Jochen Schweitzer


 

 

 

Prof. Dr. Jochen Schweitzer

Abteilung Medizinische Psychologie

Psychosomatische Universitätsklinik

Bergheimer Straße 20

69115 Heidelberg

 

 


 

 

"Unglücklich machende Familienideale. Ihre Dekonstruktion in der Psychotherapie."

Jochen Schweitzer

in: "Psychotherapeut", 1/2004, S. 15-20

 

 

Der Autor, Prof. Dr. Jochen Schweitzer widmet diesen Aufsatz wie er schreibt: "Herrn Professor Dr. med. Reinhard Lempp", einen seiner beiden Tübinger Doktorväter.

Der  Apfel scheint nicht weit von Stamm zu fallen, wie der Volksmund sagt. Und so scheinen auch bei Herrn Prof.  Schweitzer, obwohl nach eigenen Bekunden selbst Vater,  die Väter eine eher eigentümliche Rolle im Leben ihrer Kinder zu spielen.

Dies ist man ja bei Universitätsprofessoren schon fast gewöhnt, viele von ihnen scheinen ohne Vater aufgewachsen zu sein und haben dieses Defizit offenbar durch eine akademische Karriere zu füllen gesucht. Doch man hofft immer wieder das der Zustand der Besserung eintreten möge. Wer sollte das besser können als Professoren, die werden immerhin sehr gut bezahlt für ihre Tätigkeit. Doch wie sagte schon meine verstorbene Großcousine, die mit einem Professor verheiratet war: "Scheiß Frau Professor, ein richtiger Mann wäre mir lieber." Wo sie recht hat, hat sie recht.

Professor Schweitzer, der sich nach eigenen Bekunden auf Konzepte aus der Familiensoziologe, der systemischen Familientherapie sowie auf eigene klinische und Alltagserfahrungen bezieht, seine Alltagserfahrungen wollen wir ihm hier nicht streitig machen, zeigt in seinem Aufsatz auf wie man durch Dekonstruktion bestehender Ideale den Patienten helfen kann.

Nun hat die deutsche Familiengerichtsbarkeit und die ihr zuarbeitenden Professionen ja schon ihre Mühe mit der Konstruktion von Begriffen gehabt. Aber immerhin konstruierte Begriffe "Kindeswohl" und "Kindeswohl" sind bis in die letzte Provinz bekannt geworden und werden tagtäglich im Übermaß strapaziert, wenn es gilt noch die letzte sinnlose Gerichtsentscheidung zu begründen. Nun kommt Herr Schweitzer und will anscheinend dekonstruieren, also sozusagen die Begriffe wieder auseinandernehmen.

Hinsichtlich des im familiengerichtlichen Verfahren anzutreffenden Dogmas "Kinder brauchen ein Zuhause" - soll heißen, das sogenannte Wechselmodell ist großer Käse -  finden wir bei Schweitzer die Dekonstruktion des Familienideals "Familien brauchen ein Heim". Da können wir Herrn Schweitzer ausnahmsweise einmal zustimmen.

 

Doch dann gerät Herr Schweitzer auf Wege, auf die wir ihm bei Verrat unserer Identität nicht folgen können.

Allein erziehende Familien sind unvollständig - Söhne brauchen ihren Vater.

Das ist für Schweitzer ein Familienideal, das es zu dekonstruieren gilt.

