Professionellenkritik
Psychologische Gutachter / Gutachterinnen / Sachverständige
Um es vorwegzunehmen, es gibt wirklich sehr gute Gutachter. Die haben ihren Namen sozusagen verdient. Dann gibt es auch sehr schlechte Gutachter, die sollten sich lieber "Schlechtachter" nennen, dann weiß man wenigstens gleich woran man ist.
Gutachter/innen scheint mitunter eine fast überirdische Aura anzuhaften. Wenn Sie so eine/n vor sich haben, dann haben Sie möglicherweise schon verloren. Oder Sie sind ein zäher Mensch irgendwann hat der Gutachter gegen sie verloren. Oder sie lehnen den Gutachter gleich beim Gericht ab, ehe er noch Unheil stiften kann.
In der Regel wird ein Familienrichter von dem zu bestellenden Gutachtern eine abgeschlossenes Psychologiestudium abverlangen. Das war es dann aber schon. Eine Charakterprüfung des zu bestellenden Gutachters oder sonstige ihn qualifizierende oder disqualifizierende Eigenschaften findet nicht statt. Wer sollte das auch vornehmen, da bräuchte man ja wieder einen Gutachter zu. So kann es schon mal passieren, dass ein narzisstisch gestörter oder zwanghafter Mann jahrelang Gutachten für ein Gericht erstellt. Der Fall des Hochstaplers Gert Postel www.gert-postel.de, der in Flensburg jahrelang als falscher Amtsarzt praktiziert hat, ist ein schönes Beispiel dafür. Dem Mann kann man gar nicht genug dafür danken, dass er die die Welt des schönen Scheins, der Eitelkeiten und der weißen Kittel ins Gerede gebracht hat.
Dass möglicherweise auch Menschen mit sadistischen oder pädophilen Neigungen als Gutachter für Gerichte tätig sind, wer wollte seine Hand dafür ins Feuer legen, dass es dies nicht gibt? In anderen Bereichen, in denen professionell tätige Erwachsene mit Kindern Kontakt haben können (z.B. Jugendfreizeitstätten, Kindergärten oder Kinderheimen) sind solche Probleme mittlerweile bekannt und man wundert sich heute kaum noch über Zeitungsmeldungen, in denen von sexualisierten Übergriffen von pädagogischen Personal auf die ihnen anvertrauten Jungen und Mädchen die Rede ist.
Und das manche Gutacher Zyniker sind, wen stört es? Letztlich doch nur den, über den der Gutachter ein Gutachtern schreibt. Und dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen - sagt der Gutachter, Hauptsache der Blödheini bezahlt die Rechung über 4000 Euro.
Wohl nur in wenigen anderen Bereichen wird so gerne Ratlosigkeit als "wissenschaftliche Objektivität" verkauft, wie einigen für Familiengerichte tätigen Gutachtern. Und da die Richter/inn meist nicht viel von Psychologie, geschweige denn von Familiendynamik versteht (der Richter ist froh, wenn er in seiner eigenen Ehe halbwegs ohne Blessuren über die Runden kommt), kann ihn der Gutachter so ziemlich alles anbieten, was halbwegs wissenschaftlich klingt. Da gibt es dann "wissenschaftliche" psychologische Tests, wie z.B. den "Freiburger Persönlichkeitsinventar", den "Giessen-Test" oder den "Minnesota Mulitphasic Personality Inventory (MMPI)". Oder auch die "Selektive entwicklungsphysiologische und -psychologische Tabellen von Kiese". Um so mehr das ganze fachchinesisch klingt, um so beeindruckender wirkt es bei den betroffenen Eltern und den Richtern. Der Hochstapler Gerd Postel lässt grüßen. Die meisten, Richter, wie auch Eltern fallen auf den ganzen psychologisch verbrämten Budenzauber rein. Das ganze ähnelt dann der Geschichte von "Des Kaisers neue Kleider". Teuer sind die Gutachten ausserdem und wenn etwas teuer ist, dann muss es doch auch gut sein - oder?
Kennen Sie übrigens den "Infertility Outpour Equal Inventory-Test"? Noch nie davon gehört? Da haben sie ausnahmsweise mal recht, den Namen haben wir uns gerade ausgedacht. Klingt doch aber echt wissenschaftlich.
Ein wirklich schlechter Gutachter beantwortet dem Richter möglichst eine Frage, die dieser gar nicht gestellt hat. Und so mancher Gutachter dürfte einem Arzt ähneln, zu dem man wegen einer Schnittwunde an der Hand kommt und dessen Praxis man mit einem amputierten Fuß verläßt.
