Sondergericht Innsbruck
Eduard Dreher
Eduard Dreher (* 29. April 1907 in Rockau (heute
Ortsteil von Dresden); † 13. September 1996 in Bonn)[1] war ein deutscher
Jurist und hoher Ministerialbeamter in der frühen Bundesrepublik Deutschland.
Zur Zeit des Nationalsozialismus war Dreher erster Staatsanwalt am Sondergericht
Innsbruck und stieg in den 1960er Jahren zu einem der einflussreichsten
westdeutschen Strafrechtler auf. Dreher ist durch seinen Kommentar zum
Strafgesetzbuch bekannt geworden.
Leben [Bearbeiten]
Dreher war Sohn des Dresdner Kunstakademie-Professors
Richard Dreher. Er besuchte die Kreuzschule und studierte von 1926 bis 1929 in
Wien, Kiel, Berlin und Leipzig Rechts- und Staatswissenschaften. Nach dreijährigem
Vorbereitungsdienst in Dresden schloss er 1933 seine juristische Ausbildung ab,
ein Jahr zuvor hatte er bei Hermann Jahrreiß in Leipzig promoviert.[2] Am 1.
Mai 1937 trat er der NSDAP bei.[3] Von 1938 bis Kriegsende war Dreher
Staatsanwalt in Leipzig, Dresden und Innsbruck. 1943 wurde er zum Ersten
Staatsanwalt des Sondergerichts in Innsbruck befördert, wo politische Gegner
juristisch „ausgeschaltet“ wurden. Zudem war er stellvertretender
Generalstaatsanwalt.[1] Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam er nach zwei
Jahren als Rechtsanwalt in Stuttgart 1951 in das Bundesministerium der Justiz
zur Abteilung II für Strafrecht und Verfahren. Er wurde Generalreferent im
Bundesjustizministerium für die "Große Strafrechtsreform" und war
Herausgeber des bekannten Kommentars von Schwarz-Dreher, später Dreher, dann
Dreher-Tröndle.
Sondergericht Innsbruck [Bearbeiten]
Außerhalb des juristischen Fachpublikums wurde er durch
die insbesondere durch die im Braunbuch der DDR publizierten Vorwürfe bekannt.
Bereits im Mai 1957 legte ihm der Ausschuss für Deutsche Einheit seine Tätigkeit
als Erster Staatsanwalt am Sondergericht Innsbruck zur Last. In der Verhandlung
des Sondergerichts Innsbruck am 15. April 1942 beantragte Staatsanwalt Dreher
gegen die österreichische Hausiererin Karoline Hauser die Todesstrafe. Frau
Hauser hatte von einem Altstoffhändler Kleiderkarten gekauft, die dieser zum
Einstampfen geben sollte. Das Sondergericht folgte dem Antrag Drehers nicht. Es
verurteilte Frau Hauser zu 15 Jahren Zuchthaus. Dreher genügte das nicht und
erhob die Nichtigkeitsbeschwerde. Das Reichsgericht hob das Urteil auf und
verwies nochmals zurück. Am 14. August 1942 beantragte Dreher wieder die
Todesstrafe. Das Sondergericht folgte wieder nicht seinem Antrag und verblieb im
selben Strafmaß. Dreher ließ die Angeklagte in ein Arbeitserziehungslager
verbringen, was in der Sache einem Konzentrationslager entsprach (Aktenzeichen:
KLS. 37/42). Ein weiteres Opfer ist der Gärtner Josef Knoflach. Auf Antrag
Drehers verhängte das Sondergericht Innsbruck das Todesurteil, weil er ein
Fahrrad unbefugt benutzt hatte und einige Lebensmittel entwendete.
Bundesjustizministerium [Bearbeiten]
Obschon Dreher oft angegriffen wurde, machte er von 1951
bis 1969 Karriere im Bundesjustizministerium. Zunächst war Dreher zwischen 1951
und 1966 Leiter des Referates für Sachliches Strafrecht. Ab 1954 war zuständig
für die Strafrechtsreform. Zusätzlich zu diesem Generalreferat war er von 1954
bis 1961 Leiter des Referates für das Strafgesetzbuch, Allgemeiner Teil, 1961
bis 1969 (bis 1966 zusätzlich) Leiter der Unterabteilung II A.
Fatal war seine Rolle in der Frage in der Verjährung
der Beihilfe zum Mord. Das betraf vor allem die Angeklagten in den NS-Prozessen.
