Triangulierung


 

 

 

Der Begriff der Triangulierung finden wir in zwei unterschiedlichen Bedeutungen vor. Einmal als psychoanalytisch geprägter Begriff und zum anderen aus der systemischen Therapie / systemischen Familientherapie. In der systemischen Sicht bedeutet die Triangulierung die Delegierung eines Konfliktes zwischen zwei Personen an eine dritte, an und für sich unbeteiligte Person. So z.B. wenn ein Paar den Konflikt zwischen sich und der Mutter des Vaters an das gemeinsame Kind verschiebt.

Psychoanalytisch wird der Triangulierungsbegriff eher positiv verstanden. So hilft der Vater dem Kind den symbiotischen Konflikt zwischen Mutter und Kind zu lösen, in dem er dem Kind als triangulierender und damit ablösungsunterstützender Dritter zur Verfügung steht.


 

 

Vatermord als Triangulierung

 

Vatermord steht für den realen oder symbolischen Mord des Vaters durch das eigene Kind / die eigenen Kinder. Die klassische Geschichte eines Vatermordes ist die griechische Tragödie "König Ödipus" von Sophokles.

Aus den Zeitungsmeldungen, die von einer Tötung des Vaters durch den Sohn berichten, erfahren wir in der Regel nur wenig über die familiäre Dynamik. Insbesondere auch nichts darüber, in wie weit die Tötung des Vaters durch den Sohn ein nicht ausgesprochener "Auftragsmord" der Mutter am Vater ist, den der Sohn stellvertretend für die Mutter vollführt.

In den USA sollen fast 2/3 aller Morde, die von männlichen Jugendlichen unter 20 Jahre begangen werden, um Söhne handeln, die den Mann töten, der ihre Mutter misshandelt hat (zitiert nach Katja Klotz in: "Kinder als Opfer von Partnergewalt. Dokumentation der Fachtagung in Karlsruhe 14.9.00). Familiendynamisch könnte man den Vatermord durch den Sohn als "Liebesdienst" des Sohnes für die Mutter ansehen. In der systemischen Therapie bezeichnet man ein solches Verhalten, bei dem die Kinder in den Konflikt der Eltern einsteigen, für den sie nicht verantwortlich sind, als Triangulierung (nicht zu verwechseln mit dem psychoanalytischen Begriff der Triangulierung)..

 

 

Sohn erstach Vater im Streit um Musik

22-Jähriger sprach vor Gericht von fehlender Liebe

Es war ein banaler Streit. Der Sohn sollte die Musik leiser stellen. Mitten im Streit zog Philipp M. plötzlich ein Messer. Immer wieder stach er auf seinen Vater ein. „Was haben Sie dabei gefühlt?“, fragte gestern die Richterin. Der 22-Jährige zögerte. „Eigentlich nichts, vielleicht ein bisschen Wut.“ Der Sohn blieb zu Beginn des Mordprozesses einsilbig. Scheu blickte er sich um. Seine beiden 17 und 20 Jahre alten Brüder waren auch im Gerichtssaal. Sie weinten. Er nicht.

Ja, es sei immer wieder zum Streit gekommen, sagte der angeklagte Sohn. Um Kleinigkeiten. „Ich hatte das Gefühl, Vater liebt mich nicht.“ Am 8. Juni dieses Jahres sei der Vater in sein Zimmer gekommen, weil ihm die Musik zu laut war. Der Vater sei „ein bisschen aggressiv“ gewesen, habe ihn „beleidigt und provoziert“, sagte der Angeklagte.

Als der 63-jährige Ingenieur Hans-Jürgen M. die Lautsprecherboxen abbauen wollte, zog Philipp ein Messer. Er stach 23 Mal auf seinen Vater ein. Danach ging er mit 200 Euro aus dem Arbeitszimmer des Getöteten ins Bordell. „Das war doch mein letzter Tag in Freiheit“, erklärte er. Gegenüber der Polizei hatte er seine Tat als „Befreiung“ dargestellt: „Ich habe einfach meiner Seele freien Lauf gelassen, ich wollte endlich wieder lachen.“ Es habe nach den jahrelangen Reibereien bei ihm „Klick“ gemacht.

