Fidel Castro


 

 

 



Der Fall Elián erinnert Fidel Castro an seinen eigenen Sohn

Kubas Staatschef kämpfte selbst um das Sorgerecht für seinen Sprössling - Ist das der Hintergrund für die Staatsaffäre? 



Von Hero Buss


San José - Wieder gingen am Wochenende in Kubas Hauptstadt Havanna 150 000 Menschen auf die Straße, um die Rückkehr des kleinen Elián in seine Heimat zu fordern. Ist ein altes Trauma Fidel Castros die Ursache dafür, dass der Präsident seit Wochen die Kubaner für die Rückkehr des sechsjährigen Elián González demonstrieren lässt, dass der Streit um das Sorgerecht für einen kleinen Kubaner zu einer Staatsaffäre eskaliert ist? Vor 47 Jahren trug Castro selbst einen Streit um das Sorgerecht für seinen Sohn aus.

Castro war damals 28 Jahre alt und saß im Gefängnis. Die erste gewaltsame Aktion einer von ihm geführten Revolutionsbewegung, der Angriff auf eine Kaserne des Diktators Fulgencio Batista, war gescheitert und der junge Comandante zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. 1954, als er ein Jahr verbüßt hatte, bekam er Post von Mirta Diaz-Balart, mit der er seit sechs Jahren verheiratet war. Das Paar hatte einen Sohn, damals fünf Jahre alt. Sie werde sich scheiden lassen, schrieb Ehefrau Mirta, nach New York umziehen und ihren Sohn mitnehmen.

Castro tobte, wie jetzt die lateinamerikanische Wochenzeitung "Tiempos del Mundo" berichtet. Er vermutete einen "Komplott" seiner Schwiegereltern, einer der reichsten Familien Kubas. Er werde nur dann in eine Scheidung einwilligen, wenn der kleine Fidelito in Havanna bleibe. Um seinen Sohn werde er kämpfen, selbst zu dem Preis, "dass die Erde zerstört wird".

Die Richter entschieden zu Gunsten der Mutter. 1955 kam Castro durch einen Gnadenerlass Batistas frei und ging nach Mexiko, wo sich seine Truppe für den Kampf auf Kuba vorbereitete. Seiner Frau schrieb er, dass er möglicherweise dabei sterben werde. Er habe nur den einen Wunsch, vorher noch einmal seinen Sohn zu sehen, dann werde er ihn zurückschicken.

Aber Castro hielt nicht Wort und überließ den Jungen - damals sechs Jahre alt wie heute Elián González - einem mexikanischen Ehepaar.
Seine Ex-Frau sei unfähig zu einer von ihrer "Oligarchenfamilie" unbeeinflussten Erziehung ohne "verabscheuungswürdige Ideen", gegen die er kämpfe. In einem Brief schrieb er: "Diejenigen sollen sich um ihn kümmern, die die beste Erziehung garantieren."

Ähnlich argumentiert heute die Familie von Eliáns Großonkel in Miami. Wenn der Junge, dessen Mutter und Stiefvater beim Fluchtversuch ertranken, dem Vater auf Kuba übergeben werde, verlöre er eine "Erziehung in Freiheit". Man liefere ihn einem System aus, wo
Schulkindern eingetrichtert werde, ihre Eltern anzuzeigen, wenn sie sich als Konterrevolutionäre verdächtig machten.

Castros Rechnung ging damals zunächst nicht auf. Familie Diaz-Balart engagierte drei Privatagenten, die Fidelito in Mexiko entführten und nach New York zur Mutter brachten. Nach dem Sieg der Revolution gab sie dem Drängen des Ex-Ehemanns, nunmehr Herr auf Kuba, nach.
Fidelito kam nach Havanna und wuchs mit den Halbgeschwistern aus Castros zweiter Ehe auf. Er studierte in der Sowjetunion Physik und wurde Chef des (gescheiterten) kubanischen Programms zur friedlichen Nutzung der Kernenergie, bis er in Ungnade fiel und auf einen drittrangigen Posten abgeschoben wurde. Zu den prominentesten Persönlichkeiten in den USA, die sich heute für ein Verbleiben von Elián González einsetzen, gehört der Kongressabgeordnete Lincoln Diaz-Balart. Er ist Neffe von Mirta Diaz-Balart, geschiedene Castro.

US-Präsident Bill Clinton hat indessen schärfere Sanktionen gegen Kuba im Rahmen des Helms-Burton-Gesetzes erneut blockiert.


 

 

http://www.welt.de/daten/2000/01/17/0117au147344.htx

 

 


zurück