Organspende


 

 

Organspende gegen den Haß

Sechs israelische Empfänger verdanken einem von Soldaten getöteten palästinensischen Jungen ihr Leben

Von Norbert Jessen

Tel Aviv - "Die Kinder, die Organe meines getöteten Sohnes erhielten, werden jetzt auch ein Teil von mir", erklärte Ismail al-Chatib seine Entscheidung, Organe seines Sohnes Ahmad al-Chatib zur Rettung anderer Kinder frei zu geben. Der Zwölfjährige war bei einer israelischen Militäraktion in Jenin im Westjordanland durch Schüsse israelischer Soldaten tödlich verletzt worden. Ärzte in der israelischen Stadt Haifa hatten zwei Tage lang versucht, den palästinensischen Jungen zu retten. Am Sonntag war er seinen Verletzungen erlegen.

Sechs Israelis erhielten Organspenden des Jungen. So wurde das Herz in die zwölfjährige Samach Gadban aus dem drusischen Dorf Peki'in in Nordisrael verpflanzt, die seit vier Jahren auf eine Herzspende wartete. "Meine Tochter ist jetzt auch die Tochter der trauernden Eltern in Jenin", erklärte der Vater des Mädchens, Riad Gadban, nach der Operation. "Eine edlere Tat als diese Entscheidung eines trauernden Vaters kann ich mir nicht vorstellen." Am Dienstag äußerten die Eltern von Samach Hoffnung auf Erfolg der Herzverpflanzung: "Samach ist wie neu geboren."

Unter den Empfängern ist auch ein Säugling, der sich nach der Operation noch im kritischen Stadium befindet. "Es war mir vor allem wichtig, daß durch die Organspenden weitere Kinder gerettet werden", sagte al-Chatib. Er räumte ein, daß er gezögert hätte, wenn es sich bei den Organempfängern um israelische Soldaten gehandelt hätte. "So aber erleichterte mir meine Entscheidung meine Trauer. Und ich kann der Welt ein Zeichen setzen, daß letztlich alle hier den Frieden herbeisehnen."

Israels Premier Ariel Scharon rief den Vater an, um ihm sein Beileid und seinen Dank persönlich auszurichten. Vizepremier Ehud Olmert lud ihn in seinen Amtssitz ein. Ein Treffen mit den Organempfängern und deren Eltern ist geplant. Eine Delegation des US-Kongresses änderte ihre Termine und besuchte den Vater in Jenin. "Ich nehme das Beileid an, doch hat meine Entscheidung nichts mit der verbrecherischen Tat des Mordes an meinen Sohn zu tun", betonte al-Chatib. "Ich fordere von der israelischen Regierung eine umfassende Untersuchung des schlimmen Vorfalls, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen." Laut israelischer Armee wurde Ahmad al-Chatib von den Soldaten während einer Razzia in Jenin mit einem bewaffneten Kämpfer verwechselt. Er trug ein täuschend echt aussehendes Spielzeuggewehr, das er am Vortag zum moslemischen Id-al-Fittr-Feiertag geschenkt bekommen hatte. Obwohl alle drei monotheistischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - Organspenden erlauben, willigen trauernde Angehörige in Israel selten ein, was Transplantationsmöglichkeiten in Israel stark einschränkt.

Gestern haben israelische Soldaten bei Nablus im nördlichen Westjordanland einen 15jährigen Palästinenser erschossen. Er hatte versucht, mit drei weiteren Palästinensern einen Sprengsatz zu legen.

http://morgenpost.berlin1.de/ausgabe/2005/11/09/politik/791044.html

 

 

 


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