Diskussionsforum zum Thema Gutachten und Gutachter unter:
"Entscheidungsorientierte psychologische Gutachten für das Familiengericht"
Karl Westhoff, Patricia TErlinden-Arzt & Antje Klüber
2000
149 Seiten
Dass auch sehr bekannte ExpertInnen nicht davor gefeit sind, gravierende Fehler zu begehen, zeigen die AutorInnen auf S. 86:
"1. Fragestellung des Familiengerichtes
In der Familiensache betreffend das Kind ... soll zur Vorbereitung einer Entscheidung ein familienpsychologisches Gutachten eingeholt werden ... Ausgangspunkt ist der Antrag des leiblichen Vaters ... auf Umgangsregelung...."
Ende des Zitats. An keiner Stelle taucht eine gerichtliche Fragestellung auf. Auf Seite 87 findet sich dann folgendes paradoxe Zitat: "Aus dieser Fragestellung des Gerichts wurden die folgenden psychologischen Fragestellungen abgeleitet. ..."
Es erstaunt, wie die Gutachter aus einer nicht vorhandenen Fragestellung des Gerichtes eine vorhandene herbeizaubern. Bei einem Berufsanfänger wäre das vielleicht noch zu verkraften, nicht aber Gutachtern, die in der deutschen Gutachterlandschaft eine führende Stellung einnehmen.
Anton, 3.9.01
TV-TIP zum Gutachter-(Un)wesen
10.4.2001 - 21:50 h - ARD PlusMinus
Beleuchtet wird unter anderem die GWG - Gesellschaft für wissenschaftliche Gutachten - bundesländerübergreifende Gutachter"fabrik" mit Schwerpunkt Familienrecht
Leiter der GWG durch Dr. (Univ. Prag) Michael Stadler, Dr. (Univ. Prag) Joseph Salzgeber, Dipl.-Psychologen, München.
In der Sendung kommen Jörg-Uwe Jopt, Wolfgang Klenner und Werner Leitner mit kritischen Äußerungen zu Wort.
"Zur Mängelerkennung in familienpsychologischen Gutachten
Dr. phil. Werner G. Leitner; Approbierter Psychologischer Psychotherapeut, Markusplatz 14, 96047 Bamberg)
Vorbemerkungen
Psychologische Gutachten im Auftrag des Familiengerichts sind sehr häufig Anlass für Klagen betroffener Elternteile. Zum einen wird über die hohen Kosten geklagt, die für ein solches Gutachten zu tragen sind. Diese Kosten bewegen sich häufig zwischen 5000 und 10000 DM.
Geklagt wird häufig aber vor allem über die Qualität, die den Kosten - vielen Klagen zufolge - vielfach auch nicht angemessen erscheint. Gutachter sind in den allermeisten Fällen Diplom-Psychologen. Nur in einer verschwindend geringen Anzahl werden Diplom-Pädagogen als Sachverständige bestellt. Weniger häufig sind auch psychiatrische Gutachten.
Viele solcher Klagen waren Anlaß für die nachfolgende Studie. Es wurden dabei insgesamt 52 familienpsychologische Gutachten untersucht. Nachdem die Gutachten vor Inkrafttreten des neuen Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) vom 16.6.1998 erstellt worden sind, konnte nicht ermittelt werden, welche der betreffenden Diplom-Psychologen auch die Voraussetzungen für eine Approbation erfüllen oder eine Approbation haben. Nach dem neuen Psychotherapeutengesetz können Absolventen mit universitärem Abschluss der Psychologie eine psychologisch-psychotherapeutische Approbation erwerben. Nur sie führen die den approbierten Psychologen vorbehaltene und geschützte Berufsbezeichnung "Psychologischer Psychotherapeut". Die Erteilung der Approbation setzt über das abgeschlossene universitäre Studium der Psychologie hinausgehende Qualifikationen voraus. Hierüber sind gegenüber der Approbationsbehörde entsprechende Nachweise (u. a. Fachkundenachweis) zu erbringen.
Der Verfasser dieses Beitrages ist approbierter Psychologischer Psychotherapeut. Ziel der Untersuchung war es, anhand der vorliegenden Stichprobe herauszufinden, welches Defizit solche Gutachten in der Regel am häufigsten aufweisen und so beteiligten Personen und Institutionen auch außerhalb des psychosozialen Bereiches — insbesondere im Bereich der Rechtsprechung - ein praktikables Instrumentarium an die Hand zu geben, das es ihnen ermöglicht, auch in einem für sie fachfremden und mitunter auch undurchsichtig erscheinenden Bereich. die Qualität und damit die Aussagegültigkeit solcher Gutachten zu beurteilen und ggfs. gegen unzureichende und angesichts ihrer Qualität überteuerte Gutachten vorzugehen.
