Hans Frank
Generalgouverneur von Polen
Niklas Frank, Journalist
9.3.1939 in München
Der Sohn des 1946 in Nürnberg verurteilten Generalgouverneurs von Polen ist eines der wenigen Kinder prominenter Nationalsozialisten, die sich vom Dritten Reich und ihren Eltern distanziert haben. Sein Buch "Der Vater – Eine Abrechnung" gibt freimütig Auskunft über den familiären Hintergrund und beleuchtet dabei auch die Herrschaft seines Vaters in Polen zwischen 1939 und 1945 äußerst kritisch.
Den Nazi-Vater überleben und der Wahrheit dienen
Niklas Frank, geboren 1939 in München, ist das jüngste von vier Kindern des Juristen Hans Frank, der im selben Jahr, nach dem Überfall auf Polen, von Hitler zum obersten Chef der Zivilverwaltung im Generalgouvernement ernannt wird. Er bezieht mit Familie und Personal zuerst das Warschauer Schloß Belvedere, dann die historische Wawelburg in Krakau, wo die polnischen Könige begraben liegen. Schloß Kressendorf bei Krakau, gebaut nach Schinkels Plänen, dient dem Generalgouverneur als "Wochenendheim". Während sich das Land draußen in ein einziges großes Todeslager und schließlich in den größten Friedhof der europäischen Geschichte verwandelt, lebt die Familie Frank in einem für Kriegsverhältnisse unvorstellbaren Luxus und in einer traumhaften Sicherheit. Niklas Frank wächst mit seinen Geschwistern in einem kleinen privaten Königreich auf, in dem alles da ist, nur die Liebe fehlt. Manchmal darf er mit seiner Mutter zum "Einkaufen" ins Ghetto fahren. Aber auch da wird er von seiner Umgebung abgeschirmt, während Brigitte Frank, die "Königin von Polen", sich unters kennzeichnungspflichtige Volk mischt, um ein Schnäppchen zu machen. Bevor die heranrückende Rote Armee der Idylle ein Ende macht, zieht sich die Familie Frank auf ihr Anwesen in Neuhaus in Bayern zurück. Dort erlebt Niklas Frank die Verhaftung seines Vaters durch die amerikanische Militärpolizei. Der Vater wird in Nürnberg als Kriegsverbrecher angeklagt, 1946 zum Tode verurteilt und gehängt. Niemand erklärt dem siebenjährigen Jungen, warum.
Mit dem Reichtum und der Macht ist es nun vorbei, doch der Heranwachsende erlebt, daß eine Figur wie sein Vater in der entstehenden Bundesrepublik noch immer viele Sympathien genießt, auch und vor allem bei der katholischen Kirche in Bayern. Es sieht zunächst so aus, als ob für den Sohn eines so prominenten Nazis das Leben ein leichtes Durchkommen bietet. 1959, kurz nach seinem 20. Geburtstag, stirbt die Mutter, ohne ihren Kindern je eine Antwort gegeben zu haben. Für Niklas Frank, der Germanistik, Soziologie und Geschichte studiert, beginnt ein weiter Weg auf der Suche nach der Wahrheit über seinen Vater und das Dritte Reich. Er wird Journalist und 1979 Auslandsreporter bei dem Wochenmagazin STERN. In dieser Eigenschaft hat er häufig in Polen zu tun und Gelegenheit, sich seiner Kindheit und der unseligen Rolle seiner Familie zu erinnern. Er sagt, abgesehen vom immer noch vorhandenen Antisemitismus, sei Polen ein wunderbares Land. Zugleich habe er die dortigen Kommunisten bedauert, "denn es war für sie entsetzlich, bei diesem zivilcouragierten Volk eine so saudumme Ideologie propagieren zu wollen." Als STERN-Reporter bekam er in Polen immer versteckte oder offene Hilfe und schloß enge Freundschaften. 