Die waren nach ständiger Rechtsprechung wenn dann nur Gehilfen der Täter
Hitler, Himmler und Heydrich. Dreher zeigte sich auch hier als qualifizierter
Jurist. Im Oktober 1968 ist das sogenannte Einführungsgesetz zum
Ordnungswidrigkeitengesetz (EGOWiG) in Kraft getreten. Artikel 1 Ziffer 6 (§ 50
Abs. 2 StGB a.F:) „Fehlen besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse
oder Umstände (besondere persönliche Merkmale), welche die Strafbarkeit des Täters
begründen, beim Teilnehmer [an der Mordtat], so ist dessen Strafe nach den
Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs zu mildern." Dementsprechend
reduzierte sich auch das für dieses Delikt vorgesehene Strafmaß und - anders
als heute § 78 - die damit verknüpfte Verjährungsfrist von 20 Jahre auf 15
Jahre. Da man aber Taten mit einer Höchststrafe von 15 Jahren am 8. Mai 1960
hatte verjähren lassen, waren die Verbrechen sämtlicher Nazi-Mordgehilfen auf
einen Schlag rückwirkend seit 1960 verjährt[4] (Der Beginn der Verjährung
eines Mords wurde in der Verjährungsdebatte 1965 auf das Jahr 1949 verlegt).
Diese gesetzgeberische Tat ging auf den
Ministerialdirigenten Dreher zurück.[5] Allerdings ist zu berücksichtigen,
dass ähnlich auch beim Alternativentwurf 1966 vorgegangen wurde.[6] Der 5.
Strafsenat des Bundesgerichtshofes beschloss am 20. Mai 1969 (BGH NJW 1969, 1181
ff.) in einem Grundsatzurteil im ersten Verfahren einer großangelegten
Prozessserie um das Reichssicherheitshauptamt (RSHA), dass „solche Beihilfe
zum Mord nach der neuen Fassung des § 50 Abs. 2 StGB [...] verjährt“. Dies
hatte zur Konsequenz, dass Art. 1 Ziff. 6 EGOWiG zu einer „verschleierten
Amnestie für den größten Teil der Gehilfen bei nationalsozialistischen
Gewaltverbrechen“ führte.[7]
Werke [Bearbeiten]
Er war Kommentator des Strafgesetzbuches in der Reihe
der Beckschen Kurzkommentare von 1961 bis 1977 (23.-37. Auflage). Das Werk gilt
als Standardwerk, wurde von Tröndle weitergeführt, firmiert heute unter
Fischer.
Literatur [Bearbeiten]
Ernst
Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007.
ISBN 978-3-596-16048-8. (Aktualisierte 2. Auflage)
Hans-Heinrich
Jescheck, Hans Lüttger (Hrsg.): Festschrift für Eduard Dreher zum 70.
Geburtstag. De Gruyter, Berlin 1977. ISBN 3-11-005988-6. (1. Auflage)
Einzelnachweise [Bearbeiten]
↑
a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007,
S. 118.
↑
Hans-Heinrich Jescheck, Hans Lüttger (Hrsg.): Festschrift für Eduard Dreher
zum 70. Geburtstag, Berlin 1977, S. 1 f.
↑
Helmut Kramer: "Eduard Dreher: Vom Sondergerichtsdezernenten zum führenden
Strafrechtler der Bundesrepublik", in: Justizministerium NRW (Hrsg.):
"Zwischen Recht und Unrecht. Lebensläufe deutscher Juristen",2004, S.
101ff..
↑
Ingo Müller: "Der strafrechtliche Umgang mit der NS-Vergangenheit"
Infobrief Nr. 94 (2005) des RAV
↑
Marc von Miquel: "Ahnden oder amnestieren? : westdeutsche Justiz und
Vergangenheitspolitik in den sechziger Jahren", Göttingen 2004, S. 333ff.
↑
Marc von Miquel: "Ahnden oder amnestieren? : westdeutsche Justiz und
Vergangenheitspolitik in den sechziger Jahren", Göttingen 2004, S. 327.
↑
Hubert Rottleuthner, Rechtshistorisches Journal 2002, Seite 665ff.
Weblinks [Bearbeiten]
Literatur
von und über Eduard Dreher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Eduard
Dreher im Braunbuch der DDR
http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Dreher