Militärgericht

Militärjustiz


 

 

NS-Militärjustiz

Als Opfer der NS-Militärjustiz gelten Personen, die von Militärgerichten (einschließlich Feldgerichten und Ersatzgerichten) im nationalsozialistischen Deutschen Reich (Dritten Reich) verurteilt wurden.

Die Urteile gegen bestimmte Opfergruppen wurden erst sehr spät aufgehoben, das Eintreten für eine Rehabilitierung stellte einen langwierigen Prozess dar. Folgende Tatbestände wurden von der Militärjustiz gegen Soldaten und Personen im Heeresdienst angewandt: [1]

* Kriegsdienstverweigerung

* Desertion/Fahnenflucht

* Unerlaubte Entfernung (Militär)

* politische Delikte

* Selbstverstümmelung

* Widersetzlichkeitsdelikte (s. Befehlsverweigerung)

* wehrkraftzersetzende Äußerungen

* Eigentumsdelikte

* Fälschungsdelikte

* Gewaltdelikte

* bedingt: Hochverrat und Landesverrat

Diese Delikte treten fast immer in Kombination auf. So geht z. B. Desertion meist mit Diebstahl (der Waffe und der Uniform) einher. Diese Kategorisierung hat zum Ziel, einer Vermengung der Tatbestände und dadurch undifferenzierten Betrachtung der Tatbestände (v.A. Desertion), entgegenzuwirken.

 

Die NS-Militärjustiz verurteilte etwa 1,5 Millionen Soldaten in ihren insgesamt etwa 1.300 Gerichten. Sie verurteilte rund 30.000 Soldaten zum Tode; vollstreckt wurden etwa 23.000 Todesurteile.[2] Der Zahl von 30.000 Verurteilungen der Justiz der Wehrmachtsjustiz stehen im Ersten Weltkrieg gerade 150 Todesurteile der deutschen Militärjustiz gegen deutsche Soldaten gegenüber, von denen 48 vollstreckt wurden. Der Vergleich wird noch drastischer, wenn man die Zahl der Todesurteile der westlichen Alliierten im Zweiten Weltkrieg heranzieht: die amerikanischen Streitkräfte exekutierten 146 eigene Soldaten, die französischen 102, die britischen 40. Nur noch die sowjetischen Militärtribunale übertrafen die Wehrmachtsrichter. 157.000 Todesurteile wurden zwischen 1941 und 1944 von sowjetischen Militärtribunalen gegen Angehörige der Roten Armee verhängt.[3]

Strafen und Verfahren [Bearbeiten]

Bei Nichtanwendung des Todesurteils waren Bewährungskompanien und Strafarbeitslager als Strafen vorgesehen – erstere konnten einem Todesurteil nahe kommen (schlechte Verpflegung, Minenentschärfung, unbewaffnet an der Front). Es sei hier auf die schwierige Datenlage hingewiesen: Ab 1944 führte die Wehrmacht keine Statistiken mehr. Die Mehrzahl der Unterlagen soll bei Bombenangriffen verloren gegangen sein. Die vor 1990 kolportierte Zahl von rund 100.000 Fahnenflüchtigen wird von aktuellen Forschungsprojekten angezweifelt.[4]

Die Verfahren der NS-Militärjustiz erfüllten anfangs noch formal rechtsstaatliche Anforderungen: Recht auf Verteidiger [5], Beweisantragsrecht (Entlastungszeugen), Überprüfung des Urteils, Gnadenantragsrecht, Möglichkeit des Wiederaufnahmeverfahrens usw. Zur entschädigungswürdigen Unrechtsjustiz wird die NS-Militärjustiz dann, wenn reines NS-Unrecht die Verfahrensgrundlage war, beispielsweise Wehrkraftzersetzung. Grundlage der Wehrmachtsjustiz war das Militärstrafgesetzbuch (MStGB) von 1926 welches 1935 und 1940 grobe Änderungen erfuhr und 1939 durch die Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) ergänzt wurde. Diese setzte etwa das Analogieverbot außer Kraft, weitete die Tatbestände aus, schuf die Möglichkeit das Verfahren abzukürzen, erweiterte das Strafausmaß erheblich. Rechtsmittel waren nunmehr in den Verfahren nicht vorgesehen, einen Verteidiger erhielten Soldaten nur dann, wenn das anhängige Strafdelikt mit der Todesstrafe bedroht war.[6] Damit waren alle „eventuell noch vorhandene Reste eines rechtsstaatlichen Prinzips aus dem Wehrmachtsstrafrecht (eliminiert)“.[7]

