Pflegekinder

Pflegegeld - Vollzeitpflege


 

 

Misshandlung

Warum unternahm das Jugendamt nichts?

VON SILVIA ZÖLLER, 21.09.11, 19:43h, aktualisiert 21.09.11, 22:00h

Landgericht Halle

Das wegen Misshandlung von Pflegekindern angeklagte Ehepaar (links und rechts) mit seinen Verteidigern im Landgericht Halle. (FOTO: ZB)

Halle (Saale)/MZ. Kopfschütteln am Mittwoch im Landgericht Halle: Obwohl das Jugendamt des Burgenlandkreises immer wieder Hinweise bekam, dass etwas mit einem Geschwisterpaar in einer Pflegefamilie nicht stimmt, passierte jahrelang nichts. Mit hilflosen Aussagen räumte die entsprechende Sachbearbeiterin dies im Prozess ein.

In der Verhandlung muss sich ein Ehepaar aus dem Burgenlandkreis wegen einer Vielzahl von körperlichen und sexuellen Misshandlungen an den beiden Kindern verantworten - die Opfer sind heute 21 und 17 Jahre alt. Zwischen den Jahren 2000 und 2006 soll der Pflegevater den Jungen mehrfach bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und geprügelt haben und sich zweimal an dem Mädchen vergangen haben.

Der Mutter wird vorgeworfen, dass sie dem Mädchen ein heißes Bügeleisen auf die Hand gedrückt haben soll. Zwei Tage lang sollen die Kinder laut Anklage in den Keller eingesperrt worden sein - ohne Essen und Trinken. Zum Prozessauftakt hatte das Ehepaar sämtliche Vorwürfe bestritten.

Wie beim Verhandlungstermin am Mittwoch zu erfahren war, hatte das Jugendamt ab 2004 massiv Hinweise über Probleme in der Pflegefamilie erhalten, doch immer Ausflüchte des Paares akzeptiert. So wiesen anonyme Anrufer mehrfach darauf hin, dass die Kinder vernachlässigt würden. "Das darf man nicht überbewerten, weil es immer Neider gibt, die glauben, dass Pflegefamilien nur das Geld kassieren wollen", sagte die Sachbearbeiterin. Auch als sich die Schulleitung an die Behörde wandte, weil das Mädchen zahlreiche blaue Flecken hatte, glaubte die Jugendamtsmitarbeiterin die Erklärung: Danach soll sich das Kind beim Spielen gestoßen haben. Auch auf Hinweise der Schule, dass keine Arbeitsmaterialien mitgebracht wurden und die Leistungen absackten, passierte nichts.

Denn die Pflegefamilie hatte Einladungen zu Gesprächen wegen dieser Probleme ab 2004 fast gar nicht mehr wahrgenommen. "Im Februar 2004 hatten wir sie zu einem Gespräch geladen und im August noch mal gemahnt", beschrieb die Jugendamts-Mitarbeiterin die geringe Intensität des Schriftverkehrs mit den Pflegeeltern. Angeblich hätten diese die Briefe nie erhalten, weil das Mädchen - das als sehr schüchtern beschrieben wurde - diese abgefangen habe. Bis 2006 zog sich so der fast nicht vorhandene Kontakt zum Jugendamt hin - dann lief das Mädchen von der Familie weg und kam wieder in ein Heim. Auch ihr Bruder war bereits 2004 - nach seinen Angaben - freiwillig ins Heim zurückgegangen.

"Wieso dauerte das alles so lange?", machte der Vorsitzende Richter Jan Stengel seinem Ärger und Unverständnis Luft, "und wann hört das Jugendamt auf, nette Briefe zu schreiben?" Dem Jugendamt seien die Hände gebunden gewesen, versuchte die Mitarbeiterin eine Erklärung. Denn das Mädchen habe immer wieder gesagt, dass es in der Familie bleiben möchte. Der Prozess wird fortgesetzt.

http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1315819395164

 

 

 

 

Pflegekinder

Hohe Anforderungen, strenge Kontrollen

erstellt 01.09.11, 20:22h

Halle (Saale)/MZ. 2184 Kinder sind in Sachsen-Anhalt 2009 von Pflegeeltern betreut worden. Wenn es möglich ist, werden Geschwister gemeinsam in Familien untergebracht - so dass die Zahl der Pflegefamilien darunter liegt: 2009 haben 1351 Familien Pflegekinder aufgenommen.

