Gender
Erste Klage
Gendern verweigert, Kündigung erhalten – Die Geschichte einer Eskalation
Der promovierte Soziologe Klaus Roggenthin weigerte sich, zu gendern. Dann wurde ihm gekündigt
Klaus Roggenthin verlor seinen Job, weil er nicht gendern will. Nun hat er die deutschlandweit erste Klage gegen den Zwang zu politisch korrekter Sprache eingereicht. Der Prozess könnte auch für andere Arbeitnehmer Signalwirkung entfalten.
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01.09.2022
Dr. Klaus Roggenthin
Institution:
Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e.V
Funktion:
Geschäftsführer
Anschrift:
Heussallee 14
53113 Bonn
in Nordrhein-Westfalen
Telefon:
0228 9663595
Webseite:
http://bag-s.de
Vita:
Studium der Soziologie und Sozialpädagogik. Wichtige berufliche Stationen:
Biographieforschung an der Uni Erlangen, Jugendhilfeplaner, Referent im
Bundesjugendkuratorium, Referent im Bundesministerium für Familie, Frauen,
Senioren und Jugend. Seit 2011 Geschäftsführer des Bundesarbeitsgemeinschaft für
Straffälligenhilfe (BAG-S) e.V.
https://www.praeventionstag.de/nano.cms/personen/id/1976
Weil er nicht genderte: Mann gefeuert Ausgerechnet bei Sozialverbänden: Ideologie geht vor soziales Gewissen
02.09.2022
Der promovierte Soziologe Klaus Roggenthin hält nichts vom „Gendern“ und ist
da auch nicht zu Kompromissen bereit. Deswegen, so ist er überzeugt, hat ihm die
Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe (BAG-S) gekündigt. Deren
Geschäftsführer er seit 2011 war. Die BAG-S wird von Sozialverbänden getragen
und im Wesentlichen von Geldern der Steuerzahler finanziert. Ihr Ziel ist es,
die Interessen von Straftätern zu vertreten. Roggenthin zieht nun gegen seinen
Arbeitgeber vor Gericht. Dabei hilft ihm der Verein Deutsche Sprache.
„Obwohl Gender-Vorgaben inzwischen vielerorts zum beruflichen Alltag gehören,
zieht kaum ein Betroffener deshalb vor Gericht – bis jetzt“, schreibt die
„Welt„, der die Klage vorliegt. Ohne näher darauf einzugehen, worauf die
Klage-Scheu wohl zurückzuführen ist. Ein Klima der Angst? Auch die „Welt“
versteckt den Artikel über die Klage hinter einer Zahlschranke. Was besonders
schade ist, denn die Klage hat, wie das Blatt selbst schreibt, „das Potenzial,
erstmals rechtliche Pflöcke in das juristisch kaum erschlossene Gebiet
einzuschlagen.“
„Das Thema köchelt im Verein schon länger“, schreibt die „Welt“: Die
Mitgliedsverbände, die jeweils ein Mitglied in den Vorstand der BAG-S entsenden,
gendern ihrerseits und wollen dies auch in der BAG-S verpflichtend machen.
Roggenthin hält dem Blatt zufolge dagegen: „Eine unserer Veröffentlichungen, der
‚Wegweiser‘, richtet sich an Menschen, die in Haft waren oder sind. Weil
Bildungsstand und Sprachkompetenz bei dieser Gruppe oft nur gering ausgeprägt
sind, haben wir die Texte eigens von einer Agentur für verständliche Sprache
bearbeiten lassen. Es wäre doch absurd, diesen Gewinn an Lesbarkeit dann durch
Einführung einer Kunstsprache zunichtezumachen, die den Regeln der deutschen
Rechtschreibung widerspricht und an der Lebenswelt der Adressaten völlig
vorbeigeht.“
HahneIm November 2018 hielt Roggenthin dem Bericht zufolge auf einer
Mitgliederversammlung eine mit dem Vorstandsvorsitzenden abgestimmten Rede zum
Thema Gendern. Das ging nicht gut. „Die Angelegenheit endete, obwohl der Vortrag
sachlich-wissenschaftlich aufgebaut war und keine Polemik enthielt, mit einem
Eklat. Der Kläger wurde – per Abstimmung – genötigt, seinen Vortrag abzubrechen.
Die geplante Diskussion wurde als überflüssig bezeichnet und abgelehnt“, heißt
es dazu laut „Welt“ in der Klageschrift.
Das Sitzungsprotokoll der damaligen Versammlung ist ein zeitgeschichtliches
Dokument für den Rückfall hinter die Aufklärung im Deutschland des Jahres 2018 –
von der weiteren Entwicklung ganz zu schweigen. Es heißt darin dem Bericht
zufolge: „Einige der Anwesenden finden es ungeheuerlich, die Verwendung einer
gendergerechten Sprache überhaupt infrage zu stellen, sodass es zu Unruhen kommt
und in Folge Frau Baumann beantragt, den Vortrag an dieser Stelle zu beenden“.
