Liebe


 

 

 

 

 

 

Bund Deutscher Hebammen kritisiert Entwurf des Präventionsgesetzes

Der Bund Deutscher Hebammen zeigt sich irritiert über den Entwurf des Präventionsgesetzes, denn darin bleibt der Gesetzgeber in seinem Denken in Krankheiten und Risiken verhaftet, anstatt vom physiologisch Normalen und Gesundem auszugehen.

Das Hermann Hesse Zitat: „Allem Anfang wohnt ein Zauber inne“ scheint im Gesetzesentwurf keine Bedeutung zu haben. In den bisherigen Regelungen des Sozialhilfegesetzbuches wird der Lebensbeginn eines Menschen ausschließlich in Zusammenhang mit Empfängnisverhütung, künstlicher Befruchtung und Schwangerschaftsabbruch erwähnt. Das heißt, Menschwerdung wird als krankhaft und irgendwie korrekturbedürftig vermittelt. „Wie“, so fragt sich die Präsidentin des Bund Deutscher Hebammen, Magdalene Weiß, „sollen die Schwangeren bei dieser pathologisierenden Denkweise Vertrauen in die natürlichen Vorgänge von Schwangerschaft und Geburt entwickeln und in Vorfreude ihr Kind erwarten können? Der Gesetzgeber wäre gut beraten“, so die Präsidentin weiter, „mit der Gesundheitsförderung bereits in der Schwangerschaft zu beginnen. Auch müsste er verstärkt darauf achten, wie ein Mensch geboren und von dieser Welt empfangen wird, denn wir wissen doch alle, dass die Weichen für das künftige leiblich-seelische Wohlergehen eines Menschen lange vor dem Kindergartenalter gestellt werden“.

Im Gesetzentwurf werden die unterschiedlichsten „Lebenswelten“ beschrieben, in denen Gesundheitsförderung und Krankheitsverhinderung positiv beeinflusst werden können. Kindergärten, Schulen, Betriebe, Senioreneinrichtungen aber auch Stadtteile werden als mögliche Instanzen genannt, in denen Gesundheitsbewusstsein entwickelt und gefördert werden sollte.

Die Hebammen kritisieren in diesem Zusammenhang, dass partnerschaftliche Liebe, Fortpflanzung, Schwangerschaft und Geburt als natürliche, zum Menschen gehörende Möglichkeiten auch in diesem Gesetzesentwurf nicht berücksichtigt werden. Das heißt, obwohl das Thema Familie derzeit Hochkonjunktur hat, wird im Gesetzentwurf die „Lebenswelt Familie“ ausgeklammert. Die Familie erfährt somit keine besondere Wertschätzung als Lernort der Achtsamkeit und des Gesundheitsbewusstseins. Deshalb fordern die Hebammen vom Gesetzgeber, dass die „Lebenswelt Familie“ von Anfang an in die derzeitige Diskussion mit einbezogen wird. Wo sonst, als am Beginn des Lebens kann die Gesundheitsförderung beginnen?

 

Quelle: Pressemitteilung des Bund Deutscher Hebammen (BDH) für die 52. Kalenderwoche 2004

 

 

 


 

 

 

Das deutsche Kindschaftsrecht kennt das Wort "Liebe" nicht

 

Dr. iur. Peter Koeppel, Rechtsanwalt, München, widmete seiner Tochter 1991 den folgenden Text zum 10. Geburtstag, "in Liebe": 

 

Bei aufmerksamer Lektüre des derzeit zur Ratifizierung anstehenden UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes wundert sich der deutsche Jurist, daß deren Präambel 1) ausdrücklich das Wort "Liebe" enthält. Dort heißt es:

"... in der Erkenntnis, daß das Kind zur vollen und harmonischen Entfaltung seiner Persönlichkeit in einer Familie und umgeben von Glück, Liebe und Verständnis aufwachsen sollte."

(Abs. VI der Präambel zur UN-KRK) 2)

Bereits die diesem jüngsten UN-Übereinkommen vorausgegangene "Erklärung der Rechte des Kindes", die am 20.11.1959 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen als Resolution 1386 (IV) beschlossen wurde, formulierte:

"Das Kind bedarf zur vollen und harmonischen Entfaltung seiner Persönlichkeit der Liebe und des Verständnisses. Es wächst, soweit irgend möglich, in der Obhut und Verantwortung seiner Eltern, immer aber in einer Umgebung der Zuneigung und moralischer und materieller Sicherheit auf."