Um die Erlaubnis für die Betreuung von Pflegekindern zu bekommen, müssen Eltern ein regelmäßiges Einkommen und genügend Wohnraum vorweisen. Über die Jugendämter erhalten sie ein Vorbereitungsseminar. Mitarbeiter des Jugendamtes statten ihnen zusätzlich einen Hausbesuch ab. Wenn alle Auflagen erfüllt sind, bestätigt das Jugendamt die Bewerbung. Betreuen Eltern dann ein Pflegekind, erhalten sie finanzielle Unterstützung. Das Pflegegeld ist gestaffelt und steigt mit zunehmendem Alter der Kinder. Der Betrag liegt heute zwischen 640 Euro und 808 Euro.

http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1314855753941&openMenu=987490165154&calledPageId=987490165154&listid=0

 

 

 


 

 

Der Deutsche Verein empfiehlt für das Jahr 2002 ein Pflegegeld von

406 Euro für Kinder bis zum vollendeten 7. Lebensjahr

465 Euro für Pflegekinder zwischen 7 und 14 Jahren

564 Euro für Kinder in Pflege ab dem 14. Lebensjahr

Für die Kosten der Erziehung sollten zusätzlich 194 Euro berechnet werden.

 

Das ist im Vergleich zu den etwa 3000 Euro monatlichen Kosten für einen Heimplatz relativ wenig. Und in Fällen, wo die Unterbringung in einer Pflegestelle wirklich die einzige Alternative ist, ist es für die betroffenen Kinder gut angelegtes Geld. Und, das sei hier gesagt, es gibt viele Pflegeeltern, die hervorragende Arbeit zum Wohle der bei ihnen lebenden Pflegekinder machen.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Nicht immer scheint man in den Jugendämtern daran interessiert zu sein, herauszufinden, ob der möglicherweise bisher "nicht betreuende" Vater, nach dem Ausfall der Mutter, nicht die Betreuung seiner Kinder übernehmen könnte. Väter, erst recht die nichtverheirateten, scheinen nicht selten unter Generalverdacht zu stehen, sie sind die Schmuddelkinder der Nation - sonst hätten sie doch die Mutter geheiratet, diese Halodris -  und so richtig will wohl keiner im Jugendamt mit solchen Menschen (Männern auch noch - oh Gott, oh Gott) zusammenarbeiten oder sie gar vielleicht bei der bisher für sie noch ungewohnten alleinigen Betreuung der Kinder unterstützen. Möglicherweise hat man den Vater, der immer wieder über Schwierigkeiten beim Umgang klagte, vorher schon  jahrelang abgeblockt und als er dem Sozialarbeiter von Vernachlässigungen der Mutter gegenüber dem Kind berichtet hat, hat man ihm unterstellt, er wolle nur die Mutter anschwärzen. Nun ist die Mutter aber wirklich nicht mehr zu halten gewesen. In der Wohnung sieht es aus wie auf einer Müllhalde, die Lehrerin hat im Jugendamt angerufen und mitgeteilt, dass die Kinder in stark vernachlässigten Zustand in die Schule kommen, wenn sie denn überhaupt noch kommen.

Also, ab in die Pflegestelle, da weiß man im Jugendamt wenigstens woran man ist und man kann endlich das Versprechen einlösen, was man der Pflegefamilie und Pflegemutter hinter vorgehaltener Hand schon mal gemacht hat. Das Geld bezahlt eh der Steuerzahler, da gibts ja zum Glück noch genug Dumme, die sich dafür den Buckel krumm arbeiten.

 

 

 


 

 

 

20. März 2008

 

PFLEGEMUTTER UNTER VERDACHT

Fünfjährige stirbt nach schweren Misshandlungen

Familiendrama in Wuppertal: Ein fünfjähriges Mädchen ist offenbar von seiner Pflegemutter zu Tode misshandelt worden. Die 38-Jährige wurde unter dringendem Tatverdacht von der Polizei festgenommen.