Die Brisanz dieser Thematik und die Notwendigkeit eines solchen Instrumentariums wurde dem Verfasser und Teilnehmern verschiedener Arbeitskreise nicht zuletzt durch den regen Austausch zwischen Familienrichtern, Rechtsanwälten und Vertretern psychosozialer Berufe beim 13. Deutschen Familiengerichtstag 1999 in Brühl deutlich.
Ergänzend zur vorliegenden Studie sei auf die empirischen Untersuchungen psychologischer Gutachten für das FamG von Klüber (1998) und Terlinden-Arzt (1998) sowie auf einen Beitrag von Westhof/ (1998) mit dem Titel, "Möglichkeiten zur Verbesserung psychologischer Gutachten im Familienrecht" im Tagungsband "Psychologie im Familienrecht" der Evangelischen Akademie Bad Boll verwiesen. Hier finden sich auch weiterführende Ergebnisse über die Stichprobe und differenzierte Auswertungsaspekte in einem Beitrag des Verfassers, die den Rahmen des hier vorliegenden und pragmatisch orientierten Beitrages sprengen würden. ..."
ausführlich in: "Familie und Recht" (FuR), 2/2000, S. 57-63
"Im Namen des Kindes. Plädoyer für die Abschaffung des alleinigen Sorgerechts"
Uwe Jopt;
Rasch und Röhring 1992
Uwe-Jörg Jopt hat zum Thema Sorgerecht, Familiengerichte und Gutachter ein immer noch sehr zu empfehlendes, inzwischen schon als Klassiker zu bezeichnendes Buch geschrieben. In diesem geht er mit der vor 1998 herrschenden familiengerichtlichen Praxis zur Auswahl des "besseren Elternteils" - auch mit der fixen Idee, durch diagnostische Test den "besseren Elternteil" herauszufinden und zu küren - hart aber zutreffend ins Gericht. Ein Klassiker zum Thema Gemeinsame elterliche Sorge und "Gutachterunwesen". Leider auch heute noch nicht veraltet.
Rechtsgutachten zu Einstellung von psychologischen Gutachten ins Internet
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) hat derzeit eine Rechtsgutachten bei einem auf Medienrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Auftrag gegeben, dass datenschutzrechtliche, urheberrechtliche und strafrechtliche Aspekte der Einstellung von psychologischen Gutachten ins Internet klären soll.
Siehe dazu: "report psychologie", Fachzeitschrift des BDP, 3/2001
Dabei kann bedauerlicherweise nicht ausgeschlossen werden, dass der BDP neben dem Aspekt schützenswerter Grundrechte von Betroffenen auch das Ziel verfolgt, Kritiker und Kritikerinnen mangelhafter Gutachtertätigkeit mundtot zu machen und somit das grundgesetzlich geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung ausgehebelt werden soll. Eine solche Jacke sollte sich der BDP besser nicht anziehen, denn wie man weiß, ist der Ruf erst ruiniert, lebt`s sich gänzlich ungeniert.
Dass es auch anders geht, zeigt der Verband PRO FAMILIA, der innerhalb des Verbandes eine eigene Schiedsstelle zur Qualitätssicherung eingerichtet hat. So etwas wäre auch dem BDP zu wünschen, anstatt sich nur darauf zu beschränken, wie Kritik mundtot gemacht werden kann.
"Gut"-achter in Sachen Sorgerecht
WDR-Sendung am 4. Februar 1998
Wenn Eltern sich scheiden lassen, kommt es ohne Anwälte und Richter eher selten zu einer einvernehmlichen Entscheidung darüber, ob das gemeinsame Kind in Zukunft bei Mutter oder Vater leben und wie der Kontakt zum anderen Elternteil aussehen soll. Dann muß der Familienrichter oder die Familienrichterin die Sorgerechtsentscheidung treffen. Grundlage hierfür ist zum einen die Stellungnahme des Jugendamtes. Hält der Richter diese Stellungnahme nicht für ausreichend - und da die Jugendämter überlastet sind, ist dies oft der Fall - beauftragt er einen psychologischen Gutachter mit der Erstellung eines weiteren Sorgerechtsgutachten. Der Psychologe oder die Psychologin soll herausfinden, bei wem das Kind nach der Trennung der Eltern am besten aufgehoben ist. In 90 % aller Fälle folgen die Richter dann auch den Empfehlungen der Gutachter. Die Sachverständigen stellen somit die Weichen für die weitere Zukunft von Kind, Mutter und Vater.
