oft großen Aufwand betreiben, den Sozialpädagogen "eine heile Welt vorzuspielen". Landrat Reumann kündigte am Montag trotzdem an, den Fall "rücksichtslos" aufzuklären. "Wir haben nichts zu vertuschen und zu verbergen. Und wenn Fehler passiert sind, dann stehen wir auch dazu", sagte er. Druck auf das Jugendamt kommt auch von anderer Seite. Die Staatsanwaltschaft Tübingen prüft ebenfalls die Akten des Jugendamts. Dies geschieht im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die junge Mutter. "Wir leuchten den Hintergrund der Frau aus", sagte ein Sprecher. Es gebe bisher aber keine Hinweise darauf, dass sich das Jugendamt falsch verhalten habe.

An den Mitarbeitern des Jugendamts ist der Tod des Säuglings nicht spurlos vorübergegangen. "Ich denke, es ist so ziemlich das Schlimmste, was den Mitarbeitern eines Kreisjugendamts passieren kann, wenn ein Kind, das dort betreut wird, zu Schaden kommt", sagte Reumann, "wenn ein Kind, das von uns betreut wird, sogar zu Tode kommt." Doch was können Jugendämter tun, um solche Fälle zu vermeiden? Die schärfste Waffe gegen Kindesmissbrauch ist immer noch der Entzug des elterlichen Sorgerechts. In Baden-Württemberg haben die Behörden im vergangenen Jahr deutlich mehr Eltern das Sorgerecht entzogen als noch im Jahr zuvor. Nach neuesten Zahlen des Statistischen Landesamts sind 1010 Kinder und Jugendliche aus ihren Familien herausgeholt worden - gegen den Willen der Eltern. Darunter fallen auch Alleinerziehende. Im Jahr 2007 lag diese Zahl noch bei 847 - ein Anstieg um 19 Prozent.

Auch außerhalb Baden-Württembergs greifen die Jugendämter immer härter durch. In Hessen gab es 2008 ein Drittel mehr Sorgerechtsentzüge als im Vorjahr. Wie es zu dieser Entwicklung kommt? Nach Meinung von Experten seien die Behörden mittlerweile vorsichtiger geworden. Die Sozialarbeiter schauten auch immer genauer hin. Im Fall des getöteten Säuglings in Reutlingen ist dies offenbar nicht geschehen.

Hilmar Pfister

21.07.2009 - aktualisiert: 20.07.2009 19:27 Uhr

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/2133355

 

 

Kommentar Väternotruf:

Im nachhinein habe man "einen Gutachter eingesetzt. Dieser habe alle Akten durchgesehen und keine Fehler des Jugendamts entdeckt.", trägt der Reutlinger Landrat Thomas Reumann vor. Na ist vielleicht auch kein Wunder, wenn man als Jugendamt selber den Gutachter aussucht. Was soll da schon groß bei raus kommen? Nächsten bestellten die Architekten der eingestürzten Eissporthalle in Bad Reichenhall auch noch selber einen Gutachter, der dann alle Akten der Architekten durchsieht und keine Fehler entdeckt. Um ganz sicher zu gehen, kann man auch einen blinden Gutachter beauftragen, der wird in den Akten mit Sicherheit keine Fehler finden. Das ist doch ungeheuer praktisch.

 

 

 

 


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