Linksradikalismus


 

 

 

 

Der Linksradikalismus, die Kinderkrankheit des Kommunismus, heißt ein bekannt Aufsatz von Lenin. Soweit ersichtlich, hatte Lenin ein relativ ungestörtes, wenn auch sicher nicht unproblematisches Verhältnis zu seinem Vater. Das gleiche kann man auch für Karl Marx sagen. Und so sind die beiden auch nicht zu Linksradikalen geworden, wie etwa der Polizistenverprügler Joschka Fischer.

 

 

 

ÖDIPUS „KONKRET“

ODER „DIE ERFREULICHEN POTENTIALE DER VON TYRANNISCHEN OBERHÄUPTERN BEFREITEN VATERLOSEN FAMILIEN“

Das poststalinistische Politmagazin „Konkret“ zeichnete sich in den siebziger und achtziger Jahren dadurch aus, dass hier der „real existierende Sozialismus“ eines seiner wenigen von DKP und DDR unabhängigen Foren hatte. Zwischendrin durften auch immer einige unabhängige Vorzeigelinke der alten BRD schreiben, solange sie die DDR nicht kritisierten. Man pflegte dabei einen manchmal durchaus erfrischenden, aber verbalradikalen Stil. Die Beiträge spiegelten insofern das „andere“ Westdeutschland. Was oft lesenswert war. Die politischen Korrektheiten der Siebziger, die noch konservativ bis reaktionär geprägt waren, ging man frontal an. Die politischen Korrektheiten aus der DDR dagegen eher rektal. Wer das Monatsmagazin eine Weile gelesen hatte und selbst kein Fan des breschnjew’schen Realsozialismus war, fand irgendwann eine nicht ganz unwesentliche Seite der internationalen Realitäten und der vorhandenen Formen von Unterdrückung ausgeblendet. Mit der Zeit ging einem das auf den Sack. So sexy war Honecker auch nicht! Und die eine Form repressiver Korrektheit gegen eine andere auszutauschen, war für viele Linke nicht das Gelbe vom Ei. Aber ansonsten bedient „Konkret“ bis heute einen eher anspruchlosen linken Mainstream, der sich vor allem dadurch hervortut, dass er alles, was nicht seinem Politikverständnis entspricht, gern für „neoliberal“ erklärt. Oskar Lafontaine schreibt nur deswegen nicht in „Konkret“, weil er bei der „Bild-Zeitung“ mehr Leser hat und Geld kriegt. Und das obendrein mit kürzeren Beiträgen.

Jetzt endlich nahm sich „Konkret“ allgemein der männlichen Feminismuskritik und im Besonderen des „Väteraufbruchs“ an. Das liest sich dann bei „Konkret“-Autor Magnus Klaue so: 

„Der ‚gebrauchte Mann’ ist ein Skandalon, die ‚gebrauchte Frau’ jedoch, von der Hausfrau über die Mutter bis zur Prostituierten, hat keine Lobby nötig.“ 

Klaue hat also besonderes Verständnis für solche Frauen, die die EIGENE Lobby in der beflissenen Gewissheit ignorieren, selbst exklusiv Opfer zu sein, und die einen kleinen und politisch bedeutungslosen Verein mehr oder weniger rechtloser Väter zur veritablen „Lobby“ hochstilisieren, obwohl der im Gegensatz zu „VAMV“, „Frauenrat“ oder dem Juristinnenbund weder Subventionen und in der Regel auch keine Aufmerksamkeit erhält.

Vielleicht war Klaue einfach nur besoffen, als er den Beitrag schrieb.