Es kam noch dicker: Bei „Abnahme durch den Vorstand wurde dies zu „Einige der
Anwesenden wundern sich“ entschärft und die folgende Passage zum Abbruch des
Vortrags gestrichen, wie die „Welt“ berichtet.
Im Februar 2019 kam dann ein Vorstandsbeschluss, der besagt, Gendern müsse
künftig Standard sein. „Mir wurde vom damaligen Vorstandsvorsitzenden aber noch
versichert, dass diese Regelung für Namensbeiträge nicht verpflichtend sei“,
erzählt Roggenthin der Zeitung. „Wir können Gastautoren, die bei uns schreiben,
ja kaum dazu zwingen, ihre Texte zu gendern. Und auch in meinen eigenen
Beiträgen und Interviews sollte mir das angeblich freigestellt bleiben.“
Der Arbeitsrechtler Arnd Diringer sieht die Rechtslage im Gespräch mit der
„Welt“ wie folgt: Eine „persönliche Unterwerfung unter eine bestimmte Weltsicht
oder Ideologie, und nichts anderes ist das Gendern“, dürfe von Arbeitnehmern
nicht verlangt werden. Roggenthin sei dennoch nach eigener Erzählung vom
Vorstand zusehends unter Druck gesetzt worden. Die Konflikte hätten zugenommen,
der Ton sei schärfer geworden, so die Zeitung: „Mitte Februar 2022 fasste der
Vorstand einen neuen Beschluss, der Gendersprache nunmehr unzweifelhaft und
umfassend für verpflichtend erklärt.“
Als Roggenthin daraufhin nachfragte, was er denn nun tun soll, wenn
beispielsweise Interviewpartner nicht gegendert hätten, „oder wenn die für die
BAG-S vorgesehene Doppelpunkt-Schreibweise mit dem in einem der
Mitgliedsverbände bevorzugten Unterstrich in Konflikt gerate“, so die „Welt“.
Statt einer Antwort habe er acht Tage später die Kündigung erhalten. Kurz bevor
er, da er psychisch angeschlagen war, in Reha sollte.
„Ich war damals psychisch angeschlagen, weil ich von Vorstandsmitgliedern in den
letzten Jahren immer wieder persönlich angegriffen und schikaniert worden war“,
sagt Roggenthin der Zeitung. Der Verein bestreitet das dem Bericht zufolge.
Aber: E-Mails der Vorstandsmitglieder an Roggenthin, die der „Welt“ vorliegen,
zeugen dem Blatt zufolge von „einem unkollegialen bis feindseligen Ton“. Eine
Diskussion in der Sache sei weder erwünscht noch möglich gewesen, so Roggenthin:
Die Geisteshaltung im Vorstand laute offenbar: „Gendern ist gut, wer gendert,
ist gut – wer es nicht tut, ist böse und wahrscheinlich rechts.“
Bloss keine kritischen Rückfragen!
Besonders pikant: Roggenthin sieht sich selbst als Linken, und tritt etwa für
eine Abschaffung der Strafhaft ein, wie die „Welt“ schreibt und ihn wie folgt
zitiert: „Nur mit dieser neueren linken Strömung, die sehr stark auf
sprachlich-symbolische Moraldarstellung setzt und sich kritische Rückfragen
verbittet, kann ich nichts anfangen.“
Die Vorsitzende der BAG-S, Heike Timmen, wollte sich auf Anfrage der Zeitung
nicht zu dem Fall äußern.
Die Causa ist in meinen Augen ein erschütterndes Sittengemälde des „neuen
Deutschland“. Ausgerechnet ein Verband, den die Wohlfahrtsverbände tragen, die
ja ein besonderes soziales Gewissen an den Tag legen, schmeißen einen verdienten
und gesundheitlich angeschlagenen Angestellten kurz vor seinem Renteneintritt
einfach mit einem Fußtritt raus.
Der Verband macht zwar andere Fehler Roggenthins geltend, wie eine schlechte
Vorbereitung auf einen Kongress. Doch das wirkt aufgesetzt und nicht
stichhaltig. Es gab laut „Welt“ nie eine Abmahnung, ein Zwischenzeugnis aus dem
Jahr 2020 ist voll des Lobes.
Vorauseilendes, fahnentragendes Mitläufertum
Besonders erschütternd ist in meinen Augen der totalitäre Geist, der in der
Causa offensichtlich wird. Das Verweigern einer Diskussion, das Setzen auf
Dogmen, eine bornierte Intoleranz und Ideologie-Besessenheit gepaart mit
vorauseilendem, fahnentragendem Mitläufertum. Phänomene, die einem aus der
Geschichte bekannt vorkommen und die umso erschreckender wirken, da sich
Deutschland ja vermeintlich der Vergangenheitsbewältigung verschrieben hat.
Das Arbeitsgericht Bonn soll nun am 7. September über den Fall entscheiden.
https://reitschuster.de/post/weil-er-nicht-genderte-mann-gefeuert/