Wuppertal - Die Frau soll am Freitag dem Haftrichter vorgeführt werden, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte. Der Wuppertaler Dezernent für Soziales und Jugend, Stefan Kühn, reagierte betroffen auf die Nachricht. "Wir sind geschockt über die menschliche Tragödie, die sich in unserer Stadt abgespielt hat", sagte er.

Das Kind war am Dienstag von Notarzt und Feuerwehr in die Kinderklinik im Stadtteil Barmen eingeliefert worden. Auf dem Weg dorthin hatten die Rettungskräfte Reanimationsmaßnahmen vorgenommen. Dennoch sei die Fünfjährige wenig später in der Klinik gestorben. Eine Obduktion ergab, dass das Mädchen auf gewaltsame Weise zu Tode kam.

Über die Art der Verletzungen wollte sich der Sprecher der Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen bislang nicht äußern. Er machte auch keine Angaben darüber, wie lange das Kind schon bei der Pflegemutter lebte.

Auch der Sozialdezernent erklärte, man könne wegen des laufenden Verfahrens nichts Näheres sagen. Er betonte jedoch, es gebe in Wuppertal ein strikt geregeltes Verfahren für die Auswahl von Pflegeeltern. "Wir haben da einen klaren Kriterienkatalog", sagte Kühn.

jdl/AP

 

 

Kommentar Väternotruf:

Da ist das misshandelte Mädchen offenbar aus dem Regen in die Traufe gekommen, als das Jugendamt für die Vermittlung des Kindes an die von der Polizei festgenommene Pflegemutter sorgte. Ob im Jugendamt Wuppertal möglicherweise die eine oder andere Fachkraft fachliche und politische Verantwortung für den Tod des Mädchens trägt, wird hoffentlich eine genaue Untersuchungen der Staatsanwaltschaft zeigen. Gut Möglich, dass die Staatsanwaltschaft so wie im Fall der fünf getöteten Kinder in Dary mal wieder von der Schuldunfähigkeit der Täterin ausgeht. Denn seien wir doch mal ehrlich, Frauen sind eigentlich immer schuldunfähig, denn in Deutschland herrscht weitestgehende Narrinnenfreiheit. Dafür hat die Frauenbewegung schließlich jahrzehntlang gekämpft, bis diese Ideologie dann auch im sogenannten Bundesfrauenministerium auf Bundesebene verankert wurde.

 

Die folgende uns in diesem Zusammenhang per Mail zugesandte Information, halten wir für durchaus für glaubhaft. Väter haben in Deutschland nichts zu lachen, beim Jugendamt, dass sich noch immer als staatliches Mütteramt mit Aschreckfunktion gegen Väter generiert, und schon gar nicht beim Bundesverfassungsgericht unter seinem Vorsitzenden Hans-Joachim Papier, dass die sorgerechtliche Diskriminierung nichtverheirateter Väter und ihrer Kinder noch im Jahr 2003 als vereinbar mit dem Grundgesetz deklarierte. Armes Deutschland kann man da nur sagen.

.

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: ...

Gesendet: Sonntag, 23. März 2008 10:57

An: info@vaeternotruf.de

Betreff: Gibt es eine Möglichkeit

 

Hallo Väternotruf,

Wegen der Kindstötung in Wuppertal hat sich der Vater bei Pappa.com gemeldet.

Gibt es eine Möglichkeit seitens des Väteraufbruches das publik zu machen, dass sich der Vater um das Kind bemüht hat, es wohl anscheinend, weil er der Vater ist, zu einer Pflegemutter gegeben worden ist?

Hier die Links:

http://www.net-tribune.de/article/210308-54.php

 

http://www.papa.com/paPPa-Forum/viewtopic.php?f=1&t=12558

 

Ach ja, der leibl. Vater (soll) ... in Handschellen vorgeführt worden sein. Er galt als dringend tatverdächtig. Laut seinen Angaben wusste er noch nicht einmal, wo sich sein eigenes Kind befand.