Die in allen Armeen strafbare Fahnenflucht lässt sich während und nach dem NS-Staat rechtfertigen, da die Eroberungsfeldzüge der NS-Wehrmacht ein verbrecherischer Angriffskrieg waren (vgl. die Problematik des rechtswidrigen Befehls). Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass sich die Meinung vieler Juristen und Politiker nach dem ersten Weltkrieg, dernach der inkonsequente Umgang mit Deserteuren im ersten Weltkrieg zur Niederlage der Deutschen geführt hat, in der harten Urteilspraxis der NS-Militärrichter niedergeschlagen hat.[8]

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http://de.wikipedia.org/wiki/Opfer_der_NS-Milit%C3%A4rjustiz

 

 


 

 

 

Symposium zu Ehren von OLG-Rat i.R. Dr. Helmut Kramer

Am 17.-18. April 2010 findet im Leibniz-Haus in Hannover aus Anlass des 80. Geburtstags von OLG-Rat i.R. Dr. Helmut Kramer ein Symposium statt mit dem Thema "Der Kampf um die Vergangenheit. Das Wirken ehemaliger Wehrmachtsjuristen im demokratischen Rechtsstaat aus der Sicht der Opfer." Am Samstag Vormittag wird der Jubilar für seine Verdienste mit dem Werner Holtfort-Preis geehrt.

 

http://www.forumjustizgeschichte.de/

 

 

 

 

Der Kampf um die Vergangenheit.

Das Wirken ehemaliger Wehrmachtjuristen im demokratischen Rechtsstaat aus der Sicht der Opfer

Wissenschaftliches Symposium aus Anlass des 80. Geburtstages von Helmut Kramer

am 17. und 18. April 2010

im Leibniz-Haus der Universität Hannover, Holzmarkt 4-6, 30159 Hannover

Leitung: Joachim Perels und Wolfram Wette

Veranstalter: Forum Justizgeschichte e.V.,

Redaktion Kritische Justiz,

Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, Sektionen Hannover und Südbaden,

Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz,

Arbeitskreis Historische Friedensforschung (AHF),

Werner Holtfort-Stiftung, Hannover-Laatzen.

Gefördert von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“

 

Programm

Samstag, 17. April 2010

 

10.00 Manfred Krause (Hamburg), Vorsitzender des Forums Justizgeschichte, Begrüßung

 

10.15 Ingo Müller (Berlin), Laudatio auf Helmut Kramer

 

10.45 Detleff Prellwitz (Holtfort-Stiftung), Verleihung des Werner Holtfort-Preises

 

11.15 Joachim Perels (Hannover), Konstituierung des demokratischen Rechtsstaats durch Ausschaltung des NS-Justizapparats. Positionen in der Nachkriegsperiode (Eröffnungs- und Festvortrag)

 

12.00-13.00 Mittagessen

 

13.00 Günter Saathoff (Berlin), Vorstand der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“, Von der Verleugnung zur Rehabilitierung und Entschädigung der Militärjustizopfer

 

13.15 Gerd Hankel (Hamburg), Die NS-Militärjustiz in den Nürnberger Urteilen

 

13.45 Claudia Bade (Torgau), Die Geschichtspolitik des Netzwerks ehemaliger Militärjuristen

 

14.15 Detlef Garbe (Neuengamme), Prof. Dr. Erich Schwinge. Der ehemalige Kommentator und Vollstrecker nationalsozialistischen Kriegsrechts als Apologet der Wehrmachtjustiz nach 1945

 

14.45 Oliver von Wrochem (Hamburg), Generalfeldmarschall Erich von Mansteins Bild von der „sauberen“ Wehrmachtjustiz

 

15.15 Kerstin von Lingen (Heidelberg), Nachkriegsrechtfertigungen der Wehrmacht und SS-Gerichtsbarkeit in Italien

 

