Schmerzensgeld
Schmerzensgeldansprüche nach einer familienrechtlichen Begutachtung im Rahmen eines Kindeswohlgefährdungsverfahrens
Aktenzeichen:
56 O 313/23
Landgericht Stuttgart
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
XXX
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
XXX
gegen
XXX
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigte:
XXX
wegen
Haftung als gerichtlicher Sachverständiger
hat das Landgericht Stuttgart -
56. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht XXX als
Einzelrichter
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2024 für Recht erkannt:
1. Die
Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu
tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags vorläufig
vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 100.000,00 EUR
festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen den Beklagten
Schmerzensgeldansprüche nach einer
familienrechtlichen Begutachtung im Rahmen
eines Kindeswohlgefährdungsverfahrens durch
den Beklagten geltend.
Der
Kläger ist der Vater des am XXX geborenen und am XXX verstorbenen Sohnes XXX
sowie
des am XXX geborenen Sohnes XXX. Der Beklagte ist Facharzt für Kinder-
und
Jugendpsychiatrie, Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie,
Psychoanalytiker und
zertifizierter Kinder- und Jugendpsychiatrischer
Gutachter. Er war ärztlicher Direktor der Klinik
für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Klinikums XXX und wird
regelmäßig
mit gerichtlichen Gutachten in Kindschaftssachen betraut.
Das XXX hatte –
nachdem bereits seit Oktober 2016 bezüglich der Familie des Klägers eine
Familienhilfe bestellt war – am 04.02.2019 das Familiengericht XXX angerufen,
weil es nach
einem vorherigen Gespräch zwischen XXX und der zuständigen
Schulsozialarbeiterin
annahm, dass hinsichtlich der Kinder XXX und XXX
gewichtige Anhaltspunkte für eine
Kindeswohlgefährdung vorlägen. Dies wurde
maßgeblich mit Schlägen, Beleidigungen und
Erniedrigungen von XXX durch die
Eltern, aggressivem Verhalten des Klägers und der
Beobachtung der Schule,
dass XXX eine körperlich schwache Verfassung aufweise,
begründet. Im Rahmen
des familiengerichtlichen Verfahrens wegen Kindeswohlgefährdung
(Az. 11 F
124/19) erließ das Amtsgericht XXX nach Anhörung des Klägers und seiner Ehefrau
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und Mutter der Kinder, Frau XXX, einen Beweisbeschluss
hinsichtlich der Frage, ob die Kinder
des Klägers (auch) unter
Berücksichtigung unter anderem der Erziehungsfähigkeit des Klägers
und seiner
Ehefrau bei einem Verbleib in deren Haushalt gefährdet sind und welche
Maßnahmen ergriffen werden können, um gerade dies zu vermeiden. Als
Sachverständiger
wurde der Beklagte beauftragt.
Der Beklagte schrieb am
XXX (Eingang) an das Amtsgericht: „Ihr Einverständnis und das der
Prozessparteien voraussetzend habe ich Frau XXX mit der Durchführung des
Gutachtens
unter meiner Anleitung und Verantwortung beauftragt“ (Bl. 49 Akte
AG XXX, Az. XXX).
Der Beklagte führte beim Kläger und dessen Ehefrau als
Eltern eine Exploration am
28.05.2019 durch, am 03.07.2019 bei beiden
Kindern. Hieran schloss sich ein vierzehntägiger
Klinikaufenthalt des Sohnes
XXX an. Der Beklagte erstattete am 17.09.2019 ein schriftliches
Gutachten.
Nachdem der Sohn am 28.09.2019 „S-Bahn-Surfen“ war, stellten der Kläger und
seine Ehefrau einen Antrag auf eine geschlossene Unterbringung. Ab dem
31.10.2019 war
XXX in einer Wohngruppe, nachdem die Mutter und Ehefrau des
Klägers zuvor darum gebeten
hatte, die Aufnahme zu beschleunigen.
Am
29.11.2019 fand eine Verhandlung am AG XXX unter Anwesenheit der Parteien statt.
Nach
weiteren Verhandlungen erließ das Amtsgericht XXX am 19.06.2020
verfahrensbeendende
Beschlüsse. Hinsichtlich des Sohnes XXX wurde die Weisung
erteilt, dass die Eltern mit der
Familienhilfe kooperativ zusammenarbeiten
müssen. Hinsichtlich des Sohnes XXX erging der
Beschluss, dass
familiengerichtliche Maßnahmen nicht erforderlich seien.
XXX starb am XXX,
als er von einer S-Bahn überfahren wurde.
Der Kläger behauptet, dass das
Gutachten fehlerhaft sei. Der Beklagte habe die Exploration
auf Dritte
ausgelagert. Zudem genüge das Gutachten nicht der von der Arbeitsgruppe
Familienrechtliche Gutachten erstellten „Mindestanforderungen für die Qualität
von
Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht“ (vgl. Anlage K2, Mitautor
der Beklagte) und
sei insbesondere mangels Literaturzitaten nicht prüffähig
oder wissenschaftlich. Zudem sei der
Beklagte für ein solches Gutachten nicht
hinreichend qualifiziert, insbesondere da ihm eine
rechtspsychologische
Qualifikation fehle. Weiter sei das Gutachten nicht nachvollziehbar
begründet. Schließlich seien die Aussagen des Vaters „allesamt nicht richtig
wiedergegeben“,
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die Adresse der Familie und der Wohnort
der Eltern des Klägers falsch, der Name des Sohnes
XXX falsch geschrieben und
die Kinder fälschlicherweise als Halbgeschwister bezeichnet.
Außerdem habe
der Beklagte als behandelnder Arzt mit XXX gesprochen, um ihn in eine
stationäre Therapie zu locken. Die Diagnose einer unerkannten Schizophrenie sei
dabei
vorsätzlich unterblieben.
Insgesamt habe der Beklagte hinsichtlich
der Fehler im Gutachten vorsätzlich, mindestens
jedoch grob fahrlässig
gehandelt.
Nachdem das Gutachten zum Ergebnis gekommen sei, dass beide Kinder
herauszunehmen
zu seien, hätten der Kläger und seine Ehefrau einer
Herausnahme von XXX zugestimmt, um
eine Herausnahme auch des jüngeren Sohnes
zu verhindern.
XXX habe bereits damals unerkannt an Schizophrenie gelitten.
Diese sei aufgrund der
Herausnahme zu spät erkannt worden, weshalb XXX sich
aufgrund der chronifizierten
Schizophrenie und der „Entwurzelung“ selbst
getötet habe. Der Kläger leide seit Erhalt des
Gutachtens unter
Magengeschwüren und habe sehr unter dem Entzug des Kindes und der
Entfremdung
gelitten. Der Kläger meint, ihm stehe für den Entzug des Sohnes ein
Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 100.000,00 EUR zu. Für den Tod des Sohnes
stehe
ihm ebenfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 EUR zu sowie
für die eigenen
erlittenen Gesundheitsschäden weitere 25.000,00 EUR.
Weiter ist der Kläger der Ansicht, bei der vom Beklagten getroffenen Aussage,
der Kläger sei
nicht in der Lage, die Probleme des Sohnes XXX zu erkennen und
diesen zu fördern, handele
es sich um eine Formalbeleidigung, weshalb ihm
weitere 25.000,00 EUR Schmerzensgeld
zustünden.
Schließlich habe der
Beklagte durch die Weitergabe von medizinischen und nichtöffentlichen
Verhandlungsunterlagen an seine Mitarbeiterin, Frau XXX, gegen seine
Schweigepflicht als
Gutachter verstoßen und sich damit datenschutzrechtlich
schadensersatzpflichtig gemacht.
Dem Kläger stehe diesbezüglich ein
Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 EUR zu.
Der Kläger macht hinsichtlich
sämtlicher Schmerzensgeldanträge jeweils Teilbeträge geltend,
hinsichtlich
des Entzugs des Sohnes XXX 60.000,00 EUR, hinsichtlich des Todes des Sohnes,
der eigenen Gesundheitsschäden, der Aussagen des Gutachtens und der Weitergabe
von
Daten jeweils 10.000,00 EUR.
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Der Kläger
beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu bezahlen ein
Schmerzensgeld, dessen
konkrete Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt
wird nebst Zinsen hieraus in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit nebst
außergerichtlichen
Rechtsverteidigungskosten i.H.v. 2.584,09 EUR nebst Zinsen
hieraus in Höhe
von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Der Beklagte
beantragt:
Klageabweisung.
Der Beklagte behauptet, dass das Gutachten
nicht zu beanstanden, sondern zutreffend sei.
Aufgrund der desolaten
familiären Situation, die im Rahmen der Begutachtung festgestellt
worden sei,
habe der Beklagte ein über das normale Maß hinausgehendes Engagement
bewiesen. Ein weiterer Verbleib des Sohnes XXX hätte eine große Gefahr von
schwerwiegenden emotionalen und kognitiven Entwicklungsbeeinträchtigungen für
XXX, die
bereits damals eingetreten seien, bedeutet. Zwischen dieser
Empfehlung und dem weiteren
Verlauf habe es angesichts der weiteren
Entwicklung auch keinen kausalen Zusammenhang
gegeben. Im Übrigen hätte der
Kläger – um überhaupt in einem Folgeprozess Ansprüche
geltend zu machen –
zunächst gegen etwaige Entscheidungen des Amtsgerichts Rechtsmittel
einlegen
müssen.
Der Beklagte meint schließlich, der Kläger mache, veranlasst durch
Andere, Vorwürfe gegen
den Beklagten geltend, die einzig und allein darauf
abzielten, den Beklagten zu diskreditieren.