Vielen Dank für eure Mühen!

 

...

 

 

 


 

 

 

Leitsätze des Runden Tisches* beim Familiengericht Freising

für Pflegekindverhältnisse unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – Art. 6 GG; Art 8 MRK

(Freisinger Pflegekindschafts-Leitsätze)

 

Vorbemerkung:

 

Seit Juni 1996 befasst sich der Runde Tisch des Familiengerichts Freising als interdisziplinärer Arbeitskreis mit akuten Problemen von Familien in Trennung und Scheidung und insbesondere den Möglichkeiten, wie den davon betroffenen Kindern bestmöglich Hilfe geleistet werden kann. Teilnehmer des Runden Tisches sind unter Anderem das Amt für Jugend und Familie Freising, die im Landkreis tätigen freien Beratungsstellen, der Kinderschutzbund, Frauenhaus und Notruf für Frauen und Mädchen, die örtlich zuständige Beauftragte der Polizei für Frauen und Kinder sowie interessierte Rechtsanwälte und Anwältinnen.

 

Das Projekt, das weitgehend durch den Landkreis Freising finanziert wird, verfolgte ursprünglich zwei Ziele:

Krisenmanagement für auseinanderdriftende Familien in der ersten Trennungsphase, gerade in der die streitenden Eltern die Bedürfnisse ihrer Kinder aus den Augen verlieren,

Organisation des begleiteten Umgangs, insbesondere bei drohender Gewalt, bei Missbrauch oder Umgangsverweigerung.

Inzwischen versteht sich der Arbeitskreis als interdisziplinäres Diskussions- und Fortbildungsforum, zu dem in geeigneten Fällen Sachverständige eingeladen werden.

 

Nach mehr als 10 Jahren Zusammenarbeit kann folgende positive Bilanz gezogen werden:

Verbesserung der interdisziplinären Kommunikation und Vernetzung der fachspezifischen Kapazitäten,

Synergieeffekte durch die Koordination der Hilfemaßnahmen,

Intensivierung der Durchführung begleiteter Umgangskontakte,

Deutliche Entlastung für das Familiengericht, insbesondere im Bereich der Organisation des betreuten Umgangs.

 

 

I.

 

Der Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Gestaltung der Beziehungen eines Pflegekindes zu seiner Herkunftsfamilie ist, dass Familien sich in Entwicklung befinden. Die Herkunftsfamilie und in ihr das Kind weisen eine bestimmte Entwicklung auf, die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Inpflegegabe des Kindes angeraten erscheinen lässt. Die Pflegefamilie hat ebenfalls eine Entwicklungsgeschichte. Ein Wechsel des Kindes von einem Familiensystem in das andere kann für beide Familien eine Krise bedeuten. Diese Gefahr droht besonders bei traumatisierten Kindern in Folge von Gewalt, massiver Vernachlässigung oder häufig wechselnden Bezugssystemen mit einhergehenden Verlustängsten. Risiken und Chancen müssen also gleichermaßen bewältigt bzw. ergriffen werden, um (weiterem) Verlust emotionaler Sicherheit, von Vertrauen und an Beziehungsfähigkeit entgegen zu wirken.

Pflegefamilien sind aus der Sicht von Kindern Kernfamilien mit zwei Kernen. Unabhängig davon, wie sich die Beziehungen zwischen dem Kind in der Pflegefamilie und seiner Herkunftsfamilie konkret gestalten, wird diese für seine weitere Entwicklung von Bedeutung bleiben. Das gilt auch für den Extremfall eines vollständigen Kontaktverlustes, wie aus der Forschung über Adoptivkinder bekannt ist. Das gilt erst recht für die Option, nach Beendigung des Pflegeverhältnisses in die Herkunftsfamilie zurückzuwechseln. Daher ist eine ganzheitliche Sicht der Beziehungen zur Herkunftsfamilie einzunehmen und auch das Bild von der Herkunftsfamilie, das dem Pflegekind vermittelt wird, zu berücksichtigen.