15.45 Christopher Theel (Dresden), Lebenswege und Karriereverläufe ehemaliger SS-Richter

 

16.15 Norbert Haase (Dresden), Die Richter am Reichskriegsgericht und ihre Nachkriegskarrieren

 

16.45-17.15 Kaffeepause

 

17.15 Georg D. Falk (Marburg), Die Nachkriegskarriere des Kriegsrichters und späteren Marburger Amtsgerichtsdirektors Massengeil

 

17.45 Jacqueline Roussety (Berlin), Der Politiker Hans Filbinger und der Soldat Walter Gröger

 

18.15 Christoph Rass (Aachen), Ganz normale Richter? Kriegserfahrung und Nachkriegskarrieren von Divisionsrichtern

 

18.45 Claudia Fröhlich (Berlin), Die Entlegitimierung von Widerstand gegen den NS-Unrechtsstaat in der frühen Bundesrepublik. Am Beispiel von Ernst Mantel, Oberkriegsgerichtsrat, Heeresrichter und Richter am BGH

 

19.15 Stephan A. Glienke (Hannover), Rechtfertigung der de facto-Amnestie von Schreibtischtätern durch den ehemaligen Wehrmachtrichter Bröker

 

19.45 Annette Weinke (Berlin): Ehemalige Wehrmachtrichter in der SBZ/DDR. Ein blinder Fleck in der DDR-Justizgeschichtsschreibung

 

20.30 Empfang der Werner Holtfort-Stiftung und des Forums Justizgeschichte

 

 

Sonntag, 18. April 2010

10.00 Manfred Messerschmidt (Freiburg i. Br.), Die Opfer der NS-Militärjustiz 10.30 Peter Derleder (Bremen), „Unruhige Nacht“ von Albrecht Goes. Die Unmenschlichkeit eines Kriegsgerichtsverfahrens im Dritten Reich, vergegenwärtigt in der frühen Bundesrepublik

 

11.00 Kurt Schrimm (Ludwigsburg), Der Beitrag der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur juristischen Aufarbeitung der Wehrmachtjustiz

 

11.30 Rolf Surmann (Hamburg), Neue Militärjustiz? Überlegungen zur ihrer Wiedereinführung in der Bundesrepublik 1949 bis heute 

 

12.00 Ludwig Baumann (Bremen), Ein Kampf um Würde. Die Bundesvereinigung „Opfer der NS-Militärjustiz“

 

12.30 Wolfram Wette (Freiburg i. Br.), Frühe Selbstentlastung der Richter – späte Rehabilitierung der Opfer (Schlusswort)

 

13.00 Ende des Symposiums

 

Dr. Stephan Alexander Glienke

Historische Kommission für Niedersachsen und Bremen

c/o Niedersächsischer Landtag

Postfach 44 07

30044 Hannover

Stephan.Glienke[at]lt.niedersachsen.de

 

 

 


 

 

 

Erich Schwinge

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Erich Schwinge (* 15. Januar 1903 in Jena; † 30. April 1994 in Marburg) war ein deutscher Jurist. Er wurde 1931 Professor für Rechtswissenschaften und verfasste den in der Zeit des Nationalsozialismus maßgebenden Gesetzeskommentar zum NS-Militärrecht, nach dem zehntausende Todesurteile gefällt und vollstreckt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er bald erneut Rechtsprofessor und war einer der wichtigsten Gutachter der Verteidigung in Strafprozessen gegen NS-Täter. Er gab 1977 ein Standardwerk zur Wehrmachtsjustiz im NS-Staat heraus, das diese entgegen den heute bekannten Tatsachen als „antinationalsozialistische Enklave der Rechtsstaatlichkeit“ beschrieb. Damit beeinflusste er die bundesdeutsche Rechtsprechung etwa zu Entschädigungsansprüchen für Opfer der NS-Militärjustiz noch bis 1995. Der breiteren Öffentlichkeit wurde er durch die Reihe „Berühmte Strafprozesse“ bekannt, die er unter dem Pseudonym Maximillian Jacta von 1962 bis 1972 veröffentlichte.