1987 veröffentlichte er in der BRD unter dem Titel "Der Vater – Eine Abrechnung" die auf den Werdegang seines Vaters konzentrierte Familiengeschichte. Er lieferte damit einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Motive eines Schreibtischtäters, der selbst nie einen Menschen erschossen hat und doch für den millionenfachen Mord an Juden, Polen, Sinti und Roma mitverantwortlich ist und deswegen verurteilt wurde. Das Erscheinen des Buches löste in der BRD einen Skandal aus. Es räumte mit den Mythen vom "Polenfreund" Hans Frank, von dessen Widerstand gegen Hitler und Himmler ebenso auf wie mit der Legende, er habe sich vor seinem Tod schuldig bekannt. Die Kritiker der BRD störten sich auch an der Freizügigkeit in der Schilderung sexueller Szenen. Am meisten verübelten sie jedoch dem Autor, daß er die Wahrheit über seine Eltern ausgesprochen hatte. Dieser schonungslose Umgang wurde nicht als Befreiung, sondern als Verrat, vor allem am Vater, empfunden. Und nicht der, sondern Niklas Frank wurde als Psychopath bezeichnet. Empörte Stimmen gingen so weit, das Schreiben eines Buches gegen den Völkermord aufzurechnen und zu dem Ergebnis zu kommen, was der Sohn getan habe, sei schlimmer als des Vaters Untaten. Eine ähnliche Verschiebung aller Maßstäbe war in Polen nicht zu beobachten. Nach dem Vorabdruck in einer großen Zeitung kam das Buch unter dem Titel "Moj Ojciec Hans Frank" heraus. Der Autor wurde nach Polen eingeladen, man suchte das Gespräch und verstand die Botschaft. Niklas Frank lebt und arbeitet in Hamburg.
http://www.deutsche-und-polen.de/_/personen/person_jsp/key=niklas_frank.html
Niklas Frank: Meine deutsche Mutter
C. Bertelsmann Verlag, München 2005, ISBN 3570006891, Gebunden, 416 Seiten, 22,90 EUR
Niklas Frank wurde mit einem gnadenlosen Porträt seines Vaters bekannt. Jetzt erzählt er das Leben seiner Mutter, der "Königin von Polen". Brigitte Herbst wurde 1895 in bescheidene Verhältnisse geboren. Schon früh erwachte in der Sekretärin ein brennender Ehrgeiz, es ganz nach oben zu schaffen. Und ganz oben, das war sie an der Seite des fünf Jahre jüngeren Hans Frank, der als Hitlers Verteidiger während der »Kampfzeit« begann, 1933 zum Reichsminister und nach Kriegsbeginn 1939 zum "Generalgouverneur" von Polen aufstieg. Eiskalt schaffte es Brigitte, den schwachen, aber aussichtsreichen Bewunderer Hitlers an sich zu binden. Ihr Lebenshunger ließ sie rücksichtslos wie Millionen anderer deutscher Frauen das "Wonneproppenreich" genießen. Sie handelte mit Pelzen und gestohlenem Schmuck, bereicherte sich schamlos in Gettos, leistete sich zahllose Affären - und wer ihr in die Quere kam, sah sich plötzlich bei SS-Chef Himmler als Jude verdächtigt. Nachdem Hans Frank - der noch in der Nürnberger Zelle Angst vor seiner Brigitte hatte - hingerichtet worden war, half Kardinal Faulhaber der Witwe über die ersten Hungerjahre hinweg. Später feierte Brigitte Frank mit anderen, gleichfalls verhafteten "Hohen Frauen" wie Emmy Göring oder Ilse Heß im Internierungslager Augsburg-Göggingen die gute alte Zeit, ohne dass sie angesichts der Verbrechen ihres Mannes je Reue geäußert hätte. Für ihren Sohn hatte die Mutter am Ende ihres Lebens nur ein verächtliches Achselzucken übrig. Brigitte Frank starb verarmt mit 64 Jahren.