Beim Beklagten handele es sich um
einen der renommiertesten Gutachter.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird im Übrigen auf den Akteninhalt
Bezug genommen. Die Akte
des Familiengerichts Waiblingen wurde beigezogen und war
Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe
Die Klage
ist unbegründet. Dem Kläger stehen weder aufgrund der Gutachtenerstellung
Ansprüche zu (A.), noch hat er im Rahmen der Gutachtenerstellung den Kläger
beleidigt oder
datenschutzrechtliche Verstöße begangen (B.).
A
Dem
Kläger stehen keine Ansprüche gegen den Beklagten im Hinblick auf die
Gutachtenerstellung zu.
Die geltend gemachten Ansprüche scheitern bereits
daran, dass das streitgegenständliche
Gutachten keinerlei Auswirkungen auf
den Auszug des Sohnes XXX hatte (I.). Zudem ist der
geltend gemachte
sekundäre Schadensersatzanspruch gemäß § 839 Abs. 3 BGB nicht
gegeben, weil
der Kläger die maßgeblichen Fragen hinsichtlich der Kindeswohlgefährdung des
Sohnes XXX nicht wie vorgesehen im Ausgangsverfahren geltend gemacht hat (II.).
Schließlich ist nicht erkennbar und schlüssig vorgetragen, dass das Gutachten
inhaltlich
fehlerhaft ist (III.). Im Einzelnen:
I. Schadensersatzansprüche
sind vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil das
Gutachten nicht kausal
für den Auszug des Sohnes XXX aus der Familie war.
1. Aus der beigezogenen
familienrechtlichen Akte ergibt sich, dass es gerade keinen
gerichtlichen
Beschluss gibt, der Maßnahmen hinsichtlich XXX angeordnet hat.
2. Auch im
Übrigen sind weder das Verhalten des Beklagten noch das Gutachten selbst
ursächlich für den Auszug des Sohnes XXX gewesen. Soweit der Kläger nun im
Nachhinein
geltend macht, man habe ihm gedroht, dass XXX aus der Familie
genommen wird, wenn er
und seine Frau bei XXX „nicht mitmachen“ würden,
dringt er damit nicht durch.
Hiergegen spricht schon der sich aus der
Familienakte ergebende zeitliche Ablauf. Nach einer
ersten Abwesenheit von
XXX aus der Familie nach der – dramatisch verlaufenen – Exploration
am
03.07.2019 für zwei Wochen zog XXX wieder bei der Familie ein. Der darauf
folgende
Auszug des Sohnes Ende Oktober 2019 war zwar zeitlich nach der
Gutachtenerstellung am
17.09.2019, in der Zwischenzeit ist aber eine
Kommunikation zwischen den Parteien nicht
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ersichtlich
und auch nicht vorgetragen. Auch ein Gerichtstermin, in dem das Gutachten
Gegenstand der Erörterung war, fand erst zwei Monate später am 29.11.2019 statt.
In diesem
Termin wurde – wie auch in folgenden – ausschließlich der Verbleib
von XXX in der Familie
besprochen. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass ein
Zusammenhang gerade nicht bestand.
Im Übrigen spricht auch das Verhalten der
Eltern eindeutig dafür, dass diese selbst einen
Aufenthalt von XXX in der
Wohngruppe wünschten. Aus der Kommunikation zwischen dem
Jugendamt und der
Familie des Klägers ergibt sich, dass bereits im Juli nach einer
Wohngruppe
gesucht werden sollte (Bl. 69 der beigezogenen Akte); im Übrigen wandte sich
die Ehefrau des Klägers – nachdem das Jugendamt am 30.09.2019 einen Platz ab dem
18.10.2019 gefunden hatte – an das Jugendamt mit der Bitte, die Aufnahme zu
beschleunigen
(Bl. 163 der beigezogenen Akte). Auch der damalige Rechtsanwalt
des Klägers teilte am
10.12.2019 mit, dass XXX seinen Aufenthaltsschwerpunkt
„wie von den Eltern eingelebt und
betrieben“ in seiner Wohngruppe habe (vgl.
Schriftsatz RA Eschle, vom 10.12.2019, Bl. 270 ff.
der beigezogenen Akte).
Aus dem Schriftsatz ergibt sich im Übrigen auch eine differenzierte
Betrachtung aller Beteiligten zwischen dem Verfahren wegen XXX einerseits und
dem
Verfahren wegen XXX andererseits.
II. Dem Kläger stehen zudem schon
deshalb keine Ansprüche zu, weil er das Gutachten des
Beklagten schuldhaft im
Verfahren vor dem Amtsgericht XXX nicht durch ein Rechtsmittel
angegriffen
hat.
1. Gemäß §§ 839a Abs. 2; 839 Abs. 3 BGB ist eine Schadensersatzpflicht
eines Gutachters
dann ausgeschlossen, wenn der Verletzte den Schaden durch
Gebrauch eines Rechtsmittels
nicht abgewendet hat. Bei gerichtlichen
Verfahren hat der primäre Rechtsschutz Vorrang vor
eventuellen
Schadensersatzansprüchen gegen den Sachverständigen (vgl. nur BGH, NJW
2020,
1592 Rn. 23; OLG Köln, BeckRS 2012, 9292; OLG Karlsruhe, BeckRS 2021, 19528).
Dies gilt besonders bei Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung, da das dortige
gerichtliche
Verfahren gerade dazu da ist, die Rechte aller Beteiligten zu
wahren und die Frage, ob ein
Kind aus einer Familie herausgenommen werden
muss, unter gerichtliche Aufsicht gestellt
wurde und auch nur dort eine
materielle Gerechtigkeit verwirklicht werden kann; ein dortiges
„Dulden und
Liquidieren“ im vorliegenden Verfahren ist ausgeschlossen.
Das Rechtsmittel
muss dabei möglich, zumutbar und erfolgsversprechend sein (vgl.
BeckOGK-Reinert, Stand 01.08.2023, § 839a BGB Rn. 31a mwN).
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2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist eine Haftung des Beklagten
ausgeschlossen.
Dem Kläger hätte gegen eine Entscheidung des Familiengerichts
gemäß §§ 58; 151; 116
FamFG das Rechtsmittel der Beschwerde zugestanden. Eine
solche hat er nicht eingelegt,
obwohl dies nicht unzumutbar gewesen wäre. Ein
sachlicher Grund für eine Nichteinlegung ist
nicht ersichtlich –
insbesondere, da dem Kläger auch hinsichtlich einer Entscheidung bezüglich
seines Sohnes XXX Rechtsmittel zugestanden hätten. Dies gilt auch unter der
Berücksichtigung, dass familienrechtliche Streitigkeiten um das Kindeswohl sehr
belastend
und schwierig sein können, da nur durch die Klärung im Rahmen des
primären Rechtsschutzes
das entscheidende Anliegen – das Kindeswohl – geklärt
werden kann und (nur) diese
Zumutung dem klaren gesetzgeberischen Willen
entspricht (vgl. ebenso OLG Karlsruhe,
BeckRS 2021, 19528 Rn. 21).
3.
Schließlich scheidet vor diesem Hintergrund auch eine Haftung gemäß § 839a BGB
analog
in Hinblick auf einen von Klägerseite behaupteten „erzwungenen
Vergleich“ aus (vgl. zur
analogen Anwendung BGH, NJW 2020, 2471 Rn. 13; MüKo
BGB-Wagner, 9. Aufl. 2024,
§ 839a Rn. 28; dagegen BeckOGK-Reinert, Stand
01.08.2023, § 839a BGB Rn. 16 unter
Verweis auf den Willen des Gesetzgebers,
vgl. auch BT-Druck. 14/7752 S. 28, wonach eine
Ersatzpflicht ausgeschlossen
sein soll, wenn die Parteien sich „unter dem Eindruck eines
unrichtigen
Gutachtens vergleichen“).
Im vorliegenden Fall scheitert eine analoge
Anwendung bereits daran, dass die vom Kläger
geltend gemachte Verständigung
wie dargestellt gerade nicht vorliegt. Zudem kommt eine
analoge Anwendung nur
dann in Betracht, wenn die Parteien auf die Richtigkeit des
Gutachtens
vertraut haben, da ansonsten gerade der Vorrang des primären Rechtsschutzes
und die Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit nicht zur Geltung kommt.
Nach dem Inhalt
der familiengerichtlichen Akte und den Schilderungen des
Klägers selbst war dieser mit dem
Inhalt des Gutachtens jedoch gerade nicht
einverstanden. In diesem Fall war es seine
Obliegenheit, diesen Streit im
Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung auszutragen.
III. Schließlich ist weder
schlüssig vorgetragen noch erkennbar, dass das Gutachten inhaltlich
falsch
ist. Die vom Kläger vorgetragenen Umstände können eine inhaltliche Unrichtigkeit
des
Gutachtens nicht begründen.
1. Soweit der Kläger darauf abstellt, der
Beklagte weise nicht die erforderliche Qualifikation
auf, dringt er damit
angesichts der Anforderungen an einen Sachverständigen gemäß
§ 163 FamFG
nicht durch, da der Beklagte die dort gestellten Anforderungen (über-)erfüllt.
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2. Das Gutachten ist auch nicht deshalb falsch, weil der
Beklagte zur Gutachtenerstellung Frau
XXX hinzugezogen hat.
a) Gemäß §
407a ZPO ist es einem Sachverständigen gestattet, Mitarbeiter hinzuzuziehen.