Unter diesem Blickwinkel sind die von einem Teil der Fachliteratur verwendeten Begriffe „Ergänzungsfamilie“ (zeitlich befristete Pflege mit gutem Kontakt zur Herkunftsfamilie) und „Ersatzfamilie“ (Dauerpflege bei gestörter Beziehung zur Ursprungsfamilie) zu würdigen. Wegen des verfassungsrechtlich stets geltenden Rückführungsgebots ist innerhalb des dynamischen Entwicklungsprozesses die tatsächliche Einordnung der beiden Begriffe immer wieder zu überprüfen.

 

II.

 

Für Herkunftseltern, ihre Kinder und die Pflegeeltern besteht ein abgestufter Grundrechtsschutz nach Art. 1, 2 und 6 GG, Art. 8 MRK.[1] Ein staatlicher Eingriff in das Elternrecht darf nur zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stattfinden (Elternprimat). Es gibt kein „Recht des Kindes auf optimale Erziehung“: Grundsätzlich können Eltern frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihres Kindes gestalten, auch wenn das Kind dadurch Nachteile erleidet.[2]

Von seinen Herkunftseltern darf ein Kind nur getrennt werden, wenn das elterliche Fehlverhalten ein Ausmaß erreicht, dass das Kind beim Verbleib in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist.[3] Art und Ausmaß staatlicher Eingriffe sind nach dem Verhältnismäßigkeitsgebot stets am Grad des Versagens der Eltern und daran zu orientieren, was im Interesse des Kindes geboten ist.

Dabei ist das Grundrecht des Kindes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu schützen und abträgliche Folgen aus dem Erziehungsversagen der Eltern so weit wie möglich auszuschließen.[4]

Aus der Sicht dieser verfassungsrechtlichen Dimension muss staatliches Handeln (Jugendamt, Familiengericht) stets dem Gebot eines effektiven Grundrechtsschutzes Rechnung tragen und die Gefahr der Entwertung materieller Grundrechtspositionen – die sog. normative Kraft des Faktischen – vermeiden. Dies gilt insbesondere in Eilverfahren.[5]

Die staatliche Inobhutnahme eines neugeborenen Kindes stellt einen äußerst schwerwiegenden Eingriff dar und darf vor Anhörung und gegen den Willen der Eltern nur erfolgen, wenn eine unmittelbare Gefährdung tatsächlich festgestellt worden ist.[6]

Die Inpflegenahme eines Kindes ist als grundsätzlich vorübergehende Maßnahme zu beenden, sobald die Umstände dies erlauben. Alle Durchführungsmaßnahmen haben das Ziel der Zusammenführung der leiblichen Eltern mit ihrem Kind anzustreben. Jederzeit muss versucht werden, durch helfende, unterstützende Maßnahmen die (Wieder-) Herstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern zu erreichen.[7] In dieser Hinsicht ist ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen des Pflegekindes und denen der Eltern auf Zusammenführung der Familie herzustellen. Kein Elternteil hat Anspruch auf Maßnahmen, die der Gesundheit und Entwicklung des Kindes schaden würden.[8]

Ein Sorgerechtsentzug darf nur so lange aufrechterhalten bleiben, soweit das im konkreten Fall erforderlich ist, um eine mit der Herausnahme aus der Pflegefamilie verbundene Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden.[9] Dabei kann nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Prüfung geboten sein, ob im Einzelfall eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB genügt, um der Gefahr für das seelische Wohl des Kindes zu begegnen. Damit soll verhindert werden, dass das persönliche, insbesondere das seelische Wohl eines Kindes, das in der Pflegefamilie seine Bezugswelt gefunden hat, durch eine Herausnahme zur Unzeit gefährdet wird.[10]