Doch die Art der „fachliche Begutachtung“ der Familienverhältnisse ist zum Teil völlig ungenügend und dementsprechend für die Betroffenen oft folgenschwer. Darauf verweisen immer wieder Rechtsanwälte, die bei Scheidungsfällen die streitenden Parteien vertreten. Zwei Diplom-Psychologinnen haben das jetzt eindrucksvoll auch mit Fakten belegt. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersuchten sie Familienrechts-Gutachten daraufhin, ob die wissenschaftlichen Mindeststandards von den Sachverständigen erfüllt wurden.
245 Gutachten wurden analysiert, das Ergebnis:
in 2/3 der Gutachten war nicht ersichtlich, welche psychologischen Fragen eigentlich beantwortet werden sollten bei der Hälfte war nicht zu erkennen, was Aussagen der Beteiligten und was die Meinung des Gutachters war in 54 Fällen wurde nicht die Beziehung des Kindes zu den Eltern, sondern ohne Not und ohne Aussagewert die Persönlichkeit der Eltern getestet.
Fazit: Ein Großteil der Sorgerechtsgutachten ist unzureichend.
Der Familienrichter entscheidet darüber, wer als Sachverständiger eingesetzt wird und ob ein Gutachten auch akzeptiert wird. Doch kann ein Richter tatsächlich die Qualität eines psychologischen Gutachtens beurteilen? Schließlich ist der Psychologe der Experte, nicht der Richter. Gutachten müssen Sie als Eltern nicht kritiklos hinnehmen, im Gegenteil. Wenn Eltern mit Gutachter oder einer bestimmten Verfahrensweise nicht einverstanden sind, haben sie das Recht, Gutachter und Gutachten abzulehnen, ohne negative Konsequenzen zu befürchten.
Nähere Auskünfte über die wissenschaftlichen Studien zu den Sorgerechtsgutachten erteilen Ihnen:
Prof. Dr. Karl Westhoff
Technische Universität Dresden
Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften
Institut für Psychologie II
Zellischer Weg 17
01 069 Dresden
Tel. 03 51/4 63 31 49
Dr. Marie-Luise Kluck
Sanddornweg 50
45 481 Mühlheim/Ruhr
Tel. 02 08/48 09 16
Dipl-Psych. Terlinden-Arzt
Niederbardenberger Str. 16
52 146 Würselen
Tel. 0 24 05/8 15 74
Dipl.-Psych. Antje Klüber
Düsternweg 12
45 721 Haltern
Tel. 0 23 64/6 96 93
"Familiendiagnostik im Sorgerechtsstreit: eine Untersuchung zur Objektivierung abweichenden Verhaltens in zerstrittenen Familien."
Michael Büttner in: "Psychologische Rundschau", 1988, 39, S.13-26
Der Autor ist Diplom-Psychologe und arbeitet dem Vernehmen nach nebenberuflich als Gutachter für Familiengerichte in Schleswig-Holstein.
Unser erster Eindruck vom Aufsatz, wer diesen nicht gelesen hat, hat nichts versäumt. Im Gegenteil. Schon der Titel macht stutzig. Was heißt "abweichend"? Jeder der mit Trennungsfamilien zu tun hat, weiß, dass diese sich in der Regel in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden und von daher immer zu erwarten ist, dass sie "abweichendes" Verhalten zeigen.
Büttner meint, durch "objektivierbare" Testverfahren relevante Aufschlüsse über Eltern und Kinder gewinnen zu können. Wozu dass ganze dienen soll - vermutlich nicht zur Förderung von Konfliktlösungen - wird für uns nicht deutlich, außer dem Gericht eine Entscheidungsvorlage zu liefern, welchem Elternteil nach altem Familienrecht bei der Scheidung das Sorgerecht entzogen werden soll.
BVerfG zur Sachverständigenhaftung
1 BvR 84/74 vom 11.1.1978 veröffentlicht bei BVerfGE 49, 304 - 324.
Das BVerfG hat den BGH eine Korrektur unterzogen. Sachverständige haften für ihre Handlungen. Es können auch zivile Schadensersatzansprüche und Klagen gegen sie geführt werden.