(Art. 6 der UN-Erklärung der Rechte des Kindes, auch als "Charta des Kindes" bezeichnet.) 3)

Auch im europäischen Rechtskreis (Straßburg) findet sich eine das Wort Liebe umfassende Formulierung. Die Empfehlung 1121 (1990) über die Rechte der Kinder, Ziff. 3 der Präambel besagt, daß Kinder

"in einer Atmosphäre des Glücks, der Liebe und des Verstehens heranwachsen sollen" 4).

Liebe in Zusammenhang mit Kindern zu fordern ist nicht etwa eine Sentimentalität oder Eigenheit der kinderrechtlichen Menschenrechtsdokumente der UNO oder des Straßburger Europarates - wobei aus diesen hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit zitiert wird -, sondern entspricht einer kinderorientierten Denkweise, die bereits in fortschrittliche nationale Kodifizierungen des Familienrechts Eingang fand.

Das 1985 geänderte finnische Sorge- und Umgangsrecht 5) normiert beispielsweise:

"Das Ziel der elterlichen Sorge ist es, das Wohlbefinden und die ausgewogene Entwicklung des Kindes in Übereinstimmung mit seinen individuellen Wünschen und Bedürfnissen sowie enge und liebevolle menschliche Beziehungen insbesondere zwischen dem Kind und seinen Eltern sicherzustellen." (Abschnitt 1, Abs. I)

"Ein Kind soll im Geiste des Verstehens, der Sicherheit und der Liebe aufwachsen." (Abschnitt 1, Abs. III, S. 1)

Demgegenüber ist das Wort "Liebe" in den deutschen Familienrechtsnormen nicht zu finden. Dies gilt sowohl für das Verhältnis zwischen Ehegatten 6) als auch für die Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kind. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt der BGH verbal am nächsten heran mit seiner oft zitierten Formulierung, wonach das Umgangsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils "dem gegenseitigen Liebesbedürfnis Rechnung tragen" soll 7). Schon diese abstrahierende, das entscheidende Wort scheuende Formulierung zeigt, daß nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch unsere obersten Familienrichter das ebenso einfache wie großartige Wort Liebe scheuen.

Entspricht diese Scheu von Gesetzgeber und Justiz vom dem Wort Liebe der deutschen familienrechtlichen Systematik? Ist Liebe eine Antipode zu Ordnung? - Fest steht jedenfalls, daß in strittigen deutschen Sorgerechtsentscheidungen bei Scheidung viel von "Ordnung" oder "klaren Verhältnissen, welche die Kinder brauchen", die Rede ist. Und davon, "daß das Kind wissen müsse, wo es hingehört". Dagegen habe ich noch in keiner einzigen Gerichtsentscheidung gelesen, daß das von Scheidung seiner Eltern betroffene Kind Liebe brauche und wissen müsse, daß es von seinen beiden Elternteilen weiter geliebt wird 8).

Vielleicht haben es die Kinder außerhalb Deutschlands deshalb besser und dürfen auch nach Scheidung ihrer Eltern die Liebe beider erleben, weil Staaten, welche weniger als wir Ordnung zum Maßstab aller Dinge machen, weniger gehindert sind, Liebe groß und in das Gesetz zu schreiben und dem Kind die Liebe beider Elternteile auch nach deren Trennung weiter zuteil werden zu lassen.

 

 

Fußnoten

1 Die rechtliche Bedeutung der Präambel eine völkerrechtlichen Vertrages ist im Völkerrecht allgemein anerkannt und ergibt sich auch aus Art. 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention; vgl. Nowak, CCPR-Kommentar, Präambel, Rz. 1

2 im englischen Vertragstext "atmosphere of love", im französischen "climat d´amour"; vgl. BT-Drucksache 12/42, S. 7

3 a.a.O. S. 30

4 Beratende Versammlung des Europarates, 41. Sitzungsperiode, Doc. 6142

5 Bergmann/Ferid, Länderteil Finnland

6 vgl. Huba, FamRZ 1989, 127, der zu dem Ergebnis kommt: "Das Recht erreicht die Liebe nicht."

7 BGHZ 51, 219, 222 = FamRZ 1969, 148; BGHZ 42, 364, 371 = FamRZ 1965, 130 - wie dieses Liebesbedürfnis insbes. auch eines Kleinkindes in den üblicherweise ebenso seltenen wie kurz bemessenen Stunden befriedigt, geschweige denn das erforderliche Urvertrauen aufgebaut bzw. erhalten werden kann, bleibt das Geheimnis des BGH.

8 erstmals vom Verfasser so vorgetragen in Bad Boll, April 1990. Vgl. Kinder im Recht von morgen. Zur Reform des Kindschaftsrechts an der Schwelle des Jahres 2000. Protokolldienst 28/90, S. 192

 

 

 

Gefunden auf:

 

http://www.pappa.com/reform/koeplieb.htm

 

 


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