Dabei darf der Sachverständige den Mitarbeitern insbesondere auch Anamnesen
überlassen
(BeckOK ZPO-Scheuch, Stand 01.03.2024, § 407a Rn. 11a; bei
dezidiert psychiatrischen
Gutachten ist eine Grenze dann erreicht sein, wenn
der Sachverständige die persönliche
Begegnung und das explorierende Gespräch
mit dem Probanden vollständig delegiert; vgl.
BSG, NZS 2004, 559; BGH, NStZ
2012, 103). Maßgeblich ist letztendlich, dass der
Sachverständige für das
Gutachten selbst im Sinne einer uneingeschränkten persönlichen
Gesamtverantwortung einsteht (MüKo ZPO-Zimmermann, 6. Aufl. 2020, § 407a Rn. 7
f. BGH,
NStZ 2012, 103).
b) Die Gutachtenerstattung des Beklagten genügt
diesen Voraussetzungen. Vorliegend hat
der Beklagte die Gesamtverantwortung
für das Gutachten getragen. Dies ergibt sich schon
daraus, dass der Beklagte
das Gutachten selbst ausführlich mündlich erläutert hat. Zudem hat
er
vorliegend den Kläger, seine Ehefrau und die Kinder selbst ausführlich
exploriert. Der
Umstand, dass Frau XXX ebenfalls für die Begutachtung
maßgebliche Daten erhoben hat,
ändert an der auch nach außen getretenen
Gesamtverantwortung nichts.
3. Soweit der Kläger formale Mängel geltend
macht, sind diese nicht geeignet, die Unrichtigkeit
des Gutachtens zu
begründen.
a) Ein gerichtliches Gutachten muss dem Gericht „eine verlässliche
Grundlage für eine am
Kindeswohl orientierte Entscheidung“ bieten (BVerfG,
NJW 2015, 223 Rn. 30). Dafür muss es
zu den vorgegebenen Fragen Stellung
nehmen, den wissenschaftlichen Standards
entsprechen, logisch und methodisch
überzeugend und schlüssig sein (MüKo FamFGSchumann,
3. Aufl. 2018, § 163 Rn.
25).
b) Diesen Anforderungen genügt das Gutachten, da hierdurch eine
Grundlage geschaffen
wurde, die das Familiengericht XXX – auch unter
Berücksichtigung dessen, dass bei
psychologischen Gutachten in
Familienverfahren aufgrund der Natur der Sache es nicht
zwingend nur eine
einzige richtige Antwort geben muss (vgl. BeckOGK-Reinert, Stand
01.08.2023,
§ 839a BGB Rn. 29) – in die Lage versetzt hat, eine fundierte Entscheidung zu
treffen.
Das 84 Seiten umfassende Gutachten stellt zunächst ausführlich die
der Beantwortung der
Beweisfragen zugrunde gelegte Tatsachengrundlage –
inklusive Akteninhalt, fremder Befunde
und eigener Befunderhebung – dar,
wobei es zwischen den Erkenntnisquellen klar
differenziert. Dabei wurde auch
auf den zweiwöchigen Aufenthalt von XXX im Klinikum XXX
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eingegangen. Im Anschluss findet sich eine detaillierte und ausführliche
Beurteilung dieser
Befunde. Diese ist differenziert, die einzelnen
Schlussfolgerungen werden durch die ihnen
zugrunde liegenden Tatsachen
untermauert und die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten
werden mit Vor- und
Nachteilen und den jeweiligen Erfolgsaussichten einander
gegenübergestellt.
Soweit der Kläger meint, hier (pauschal) andere formale Anforderungen
(Aktenanalyse auf
Basis eines Kategoriensystems“; „Planung der Untersuchung“
„teilstrukturierter
Explorationsleitfaden“, fehlendes Literaturverzeichnis
oder Quellenzitate) zu stellen, verkennt
er das Ziel eines gerichtlichen
Sachverständigengutachtens. Dieses dient keinem
Selbstzweck, sondern der
Entscheidungsfindung durch das Gericht.
4. Schließlich ist weder erkennbar
noch schlüssig vorgetragen, dass der Beklagte im Rahmen
seiner Begutachtung
von falschen Tatsachen ausgegangen ist. Soweit der Kläger pauschal
geltend
macht, „die Aussagen des Vaters sind allesamt nicht richtig wiedergegeben“, ist
dies
nicht geeignet, einen Mangel zu begründen. Mangels Benennung, welche
Aussagen seitens
des Beklagten wiedergegeben wurden, was an ihnen falsch sein
soll, was stattdessen zutrifft,
und wie sich dies ausgewirkt haben soll,
lässt diese Aussage vielmehr erkennen, dass die
Klägerseite selbst sich mit
dem Gutachten nicht inhaltlich auseinandergesetzt hat.
5. Im Übrigen wird vom
Kläger nicht vorgetragen, warum und inwieweit das Gutachten
inhaltlich und
konkret in der der Beantwortung der Beweisfragen falsch sein soll. Die
letztendlich pauschale Kritik des Klägers an der Art der Gutachtenerstellung
durch den
Beklagten vermag die erforderliche Auseinandersetzung mit dem
konkreten Gutachten und
der Frage, warum dieses im – für den Ausgang des
Verfahrens wegen Kindeswohlgefährdung
maßgeblichen – Ergebnis falsch sein
soll, nicht ersetzen.
IV. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der
Kläger auch geltend macht, dass durch
die Tätigkeit des Gutachters
unmittelbar Schäden entstanden sind (vgl. zur Abgrenzung zu
§ 839a BGB
BeckOGK-Bohlsen, Stand 01.04.2024, § 839a BGB Rn. 44 mwN), da aus oben
genannten Gründen unter I. und III. solche Schadensersatzansprüche gemäß §§
823ff BGB
ebenfalls nicht bestehen. Eine psychiatrische Behandlung des Sohnes
durch den Beklagten
ist schließlich nicht ersichtlich.
56 O 313/23 - 11 -
B
Auch im Übrigen stehen dem Kläger keine Ansprüche gegen den Beklagten zu.
Der Kläger ist durch die Aussage, er sei nicht in der Lage, Probleme des Sohnes
XXX zu
erkennen und diesen zu fördern, nicht beleidigt worden. Hierbei
handelt es sich nicht um eine
Formalbeleidigung, sondern um ein Werturteil,
das schon für sich genommen im Rahmen der
gebotenen Abwägung nicht zu
beanstanden ist (vgl. für die Grundsätze der Abwägung
allgemein
Grüneberg-Sprau, § 823 Rn. 102 mwN).
Ansprüche wegen der Weitergabe von Daten
an Frau XXX scheiden schon deshalb aus, weil
es einem Sachverständigen gemäß
§ 407a Abs. 3 ZPO wie dargestellt gestattet ist, sich der
Mitarbeit anderer
Personen zu bedienen.
C
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die
Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert
festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt
werden, wenn der Wert des
Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die
Beschwerde
zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem
Landgericht Stuttgart
Urbanstraße 20
70182 Stuttgart
einzulegen.
Die
Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache
oder der
anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später
als einen Monat vor Ablauf der
sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann
die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach
Zustellung oder formloser
Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der
formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur
Post als bekannt
gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder
durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des
genannten Gerichts. Sie
kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt
56
O 313/23 - 12 -
werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll
rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht
eingeht. Eine anwaltliche
Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
Rechtsbehelfe können auch als
elektronisches Dokument eingelegt werden. Eine Einlegung per E-Mail
ist nicht
zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf
www.ejustice-bw.de
beschrieben.
Schriftlich einzureichende Anträge und
Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde
oder durch eine
juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu
Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht
werden, sind als elektronisches
Dokument zu übermitteln. Ist dies aus
technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die
Übermittlung nach
den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei
der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf
Anforderung ist ein
elektronisches Dokument nachzureichen.
XXX
Richter
am Landgericht
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ...
Gesendet: Montag, 27. Juni 2016 21:07
An: info@vaeternotruf.de
Betreff:
Richterin W.....
Hallo. Zunächst Hut ab für Ihr Engagement, Sie haben
meinen größten Respekt!
Ich habe eine Unschöne Erinnerung was die
Scheidung meiner Eltern angeht. Mein Vater hat das Sorgerecht verloren, genauso
wie die Wohnung, die Schulfreunde & Lebensfreude, obwohl mich die Richterin
fragte zu wem ich möchte, worauf hin ich damals 1992, als 6 jähriger Junge
sagte, dass wenn ich mich entscheiden müsse, zu meinem Vater wolle. Auch die
Antwort, auf die nächste Frage nach dem Grund, dass meine Mutter mich verhaut,
gab offensichtlich keinen Anlass zur Sorge. Leider gab es erst zur
Jahrtausendwende das Gesetz welches Kindern das Recht auf eine Gewaltfreie
Erziehung zuspricht. Doch selbst danach nahm es erst später ein Ende, als ich
irgendwann mal stärker war. Auch die Lehrerin in der Grundschule von einer
Klassenkameradin davon erfuhr und die Lehrerin in der Oberschule die es über
meine Noten erfuhr, sahen kein Grund etwas zu ändern.
Jedenfalls möchte
ich diese Richterin noch einmal zur Rede stellen und bin dabei auf eure Seite
gestoßen, da ihr Name auch in der Liste der Richter zu finden ist.
Ich
würde die Frau am liebsten auf Schmerzensgeld und Schadenseratz verklagen, aber
das ist in Deutschland wahrscheinlich aussichtslos oder was meint ihr?
lG ...
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Väternotruf [mailto:info@vaeternotruf.de]
Gesendet: Dienstag, 28. Juni
2016 00:22
An: Falk ...
Betreff: AW: Richterin W...
Sehr geehrter Herr ...,
Danke für das Lob.
