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Pressemitteilung

Nr. 52 vom 13. Juli 2011

Zivilprozesskosten sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar

Urteil vom 12.05.11 VI R 42/10

 

Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.

 

Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes können bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Außergewöhnliche Belastungen sind dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehende größere Aufwendungen, die über die der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehenden Kosten hinausgehen. Kosten eines Zivilprozesses hatte die Rechtsprechung bisher nur ausnahmsweise bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung anerkannt.

 

Mit dem Urteil vom 12. Mai 2011 hat der BFH diese enge Gesetzesauslegung aufgegeben und entschieden, dass Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen allerdings nur, wenn die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sei.

 

Im entschiedenen Fall war die Klägerin Anfang des Jahres 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem ihr Arbeitgeber (nach sechs Wochen) seine Gehaltszahlungen einstellte, nahm die Klägerin ihre Krankentagegeldversicherung in Anspruch. Nach rund einem halben Jahr wurde bei der Klägerin zusätzlich zur Arbeitsunfähigkeit auch Berufsunfähigkeit diagnostiziert. Aufgrund dieses Befundes stellte die Krankenversicherung die Zahlung des Krankentagegelds ein, weil nach Eintritt der Berufsunfähigkeit keine Verpflichtung zur Zahlung von Krankentagegeld mehr bestehe. Daraufhin erhob die Klägerin erfolglos Klage auf Fortzahlung des Krankengeldes. Die Kosten des verlorenen Zivilprozesses in Höhe von rund 10.000 € machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese Kosten jedoch nicht und wurde darin zunächst vom Finanzgericht (FG) bestätigt, denn die Klägerin lebe in intakter Ehe und könne auf ein Familieneinkommen von ca. 65.000 € "zurückgreifen".

 

Der BFH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und das Verfahren an das FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang sei zu prüfen, ob die Führung des Prozesses gegen die Krankenversicherung aus damaliger Sicht hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

http://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/druckvorschau.py?Gericht=bfh&Art=pm&nr=24054

 

 

 

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.5.2011, VI R 42/10

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen

Leitsätze

1. Zivilprozesskosten können Kläger wie Beklagtem unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen (Änderung der Rechtsprechung).

2. Unausweichlich sind derartige Aufwendungen jedoch nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

3. Zivilprozesskosten sind jedoch nur insoweit abziehbar, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Etwaige Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen.

Tatbestand

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I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

 

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 EUR nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

 

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 EUR (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

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Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

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Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

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Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

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Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009 11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 EUR als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

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Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

 

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II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

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a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

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b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

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2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

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a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990 2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

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b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

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c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

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d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 <Fünfter Existenzminimumbericht>, BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

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3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

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Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

http://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=pm&Datum=2011&nr=24056&linked=urt

 

 


 

 

 

Über 34 Milliarden Euro im vergangenen Jahr für Kindergeld ausgegeben

Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung Kindergeld im Umfang von 34,5 Milliarden Euro steuerlich vergütet. Darüber hinaus seien rund 106 Millionen Euro an Kindergeld ausgezahlt worden, teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/771) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (16/601) mit.

Für 2006 bis 2008 sei dafür ein Ansatz von jeweils 109 Millionen Euro im Haushalt eingeplant. Die durch die Kinderfreibeträge entstehenden Mindereinnahmen beziffert die Regierung auf rund 1,5 Milliarden Euro.

Steuermindereinnahmen und Zahlungen von Kindergeld zusammen werden sich danach in diesem Jahr auf rund 36,1 Milliarden Euro, im nächsten Jahr auf rund 36,2 Milliarden Euro und 2008 auf rund 36,3 Milliarden Euro summieren, so die Regierung.

Wie es weiter heißt, führt der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zu jährlichen Steuermindereinnahmen von 630 Millionen Euro, die Abziehbarkeit des Schulgeldes von etwa 30 Millionen Euro und die Steuerfreiheit der Arbeitgeberzahlungen für die Unterbringung und Betreuung nichtschulpflichtiger Kinder von rund 9 Millionen Euro jährlich.

Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen wirke sich steuerlich in Höhe von rund 960 Millionen Euro aus, wobei davon rund 120 Millionen Euro auf den Abzug des Unterhaltsfreibetrags zurückzuführen seien.

Die Ausgaben der öffentlichen Kassen für den Unterhaltsvorschuss werden mit rund 805 Millionen Euro angegeben. Der Ausbildungsfreibetrag schlägt nach Regierungsangaben mit rund 540 Millionen Euro zu Buche, während sich der Abzugsbetrag für eine Haushaltshilfe bei Krankheit oder schwerer Behinderung eines Kindes mit rund 300 Millionen Euro auswirkt.

Durch den Abzug von Behinderten-Pauschbeträgen entstünden Steuermindereinahmen von rund 900 Millionen Euro. Die Pflegepauschbeträge verringerten die Steuereinnahmen um rund 60 Millionen Euro. Der Abzug von Kinderbetreuungskosten belaufe sich auf 131 Millionen Euro.

Für Kinderzulagen im Rahmen der geförderten Altersvorsorge („Riester-Rente“) hätten 2002 rund 73 Millionen Euro, 2003 rund 81 Millionen Euro und 2004 rund 141 Millionen Euro bereitgestellt werden müssen.