Inhaltsverzeichnis

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* 1 Leben

o 1.1 Zeit des Nationalsozialismus

o 1.2 Nach 1945

* 2 Literatur

* 3 Weblinks

* 4 Einzelnachweise

Leben [Bearbeiten]

Schwinge besuchte die Oberrealschule in Jena und studierte anschließend von 1921 bis 1924 Rechtswissenschaften an den Universitäten Jena, Berlin und München. Es folgte das Referendariat, das er in Jena, Weimar, Camburg, Berlin und Hamburg absolvierte. Er promovierte 1926 und habilitierte sich 1930 an der Universität in Bonn für Strafrecht, Strafprozessrecht, Zivilprozessrecht und Rechtsphilosophie. 1931 und 1932 war er dann zunächst Vertretungsprofessor an der Universität Kiel. Ab 1932 war er an der Universität Halle als Professor tätig.

Zeit des Nationalsozialismus [Bearbeiten]

Bereits 1930 vertrat Schwinge Rechtsideen, die dem Nationalsozialismus entgegenkamen und die dieser später umsetzte: So trieb er die Methode der Auslegung von Rechtsnormen nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften (teleologische Auslegung) im Strafrecht bis zum Äußersten voran.[1]

1933 trat er in den Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen ein. Bereits wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten forderte er eine Ablösung der seiner Meinung nach zu „milden“ und „nachsichtigen“ Strafjustiz der Weimarer Republik durch eine möglichst „autoritäre“ Strafrechtspflege.[2] Schließlich stellte er das Analogieverbot in Frage, noch bevor der Gesetzgeber dieses mit der Änderung des Strafgesetzbuches vom 28. Juni 1935 abschaffte.

1936 wurde er auf einen Lehrstuhl an der Universität Marburg berufen. Hier verfasste er einen Gesetzeskommentar zum Militärstrafgesetzbuch, dessen sechste und letzte Auflage 1944 erschien. Sein Kommentar war die damals maßgebende, in der Praxis viel verwendete Auslegungshilfe für etwa 3000 Wehrmachtsrichter. Er propagierte darin unter anderem die „Manneszucht“ - das hieß die bedingungslose Anerkennung des soldatischen Gehorsams und soldatischer Pflichterfüllung im Sinne des Nationalsozialismus - als oberste Leitlinie. Diese müsse die Rechtsprechung unbedingt aufrechterhalten, um den inneren Zusammenhalt der Truppe und somit die Schlagkraft der Wehrmacht zu gewährleisten. Demgemäß forderte er die Todesstrafe für die „Zerstörung der Wehrkraft“, etwa durch Fahnenflucht, zur Generalprävention unabhängig von der Prüfung der Einzelmotive, also auch dann, wenn mildernde Umstände vorliegen konnten.

Diese Forderungen erfüllte die Ende August 1939 - kurz vor Beginn des Angriffs auf Polen - erlassene „Kriegssonderstrafrechtsverordnung“ (KSSVO). Im November 1939 wurde der Strafrahmen für Verstöße gegen „Manneszucht“ nochmals dahingehend verschärft, dass jedes so gewertete Vergehen nach dem Ermessen der Gerichte mit der Todesstrafe geahndet werden konnte. Diese Verschärfung begrüßte Schwinge in der folgenden Neuauflage seines Gesetzeskommentars, weil sie es ermöglicht habe, „in jedem Einzelfall ... bis zur Todesstrafe zu gehen“.[3]