Ihr Vater hat das Sorgerecht nicht verloren, es wurde ihm offenbar von der
Richterin W... entzogen. Das ist so üblich gewesen in Deutschland, Millionen
Eltern wurden von der Justiz entsorgt und keine ist dagegen demonstrieren
gegangen. Wie in der DDR, da hat auch keiner demonstriert.
Auch heute
noch werden in Deutschland Tausende Eltern mit dem Segen des
Bundesverfassungsgerichtes und des Deutschen Bundestages entsorgt. Und immer
noch geht kaum einer von diesen Eltern demonstrieren.
Wenn Sie die
Richterin zur Rede stellen wollen, schreiben Sie ihr einfach einen Brief.
Vielleicht entschuldigt sie sich bei Ihnen.
Klagen auf Schmerzensgeld
können Sie dann immer noch, wenn die Richterin nicht die menschliche Größe hat,
sich zu entschuldigen.
So oder so sollten Sie sich mal die Gerichtsakten
von Ihrem Vater geben lassen, so noch vorhanden. Diese bitte einscannen und an
uns senden.
Mit freundlichen Grüßen
Anton
Deutsche Haltung kritisiert
Europäisches Gericht stärkt Rechte leiblicher Väter
21.12.2010 18:45 Uhr
Von Jost Müller-Neuhof
5000 Euro Schmerzensgeld hat der Europäische Gerichtshof einem Mann zugesprochen, der mit Billigung deutscher Gerichte vom Umgangsrecht mit seinen Zwillingstöchtern ausgeschlossen worden war.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat erneut die Rechte unverheirateter Väter an ihren Kindern gestärkt. Eine Kammer des Straßburger Gerichts (EGMR) sprach am Dienstag einem Mann 5000 Euro Schmerzensgeld zu, der mit Billigung deutscher Gerichte vom Umgangsrecht mit seinen Zwillingstöchtern ausgeschlossen worden war. Der aus Nigeria stammende Vater habe „ernsthaftes Interesse an den Kindern gezeigt“, die Mutter und ihr Ehemann hätten ihm aber den Umgang verweigert, um das Familienleben mit den weiteren Kindern im Haushalt nicht zu gefährden. Der EGMR sah darin einenVerstoß gegen Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
Das EGMR-Urteil ist binnen eines Jahres der zweite Vorstoß aus Straßburg zur Stärkung der Väterrechte. Im Dezember 2009 hatte das Gericht Deutschland verurteilt, weil leibliche Väter ohne Trauschein das Sorgerecht nicht gegen den Willen der Mutter durchsetzen konnten. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regelung aus der Kindschaftsrechtsreform von 1998 zwar zunächst akzeptiert, seine Rechtsprechung nach dem EGMR-Urteil aber geändert. Die einschlägigen Bestimmungen sind verfassungswidrig, aber noch förmlich in Kraft. Väter, die das Sorgerecht ausüben wollen, können sich jedoch auf den Karlsruher Beschluss berufen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte ursprünglich angekündigt, noch in diesem Jahr eine Reform der Sorgerechtsbestimmungen zugunsten nichtehelicher Väter vorzulegen, die Entwürfe seien allerdings noch in der Abstimmung, hieß es. Nun forderte die Ministerin am Dienstag: „Auch das Umgangsrecht kommt jetzt auf den Prüfstand. Der Kontakt zum biologischen Vater darf nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Entscheidend ist immer das Kindeswohl im Einzelfall. Wir werden uns sehr genau ansehen, ob das deutsche Recht die gebotene Abwägung zwischen biologischem und rechtlichem Vater gewährleistet.“
Das Familienrecht müsse sich immer wieder an veränderte gesellschaftliche Realitäten anpassen. Die Koalition stelle sich der Modernisierung des Familienrechts, sagte Leutheusser-Schnarrenberger weiter. „Beim Sorgerecht arbeiten wir intensiv an einem Regelungskonzept, das die Rechte nichtehelicher Väter besser zur Geltung bringt.“ Es bedürfe eines „intensiven Ringens angesichts unterschiedlicher Ausgangspositionen in der Koalition“. Im Unterhaltsrecht werde geprüft, ob die Reform aus dem Jahr 2008 die gesetzten Ziele erreiche, im Erbrecht würden letzte Benachteiligungen für nichteheliche Kinder beseitigt, erklärte die Bundesjustizministerin.
Im vorliegenden Fall hat der 43-jährige Vater seine heute fünf Jahre alten Töchter nie kennengelernt. Er war 2003 nach Deutschland in das baden-württembergische Achern gezogen und beantragte dort Asyl. Während der Schwangerschaft trennte sich die deutsche Freundin des Mannes, dessen Asylantrag später rechtskräftig abgelehnt wurde. Die Mutter und ihr Ehemann haben drei weitere Kinder und lehnten die wiederholten Bitten des Nigerianers ab, seine beiden Töchter sehen zu dürfen.
Der Nigerianer kann den Fall nun erneut deutschen Gerichten vorlegen. Rechtskräftige Urteile des EGMR hat die Justiz wie nationale Gesetze zu beachten.
http://www.tagesspiegel.de/politik/europaeisches-gericht-staerkt-rechte-leiblicher-vaeter/3677574.html
Von (zm) | 26.05.2011
Amberg-Sulzbach
Schulmobbing bis in die Psychiatrie
Ausgerechnet das Jugendamt soll verantwortlich sein - Amtshaftungsklage über 80 000 Euro
Amberg-Sulzbach. (zm) "Jugendamt nein danke!" Der plakative Pranger steht als buntes Pkw-Gespann unten auf der Straße. Gegenüber, oben im ersten Stock des Landgerichts, verhandelt die 1. Zivilkammer. Niko F. (19, Name geändert) verklagt das Kreisjugendamt Amberg-Sulzbach auf 80 000 Euro. Die Behörde habe ihm ein Stück dessen geraubt, was sie eigentlich schützen solle: eine unbeschwerte Jugend.
Das ist der zweite Verhandlungstag (wir berichteten), mehr als drei Monate sind seit Prozessbeginn vergangen. Niko F. fordert vom Landkreis Schmerzensgeld und Schadensersatz für eine von der Jugendbehörde erwirkte Zwangseinweisung in die Jugendpsychiatrie sowie ein Jugendheim. Über mehrere Monate erstreckte sich im Frühjahr und Sommer 2007 diese Zeit für den damals 15-Jährigen. Der Hauptschulabschluss war damit erst einmal futsch.
http://www.oberpfalznetz.de/zeitung/2817103-129-schulmobbing_bis_in_die_psychiatrie,1,0.html
ISBN13: 978-3-7716-4455-0
Verlagsbez.: Fackelträger-Verlag
Autor(en): Völling, Christiane
Titel: "Ich war Mann und Frau"
Untertitel: Mein Leben als Intersexuelle
Aufl./Ersch.jahr: 25.08.2010
Seitenzahl:256 S. - 21,5 x 14,0 cm
Einbandart:Gb
Preis:EUR[D] 19,95
Produktsprache:Deutsch
Bars./Ausl.: U;A-MM;C-BZ
Umbreit-Nummer: 1022 329
C-BZ-Nummer: 6983325
Schlagwort:Völling; Mann; Frau; Leben; Intersexuelle
DDC Sachgruppe: 300 Sozialwissenschaften, Soziologie
Zusammenfassung: Es ist der erste Fall in Deutschland, der einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird. Christiane Völling war sowohl Mann als auch Frau, doch das erfuhr sie erst als 46-Jährige aus ihren Krankenhausakten. Bis dahin hieß sie Thomas. Was für Ärzte und Eltern nach der Geburt aussah wie ein Junge mit einem kleinen Penis, entpuppte sich später bei einer Blinddarmoperation als Mädchen mit intakter Gebärmutter und Eierstöcken. Ohne ihr Wissen wurde ihre Weiblichkeit daraufhin wegoperiert. Außerdem verschrieben ihr die Ärzte Testosteron - mit verheerenden körperlichen wie seelischen Folgen. 2007 verklagte Christiane Völling den Arzt, der ihr das angetan hatte. Der Prozess hat Signalwirkung für die über 100.000 Intersexuellen in Deutschland, viele von ihnen mit vergleichbaren Schicksalen. Die Autorin erzählt persönlich, oft schonungslos, von ihrem Leben, von Vorurteilen, Selbstzweifeln und dem Entschluss, mit 50 Jahren nocheinmal neu anzufangen. Eine überfällige Kritik an einer Gesellschaft, die die Existenz einer großen Gruppe von Menschen verleugnet, und ein starkes Plädoyer an alle Betroffenen und deren Angehörige, das Dazwischenleben anzunehmen und sich dafür einzusetzen
Autorentext: Christiane Völling, Jahrgang 1959, wird in einer Kleinstadt am Niederrhein geboren. Ihre Genitalien sind uneindeutig. Arzt und Eltern halten das Kind für einen Jungen, es bekommt den Namen Thomas. Ein Leben lang zweifelt Christiane Völling an ihrer Rolle als Mann, fühlt sich »wie ein Monster«. Dass ihr die weiblichen Geschlechtsorgane herausoperiert wurden, erfährt sie erst 30 Jahre später. 2007 verklagt sie ihren damaligen Arzt, gewinnt und bekommt 2009 Schmerzensgeld zugesprochen. Christiane Völling arbeitet heute als Krankenpflegerin.
