Ronja Räubertochter


 

 

 

Ronja Räubertochter

von Astrid Lindgren

 

"Und bist du nicht artig, kommst du ins Heim"

Sascha Langenbach

Berliner Kurier, 02.12.2007

 

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

Die gute Nachricht zuerst. Die Erzählung von Sascha Langenbach im Berliner Kurier ist schon etwas differenzierter als die Geschichte, die uns Frank Schauka in der Märkischen Allgemeinen erzählen will. 

Nun die schlechte Nachricht für alle Trennungsväter. Herr Sascha Langenbach erklärt allen ernstes, dass der Vater "jetzt das völlig unerwartete täte und auf sein Recht verzichtet". Die Mutter - so Herr Langenbach solle auch einen Schritt zurück wagen, nur leider teilt er im Gegensatz nicht mit, was denn der Schritt der Mutter sein solle. Vielleicht solle sie dem Vater verzeihen, dass er überhaupt auf der Welt ist, denn wir ja wissen "Männer sind Schweine" und Frauen Friedensengel.

Dass dann noch Herr Ludwig Salgo - die Mutter Theresa von Frankfurt am Main - im Berliner Kurier ihren Kommentar abgeben darf, macht die Lektüre vollends zum vorweihnachtlichen Leckerbissen.

In diesem Sinne Gute Nacht!

 

 

 


 

 

Seifenoper in der Märkischen Allgemeinen

 

"Nur eine kleine Entfernung

 

Wie ein Mädchen, das zur Mutter wollte, gegen ihren Willen zum Vater kam

FRANK SCHAUKA

 

 

POTSDAM Was wird denn passieren, Ronja, wenn ich entscheide, dass du zum

Papa gehen sollst? Der Richter des Familiensenats des Brandenburgischen

Oberlandeslandesgerichts fragte, wie ein Teilnehmer der Verhandlung im

August sich erinnert, das Mädchen "sehr mitfühlend". Ich werde weglaufen,

antwortete die Zehnjährige. Wohin? Zur Mama. Und wenn ich für die Mama

entscheide, wollte der Richter da wissen. Dann freue sie sich, sagte Ronja

und strahlte. Ich werde mich bemühen, für dich die richtige Entscheidung zu

treffen, erklärte darauf der Richter in dem Streit um das Sorgerecht, das

Ronjas Vater, Peter B., für sich allein beansprucht hatte.

 

Die "richtige Entscheidung" erlebte Ronja knapp sechs Wochen später im

Klassenraum ihrer Grundschule in einem Brandenburger Dorf am Südostrand von

Berlin. Es war der Dienstag vor den Herbstferien, der 9. Oktober. Eine

Freundin, die auf dem Flur nach der Klassenlehrerin der 5c Ausschau hielt,

rief Ronja plötzlich zu: Da kommt dein Vater! Ronja wollte sich noch hinter

dem Schrank verstecken. Doch die Schulleiterin, die den Vater begleitet

hatte, holte sie hervor. Warum sie mitkommen solle? fragte Ronja. "Das wirst

du gleich sehen", sagte die Direktorin, schob das Mädchen vor sich her und

drängte es gegen seinen Willen, wie Mitschüler berichten, zur Klassentür

hinaus. Dort ergriff der Vater die Tochter, hob sie auf den Arm, verließ das

Schulgebäude und fuhr fort mit ihr. Im Klassenraum zurück blieben Ronjas

Schuhe, ihre Zahnspange, ihr Ranzen. Es sei ein ganz normales Abholen durch

den Vater gewesen, habe die Schulleiterin ihr gesagt, berichtet Ronjas

Mutter, Anka B.

 

Die 40-Jährige sitzt am Küchentisch. Das Telefon ist immer griffbereit. "Ich

weiß bis heute nicht, wo Ronja ist", sagt sie. Seit zehn Tagen fehlt jeder

Kontakt. Die Polizei hat die Fahndung nach wenigen Tagen eingestellt. Es

gebe keine Hinweise, dass das Kind in Gefahr sei, heißt es. Strafrechtlich

ist dem Vater nichts vorzuwerfen. Er hat das alleinige Sorgerecht für sich

erklagt. Er ist im Recht – das heißt im Besitz des Beschlusses des

Familiensenats des Oberlandesgerichts.

 

Das räumt auch Psychologin Beate Redeker ein – wenngleich verständnislos.