Von 1937 bis 1939 war Schwinge Dekan an der Marburger Universität, wechselte aber 1940 an die Universität Wien. Gemeinsam mit seinem Marburger Kollegen Leopold Zimmerl kritisierte er die Strafrechtslehre der beiden Kieler Professoren Georg Dahm und Friedrich Schaffstein. Er warf ihnen vor, einen strafrechtlichen Irrationalismus zu vertreten.[4] Dieser Streit entzündete sich vor allem am Begriff des Rechtsguts, der von den Mitgliedern der Kieler Schule als mit dem Nationalsozialismus unvereinbar abgelehnt wurde. Schwinge selbst hielt am Begriff des Rechtsguts fest und hatte bereits 1933 eine nationalsozialistische Rechtsgutlehre entwickelt: Die Rechtsgüter seien im Sinne der herrschenden Doktrin des Nationalsozialismus auszulegen.[5] Auf diese Weise glaubte er, der Doktrin der Kieler Schule eine wissenschaftlichere Methode entgegenzusetzen. 1941 wurde Erich Schwinge zunächst Staatsanwalt, dann Militärrichter bei der Division 117 in Wien. Er beantragte gegen mindestens zehn zwangsrekrutierte Deutsche, die aus verschiedenen Gründen Kriegsdienste vermeiden wollten, die Todesstrafe. In mindestens acht Fällen fällte er selbst Todesurteile, auch dann, wenn eine mildere Strafe möglich gewesen wäre.[6] Kritiker[7] werfen ihm besonders den Fall des damals siebzehnjährigen Anton Reschny vor. Dieser hatte als Wehrmachtsangehöriger, der allerdings noch nicht über seine Pflichten belehrt worden war, bei Aufräumarbeiten eine Geldbörse und zwei Armbanduhren an sich genommen und war wegen Diebstahls unter Ausnutzung der Kriegsverhältnisse (§ 242 Reichsstrafgesetzbuch, § 4 Verordnung gegen Volksschädlinge) angeklagt worden, wofür eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren vorgesehen war. Schwinge wandte allerdings die Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches über die Plünderung an. Das Gericht verurteilte Reschny auf dieser Basis wegen eines besonders schweren Falls zum Tode. Die Todesstrafe wurde allerdings nicht vollstreckt. [8]

Nach 1945 [Bearbeiten]

1945 geriet Schwinge in Kriegsgefangenschaft. Seine Schriften Soldatischer Gehorsam und Verantwortung (Elwert, Marburg 1939), Die Entwicklung der Manneszucht in der deutschen, britischen und französischen Wehrmacht seit 1914 (Schweitzer, Berlin 1941) und Militärstrafgesetzbuch (Junker u. Dünnhaupt, Berlin 1943) in der Sowjetischen Besatzungszone wurden auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[9][10][11]

Schwinge wurde nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft aus Österreich ausgewiesen, seine Professur an der Universität Wien wurde beendet. Er wurde jedoch 1948 an die Universität Marburg als Professor berufen und amtierte dort zwanzig Jahre lang als Dekan der juristischen Fakultät, 1954/1955 auch als Rektor der Universität. Neben seiner Tätigkeit vertrat Schwinge in etwa 150 Strafprozessen ehemalige Angehörige der Wehrmacht und der Waffen-SS.

Politisch engagierte er sich in der FDP und war zeitweise Mitglied des Landesvorstandes seiner Partei in Hessen und Bundestagskandidat.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde seine unter dem Pseudonym Maximillian Jacta zwischen 1962 und 1972 veröffentlichte Sammlung „Berühmte Strafprozesse“ bekannt, die mehrfach übersetzt wurde. Dieses mehrbändige Werk ist der Literaturgattung der Pitavale zuzurechnen. Das Pseudonym wurde seinerzeit gewählt, um das Werk auch international vermarkten zu können, da der Verlag den Namen Erich Schwinge in anderen Sprachräumen als zu fremdartig ansah.[12]

Schwinge hatte mit seinem Werk Praxis des Revisionsrechts (1960) Einfluss auf die Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland.[13]

In der Nachkriegszeit widmete er sich der Geschichte der Militärgerichtsbarkeit im Zweiten Weltkrieg, zu deren Richtern er ja selbst gehört hatte. So verfasste er mit Otto Schweling das erste umfassende und lange als Standardwerk betrachtete Buch zu dem Thema.[14] Er vertrat die Ansicht, dass die Härte der deutschen Militärstrafgerichtsbarkeit gerechtfertigt gewesen sei, um die Moral in der Truppe aufrecht zu erhalten. Die Militärgerichtsbarkeit sei aber weitgehend unabhängig gewesen und habe sich im Rahmen des Rechtes bewegt. Auch auf Seiten der Alliierten habe eine vergleichbare Gerichtsbarkeit mit ähnlicher Härte bestanden. Die Urteile der Militärgerichte seien daher als rechtmäßig anzuerkennen. Diese Thesen wurde zwar bereits in den 1950er Jahren kritisiert, waren aber lange herrschende Ansicht und wurden erst in den 1980er Jahren widerlegt.[15] Die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes folgte dieser These lange[16], gab diese Rechtsprechung mit einem Urteil vom 11. September 1991 ausdrücklich auf und ging nunmehr vom zu vermutenden Unrechtscharakter der Urteile der Militärgerichtsbarkeit aus.[17] Aus heutiger Sicht wird die Arbeit Schwinges als Versuch gewertet die deutschen Juristen in einem besseren Licht darzustellen, der wissenschaftlich aber kaum haltbar sei.[18]