100 000 Euro Schmerzensgeld im «Zwitterprozess»
Mittwoch, 12. August 2009 11.48 Uhr
Köln (dpa/lnw) - Im «Zwitterprozess» muss ein Chirurg 100 000 Euro Schmerzensgeld an eine Klägerin zahlen, die er vor gut 30 Jahren in einer Operation biologisch unumkehrbar zum Mann machte. Das entschied das Kölner Landgericht am Mittwoch (Az: 25 O 179/07). Der Arzt war bereits vor anderthalb Jahren in einem Grundsatzurteil wegen des rechtswidrigen Eingriffs zu Schmerzensgeld verurteilt worden, über die Höhe musste aber ein zweites Verfahren entscheiden. Er hatte im Jahr 1977 der damals 18-Jährigen - sie war mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt gekommen - ohne vorige Aufklärung die inneren weiblichen Geschlechtsorgane entnommen. Klägerin Christiane V. fühlt sich als Frau, war aber als Junge großgezogen worden.
Eine Sachverständige sagte im Schmerzensgeld-Prozess, für die intersexuelle Klägerin wäre auch nach dem damaligen medizinischen Stand das gewünschte Leben als Frau möglich gewesen. Dies hätte man mit Medikamenten und möglicherweise operativen Eingriffen erreichen können, zitierte ein Gerichtssprecher die Gutachterin. Der nun zum dritten Mal vor Gericht unterlegene Arzt kann in Berufung gehen.
Der Mediziner war im Februar 2008 vom Landgericht Köln verurteilt worden, aber in Berufung gegangen. Auch das Oberlandesgericht (OLG) bestätigte im September 2008, der Chirurg habe die Klägerin mit der OP «schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt». Die heute 50-jährige Klägerin hatte zu Prozessbeginn 2007 über ihren langen Leidensweg nach der OP berichtet, von körperlichen Beeinträchtigungen, Schmerzen und schweren psychischen Problemen. Sie wurde als Zwitter geboren und war von der Hebamme als Junge registriert worden.
Erst bei einer Blinddarm-OP beim jugendlichen «Thomas» waren innere weibliche Geschlechtsorgane entdeckt worden. Während man vor dem folgenschweren Eingriff von einem gemischt weiblich-männlichen Geschlecht und verkümmerten weiblichen Geschlechtsorganen ausgegangen war, zeigte sich mit OP-Beginn 1977 eine normale weibliche Anatomie mit intakter Gebärmutter und Eierstöcken. Den Richtern zufolge hätte der Chirurg daher den Eingriff sofort abbrechen müssen.
In dem aufsehenerregenden Verfahren, das bundesweit als Präzedenzfall und Musterprozess bewertet wird, hatte Christiane V. «mindestens» 100 000 Euro Schmerzensgeld verlangt, weil sie gegen ihrem Willen zum Mann gemacht worden sei. Zugleich hatte sie aber betont, es gehe ihr vor allem um «moralische Wiedergutmachung».
[Landgericht]: Luxemburger Straße 101, Köln
http://www.justiz.nrw.de/Presse/dpa_ticker/DPA_12082/index.php
"Kindesmisshandlung" - Schmerzensgeld wegen offenbar falscher Diagnose
Urteil des Landgerichts München - 9 O 20622/06 - vom 07.01.2009:
Dr. Thomas Steiner (Jg. 1957) - Vorsitzender Richter am Landgericht München I / 9. Zivilkammer (ab 01.12.1999, ..., 2009) - Urteil des Landgerichts München - 9 O 20622/06 - vom 07.01.2009: "Kindesmisshandlung" - Schmerzensgeld wegen offenbar falscher Diagnose
Oliver Dopheide (Jg. 1971) - Richter am Landgericht München I / 9. Zivilkammer (ab 01.07.2002, ..., 2009) - im Handbuch der Justiz 2002 ab 01.07.2000 als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf & Richter auf Probe im OLG-bezirk München aufgeführt. Im Handbuch der Justiz 2004 nicht aufgeführt. Im Handbuch der Justiz 2006 aufgeführt. Urteil des Landgerichts München - 9 O 20622/06 - vom 07.01.2009: "Kindesmisshandlung" - Schmerzensgeld wegen offenbar falscher Diagnose.
Wolfram Schütz (Jg. 1974) - Richter am Landgericht München I / 9. Zivilkammer (ab , ..., 2009) - im Handbuch der Justiz 2002 ab 20.10.2001 als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Passau aufgeführt. Im Handbuch der Justiz 2004 ab 10.04.2003 als Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft München I aufgeführt. Urteil des Landgerichts München - 9 O 20622/06 - vom 07.01.2009: "Kindesmisshandlung" - Schmerzensgeld wegen offenbar falscher Diagnose.
Vorgeschichte:
Das Kind wurde auf Grund der angeblichen Kindesmisshandlung vom Jugendamt in Obhut genommen und am 14.02.2006 in ein Kinderheim verbracht. Das Amtsgericht München hat am 15.02.2006 im Wege der einstweiligen Verfügung das Sorgerrecht der Eltern eingeschränkt.
Gutachter ist "entsetzt über so viele Fehler"
Haunersche Kinderklinik diagnostizierte fälschlich Misshandlung eines Mädchens: Eltern klagen mit Erfolg
Von Ekkehard Müller-Jentsch
Die Haunersche Kinderklinik wird dazu verurteilt, einer Münchner Familie Schmerzensgeld und Schadenersatz zu bezahlen. Daran hat das Landgericht München in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch keine Zweifel gelassen - formal soll der Richterspruch aber erst am heutigen Donnerstag verkündet werden. Grund der Verurteilung: Die Kinderschutzgruppe dieser Uni-Klinik glaubte sich irrtümlich einer Kindesmisshandlung auf der Spur und hatte offenbar überreagiert - eine intakte Familie wurde dadurch sehr schwer belastet.
In Februar 2006 war ein damals viereinhalb Jahre altes Mädchen mit dick geschwollenem blauem Auge und einer leichten Gehirnerschütterung ins Klinikum Dritter Orden gebracht worden. Die Kleine sei beim Spielen gegen eine offene Tür gestürzt, erklärten die Eltern den Ärzten. Nach einer ambulanten Behandlung brachte die Mutter ihre Tochter einige Tage danach wieder in den Kindergarten. Eine zufällig dort anwesende Sozialarbeiterin des Jugendamtes sah das lädierte Mädchen und veranlasste umgehend, dass die Kleine zur stationären Beobachtung in die Haunersche Kinderklinik gebracht wurde.
Dort war kurz zuvor eine Kinderschutzgruppe eingerichtet worden. Umgehend trat nun eine "Helferkonferenz" aus Ärzten, Sozialpädagogen und Psychologen zusammen. Sie kam zu dem Schluss, dass den Eltern kurzfristig das Sorgerecht entzogen und das Kind in ein Heim gebracht werden müsse. Denn der Kommission war bekannt geworden, dass diese Kleine rund fünf Monate zuvor aus einem Fenster im ersten Stock der Wohnung gefallen war, ohne aber bleibende Schäden zu erleiden.
Doch etwa einen Monat später stellte dieselbe Rechtsmedizinerin, die anfänglich der Kinderschutzgruppe versichert hatte, dass die Kleine durch Fausthiebe verletzt worden sein müsse, was sie auf Fotos erkannt haben wollte, nun das Gegenteil fest: In Zusammenarbeit mit ihrem Chef, Professor Wolfgang Eisenmenger, kam sie jetzt zu dem Ergebnis, dass es doch keinerlei Hinweise auf eine Misshandlung gebe. Die Strafermittlungen wurden daraufhin sofort eingestellt und das Kind der Familie zurückgegeben.
Für die von dem gesamten Geschehen völlig überraschten Eltern, ein wirtschaftlich wohlsituiertes türkisches Ehepaar mit insgesamt drei Kindern, war damals ihre bis dahin heile Welt zusammengebrochen - das Familiengefüge kam zeitweilig auf sehr dramatische Weise völlig durcheinander. Später erhoben die Eltern beim Landgericht München I Schmerzensgeldklage über 20 000 Euro gegen die Uni-Klinik. Die Richter der 9. Zivilkammer ließen den gesamten Vorgang durch einen Experten begutachten.
Und auch der kam nun zu der Feststellung, dass trotz des zweifellos guten Willens durch das Klinik-Team "so viele Fehler gemacht" worden seien, dass er darüber "entsetzt" sei. "Ich bin Vater von neun Kindern", sagte der Gutachter. "Wenn bei all ihren alterstypischen Verletzungen solche Maßstäbe angelegt worden wären, hätte man auch mir das Sorgerecht entziehen müssen", erklärte er sehr plastisch seine Einschätzung. Der Anwalt der Klinik versicherte, dass es allen damals Beteiligen sehr leid tue, was der Familie geschehen sei- aus damaliger Sicht habe man jedoch geglaubt, das Richtige zu tun.