Lebt ein Kind seit längerem bei seinen Pflegeeltern, kann die sofortige Trennung von der Pflegefamilie negative Auswirkungen auf sein physisches und psychisches Wohl haben. Dennoch müssen die Gerichte stets prüfen, ob eine Zusammenführung der Herkunftseltern mit dem Kind möglich ist, die die Belastung des Kindes so weit wie möglich vermindert. Bei der Rückführungsentscheidung ist dem Elternrecht und der Grundrechtsposition des Kindes ebenso wie dem Grundrecht der Pflegefamilie Rechnung zu tragen. Ein Verstoß gegen die Grundrechte der Pflegeeltern aus Art. 6 Abs. 1+3 GG wird nur in Ausnahmefällen angenommen werden können, so etwa wenn Pflegeeltern während einer jahrelangen Dauerpflege das Kind betreut haben oder andere ins Gewicht fallende Umstände die Trennung des Kindes von seiner Pflegefamilie verbieten.[11] Dabei sind nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen der Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern mit einzubeziehen, sondern auch die langfristigen Auswirkungen einer dauerhaften Trennung von seinem leiblichen Elternteil. Es entspricht grundsätzlich dem Kindesinteresse, die familiären Beziehungen eines in Pflege befindlichen Kindes zu seinem leiblichen Elternteil aufrecht zu erhalten, weil der Abbruch derartiger Beziehungen die Trennung des Kindes von seinen Wurzeln bedeutet. Der Ausschluss des Umgangsrechts des leiblichen Elternteils ist nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt.[12]

Zu beachten ist, dass das Wohl des Kindes letztlich bestimmend sein muss. Auch wenn die Trennung von seiner unmittelbaren Bezugsperson für das Kind regelmäßig eine erhebliche psychische Belastung bedeutet, darf dies allein nicht genügen, die Herausgabe des Kindes zu verweigern, weil andernfalls die Zusammenführung von Kind und Eltern immer dann ausgeschlossen wäre, wenn das Kind seine „sozialen Eltern“ gefunden hätte. Mit Blick auf das betroffene Kindeswohl ist vielmehr zu differenzieren, ob das Kind von der Pflegefamilie in den Haushalt seiner Eltern oder in eine andere Pflegestelle wechseln soll. Im zuerst genannten Fall ist die Risikogrenze weiter zu ziehen, wohingegen bei letzterer Konstellation (nur) mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des Kindeswohls ausgeschlossen sein muss.[13]

 

III.

 

Die Beachtung dieser verfassungsrechtlichen Grundsätze bedeutet für die Praxis der Hilfemaßnahmen nach § 33 SGB VIII folgende Aufgaben:

 

Die Auswahl von Pflegeeltern muss sich an deren Fähigkeit, die besondere Belastung der Integration des Pflegekindes unter Beachtung seiner Entwicklungsgeschichte zu bewältigen, und an deren Akzeptanz orientieren, das Kind zum bestmöglichen Zeitpunkt in die Herkunftsfamilie zurückzuführen. Dazu benötigen sie umfassende Informationen über das Kind und dessen Herkunftsfamilie vor Beginn des Pflegeverhältnisses im Rahmen des Möglichen.

Diese Aufgabe obliegt ausschließlich den Fachkräften der Pflegekinderdienste.

Sowohl Pflegeeltern als auch Herkunftseltern haben Anspruch auf eine dauerhafte fachliche Begleitung. Diese beinhaltet auch die Herstellung oder Förderung bereits vorhandener Schutzfaktoren wie stabilisierender Eigenschaften des Kindes oder Verfügbarkeit eines sozialen Stützsystems. Neben den regelmäßigen Hilfeplangesprächen nach § 36 SGB VIII ist eine auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Fachberatung – gegebenenfalls in Verbindung mit Umgangsbegleitung – sicherzustellen, die auf freie Familienberatungsstellen übertragen werden kann. In Krisensituationen ist die gerichtliche Bestellung eines Verfahrenspflegers in Erwägung zu ziehen.

Sowohl Pflege- als auch Herkunftseltern müssen auf ein jederzeit vorhandenes Beratungs- und Unterstützungsangebot zurückgreifen können und davon Kenntnis haben. Soweit freie Beratungsstellen einbezogen sind, ist deren

Verschwiegenheitspflicht zu beachten. An dieser fachlichen Begleitung können neben den Fachkräften der Pflegekinderdienste und den Beratungsstellen freier Träger auch Verfahrenspfleger im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs beteiligt werden.