Ronja wurde "quasi juristisch erlaubt ,entführt’", sagt die

Verfahrenspflegerin, die Ronjas Interessen vor Gericht vertritt. "Wenn man

nach der Menschlichkeit handelte, würde man anders entscheiden. Es ist

unglaublich, wie mit Ronja verfahren wurde. Das Selbstbestimmungsrecht eines

Kindes wurde mit Füßen getreten."

 

Die drei Senatsrichter und die beiden Männer, die das Mädchen psychiatrisch

begutachtet hatten, hatten offenkundig andere Wahrnehmungen. Das Protokoll

der Gerichtsverhandlung beschreibt folgende Situation: "Ronja machte einen

sichtlich angespannten Eindruck. Wenn das Gespräch auf den Vater kam,

wiederholte sich das aus den Akten bereits bekannte Verhaltensmuster, das

heißt, Ronja schwieg und wich diesen Fragen aus." Dann wurde der Vater

hereingebeten. Peter B. gab "dem Kind gegenüber Erklärungen" ab. Darauf

"wandte sich Ronja ab und reagierte nicht auf diese Anfrage; sie begann

still zu weinen".

 

Anschließend verließ der Vater, wenig später Ronja den Raum. Zurück blieben

die Sachverständigen, die folgendes kundtaten: "Es sei erkennbar geworden

(das Weinen von Ronja zeige dies ausdrücklich), dass eine emotionale

Beziehung zwischen Vater und Tochter bestehe. Eine besondere Belastung, die

die Begegnung zwischen Vater und Tochter als bedenklich erscheinen lasse,

sei für sie nicht erkennbar geworden."

 

Die Richter des Familiensenats setzten schließlich den Beschluss des

Amtsgerichts Königs Wusterhausen außer Kraft. Noch im Mai 2007 hatte eine

Amtsrichterin Anka B. das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter zuerkannt.

Nun befanden die Oberrichter, "dass die Übertragung des Sorgerechts auf den

Vater Ronjas Wohl am besten entspricht". Dabei, so der Senat, sei er sich

"bewusst", dass diese Entscheidung "mit einem Umzug von Ronja heraus aus

ihrer gewohnten Umgebung in den Haushalt des Vaters verbunden ist und damit

naturgemäß zu Belastungen führt. Die Kontinuität ihrer bisherigen

Entwicklung erleidet also einen ,Bruch’." Allerdings müsse dieser Bruch

"hingenommen werden", so der Familiensenat.

 

 

Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt

 

Die Schülerinnen und Schüler der 5c, die nach dem "normalen Abholen"

weinten, vermissen Ronja offensichtlich. Nachdem sich die Kinder ein wenig

von dem Schock erholt hatten, ließ die Klassenlehrerin zwei Tage später die

Kinder Briefe an Ronja schreiben, die sie irgendwann erhalten sollte. Paula

und Hannah: "Alle sind traurig, weil wir uns so gerne wünschen, dass du

wieder in die Schule kommst." Ein anderer Brief: "Wir geben uns Mühe, dass

du wieder in unsere Klasse kommst." Maximilian ("Schade, dass du nicht mehr

da bist") zitiert für Ronja ein Gedicht: "Ich liebe dich, mich reizt deine

schöne Gestalt, und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt. Mein Vater,

mein Vater jetzt fasst er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan! Dem

Vater grauselt’s, er reitet geschwind. Er hält in den Armen das ächzende

Kind, erreicht den Hof mit Mühe und Not; in seinen Armen das Kind war tot."

 

Auch ein Sorgerechtsinhaber dürfe "sich nicht seines Kindes gewaltsam

bemächtigen, es isolieren, in seiner Freiheit beschränken und jeden Kontakt

mit der Mutter, mit der Bindungsperson verhindern", erklärt Karin Mühlich,

Ronjas zweite Verfahrenspflegerin. Das Kind werde sich wehren. "Zudem

besteht die Gefahr, dass sie die nächste Fluchtmöglichkeit nutzt und sich an

Leib und Leben gefährdet. Das ist neben der seelischen Misshandlung eine

körperliche Gefährdung!"

 

Der Senat hat, um diese Gefahr zu mindern – Herr und Frau B. wohnen nur zwei

Kilometer entfernt –, folgendes verfügt: Es dürfte "geboten sein, in den

ersten Wochen nach dem Wechsel zum Vater keinen Umgang mit der Mutter

stattfinden zu lassen". So sei "dem Kind das Sich-Einleben in den Haushalt

des Vaters und die Bewältigung des Loyalitätskonfliktes zu erleichtern".