Das Gericht erklärte, dass man der Klage der Familie stattgeben werde, auch in der geforderten Höhe. Ob die Klinik dagegen Rechtsmittel einlegen wird, ist noch offen. (Kommentar)
08.01.2009
http://www.sueddeutsche.de/159386/904/2704265/Gutachter-ist-entsetzt-ueber-so-viele-Fehler.html
Schmerzensgeld wegen langjährigen Freiheitsentzugs aufgrund fehlerhaften Sachverständigen-Gutachtens
Der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat einen gerichtlichen Sachverständigen zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 150.000,- Euro verurteilt, weil aufgrund seines in einem Strafprozess erstatteten Gutachtens der Kläger (und dortige Angeklagte) zu Unrecht zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Bei einem Banküberfall im Jahre 1991 hatte eine automatische Überwachungskamera mehrere Lichtbilder des Täters gefertigt, die später zur Festnahme des Klägers führten. Im Rahmen des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde der Beklagte als Sachverständiger beauftragt, ein anthropologisches Vergleichsgutachten zu erstellen. Dabei waren die von der automatischen Überwachungskamera der Bank angefertigten Fotos sowie von dem Sachverständigen angefertigte Vergleichsbilder von dem Kläger auf ihre Übereinstimmung zu untersuchen. Der Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ mit der Person auf den Täterbildern identisch sei. In der Strafverhandlung hatte er sich sogar dahingehend geäußert, dass für ihn an der Täterschaft des Klägers keinerlei Zweifel bestünden. Nach seiner Berufserfahrung sei es unvorstellbar, dass eine andere Person als Täter in Betracht komme. Aufgrund dieses Gutachtens wurde der Kläger wegen des Überfalls auf die Sparkasse zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Kurz nach seiner Haftentlassung wurde die Tat jedoch von dem wirklichen Täter gestanden, der mittlerweile auch rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der Kläger hat den beklagten Sachverständigen wegen grob fahrlässiger Verletzung der Pflichten eines Sachverständigen auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 311.259,21 Euro in Anspruch genommen. Das Landgericht Hanau hatte die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von knapp 58.000,- Euro zuerkannt. Gegen diese Entscheidung hatten beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger erstrebte ein höheres Schmerzensgeld, während der Beklagte seine Haftung dem Grunde nach bestritt.
Nach dem heute verkündeten Urteil verbleibt es bei der Haftung des Beklagten, während dem Kläger ein höheres Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Auch der Senat geht davon aus, dass das Gutachten grob fahrlässig fehlerhaft erstattet wurde. Zwar sei das schriftliche Gutachten noch nicht grob fehlerhaft. Eine grob fahrlässige Fehlerhaftigkeit der Begutachtung folge jedoch aus den Äußerungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer, weil er dort nicht mehr nur eine „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“ der Täterschaft, sondern das Bild einer von Restzweifeln befreiten Sicherheit vermittelt habe. Die Darstellung seines Identifikationsergebnisses in der Hauptverhandlung habe die erforderliche Differenzierung und Erläuterung der Wahrscheinlichkeitsprädikate vermissen lassen und die Darstellung gegebener Zweifel zu Ausschlussmerkmalen verabsäumt. Wenn aber Zweifel angezeigt seien, müsse der Gutachter diese Zweifel auch deutlich machen. Stattdessen habe der Sachverständige jegliche Zurückhaltung aufgegeben und eine nahezu 100%ige Wahrscheinlichkeit der Täteridentität assistiert. Der Beklagte habe somit naheliegende und von dem wissenschaftlichen Standard gebotene Überlegungen nicht beachtet. Dieser Fehlerhaftigkeit komme objektiv ein besonderes Gewicht zu, da vom Ergebnis des Vergleichsgutachtens entscheidend abhing, ob der Kläger eine mehrjährige Freiheitsstrafe zu verbüßen hat. Es sei eine wichtige Aufgabe des Sachverständigen, die Grenzen der anthropologisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich zu machen.
Insgesamt hielt der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,- Euro als billige Geldentschädigung für 1973 Tage zu Unrecht erlittener Haft für angemessen.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 2. Oktober 2007 - Az: 19 U 8/2007
Pressesprecher des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main: Dr. Wolfgang Weber
Frankfurt/Main (ddp). Für eine zu Unrecht verbüßte Haftstrafe
erhält ein Hausmeister aus Bayern ein Schmerzensgeld in Höhe von 150 000 Euro. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main verurteilte einen Sachverständigen am Dienstag zu der Zahlung, weil er den heute 50-Jährigen mit seinem Gutachten fälschlicherweise schwer belastet hatte. Der Mann hatte wegen eines vermeintlichen Banküberfalls acht Jahre in Haft gesessen.
Bei dem Überfall im März 1991 hatte eine Überwachungskamera den Täter erfasst. Vor dem Landgericht Nürnberg identifizierte ein Anthropologe den Mann dann fälschlicherweise als den Täter und führte aus, dass «keinerlei Zweifel» bestünden. Erst nach Verbüßung der langjährigen Haftstrafe klärte sich der Irrtum auf.
Der Mann hatte daraufhin von dem Gutachter ein Schmerzensgeld in Höhe von gut 311 000 Euro gefordert. In erster Instanz hatte das Landgericht Hanau dem 50-Jährigen daraufhin 57 000 Euro zugesprochen. Beide Seiten legten jedoch Berufung ein.
Das OLG hielt ein Schmerzensgeld von 150 000 Euro für die zu Unrecht erlittene Haft für angemessen. Das Gutachten des Sachverständigen sei «grob fahrlässig fehlerhaft» gewesen, da der Fachmann in seiner Einschätzung vor Gericht «jegliche Zurückhaltung» aufgegeben habe. Ein Gutachter müsse aber mögliche Zweifel und die Grenzen der anthropologisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich machen. Eine Revision gegen das Urteil ließ das OLG nicht zu.
(Az:19 U8/2007)
Siehe auch:
Vorsicht, Justizirrtum!
Interview bei Maischberger:
SENDUNG VOM DIENSTAG, 17. MAI 2005, 23.00 UHR
Vorsicht, Justizirrtum!
* Sendung vom 17.05.2005:
Rolf Bossi (Bild: WDR/Thomas Ernst)
Rolf Bossi (81)
"Die deutschen Strafgerichte sind so ungerecht, dass man die Urteile auch auswürfeln könnte," sagt Rolf Bossi, Deutschlands bekanntester Strafverteidiger. Justizirrtümer seien demnach "sozialstaatlich sanktionierte Kunstfehler".
In seinem aktuellen Bestseller "Halbgötter in Schwarz" geißelt der 81-Jährige, der sich in den Mordprozessen gegen Jürgen Bartsch oder Ingrid van Bergen einen Namen machte, die Willkür deutscher Richter. Er räumt zwar ein, dass 95 Prozent der Vorsitzenden saubere Arbeit ablieferten – die restlichen fünf Prozent stellten allerdings ein Problem dar.
In "Menschen bei Maischberger" spricht Bossi über mögliche Verbesserungen des deutschen Rechtssystems und seine persönlichen Erfahrungen mit Fehlurteilen.
http://www.daserste.de/maischberger/sendung_dyn~uid,m0tyle1asjq95xc4eppgk4vq~cm.asp
Schülerin verliert nach OP-Fehler Bein: 200 000 Euro Schmerzensgeld
Mittwoch, 10. Dezember 2008
Operation
Bochum (dpa/lnw) - Einer 13 Jahre alten Schülerin, die nach einer Blinddarm-Operation ein Bein verloren hat, ist vom Landgericht Bochum 200 000 Euro Schmerzensgeld zuerkannt worden. Bei der Operation hatten die Ärzte die Bauchhauptschlagader getroffen. In der Folge wurde das Bein nicht mehr richtig durchblutet und musste abgenommen werden. Wie der Anwalt betonte, habe aus Sicht der Pathologie nicht einmal eine Blinddarmentzündung vorgelegen. Das evangelische Krankenhaus Herne hatte zunächst 75 000 Euro gezahlt. Am Mittwoch einigten sich die Parteien auf einen Vergleichsvorschlag, der die Zahlung weiterer 125 000 Euro beinhaltet. Nach Angaben des Gerichts hat das Krankenhaus aber noch ein Widerrufsrecht bis Anfang Januar (Az.: 6 O 259/08).
http://www.justiz.nrw.de/index.php
Ilse Bretschneider
Diplom-Psychologin
".."
Landgericht Hagen, 2 O 627/04, Beschluss vom 16.10.2007
05. Oktober 2007 - Pressemitteilung 343/07
Schmerzensgeld für Beleidigung nur ausnahmsweise
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Beleidigungen im Rahmen eines Nachbarstreits ein Schmerzensgeld rechtfertigen
Kurzfassung
Wenn sich Nachbar(inne)n in die Haare geraten, fliegen mitunter zumindest verbal die Fetzen. Schmerzensgeld können Streithähne und -hennen, die sich vom Gegenüber beleidigt fühlen, jedoch regelmäßig nicht verlangen. Ein solcher Anspruch besteht nämlich nur bei einer objektiv erheblichen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts.
Das entschieden Amtsgericht und Landgericht Coburg und versagten der Klage einer Beleidigten auf Schmerzensgeld in Höhe von 1.250 € den Erfolg. Auch wenn bei einem länger andauernden Nachbarschaftsstreit Beleidigungen keine adäquate Reaktion auf Provokationen seien, bestehe jedenfalls dann kein unabwendbares Bedürfnis für ein Schmerzensgeld, wenn es wegen des Wegzugs einer Partei an der Wiederholungsgefahr fehle.
Sachverhalt
Die beiden Kontrahentinnen bewohnten unterschiedliche Etagen im selben Haus. Of-fensichtlich waren sie sich schon seit Längerem nicht mehr grün. Als sich dann die Eine über die vermeintliche Ruhestörung der Anderen echauffierte, kam es zum Disput. Mit „Abschaum“, „Klauerin“ und „blöde Kuh“ soll die angeblich Lärmende dabei tituliert worden sein. Die erstattete daraufhin nicht nur Strafanzeige, sondern meinte auch, von ihrer Rivalin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.250 € beanspruchen zu können.