In der gesamten Beziehungsstruktur des Pflegekindverhältnisses ist in einer systemorientierten Betrachtungsweise besonders zu achten auf die Vermeidung von Schuldzuweisungen und Abwertungen der Herkunftseltern durch die Pflegeeltern und umgekehrt: Das Verhalten des Einzelnen in beiden Kernfamilien wird erst im Zusammenhang mit dem Verhalten Anderer im Rückkoppelungsprozess verständlich. Hinzuwirken ist auf die Bewusstwerdung des dynamischen Entwicklungsprozesses in beiden Kernfamilien, aber auch in Bezug auf die eingeschränkte rechtliche Sicherheit für die Pflegeeltern infolge des Rückführungsgebots. Dies gilt gleichermaßen nach der Rückführung des Pflegekindes. Besuchskontakte gegen den nachhaltig erklärten Willen des Kindes können dessen Gefühle von Ohnmacht und Ausgeliefertsein verstärken, können damit die Selbstwert- und Autonomieentwicklung gefährden und zu einer Re-Traumatisierung führen. Die Begleitung des Umgangs kann emotionale Sicherheit nur durch eine dem Kind vertraute Begleitperson gewährleisten.

Diese Aufgabe stellt sich den beteiligten Fachberatungskräften, gegebenenfalls aber auch Familienrichtern und –richterinnen sowie den Rechtsanwälten und Anwältinnen der Parteien.

Eine den Kindesinteressen gerecht werdende Rückführung des Pflegekindes erfordert einen behutsamen Kontaktaufbau bei gestörter Beziehung zur Herkunftsfamilie und eine sorgsame Kontaktpflege unter Berücksichtigung der Vulnerabilität (Verletzbarkeit) des Kindes, aber auch der Nutzung von Schutzfaktoren. Sie soll erst dann stattfinden, wenn für das Kind von den leiblichen Eltern keine traumatisierende Wirkung mehr und räumliche, emotionale und soziale Sicherheit zu erwarten ist, sich also eine sichere Bindung zu den leiblichen Eltern zu entwickeln begonnen hat. Gegebenenfalls muss eine Rückführung zur Unzeit durch die Veranlassung einer Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Absatz 4 BGB verhindert werden.

In diesen Entscheidungsprozess sollen Sachverständige einbezogen werden. Die Beratungs- und Hilfemaßnahmen sind deshalb daran zu orientieren, dass das Kind im Rückführungszeitpunkt (wieder) eine gesicherte Beziehung zur Herkunftsfamilie besitzt. Anzustreben ist eine den Kindesinteressen gerecht werdende Kontaktpflege zu beiden Kernfamilien. Gleichzeitig darf keine erhebliche Störung der gewachsenen Bindung zur Pflegefamilie mehr zu befürchten sein.

Dies sicherzustellen ist Aufgabe aller damit befassten Fachkräfte.

 

* unter freundlicher Mitwirkung von

Dipl.Psych. Carola Partale Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie

Dipl.Psych. Wilfried Griebel Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) München

Dr. Karl-Heinz Brisch Ludwig-Maximilians-Universität München, Haunersche Kinderklinik

 

Stand Januar 2007

 

 


 

 

 

2006: Für 10 200 Kinder beginnt Vollzeitbetreuung in Pflegefamilien

Wiesbaden, 31.08.2007

Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes hat im Jahr 2006 für 10 200 Kinder und Jugendliche die Vollzeitbetreuung in einer Pflegefamilie begonnen, das waren knapp 1% weniger als im Vorjahr.

Die Vollzeitpflege, eine Maßnahme der erzieherischen Hilfe außerhalb des Elternhauses, umfasst die Unterbringung des Kindes beziehungsweise des jungen Erwachsenen in einer Pflegefamilie oder die Unterbringung bei Großeltern oder sonstigen Verwandten.