 

Ronja hatte nie Zweifel aufkommen lassen, dass sie zur Mutter hält. Seitdem

sich die Eltern Ende 2004 auseinandergelebt hatten, kam es immer wieder vor,

dass sie die ihr von Ämtern vorgeschriebenen Besuche beim Vater widerwillig

wahrnahm. Die Mutter protokollierte aus einem 30minütigen Gespräch Ronjas

mit einer Mitarbeiterin des Jugendamts: "Warum muss ich denn zu ihm?

Antwort: Weil es ein Gesetz gibt! Was passiert, wenn ich nicht gehe? Dann

muss ich eine neue Familie für dich suchen, das will ich doch nicht, also

überleg es dir noch einmal!" Anka B. erzählte einmal: "Wenn das Wochenende

mit dem Vater naht, heult Ronja, sie bekommt Durchfall, isst nicht, sie

zieht sich nicht an. Einmal schrie sie mich an: Warum muss ich da hin, warum

nicht du? Du hast den schließlich geheiratet."

 

Am 6. November 2006 kam es zum Eklat: Der Vater holte Ronja vom

Klavierunterricht ab. Doch da sie ihm nicht folgen mochte, hockte sie sich

in Blockadehaltung auf den Boden. Deshalb trug Peter B. die Tochter zum

Auto. "Sie schlug und trat um sich, wollte wieder aus dem Auto aussteigen",

beschreibt die Rechtsanwältin des Vaters die Situation. Um dies zu

verhindern, musste sich B.s neue Partnerin "neben Ronja auf die Rückbank

setzen".

 

 

Amtsgericht erteilte der Mutter das Sorgerecht

 

Ronjas Klavierlehrerin beobachtete das Geschehen vom Fenster aus. Wenige

Stunden später erstattete Anka B. Anzeige bei der Polizei gegen den Vater

wegen Kindeswohlgefährdung. Am nächsten Tag war Ronja wieder bei der Mutter.

Etwa in dieser Zeit schrieb Ronja einer Mitschülerin ins Freundebuch: "Mein

allergrößter Wunsch: das ich nicht mehr zu Peter muß." Zu Peter – ihrem

Vater.

 

Wie real Ronjas Weigerung, den Vater zu besuchen, war, dokumentiert der

Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom Mai 2007: "Die Haltung

des Kindes ist derart verfestigt, dass es auch dem –fachlich geschulten –

Ergänzungspfleger nicht gelungen ist, den Umgang (mit dem Vater, Anm. d.

Red.) stattfinden zu lassen. Der Ergänzungspfleger teilte zuletzt mit, dass

er hätte Gewalt anwenden müssen, um den Umgang durchzusetzen." Doch darauf

sei verzichtet worden, weil dies "nicht dem Wohl des Kindes dienlich"

gewesen wäre.

 

Die Richterin entschied, allein der Mutter das Sorgerecht zuzuerkennen –

auch wenn Ronjas Ablehnung des Vaters, zumindest unbewusst, durch die

negative Haltung der Mutter gegenüber ihrem Ex-Partner beeinflusst sei. Doch

eine Trennung von der Mutter, so die Amtsrichterin, würde dem Kind

vermitteln, "dass sein, wie es meint, tatsächlicher Wunsch keine Rolle

spielt und es dafür, dass es diesen geäußert hat, bestraft wird." Zudem sei

"nicht davon auszugehen, dass Ronja ohne die Beeinflussung den Wunsch hätte,

beim Vater zu leben". Dabei ist Ronja alles andere als geistig stumpf. "Sie

ist sehr intelligent und weiß, was sie will", sagt Verfahrenspflegerin

Mühlich. Entsprechend sind Ronjas Schulnoten. Ihre Hobbys sind segeln, lesen

und Klavier. Später will sie "irgend etwas mit Kunst" machen.

 

Dass Peter B. mit seinem Widerspruch gegen den Amtsgerichtsbeschluss

letztlich Erfolg vor dem Familiensenat des Oberlandesgerichts hatte, hat

wesentlich, auch wenn es paradox klingt, mit der hartnäckigen Weigerung

seiner Tochter zu tun, beim ihm zu leben. Hätte Ronja einen weniger starken

Ablehnungswillen gehabt – den sogar der professionelle Ergänzungspfleger nur

mit Gewalt hätte brechen können –, hätte der Familiensenat der Mutter das

Sorgerecht nicht mit folgender Argumentation aberkennen können: Dass Anka B.

erziehungsunfähig ist, zeige sich darin, dass es ihr nicht gelinge, ihre

Tochter auch gegen deren Willen für Besuche beim Vater zu motivieren.