Jedenfalls hat er eine sehr abenteuerliche Erklärung für das Gründungsdatum des „Väteraufbruchs“: „Entstanden ist ‚Väteraufbruch’ (…) nicht zufällig 1989, als familienpolitischer Startschuß zur flächendeckenden Restauration nach der Wiedervereinigung. Da gesellschaftliche Unterdrückung seither bevorzugt als ‚Modernisierung’ verkauft wird, gibt sich auch ‚Väteraufbruch’ undogmatisch-kritisch. Die Intention, Frauen zu rechtlosen Objekten der Gattungsreproduktion zu erniedrigen, kommt nicht mit Macho- und Stammtischgehabe daher, sondern pocht auf jene Ideale von ‚Gleichberechtigung’ und ‚Differenz’, die von der Frauenbewegung der siebziger Jahre reklamiert worden sind.“

Für einen linken Fundamentalisten, dessen Weltbild stramm geordnet ist in „fortschrittliche Kräfte“ und „Reaktionäre“ eine folgerichtige Einschätzung, weil Frauen von vornherein zu Ersteren, Männer aber zu den Letztgenannten gehören (sofern sie sich nicht wie Meister Klaue in Unterwerfungsgesten ergehen.) Das Reich allumfassender Emanzipation, die DDR, befand sich gerade im Zusammenbrechen, da sahen die imperialistischen Machos ihre Chance gekommen. Endlich würden Honecker, Krenz und Mielke, bekanntlich die konsequentesten Verteidiger der Frauenrechte, ihnen nicht mehr im Wege stehen! Denn genau 200 Jahre nach der Großen Französischen Revolution war das Jahr der allgemeinen Konterrevolution. Wir können euch also nur wünschen, liebe Freunde, dass euere Kinder nicht ausgerechnet 1989 geboren wurden! Oder wenn doch, dass es wenigstens keine Jungs sind. Wenn doch, lasst alle Hoffnung fahren, denn das können nur Faschisten werden! Möglicherweise sogar faschistische Drogenhändler und Serienkiller! Oder noch schlimmer: Sie könnten später Artikel schreiben wie Magnus Klaue.

Klaue meint also allen Ernstes, dass der Zerfall der DDR und das Entstehen einer Väterbewegung zwei Seiten einer Medaille sind. Und damit sind wir bei der Frage, was die Verteidigung der Rechte von Vätern mit der Rückkehr des Manchester-Kapitalismus zu tun hat. Wahrscheinlich muss man dazu Bebels Gassenhauer „Die Frau und der Sozialismus“ bemühen. Und in seinen Proseminaren wird ... Klaue seinen Nachbarinnen was von „Basis- und Überbauphänomenen“ zuraunen. ...

Es geht also auch um die fragwürdige Anbiederung der Linken an den Feminismus. Dabei haben diese – schon wieder! – nicht bemerkt, wie sie von den Unterstützern der Emanzipation zu Steigbügelhaltern eines neuen Herrschaftsverhältnisses geworden sind. Klaue hat damit auch überhaupt keine Probleme, teilt aus was das Zeug hält, unterstellt dem „Väteraufbruch“, den realen Kindesmissbrauch zu ignorieren oder sogar schönzureden, nur um den Begriff einer selbstgestrickten Definition von Kindeswohl unterordnen zu können. Überhaupt Kindeswohl, mit diesem Begriff bemäntelten diese von der „Sehnsucht vieler Scheidungsväter nach geheuchelter Harmonie, moralischem Ablaßhandel und ökonomischer Versklavung der Ex-Gattin“ geleiteten Irrläufer nur ihr perfides Eigeninteresse.

Dass der Begriff Kindeswohl eine lange parlamentarische Entstehungsgeschichte während der Beratungen des Kindschaftsrechts von 1998 hat, weiß Klaue nicht einmal. Wozu auch recherchieren, wenn man bereits eine Meinung hat?