2002 und 2003 habe die Kinderzulage 46 Euro, 2004 und 2005 92 Euro jährlich betragen. In diesem und im nächsten Jahr belaufe sie sich auf 138 Euro und ab 2008 auf 185 Euro. Den Aufwand für die Kinderzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz sowie für das Baukindergeld gibt die Regierung für 2005 mit 3,38 Milliarden Euro und für 2006 mit rund 3,01 Milliarden Euro an.

In der gesetzlichen Krankenversicherung würden die Kosten für die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Jugendlichen auf rund 12 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Für Krankengeld bei Betreuung eines Kindes hätten die Kassen 2004 92,9 Millionen Euro gezahlt.

Die Aufwendungen für Haushaltshilfen in diesem Zusammenhang hätten mit rund 73,4 Millionen Euro zu Buche geschlagen. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für das Mutterschaftsgeld beziffert die Regierung für 2004 mit 588,6 Millionen Euro.

Die Mutterschaftsgeldzahlungen für nicht selbst gesetzlich sowie für privat Versicherte beliefen sich auf rund 3,6 Millionen Euro. Die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in der Pflegeversicherung gibt die Regierung mit annähernd rund 900 Millionen Euro jährlich an.

Schließlich teilt die Regierung mit, dass sich die vom Bund gezahlten Beiträge für Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung im vergangenen Jahr auf rund 11,7 Milliarden Euro summiert haben.

Im laufenden Jahr werde mit rund 11,4 Milliarden Euro gerechnet. Für das Erziehungsgeld seien 2005 etwa 2,9 Milliarden Euro aufgewendet worden, in diesem Jahr erwarte man 2,83 Milliarden Euro.

Quelle: Heute im Bundestag vom 2.3.2006

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

Man könnte meinen, der Staat - wer ist das eigentlich - hätte den Menschen im Jahr 2005 über 34 Milliarden Euro geschenkt. Das ist natürlich völliger Unsinn, der Staat hat lediglich darauf verzichteten Menschen mit Kinder 34 Milliarden Euro aus der Tasche zu ziehen. Das ist nur recht und billig und keine freundliche Geste des Staates, denn Wegelagerei ist ja in Deutschland verboten.

Im übrigen zieht der Staat mit seiner dennoch im großen Stil betriebenen Wegelagerei  den einen das Geld aus der Tasche, um dann, nach Alimentierung seines Bürokratischen Staatsapparats, den verbliebenden Rest den anderen in die Tasche zu stopfen.

 

 

 


 

 

 

 

Financial Times

Bundesfinanzhof rügt Besteuerung Geschiedener

Von Melanie Amann

Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) wird der Großteil der unterhaltspflichtigen, getrennt lebenden Eltern durch das geltende Steuerrecht auf verfassungswidrige Weise benachteiligt. Das Bundesverfassungsgericht wird das Einkommensteuergesetz prüfen müssen.

Das höchste deutsche Finanzgericht hat beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht Normen des Einkommensteuergesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Prüfung vorzulegen (AZ: VII R 51/03). Ausgangspunkt des Streits ist das Verhältnis von Kinderfreibetrag und Kindergeld. Seit 1996 können Eltern diese Vergünstigungen nicht mehr gleichzeitig nutzen: Wählen sie zum Beispiel den steuerlichen Kinderfreibetrag, müssen sie das Kindergeld über die Einkommensteuer zurückzahlen.

Der BFH hat nun einen Fall gerügt, wo sich dieses Alternativ-Verhältnis für einkommensschwache Unterhaltspflichtige negativ auswirkt: Zwar steht dem zahlenden Elternteil grundsätzlich die Hälfte des Kindergeldes zu. Die Summe wird auf seine Zahlungen angerechnet. Doch wenn er ohnehin weniger als 135 Prozent des gesetzlichen Regelbetrages für Unterhalt aufbringen kann, entfällt die Kindergeld-Anrechnung. Damit sichert der Gesetzgeber dem alleinerziehenden Partner einen Mindestunterhalt.

Regelung verfassungswidrig

Der BFH hält die Regelung in seiner Konsequenz für verfassungswidrig: Die Unterhaltszahler müssten über die Einkommensteuer das Kindergeld zurückzahlen, obwohl es ihnen "wirtschaftlich nicht zugute kommt". Und die Entlastungswirkung des Kinderfreibetrags kommt ihnen auch nicht zugute.

Nach den Schätzungen der Finanzrichter sind 70 Prozent der Unterhaltspflichtigen von dieser Regelung betroffen. Der Staat müsse einen Teil des Einkommens seiner Bürger steuerfrei lassen, den der Betroffene für die Sicherung seiner Existenz und der seiner Familie benötige.

 

Aus der FTD vom 3.2.2005

http://www.ftd.de/pw/de/1107175294055.html?nv=cptn

 

 

 

 


 

 

URL speziell zum Thema "Scheidung und Getrenntleben"

http://www.steuerrat24.de/dynasite.cfm?dssid=2050&dsmid=5271

 

 

Posteingang 18.02.2002


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