Kindesunterhalt

Einkommen


 

 

 

Fiktives Einkommen

 

 

Frage:

Hallo,

ich bin seit Mai 2003 als Handelsvertreter selbstständig und habe daher zunächst die Euro 164 Unterhaltszahlung an das Jugendamt für meine 7-jährige Tochter, mit der ich nicht zusammen lebe, eingestellt. Dies alles habe ich dem Jugendamt unter Angabe der Gründe rechtzeitig mitgeteilt. Da ich eine längere Anlaufphase benötige habe ich die entsprechenden Gründe ebenfalls vor kurzem mitgeteilt, nachdem ich eine Aufforderung zur Zahlung bekommen hatte. Die Antwort lautete nur: bei Selbstständigen wird davon ausgegangen, dass sie in der Lage sind, ihrer Unterhaltsverpflichtung nachzukommen. Das bedeutet, dass wenn kein Unterhalt gezahlt wird, Unterhaltsrückstände auflaufen. Diese sind zu tilgen.

Stimmt dies, denn meine Anfrage beim Amt nach der entsprechenden Rechtsprechung blieb, wie so oft zuvor, unbeantwortet. Vielleicht können Sie mir hier helfen. Zur Zeit lebe ich vom Überbrückungsgeld, von dem nach Abzug der KV Euro 676 verbleiben. Eine Abzweigung beim AA ... wurde von diesem glücklicherweise abgelehnt. Nun liegt ein Schreiben vom Amtsgericht vor: Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Teilausfertigung.

Ich war zuvor arbeitslos, habe ab August 2002 durch Aufnahme einer Nebentätigkeit den Unterhalt bezahlt. Dies vor allem um der gesteigerten Erwerbsobliegenheit auszuweichen, da meine Planungen schon in Richtung Selbstständigkeit gingen. Die Vaterschaft ist auch erst Mitte 2000 festgestellt worden, bedingt durch eine Vaterschaftsanfechtung des, nun, Ex-Ehemannes der Mutter des Kindes. Einen Unterhaltstitel habe ich nie unterschrieben, wiewohl ich die Vaterschaft in einem Gerichtsprozess aufgrund des positiven Abstammungsgutachtens habe anerkennen müssen. Die Argumentation des Jugendamtes ist wie folgt: durch meine unzureichenden Bemühungen (20 – 30 Bewerbungen etc.) bzgl. einer Arbeitsaufnahme in der Vergangenheit (d. h. dann vor August 2002, davor leistungsunfähig ALH: Euro 660) kann keine Leistungsunfähigkeit festgestellt werden!? Nun bin ich selbstständig, zählt das nicht als Arbeit? Und was hat mein, nach Ansicht der Sachbearbeiterin, fehlendes Engagement in der Vergangenheit mit der jetzigen Situation zu tun?

 

 

 

 

Antwort:

 

das fehlende engagement in der vergangenheit kann ihnen für die damalige zeit so ausgelegt werden, dass sie bei ausreichenden bemühungen hätten den unterhalt bezahlen können.

für die zeit könnte der richter möglicherweise dem vortrag des jugendamtes folgen und sie zur zahlung von unterhalt für diesen zeitraum verpflichten.

für die zeit ab vorbereitung und beginn selbstständigkeit dürfe das nur zum teil gelten, da sie ja mit der aufnahme der selbstständigkeit zeigen, dass sie einkommen erzielen wollen.

dann kann man aber so argumentieren, dass sie ja hätten sich um eine anstellung bemühen können (sprich viele bewerbungen losschicken), denn eine selbstständigkeit hätte ja nicht die aussichten auf ein gehalt, wo sie unterhalt zahlen können.

sie sehen also, der staat findet immer einen trick, so zu tun, als ob sie leistungsfähig wären.

schlimmestenfalls verdonnert man sie dann mit so einer argumentation zum unterhalt, den sie wohl aber nicht zahlen können, aber schulden auflaufen.

 

28.08.2003

 


 

 

"Fiktives Einkommen im Unterhaltsrecht"

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Augsburg - Dr. Hans-Ulrich Graba

in: "FamRZ", 1/2001, S. 1257-1265

 

 

 


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