Rezensionen - Frankfurter Rundschau vom 18.05.2005
Ingrid Müller-Münch lässt keinen Zweifel daran, dass Brigitte Frank, die Frau des Generalgouverneurs von Polen Hans Frank, eine schreckliche Person war. Zu einer Zeit, als ihr Mann das polnische Judentum ausrottete, ließ sie sich als "Königin von Polen" feiern, schlief sich durchs Nazi-Establishment und fand: "Ja, es ist für deutsche Frauen eine Lust zu leben." Ihr Sohn, der frühere Stern-Reporter Niklas Frank, hat nun ein Buch über sie geschrieben und ihr damit beileibe kein Denkmal gesetzt, wie Müller-Münch schreibt, sondern "einen Schandpfahl errichtet". Doch fragt sich die Rezensentin, ob er damit gut beraten war. Denn so genau wollte sie eigentlich gar nicht wissen, was es alles an furchtbaren Geschichten über Brigitte Frank zu berichten gibt. "Muss eine solche Abrechnung mit der eigenen Mutter öffentlich stattfinden", fragt sie - zumal es aus ihrer Sicht in keiner Weise zum besseren Verständnis dafür beiträgt, was die Deutschen an Verwüstungen in Polen angerichtet haben.
http://www.perlentaucher.de/buch/21135.html
Lesung mit Nazi-Kind in der Akademie
Ein Sohn rechnet mit den Eltern ab
Wittenberg (wg). Niklas Frank ist der jüngste Sohn des 1939 von Adolf Hitler zum obersten Chef der Zivilverwaltung im Generalgouvernement Polen ernannten Dr. Hans Frank, der als „Schlächter von Polen“ in die Geschichte einging. Der Vater wurde 1946 im Nürnberger Prozess zum Tode durch den Strang verurteilt und hingerichtet. Noch im Gefängnis der Alliierten wollte der Vater dem Sohn weismachen, er wäre Weihnachten wieder zu Hause: die letzte Lüge in einem verbrecherisch geführten Dasein, das lange Schatten auf das Dasein der Nachkommen wirft.
Der ehemalige Stern-Journalist und Auslandskorrespondent Niklas Frank hat das Leben seiner Eltern recherchiert und in zwei Büchern aufgearbeitet: „Der Vater - Eine Abrechnung“ und „Meine deutsche Mutter“. Ebenso schonungslos wie kritisch setzt sich Frank mit dem Leben seiner Eltern in der NS-Zeit auseinander. In Wittenberg wird er aus beiden Büchern lesen, dabei zeichnet er ein gnadenloses Porträt und gewährt seinen Zuhörern tiefe Einblicke in das Familienleben, einschließlich privater Details. Frank gehört zu den ganz wenigen Nachkommen prominenter Nazis, die sich derart kritisch vom Dritten Reich und den eigenen Eltern distanzieren. Wie lebt es sich mit der Vorstellung, dass der Vater ein Nazi-Verbrecher war? Frank gibt darauf schonungslose Antworten...
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Engelbert Wistuba hat Niklas Frank eingeladen, weil dieser mit seinen Büchern einen sehr wichtigen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung leistet. Was Frank über das Wegschauen der Deutschen sagt, ist erschreckend aktuell. Es ist gerade mal zwei Generationen her, da braune Schläger Deutschland beherrschten und heute gibt es eine neue braune Front von Neonazis. Anhand seiner familiären Erfahrungen will Frank insbesondere Jugendlichen die Augen öffnen. „Wir müssen junge Leute in die Lage versetzen, sich kritisch mit der NS-Ideologie zu befassen, um sie gegen heutige rechtsradikale Parolen zu wappnen“, sagt Wistuba. Für Moderatorin Ines Grau ist es wichtig, dass es nach der Lesung auch zu Diskussionen und Gesprächen zwischen den Generationen kommt, denn das Schweigen sei in vielen Familien gegenwärtig, und wo keine Fragen gestellt würden, gäbe es auch keine Antworten. Zur Veranstaltung am Dienstag, dem 20. November, 18 Uhr, in der Evangelischen Akademie am Schlossplatz sind Jugendliche ab 15 Jahre und alle Erwachsenen herzlich eingeladen.
http://www.supersonntag-web.de/scms_show_data.php?mode=detail&category=25&entry=4858