2006 wurden 85% der jungen Menschen in Pflegefamilien untergebracht. Der Anteil der betreuten Mädchen und Jungen war nahezu gleich. 2 700 Kinder (27%) waren jünger als 3 Jahre. 8 000 (78%) der Kinder beziehungsweise Jugendlichen hatten vor Beginn der Vollzeitpflege bereits eine andere erzieherische Hilfe erhalten, 4 000 (39%) lebten zuvor bei einem allein erziehenden Elternteil. In 2 250 Fällen (22%) erfolgte die Unterbringung des Kindes oder Jugendlichen mit Entscheidung eines Familienrichters, dies bedeutet, dass das Wohl des Kindes oder Jugendlichen in der Herkunftsfamilie beziehungsweise der vorherigen Unterbringungsform gefährdet war.

Alle Ergebnisse sind abrufbar in unserem Publikationsservice des Statistischen Bundesamtes unter www.destatis.de/publikationen, Suchbegriff: "Vollzeitpflege".

Weitere Auskünfte gibt:

Zweigstelle Bonn,

Dorothee von Wahl,

Telefon: (01888) 644-8167,

E-Mail: jugendhilfe@destatis.de

 

 

Weitere Meldungen von Statistisches Bundesamt (DESTATIS)

 

 


 

 

PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V.

Heinrich-Hoffmann-Str. 3

60528 Frankfurt/Main

Tel 069 - 6706 285

Fax 069 - 6706 288

E-Mail: pfad-bv@t-online.de

www.pfad-bv.de

 

 

 

"Pfad"

Zeitschrift zum Thema Pflege- und Adoptionsfamilien ...

Herausgeber: PFAD-Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien

 

 

 

 


 

 

 

Pankower Pflegekinderdienst neu im Internet

Jugendamt wirbt um Pflegeeltern

Die Nachrichten über Kinder und Jugendliche, die von Ihren Eltern vernachlässigt oder misshandelt werden, finden sich in den Medien einer Großstadt fast täglich. Dabei erschüttert das Leid der Betroffenen gerade jetzt, in der Vorweihnachtszeit. Für viele Kinder und Jugendliche ist eine liebevolles Elternhaus nur Wunschvorstellung weil Mutter und/oder Vater mit ihrer Rolle als Eltern überfordert sind. Immer häufiger werden darum auch im Bezirk Pankow liebevolle und verantwortungsbewusste Frauen und Männer als Pflegeeltern gebraucht. Der Pflegekinderdienst des Jugendamtes betreut derzeit ca. 130 Pflegefamilien, weitere Pflegepersonen werden dringend gebraucht. "Oberstes Ziel ist die Verbesserung der Situation in der Herkunftsfamilie, zu der das Kind im Idealfall wieder zurück kann. Darum suchen wir die Pflegepersonen ganz gezielt für das jeweilige Kind aus und nicht umgekehrt" erläutert Karin Ervens, Leiterin des Pankower Pflegekinderdienstes. Das intensive Auswahlverfahren mit Gesprächen, Infoabenden, Seminaren und Hausbesuchen kann so einige Monate in Anspruch nehmen. Für Jugendstadträtin Christine Keil (Die Linke.PDS) steht die Qualität an erster Stelle: "Das Zusammenleben mit einem Pflegekind ist eine schöne, interessante, aber auch herausfordernde Aufgabe, auf die wir intensiv und umfassend vorbereiten müssen. Wir haben uns darum entschlossen, alle wesentlichen Daten auf einer Internetseite zu veröffentlichen, um einerseits Interesse zu wecken, aber auch um alle Informationen einfach zugänglich zu machen." Dazu gehören insbesondere Erfahrungsberichte, Kontakte, Rechtsgrundlagen, Literaturhinweise und Unterstützungsangebote. Interessenten können so z. B. anonym und nur für sich anhand eines Leitfadens überprüfen, ob sie die Kriterien der Eignung als Erziehungsperson erfüllen, bevor sie Kontakt zur Behörde aufnehmen. Auch der Umfang und Inhalt einer Weiterbildung, die "werdende Pflegeeltern" kostenfrei absolvieren sollten, kann auf den Seiten nachvollzogen werden. Alle Informationen ab sofort im Netz unter www.berlin.de/pankow

08.12.2006

 

 

 


zurück