Gerichtsentscheidung
Amtsgericht und Landgericht Coburg waren anderer Auffassung. Eine Beleidigung rechtfertige – unabhängig von der strafrechtlichen Ahndung – nur ausnahmsweise einen Schmerzensgeldanspruch. Voraussetzung sei ein schwerer Eingriff in den Eigenwert der Persönlichkeit und ein unabwendbares Bedürfnis für eine Schmerzensgeldzahlung. Ob das der Fall sei, hänge von Bedeutung und Tragweite des verbalen Angriffs und damit unter anderem von Nachhaltigkeit und Fortdauer der Rufschädigung, Beweggrund des Handelnden und dem konkreten Anlass ab. Hier habe es sich um eine länger an-dauernde Nachbarstreitigkeit gehandelt und lediglich eine Freundin der Klägerin habe das verbale Scharmützel mitbekommen. Auch der Anlass – Ärger der Beklagten über Ruhestörung – müsse berücksichtigt werden, selbst wenn die Beklagte natürlich nicht adäquat hierauf reagiert habe. Und schließlich wohnten beide inzwischen nicht mehr unter einem Dach.
Fazit
Damit ist nun jedenfalls zwischen diesen beiden Damen Ruhe – Funkstille herrschte ohnehin schon länger.
(Amtsgericht Coburg, Urteil vom 25. Mai 2007, Az. 12 C 1793/06; Landgericht Coburg, Hinweisverfügung vom 27. August 2007, Az: 33 S 60/07; rechtskräftig)
http://www.justiz.bayern.de/gericht/lg/co/presse/archiv/2007/00893/
Schmerzensgeld wegen unfreiwilliger Beschneidung eines Jungen
Die im muslimischen Lebens- und Kulturkreis übliche Beschneidung von Jungen stellt ohne wirksame Einwilligung in die Vornahme des ärztlichen Eingriffs eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und rechtswidrige Körperverletzung dar, die ein Schmerzensgeld rechtfertigen kann. Dies hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main jetzt in einem Prozesskostenhilfeverfahren entschieden.
Der Antragsteller begehrte Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er seinen Vater wegen seiner im 12. Lebensjahr veranlassten Beschneidung auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 Euro in Anspruch nehmen will.
Die Eltern des Antragstellers sind geschieden. Der Antragsteller wohnt bei seiner Mutter, die auch das alleinige Sorgerecht für ihn hat. Zum fraglichen Zeitpunkt verbrachte er jedoch die Ferien bei seinem Vater, einem streng gläubigen Moslem. Auf dessen Veranlassung hin wurde der Junge von einem Arzt beschnitten. Die Mutter, die nicht Muslima ist, hatte die Beschneidung stets abgelehnt.
Der Prozesskostenhilfeantrag hatte in 2. Instanz Erfolg, weil dem Antragsteller ein Entschädigungsanspruch wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und rechtswidriger Körperverletzung zustehen könne. Sein Vater habe den nicht einsichts- und nicht einwilligungsfähigen Jungen bewogen, sich der Beschneidung zu unterziehen, ohne Inhaber des elterlichen Sorgerechts zu sein und damit rechtswidrig in dessen Selbstbestimmungsrecht eingegriffen. Dabei lässt der Senat ausdrücklich offen, ob generell und bis zu welchem Alter die Einwilligung zu einer Beschneidung durch muslimische Eltern als vom Erziehungs- und Sorgerecht umfasst angesehen werden könnte. Die Beschneidung könne, auch wenn sie keine gesundheitlichen Nachteile mit sich bringe, im Einzelfall für das kulturell-religiöse und körperliche Selbstverständnis des Betroffenen von Bedeutung sein. Die Entscheidung hierüber falle deshalb in den Kernbereich des Rechts einer Person, über sich und ihr Leben zu bestimmen. Die Zubilligung eines Schmerzensgeldes setze nicht voraus, dass der Antragsteller tatsächlich körperliche oder seelische Nachteile erlitten habe oder erleiden werde. Angesichts der Schwere der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes rechtfertige allein schon die Genugtuungsfunktion eine Geldentschädigung. In welcher Höhe ein Schmerzensgeld letztlich gerechtfertigt sei, hänge
davon ab, ob und inwieweit der Antragsteller langfristig körperliche oder seelische Nachteile erleide oder, wie er behauptet, wegen seiner Andersartigkeit von gleichaltrigen verspottet werde. Diese Umstände bedürfen nach Auffassung des Senats noch der Darlegung im Einzelnen. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die Beschneidung im Allgemeinen für die Sexualität des Mannes keine Bedeutung habe und der Antragsteller noch darlegen müsse, worin gerade für ihn in der Beschneidung ein Leiden liege. Über die endgültige Höhe des Schmerzensgeldes ist daher nunmehr im Klageverfahren zu befinden.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. August 2007 - Az: 4 W 12/07
Die Entscheidung ist in der Landesrechtsprechungsdatenbank (www.rechtsprechung.hessen.de) abrufbar.
Pressesprecher des Oberlandesgerichts: Dr. Wolfgang Weber
Kommentar Väternotruf:
Während die genitale Verstümmelung bei Mädchen mittlerweile in Deutschland geächtet ist, wird die genitale Verstümmelung von Jungen noch immer als eine Art Kavaliersdelikt oder tolerierbares Brauchtum angesehen, dass der freien Verfügbarkeit sorgeberechtigter Eltern anheim gestellt ist. Nur wenn diese Verstümmelung durch einen staatlich entsorgten Vater veranlasst wird, bequemt man sich am Oberlandesgericht Frankfurt am Main mal aus dem bequemen Sessel seiner antiquierter ethischen Vorstellungen.
Genitale Verstümmelungen an Jungen sind in Deutschland nach wie vor erlaubt, allerdings nur dann wenn diese vom sorgeberechtigten Elternteil veranlasst werden. Die Deutschen waren schon immer ein Bürokratenvolk, dem die Form wichtiger war und ist als der Inhalt.
Kind verhungert: Tödliche Ignoranz im Jugendamt
Bundesgerichtshof entscheidet heute über Mitverantwortung von Behörde
Von Catrin Barnsteiner und Michael Mielke
Ein Kind verhungert, zwei sind lebensgefährlich unterernährt. Die Pflegeeltern werden wegen Mordes verurteilt. Kontrolliert hatte sie das Jugendamt nicht. Dagegen klagt jetzt ein Opfer
Beutelsbach - Es gibt eine Geschichte über das Ende von Alexander: Kurz bevor das Kind starb, wollte es Leberwurstbrot essen. Und Milch aus der Babyflasche trinken. Es fror. Sein Pflegevater, ein angehender Waldorfpädagoge, soll sich zu ihm gelegt haben. Seine Pflegemutter machte sich Sorgen, ob Leberwurstbrot und Milch nicht vielleicht zuviel durcheinander für den Jungen wären. Wenige Stunden später war das Kind tot. Verhungert. Sein Bruder Alois und Andreas, ein weiteres Pflegekind, überlebten.
Andreas klagt gegen das Jugendamt, aber er wird vor dem Bundesgerichtshof nicht erscheinen. Es gibt nur Fotos, die im November 1997 von der Polizei gemacht wurden. Heute ist Andreas 15 Jahre alt, als er acht war, hatte er das Gesicht eines Greises und wog gerade mal 11,8 Kilogramm. Der Chefarzt der Kinderklinik in Waiblingen sagte damals, er habe "in der Bundesrepublik solche Kinder noch nicht gesehen. Haut und Knochen, eingesunkene Wangen, eingesunkene Gesäße." Er mußte an Bilder aus Somalia oder Biafra denken.
Der Kriminalfall im schwäbischen Beutelsbach, unweit von Stuttgart, ist nun sogar Thema eines Zivilsenats des Bundesgerichtshofs geworden - aber hinter diesem Fall stehen weitreichende Fragen: Wie weit soll die Kontrolle des Jugendamts bei Pflegefamilien gehen? Wieviel Kontrolle ist nötig, damit die Kinder sich als vollintegrierte Familienmitglieder entwickeln können, ohne ständig an ihre Besonderheit erinnert zu werden?
Professor Wolfgang Krüger, Sprecher des Bundesgerichtshofs, spricht von einem Präzedenzfall. Der Fall nun, das sind drei Jungen, die in einer Pflegefamilie lebten. Alexander, fünf Jahre alt, starb dort an Hunger. Sein Bruder Alois - er war sechs Jahre alt und wog nur zehn Kilogramm - und Andreas konnten gerettet werden. Für die Pflege der Jungen hatten die damals 33 Jahre alte Kinderpflegerin Ulrike R. und ihr 39 Jahre alte Ehemann Klaus R. monatlich knapp 1700 Euro erhalten. Außerdem gab es so genannte Tageskinder; an manchen Tagen waren es bis zu acht. Bei dem Strafprozeß gegen die Pflegeeltern waren 1999 dann die Details ans Licht gekommen: Alois, Andreas und Alexander bekamen nur trockenes Brot und Wasser. Einer der Jungen, so heißt es, sei einmal nachts weggelaufen, um in einer Gaststätte um Reste zu betteln. Auch im Mülleimer seiner Schule wühlte er nach Essensresten. Wenn Besuch kam, mußten sie sich in einem abgedunkelten Raum aufhalten. Schließlich, im Sommer 1997, wenige Monate vor dem Tod des kleinen Alexander, wurden sie von den Nachbarn gar nicht mehr gesehen.
Ganz anders erging es den drei leiblichen Kindern der Familie: Sie hatten Computer, Hifi-Anlagen und zwei Pferde. Sie waren gesund. Als Alexander starb, waren seine Augen verdreht, sein Bauch gebläht, er konnte nicht mehr sprechen, sich kaum noch rühren. Und als am 27. November 1997 dann schließlich doch ein Rettungsarzt gerufen wurde, war es zu spät.