Aufsehen erregte Erich Schwinge auch durch den Umgang mit Kritikern. Nachdem etwa 1964 eine Studentenzeitung einen kritischen Beitrag zur Rolle Schwinges veröffentlicht hatte, untersagte er dessen Verbreitung und strengte erfolglos ein Disziplinarverfahren gegen die Verantwortlichen an. Gegen einen in der Folge vom ASTA herausgegebenen Reader mit unkommentierten Zitaten Schwinges ging er mit dem Mittel der Einstweiligen Verfügung gerichtlich vor. Das Vorgehen Schwinges erregte ein erhebliches Presseecho.[19]

Im Prozess Hans Filbingers gegen Rolf Hochhuth (Februar-Juli 1978) schrieb Schwinge in einem Rechtsgutachten, der Fall des Matrosen Walter Gröger, für den Filbinger wegen Fahnenflucht ins Ausland die Todesstrafe beantragt hatte und später vollstrecken ließ[20], könne Filbinger weder rechtlich noch moralisch angelastet werden[21] (siehe dazu Filbinger-Affäre).

Literatur [Bearbeiten]

* Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, S. Fischer, 2. Aufl. Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0

* Ingo Müller, Furchtbare Juristen, Knaur, München 1989, ISBN 3-426-03960-5

* Ursula Schwinge-Stumpf (Hrsg.), Erich Schwinge – Ein Juristenleben im Zwanzigsten Jahrhundert (Autobiographie), Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-7973-0654-7

* Detlef Garbe, „In jedem Einzelfall ... bis zur Todesstrafe“. Der Militärstrafrechtler Erich Schwinge – Ein deutsches Juristenleben., Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte, Hamburg 1989, ISBN 3-927106-00-3

* Stefan Chr. Saar, Erich Schwinge (1903-1994). In: E. Klein, St. Chr. Saar, C. Schulze (Hg.). Zwischen Rechtsstaat und Diktatur. Deutsche Juristen im 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2006 (= Rechtshistorische Reihe Bd. 326); S. 105-129, ISBN 3-631-54716-1

Weblinks [Bearbeiten]

* Literatur von und über Erich Schwinge im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (Datensatz zu Erich Schwinge • PICA-Datensatz • Apper-Personensuche)

* Erich Schwinge im Katalog der Hallenser Professoren

* FSI Jura Erlangen, Hitlers willfährige Helfer - Furchtbare Juristen vor und nach 1945

* Bayerischer Rundfunk, 29. November 2000: Jürgen Martin Möller im Gespräch mit Militärhistoriker Prof. Dr. Manfred Messerschmidt

Einzelnachweise [Bearbeiten]

1. ↑ Erich Schwinge: Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, Bonn 1930

2. ↑ Kurt Fricke, Die Strafanstalt Roter Ochse in Halle 1933 bis 1989, in: Werner Freitag/ Katrin Minner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Halle. Bd. 2: Halle im 19. und 20. Jahrhundert, Mitteldeutscher Verlag, Halle a.d. Saale 2006, ISBN 3-89812-383-9, S. 127

3. ↑ Volker Ullrich: „Ich habe mich ausgestoßen...“ Das Los von Zehntausenden deutschen Deserteuren im Zweiten Weltkrieg, in: Wolfram Wette (Hrsg.): Deserteure der Wehrmacht, Klartext, 1. Auflage 1995, S. 110

4. ↑ Erich Schwinge: Irrationalismus und Ganzheitsbetrachtung in der deutschen Rechtswissenschaft. Bonn 1938.