Er führt dann ausgerechnet die traurige Meldung an, dass in US-amerikanischen Großstadtghettos, die schwarzen Väter bei ihren Kinder anscheinend mehr oder weniger nicht in Erscheinung treten. Anstatt nun darüber nachzudenken, wie diese Väter in die Lage versetzt werden, sich um ihre Kinder, die sie verdammt noch mal in die Welt gesetzt haben, besser zu kümmern, lobt Schweitzer die Erziehung durch die schwarzen Mütter: "Interessant sind Fälle, in denen zwei geschiedene Frauen mit ihren Kindern in einer gemeinsamen Haus- oder Wohngemeinschaft eine neue Form von Zwei-Eltern/Zwei-Kinder-Familie gründen. Dass man in Frauensolidarität Väter ganz gut ersetzen kann, ist den schwarzen Müttern in den amerikanischen Großstadtghettos schon lange vertraut"

Herrn Schweitzer sei das Buch

"Vatersehnsucht Annäherung in elf Essays"

von Gerhard Amendt

Bremen 1999, 50 DM, ISBN 3887224523

empfohlen, um sich mit den Folgen der Vaterlosigkeit schwarzer Kinder aus den US-amerikanischen Ghettos vertraut zu machen.

 

Schweitzer kritisiert dann das Familienideal "Kinder sollen sich von ihren Eltern lösen". Er schreibt: "In der jugendpsychiatrischen Psychotherapie treffen wir immer wieder auf Familien, in denen noch 14-jährige die Nächte regelmäßig im Bett der Eltern verbringen. ... Oft zeigen sich solche Familien bei näherem Kennenlernen als `Notgemeinschaften`, in denen etwa die Angst vor dem Tod eines erkrankten Mitglieds oder die Isolation der Familie in ihrem sozialen Umfeld sie intern sprichwörtlich `zusammenrücken` lässt. solche Bettarrangements haben meist wenig Erotisches an sich."

Ja, ja, diese Notgemeinschaften, wir wissen nicht so recht, wer da mit wem zusammenrückt, die Mutter mit dem Sohn oder der Vater mit der Tochter. Aber das ist ja auch egal, denn schließlich sind dies alles Notgemeinschaften. Davon sollten endlich einmal die Wildwasserberatungsstellen Kenntnis nehmen, alles Notgemeinschaften, die da so bei ihnen als vermeintliche Missbrauchsfälle vorgestellt werden.

 

 

Nachdem Herr Schweitzer fleißig dekonstruiert hat, will er aber auch mal konstruieren. Unter dem Titel "Die Konstruktion neuer, bekömmlicher Familienideale in der Psychotherapie" berichtet er u.a. von der Eheschließung zweier schwuler Partner und schlägt vor, dass "im Idealfall auch die Zustimmung durch und damit auch die `Ablösung im Guten` von der Herkunftsfamilie - z.B. indem die beiden Mütter ihre Söhne zum Traualter führen." S. 19/20

Wieso nur die beiden Mütter und nicht auch die beiden Väter, wenn denn Herr Schweitzer schon von der Herkunftsfamilie spricht. Ach so, in der Herkunftsfamilie gibt es angeblich gar keine Väter - dies lässt mehr über den Autor Herrn Schweitzer vermuten , als er sich womöglich selbst eingestehen kann.

 

Zu guter letzt berichtet Herr Schweitzer von einer Praxis im südlichen Senegal, wo das Kind, dass eine gute Erziehung bekommen soll, "die ersten sechs Jahre im Teilhaus der Mutter" lebt, "dann drei Jahre bei einem Onkel in der Kreisstadt, vom 9.-12. Lebensjahr bei einem anderen Onkel in der Provinzstadt und schließlich als Gymnasiast bei nochmals anderen Verwandten in Dakar"

Gibt es im Senegal eigentlich auch Väter? Und wenn ja, was machen die eigentlich? Vermutlich als Onkel die Kinder ihrer Schwestern und Brüder aufziehen.

 

Was Herr Schweitzer mit den vielen staatlich entsorgten Vätern machen würde, sei es ehemals verheiratet und sorgerechtsentzogen oder nichtverheiratet und staatlicherseits sorgerechtsdiskriminiert, wenn sie den in seine Klinik kämen und ihr Leid klagen würden, dass ihnen nun staatlicherseits das Recht auf Familie und Sorge um die eigenen Kinder abgesprochen wird,  wir wissen es nicht. Vielleicht erzählt Herr Schweitzer den Vätern, dass auch er sich als Vater überflüssig fühlt: "Psychotherapeutisch tätige Väter - zu denen auch der Autor gehört - finden natürlich die Beobachtung schwererträglich, dass Männer vielerorts und vielleicht zunehmend in Familien überflüssig werden bzw. sich überflüssig machen."