Beutelsbach in Baden-Württemberg, 8000 Einwohner, direkt in den Weinbergen gelegen. Das Haus, in dem die Familie damals wohnte, ist zweistöckig und liegt hinter einem Garten. Es ist ein großes Haus mit einem großartigen Ausblick - und es ist ein Schandfleck für die Nachbarschaft. Weil es die Nachbarn immer wieder daran erinnert, was war.
Sehr geschickt sei die Pflegemutter gewesen, heißt es im ersten Prozeß: Mißtrauischen Fragern erzählte sie, die leiblichen Eltern der Kinder wären Alkoholiker. Ja, mit dem Essen täten sie sich auch schwer, die Buben. Ein Schwurgericht in Stuttgart verurteilte das Ehepaar im Juni 1999 zu lebenslänglichen Gefängnisstrafen. Ein Verdeckungsmord. Die Pflegeeltern hätten trotz des katastrophalen Zustands des kleinen Alexander einen Arztbesuch vermieden, um die jahrelangen Mißhandlungen der Pflegekinder zu vertuschen. Die Mutter sagte aus, sie wäre mit den Kindern nicht mehr zu Recht gekommen und hätte sie durch Essensentzug disziplinieren wollen.
In der Regel wird mit so einem Urteil, das vom Bundesgerichtshof ja auch bestätigt wurde, die Akte geschlossen. In diesem Fall gab es jedoch zunächst parallel ein Strafverfahren gegen Mitarbeiter des Jugendamtes des Rems-Murr-Kreises wegen fahrlässiger Tötung. Die Verteidiger von Ulrike und Klaus R. hatten den öffentlich Bediensteten vorgeworfen, sich nach der Vermittlung der Kinder in die Pflegefamilie nicht mehr genügend um die verhaltensgestörten Jungen gekümmert zu haben. Wie hoch der Grad der Unkenntnis über den Zustand der Pflegefamilie war, hatte sich in dem Strafprozeß gegen die Pflegeeltern gezeigt. Eine Mitarbeiterin des Waiblinger Jugendamtes sprach von einer "Musterfamilie", die "einen sehr geordneten, sehr harmonischen Eindruck" vermittelt habe. Das Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter des Jugendamtes wurde dann auch - wie zumeist in derartigen Fällen - eingestellt. Doch ein Anwalt zog vor ein Zivilgericht und forderte im Namen des einstigen Pflegekindes Andreas vom Jugendamt wegen Verletzungen der Amtspflicht Schmerzensgeld, außerdem die Anerkennung der Zuständigkeit des Amtes für künftige materielle und immaterielle Schäden. Und er gewann: Eine Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart sprach dem Jungen am 7. März 2003 ein Schmerzensgeld in Höhe von 25 000 Euro zu und bestätigte die Haftung des Jugendamtes für künftige Schäden. Doch auch die nächste Instanz, der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart, wies die Berufung zurück. Mit der Begründung, die Mitarbeiter des Jugendamtes hätten nach Umzug der Pflegefamilie 1993 aus Hof in den Rems-Murr-Kreis sofort Kontakt aufnehmen und sich über die Lebensumstände des Jungen persönlich informieren müssen.
Heute soll dieser Fall vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe nun höchstrichterlich entschieden werden. Es könnte ein Urteil mit Folgen werden.
Berliner Morgenpost 14.10.2004
Donnerstag, 11. Dezember 2003
SERBIEN/NATO
Sanjas Mutter und ein Rechtsprinzip
Andreas Förster
"Zwei Bilder werde sie nie mehr los, erzählt Vesna Milenkovic. Den strahlenden Morgen an jenem 30. Mai 1999, an dem ihre Tochter Sanja, herausgeputzt in weißer Hose, rosa Hemd und weißen Sportschuhen, das Haus verlässt, um im vier Kilometer entfernten Varvarin die Kirche und den Wochenmarkt zu besuchen. Und die rasende Fahrt im Krankenwagen wenige Stunden später: Ihre Tochter, lebensgefährlich verletzt von den Schrapnellen mehrerer Nato-Flugzeugraketen, liegt bewusstlos auf dem Bauch. Es ist das letzte Mal, dass Vesna sie lebend sieht. Im Krankenhaus stirbt Sanja. Sie ist 15 Jahre alt geworden.
Unzählige Male hat Vesna Milenkovic aus der serbischen Kleinstadt Varvarin diese Geschichte erzählt. Auch in Deutschland - auf Pressekonferenzen, in politischen Veranstaltungen, bei "Maischberger" und im Magazin Spiegel sprach sie von dem Nato-Krieg gegen Jugoslawien und dem schrecklichen Tag, an dem sie die geliebte Tochter verlor.
Am Mittwoch saß Vesna Milenkovic zusammen mit ihrem Mann, dem Varvariner Bürgermeister, im Bonner Landgericht. Und wieder kommen die Bilder jenes Pfingstsonntags vor viereinhalb Jahren in ihr hoch. Denn das Gericht hat darüber zu entscheiden, ob die Bundesrepublik als Kriegspartei für den Angriff der Nato-Kampfflugzeuge auf die Brücke von Varvarin in Haftung genommen werden kann. Außer Sanja waren damals neun weitere Zivilisten getötet worden, 17 Menschen erlitten schwerste Verletzungen.
Die Nato hatte in einer Erklärung nach dem Bombardement von einer "Autobahnbrücke" in Varvarin gesprochen, die als "Hauptkommunikationslinie" im Krieg gegen Jugoslawien ein "vorgesehenes, legitimes Ziel" war. In Wirklichkeit war die an diesem Tag von Nato-Kampfflugzeugen mit "präzisionsgelenkten Waffen" zerstörte Brücke nur viereinhalb Meter breit und für Militärtransporte wegen ihrer geringen Tragfähigkeit ungeeignet.
Der Angriff auf die Brücke sei daher ein Kriegsverbrechen gewesen, weil bewusst unschuldige Opfer in Kauf genommen wurden, sagen Vesna und weitere 34 Kläger aus Varvarin. Weder der Richter noch die Vertreter der Bundesregierung gingen in der Verhandlung vor dem Landgericht auf diesen Vorwurf ein. Dennoch lehnten die Richter am Mittwoch einen Anspruch der Hinterbliebenen und Verletzten auf Schadenersatz ab. Dabei hatten die 35 Varvariner gerade mal eine Million Euro Wiedergutmachung für ihren erlittenen Schmerz verlangt.
In dem Rechtsstreit aber geht es vor allem ums Prinzip. "Nicht der einzelne Bürger, sondern allenfalls dessen Heimatstaat kann Anspruch auf Schadenersatz erheben", doziert der Vorsitzende Richter Heinz Sonnenberger. Zwar zeigt er sich ehrlich erschüttert von den der Klageschrift beigefügten grausamen Bildern des Luftangriffs. Doch bei allem Mitgefühl erlaube die Rechtslage nur eine Abweisung der Klage: "Zivilgerichte können Rechtsfolgen nicht lösen."
Vesna Milenkovic ist enttäuscht, aber nicht überrascht von dem Urteil. Sie und die anderen Kläger wollen den Instanzenweg weitergehen. Und die Hoffnung nicht aufgeben: "Wir erwarten, dass das nächste Gericht ein gerechteres Urteil spricht", sagt sie."
Berliner Zeitung
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/299700.html
Zu Risiken und Nebenwirkungen von Bombenangriffen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker - oder Sie bleiben am besten im Keller zu Hause.
Mit freundlichem Gruß
Ihre
Bundesrepublik Deutschland
Schmerzensgeld bei übermäßigen Verzehrs des von Masterfood hergestellten Schokoriegels Mars
Wilfried Wilhelm Woltz (geb. 1942 in Jülich) - Vorsitzender Richter am Landgericht Mönchengladbach (ab 26.11.1987, ..., 2007) - ab 1976 im richterlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. 1979 zum Richter am Landgericht Mönchengladbach ernannt. War im Handbuch der Justiz 2002 ab 26.11.1987 als Vorsitzender Richter am Landgericht Mönchengladbach aufgeführt. im Jahr 2002 Klage des damaligen Vizepräsident am Landgericht Neubrandenburg vor der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach gegen die Viersener Firma Masterfood, der er vorwarf, er sei wegen des übermäßigen Verzehrs des von Masterfood hergestellten Schokoriegels Mars an Diabetis erkrankt. Die auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage wurde abgewiesen - siehe Pressemittelung des Landgerichts Mönchengladbach vom 31.01.2007 - http://www.lg-moenchengladbach.nrw.de/presse/archiv_mitteilungen/index.php
Hans Josef Brinkmann (geb. zensiert durch Anordnung des "Berliner Beauftragten für Datenschutz" 1955) - Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Rostock / 4. Zivilsenat (ab 08.09.2004, ..., 2011) - im Handbuch der Justiz 2002 ab 12.09.1994 als Vizepräsident am Landgericht Neubrandenburg aufgeführt. Im Handbuch der Justiz 2008 ab 08.09.2004 als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Rostock - beurlaubt - aufgeführt. Im GVP 01.02.2008 Oberlandesgericht Rostock nicht aufgeführt,. Möglicherweise identisch mit dem Vizepräsident am Landgericht Neubrandenburg der im Jahr 2002 vor der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach gegen die Viersener Firma Masterfood klagte, der er vorwarf, er sei wegen des übermäßigen Verzehrs des von Masterfood hergestellten Schokoriegels Mars an Diabetis erkrankt. Die auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage wurde abgewiesen - siehe Pressemittelung des Landgerichts Mönchengladbach vom 31.01.2007 - http://www.lg-moenchengladbach.nrw.de/presse/archiv_mitteilungen/index.php