Sorgerechtskriterien


 

Obwohl der Entzug der elterlichen Sorge unterhalb der Eingriffsschwelle des §1666 BGB einen unzulässigen Eingriff in das verfassungsrechtlich gesicherte Elternrecht darstellen dürfte, werden vielen Eltern (meist dem Vater) in der familiengerichtlichen Praxis noch immer nach §1671 BGB das Sorgerecht entzogen. Zur Legitimierung dieser Art des "legalen" Sorgerechtsentzugs werden häufig sogenannte "Sorgerechtskriterien" herangezogen. Als "Sorgerechtskriterien" werden qualitative Kriterien wie z.B. Kontinuität, Wille des Kindes, Bindung und Beziehung des Kindes zu den Eltern, Erziehungsfähigkeit, Erziehungsstil, Förderkompetenz, Betreuungsmöglichkeiten, Betreuungskompetenz, Bindungstoleranz und Kooperationsfähigkeit der Eltern gezählt. 

Vor der Kindschaftsrechtsreform wurden diese Kriterien rigide für die Selektion des "besseren Elternteils" bei der "Zuteilung" der alleinigen Elterlichen Sorge benutzt. Aber auch heute werden sie noch dazu benutzt, wenn auch nicht mehr so flächendeckend wie früher. 

Bezeichnenderweise spielen all diese schönen Kriterien, die angeblich so wichtig sind, plötzlich keine Rolle mehr, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Da kann die Mutter hochgradig neurotisch sein und gravierende Bindungsstörungen zum Kind aufweisen, sie hat trotzdem das alleinige Sorgerecht und die verantwortlichen Politiker/innen finden das auch gut so. An diesem Beispiel zeigt sich, dass es aktuell in der Politik wie auch im praktizierten Kindschaftsrecht mehr um ideologische Ansichten, als denn wirklich um das Kindeswohl geht.

Zum Glück wird heute nicht mehr ganz so unverantwortlich wie früher einem "sorgeberechtigten" Elternteil das Sorgerecht entzogen. Doch auch wenn die Frage steht, bei welchem Elternteil soll das Kind leben (Residenzmodell), werden obengenannte Kriterien herangezogen. Die Kriterien sind nirgendwo gesetzlich fixiert, sind aber eine relativ stark verfestigte Rechts- und Expertenmeinung. Und natürlich muss bei einer Trennung und widerstreitenden Standpunkten der Eltern eine Regelung gefunden werden, bei der das Kind nicht auf der Strecke bleibt. Dass das mitunter eine Regelung ist, die weniger mit dem Kindeswohl zu tun hat, als mit den Bedürfnissen der beteiligten Erwachsenen einschließlich der Richter und Sozialarbeiter, bleibt in der Praxis bedauerlicherweise nicht aus.

Wenn man davon ausgeht, dass ein Kind ein Recht darauf hat, dass ihm seine Eltern nach einer Trennung als kompetente Eltern erhalten bleiben, ist ein Sorgerechtsentzug unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung nach §1666 BGB nicht akzeptabel und dient wohl eher der Beruhigung der beteiligten Professionellen, die sich damit vorgaukeln, mit dem Entzug des Sorgerechts für den einen Elternteil, meist dem Vater, wäre das Kindeswohl nun gesichert. Das gehört vermutlich in den Bereich der Wunschträume, nicht desto trotz oder gerade deswegen hält es sich erstaunlich gut in Richterstuben und Jugendamtszimmern. Und so haben auch heute noch psychologische Gutachter alle Hände voll zu tun, mit Hilfe der "psychologischen  Sorgerechtskriterien" den besseren Elternteil zu selektieren.

Einer unserer Leser hat sich die Mühe gemacht eine Checkliste für das Sorgerecht aufzustellen. Der Mann und seine zuarbeitende Psychologin haben offenbar noch immer nicht verstanden, dass ein Kind ein Recht auf beide Elternteile hat und es Aufgabe des Staates ist, den Eltern in einer Krisensituation so zur Seite zu stehen, dass sie ihrer elterlichen Verantwortung wieder gerecht werden können. 

 

Wer ist der bessere Elternteil. Alter Wein in neuen Schläuchen

 

Post an den Väternotruf

 

"In dem Bemühen, Sorgerechtsentscheidungen transparenter zu machen, habe ich gemeinsam mit einer Dipl.-Psychologin eine "Checkliste zum Sorgerecht" erstellt und unter http://www.nilgens.com/sorge.htm online zugänglich gemacht.

 

Vielleicht ein Beitrag, beide Elternteile bei unterschiedlichen Fragen objektiver zu beurteilen ...

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Nilgens", 22.8.02

 

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hallo herr nilgens,

 

 

danke für ihre zusendung.

 

 

unsere position ist, dass ein sorgerechtsentzug nur im fall einer kindeswohlgefährdung akzeptabel ist.

 

 

von daher ist also nur zu prüfen, ob das kindeswohl gefährdet ist oder nicht, und ob ein sorgerechtsenzug die notwendige intervention zur sicherung des kindeswohls darstellt. es bedarf daher keiner überprüfung welcher elternteil wieviel punkte in einer checkliste bekommt, um, dann den angeblich besseren herauszufinden.

 

vaeternotruf.de

 

 

 


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