5. ↑ Erich Schwinge: Die gegenwärtige Lage der Strafrechtspflege, Halle 1933, S. 22

6. ↑ Otto Gritschneder: Entschädigung für die Witwen hingerichteter Wehrpflichtiger, in: Wolfram Wette (Hrsg.): Deserteure der Wehrmacht, Klartext, 1. Auflage 1995, S. 255

7. ↑ Etwa Tobias Walkling, Abschreckung tut not in: Ohne Uns - Zeitschrift zur Totalen Kriegsdienstverweigerung, Heft 5/93

8. ↑ Ingo Müller, Furchtbare Juristen, Knaur 1989, ISBN 3-426-03960-5, S. 192

9. ↑ http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-s.html

10. ↑ http://www.polunbi.de/bibliothek/1947-nslit-s.html

11. ↑ http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-s.html

12. ↑ Günter Spendel, Vorwort zu Maximilian Jacta, Berühmte Strafprozesse, Genehmigte Sonderausgabe. Orbis Verlag, München 2001, ISBN 3-572-01242-2; Ernst J. Cohen, Gelehrter in Zeiten der Wirrnis in: Hans Ulrich Evers/Karl Heinrich Friauf/ Ernst Walter Hanack/Rudolf Reinhardt (Hrsg.), Persönlichkeit in der Demokratie - Festschrift für Erich Schwinge zum 70. Geburtstag. Köln-Bonn 1973, ISBN 3-7756-7700-3, S. 5

13. ↑ Ernst J. Cohen, Gelehrter in Zeiten der Wirrnis in: Hans Ulrich Evers/Karl Heinrich Friauf/ Ernst Walter Hanack/Rudolf Reinhardt (Hrsg.), Persönlichkeit in der Demokratie - Festschrift für Erich Schwinge zum 70. Geburtstag. Köln-Bonn 1973, ISBN 3-7756-7700-3, S. 5.

14. ↑ Schwinge/Schweling, Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus, Elwert-Verlag, 2. Auflage, Marburg 1978, ISBN 3-7708-0619-0; 1. Aufl. Marburg 1977, ISBN 3-7708-0590-9

15. ↑ Vor allem durch Manfred Messerschmidt/Fritz Wüllner: Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozialismus. Zerstörung einer Legende, 1987. Zur Entwicklung: Frithjof Harms Päuser: Die Rehabilitierung von Deserteuren der Deutschen Wehrmacht unter historischen, juristischen und politischen Gesichtspunkten mit Kommentierung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile (NS-AufhG vom 28.05.1998) (Diss. München 2000); Marcus Stortz, 'Während Jünglinge und Greise zu den Fahnen eilen, wird er fahnenflüchtig'. Deserteure, deutsche Wehrmachtjustiz und die unendliche Geschichte der Rehabilitation. in: forum historiae 2002

16. ↑ Vgl. zuletzt BSozG NJW 1985, 1109

17. ↑ BSozG NJW 1992, 934 ff.; kritisch zum Urteil Schwinge, NJW 1993, 368; ders., Wehrmachtsgerichtsbarkeit eine Terrorjustiz? Gedanken zu einem Urteil des Bundessozialgerichts, Schriftenreihe des Ringes Deutscher Soldatenverbände, Band 3; positiv zu dem Urteil: Gritschneder, NJW 1993, 369.

18. ↑ Klaus-Dieter Godau-Schüttke, Von der Entnazifizierung zur Renazifizierung der Justiz in Westdeutschland, forum historiae iuris, 2001, Randnummer 50

19. ↑ FSI Jura Erlangen, Hitlers willfährige Helfer - Furchtbare Juristen vor und nach 1945

20. ↑ Horst Bieber, Joachim Holtz, Joachim Schilde, Hans Schueler, Theo Sommer (Die Zeit, 12. Mai 1978): Erschießen, Sargen, Abtransportieren

21. ↑ Heinrich Senfft: Richter und andere Bürger. 150 Jahre politische Justiz und neudeutsche Herrschaftspolitik, Nördlingen 1988, S. 37

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Schwinge

 

 


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