Ist es wirklich schon so schlimm möchte man fragen und gleich den Notarzt rufen. War Herr Schweitzer zu lange im Senegal? Oder ist er ganz einfach ein treuer "Emma-Leser", dass er eine Realität konstruiert, die Alice Schwarzer nicht besser hätte konstruieren könnte?

 

 

 

 


 

"Die psychischen Grundlagen der Sorgerechtsentscheidung"

Reinhart Lempp

in: "Perspektiven der Rechtspsychologie", Herausgeber Wilfried Hommers, 1991

S. 147-160

 

 

Nun wissen wir gar nicht, ob Herr Lempp Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hat oder der interessierte Leser? Meint Herr Lempp wirklich "psychische" Grundlagen der Sorgerechtsentscheidung oder meint er "psychologische" Grundlagen?

Ist vielleicht auch egal, denn das Buch liest hoffentlich niemand mehr. Wenn doch, dann sei er gewarnt.9 Jahre vor der Kindschaftsrechtsreform von 1998 wendet sich Lempp gegen ein eigenständige Umgangsrecht des nichtverheirateten Vater:

"Auch der neue Gesetzentwurf über ein Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters mit seinem Kind immer dann, wenn dieses Umgangsrecht dem Kindeswohl nicht ausdrücklich entgegensteht, verbessert die Situation kaum (Lempp 1989)."

 

Deutsche Sprache, schwere Sprache, könnte man meinen, offenbar scheint es da manchen Professoren nicht anders als einer türkischen Putzfrau aus Berlin Neukölln zu gehen.

Lesen wir weiter: 

"Abgesehen davon, daß in dem Gesetzentwurf nicht unterschieden wird, ob überhaupt eine Beziehung zwischen dem Kind und dem nichtehelichen Vater besteht, ist dieses Gesetz nur notwendig und wirksam, wenn die Mutter den Kontakt zwischen dem Kind und Vater nicht gutheißt. Ist die Mutter mit dem Kontakt einverstanden, bedarf es keines Gesetzes. Ist die Mutter aber nicht damit einverstanden, dann bedeutet ein Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters ebenso wie des geschiedenen nichtsorgeberechtigten Elternteils, daß das Kind diesen Kontakt gegen den Willen der Mutter bzw. sorgeberechtigten Elternteil durchführen muß, was letztlich nur zu einer Belastung des Kindes führt, zumindest bei Kindern im Vorschulalter und Grundschulalter. Bei strenger Beurteilung stehen solche Sorgerechtsregelungen immer dem Kindeswohl entgegen." (S. 159)

Bei strenger Beurteilung, meinen wir, steht Herrn Lempp die Note 5 zu. Nicht nur wegen der Verwendung der deutschen Sprache, sondern auch wegen der Sprachverwirrung. Eben spricht er noch vom Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters und dann schreibt er "Bei strenger Beurteilung stehen solche Sorgerechtsregelungen immer dem Kindeswohl entgegen." Ja was denn nun, Umgangsrecht oder Sorgerrecht? Weiß Herr Lempp eigentlich wovon er spricht? 

Mit der gleichen Argumentationslogik mit der Lempp 1989 nichtverheirateten Väter kein eigenständiges Umgangsrecht zubilligen wollte, argumentieren seine geistigen Erben im Jahr 2003 gegen ein eigenständiges Sorgerecht des nichtverheirateten Vaters. Herr Lempp ist Gott sei Dank in Rente, auch seinen geistigen Nachfolgern ist dies sehr zu wünschen. Um so eher, um so besser für die Väter und  ihre Kinder.

Amen

22.02.2004

 

 


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