Dagegen sei Peter B.s "Fähigkeit zur Ausübung der elterlichen Sorge nur ,im

üblichen Ausmaß’ der Normalbevölkerung eingeschränkt". Nach der Logik des

Familiensenats ist der Vater deutlich erziehungsfähiger. Der Beweis: Lebt

das Kind beim Vater, den es ablehnt, wird er es wahrscheinlich relativ

problemlos für Besuche bei der Mutter begeistern können.

 

Der Familiensenat ist dem Bundesverfassungsgericht schon einmal mit einer

sehr pointierten Entscheidung aufgefallen. Vor wenigen Jahren erkannten die

Richter aus Brandenburg einem Ehemann, der seine Frau misshandelt und

versucht hatte, sie zu vergewaltigen, das gemeinsame Sorgerecht für ein Kind

zu. Auch in dem Fall stellte der Familiensenat die Erziehungsfähigkeit der

Frau in Frage. Die Verfassungsrichter reagierten mit Unverständnis: "Nicht

nachvollziehbar ist zudem die Erwägung des Senats, dass die

Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführerin (der Frau, Anm. d. Red.) in Frage

gestellt wäre, sollte sie aufgrund der Misshandlungen ihre Fähigkeit, mit

dem Antragsteller (dem Ex-Partner, Anm. d. Red.) zu kommunizieren, eingebüßt

haben." Letztlich hoben die Karlsruher Richter die Entscheidung des

Familiensenats mit dem Hinweis auf, dass deren Entscheidung auf einem

Grundgesetzverstoß beruhe.

 

Anka B.s Rechtsanwalt hat in dieser Woche ebenfalls Verfassungsbeschwerde

eingelegt. Sollte sie – vielleicht in einigen Monaten – erfolgreich sein,

zahlt die Staatskasse das Verfahren. Falls jedoch Anka B. in Karlsruhe

unterliegt, ist sie finanziell ruiniert. Schon jetzt haben die

Streitigkeiten um ihre Tochter Ronja etwa 30 000 Euro gekostet."

 

 

http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11046385/62249/

 

Märkische Allgemeine 20.10.2007

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

Da können einem schon die Tränen kommen, wenn man den Aufsatz von Herrn Schauka in der "Märkischen Allgemeinen" liest und alles für bare Münze nimmt, was der Autor da den Lesern und Leserinnen verklickern will.

Mal ganz abgesehen davon, dass er schlecht recherchiert hat, den die Verfahrenspflegerin Beate Redeker ist keine Psychologin, aber möglicherweise denkt Herr Schauka, man müsse wenigstens Psychologe sein, damit die Leser glauben, es wäre genau so. wie von dieser Person gesagt.

Unsinnig ist die Behauptung, die Mutter könnte durch eine Verfassungsbeschwerde verarmen. Zum einen nimmt das Bundesverfassungsgericht überhaupt nur cirka 3 Prozent aller eingegangen Verfassungsbeschwerden, die anderen 97 Prozent fliegen ohne weitere Begründung praktisch in den Papierkorb. Was das über das rechtsstaatliche Verständnis der Richter am Bundesverfassungsgericht aussagt, kann sich jeder selbst ausdenken.

Zum anderen bekommt jeder, der sich die relativ niedrig ausfallenden Kosten beim Bundesverfassungsgericht nicht selbst leisten kann, Prozesskostenhilfe. Hat die Mutter dagegen ausreichendes Einkommen, muss sie die Kosten selber tragen. Das gilt aber auch in allen anderen 100.000 Familienrechtsfälle, die jedes Jahr die Gerichte beschäftigen, ohne dass deshalb jemand im Bundesjustizministerium auf die Idee käme, die Verfahren zukünftig generell kostenfrei zu halten.

 

 

 

 

"Die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde. Wie man das Unwahrscheinliche wahrscheinlicher macht."

Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, Richterin am Bundesverfassungsgericht, Zweiter Senat, Professorin für Öffentliches Recht an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld

 in: "Anwaltsblatt",  August/September 2005, S. 509-517

 

“Die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde aus Anwaltssicht. Eine Ergänzung zu Lübbe-Wolff, AnwBl 2005, 509“

Rüdiger Zack in: „Anwaltsblatt 2/2006, S. 95-98

 

 

 

 

 

Die Sicht der Mutter: www.ronjaswille.de

Die Sicht des Vaters:

 

 

 


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