„Die erfreulichen Potentiale, die ‚vaterlose Familien’ ohne tyrannisches Oberhaupt den Kindern durchaus auch eröffnen, verleugnet ‚Väteraufbruch’.“ Wir kennen leider nicht die Vita des Magnus Klaue, und wissen auch nicht, mit welchen Vater- und Mutterfiguren er es in seiner Kindheit zu tun hatte. Das ist für ihn jedenfalls auch die einzig denkbare Erfahrung. Liebevolle Väter gibt es in der Welt des Ödipus Klaue nicht, sie sind immer nur das eine: tyrannische Oberhäupter. Fast mag einem dieser Autor leid tun, fast mehr noch die Zeitschrift „Konkret“, die inzwischen zum Werkstattbetrieb für mental gestörte Mittelstandsknülche geworden zu sein scheint. Aber vielleicht war das ja schon immer so und wir haben’s nicht gemerkt.

Wahrlich, wahrlich, im Väteraufbruch laufen, wie in allen anderen Vereinen, auch einige kuriose Gestalten herum, Querulanten und hier und da schlicht unangenehme Zeitgenossen. Aber Propagandisten der „Vater-Figur, die blinden Gehorsam verlangt und deren realer geschichtlicher Zerfall verdrängt wird“, haben wir dort eigentlich noch nicht getroffen. Klaue baut Popanze auf, um den Verein lächerlich zu machen und damit er in sein kleingeistiges Weltbild und ein dem Vulgärfeminismus entliehenes Männerbild passt. Belege oder sogar Zitate hat er keine, so dass er wahrscheinlich nicht einmal in die Homepage des Väteraufbruchs oder ein paar ausgewählte Texte reingeschaut hat. Dagegen reibt er sich ausgerechnet daran, dass sich der Väteraufbruch NICHT als Machotruppe präsentiert. Weil er das nicht ist, erscheint Klaue der Verein besonders verlogen: „Die Intention, Frauen zu rechtlosen Objekten der Gattungsreproduktion zu erniedrigen, kommt nicht mit Macho- und Stammtischgehabe daher, sondern pocht auf jene Ideale von ‚Gleichberechtigung’ und ‚Differenz’, die von der Frauenbewegung der siebziger Jahre reklamiert worden sind. Entsprechend versteht sich ‚Väteraufbruch’ als Männerbewegung und stattet sich mit der Rhetorik feministischer Politik aus, um sie gegen den Feminismus zu wenden.“

Wie ist denn sowas möglich, fragt sich der erstaunte Leser. Setzt nicht gerade das beim Feminismus eine seltsame Inkonsistenz voraus, dass seine spezifische Rhetorik sich so leicht gegen ihn selbst wenden lässt? Und ist die Voraussetzung dafür nicht jene hervorstechendste Eigenschaft feministischer Diskurse, ihre selbstgerechte Kasuistik? Damit kann man natürlich einem Autor nicht begegnen, dessen eigenes Argumentationsprinzip genau darin liegt.

Es ist die besondere Qualität dieses ... Pausenaufsatzes, dass er Männern in seiner logischen Konsequenz nicht nur zu untersagen versucht, sich über ihre Interessen zu verständigen; Klaue spricht Männern – und Vätern zumal! – von vorneherein auf einer rein moralisierenden Ebene alle Rechte ab: „Kein Recht den Tyrannen!“

Damit geht er sogar weiter als die meisten Feministinnen, und wahrscheinlich hält er sich deswegen für besonders „radikal“. (Im romantischen Weltbild solcher Seminar... ist Radikalsein etwa dasselbe wie für einen muslimischen Fundamentalisten der Märtyrertod.)

Klaue mag irgendwann noch dazulernen; vielleicht wird er selbst irgendwann mal Vater und erlebt das Schicksal derer, die er heute noch wortreich verhöhnt. Beinah’ wär’s ihm zu wünschen: Vielleicht emanzipiert er sich dann doch noch von seinem hypertrophen Ödipuskomplex. „Konkret“ dagegen bleibt auch im 15. Jahr nach dem Fall der Mauer eine antiliberale Gazette für radikalisierte Kleinbürger.

 

http://www.konkret-verlage.de/kvv/txt.php?text=menshealth&jahr=2004&mon=02

 

 

aus: RoteMännerInfo 64

24.02.2004

 

 


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