Für den Verteidiger aber ist Philipp kein Mörder. Der junge Mann habe in einer „affektiven Situation“ das Messer gezogen. Der älteste Sohn sei das schwarze Schaf in der Steglitzer Familie gewesen. Philipp hatte die Lehre abgebrochen. Der Vater besorgte ihm einen Platz in der Abendschule, doch Philipp ging nicht hin. „Vater und Sohn hatten ein ausgesprochen gestörtes Verhältnis, es war ein echtes Familiendrama“, sagte der Verteidiger am Rande des Prozesses. Doch der Anwalt eines der Brüder, der als Nebenkläger auftritt, widersprach. Philipp sei nie verstoßen worden, „egal, was er machte“.

Die Krönung sei aber, dass der Sohn nun auch noch von dem toten Vater etwas erben wolle. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt. Kerstin Gehrke

 

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/07.12.2002/339002.asp

 

 

 


 

"Vater, Mutter, Kind Therapeut

Die therapeutische Funktion des Dritten in der Behandlung depressiver Zustände"

Jürgen Grieser

in: "Forum der Psychoanalyse" 17(2001), S. 64-83

Deskriptoren: Vater, Triangulierung, Depression

 


 

"...

Einige theoretische Anmerkungen zur <Triangulierung>

Der Begriff der Tnangulierung entstammt dem Kontext der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie. Als Entwicklungskonzept bezeichnet er idealtypisch die allmähliche Entstehung und Verinnerlichung von drei ganzen. d.h. ambivalenten Objektbeziehungen im Verlauf der ersten Lebensjahre. Dabei handelt es sich um die Beziehungen des Kindes zur Mutter und zum Vater sowie die Beziehung der Eltern zueinander.

2. Alle drei Beziehungen werden vom Kind nicht nur erlebt, sondern in Verbindung mit den sie begleitenden Phantasien auch intrapsychisch abgebildet. Somit entsteht eine innere trianguläre Beziehungsstruktur, vor deren - stets konflikthaftem - Hintergrund auch andere Beziehungen erlebt und gestaltet werden können.

Wichtig ist also die Unterscheidung von realen und beobachtbaren Interaktionen auf der einen und intrapsychischen Repräsentationen von bedeutsamen Bezugspersonen und Beziehungen auf der anderen Seite.

3. Abelin (1971) entwickelte das Konzept der <frühen Triangulierung>, blieb dabei jedoch noch dem traditionellen Geschlechtermodell verhaftet. Demnach galt die Mutter als erste und bedeutungsvollste Bezugsperson. Der Vater kam nicht als <Störenfried> - wie in der klassischen Theorie vom Ödipuskomplex - hinzu, sondern als der vom Kleinkind ersehnte <Ritter in glanzvoller Rüstung>, der diesem Kind die Welt jenseits des mütterlichen Bereiches zeigt und erschließt. Damit befreit der präödipale Vater das Kind von den heftigen Ambivalenzkonflikten der Mutter-Kind-Beziehung und bereitet den Weg für die Loslösung und Individuation.

4. Moderne Autoren wie Ermann, Rotmann oder Rohde-Dachser und andere haben das Konzept der frühen Triangulierung erweitert. Derzeit teilen viele Autoren die Auffassung, dass die Fähigkeit zur Triangulierung angeboren ist, dass Triangulierungsprozesse bereits mit der Geburt einsetzen und dass die exklusive Symbiose und Dyade zwischen Mutter und Kind deshalb nicht als normales Entwicklungsstadium zu betrachten ist, sondern als ein pathologisches Problem.

Ich füge hinzu: Damit widersprechen diese erweiterten Konzepte von der Triangulierung den tradierten Rollenverhältnissen und Vaterbildern.

5. Gelingt es dem Kind, die Repräsentanzen von drei ganzen, ambivalenten (Ideal und Wirklichkeit umfassend, <gut> und <böse> integrierend) Objektbeziehungen auszubilden, hat es die Voraussetzung für einen reifen Ödipuskomplex und dessen Bewältigung.

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Triangulierung ein von allen Beteiligten - also auch von den Eltern! - zu leistender Entwicklungsschritt ist, der einen ständigen Perspektiven- und Rollenwechsel in der familiären Triade mit sich bringt.

..."

 

aus: "Väter in der begleitenden Psychotherapie"

Jürgen Heinz

in: "Analytische Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie", 2/2001, S.245-272


 

"Das Vaterbild in den psychoanalytischen Konzepten zur kindlichen Entwicklung

Ein Beitrag zur aktuellen Triangulierungsdebatte"

 

Frank Dammasch

in: "Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie" (AKJP), 2/2001, S. 215-243

 

 

"1. Übersicht

In einem chronologischen Überblick über verschiedene Phasen der psychoanalytischen Theorieentwicklung wird aufgezeigt, wie die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung des Kindes nach Freud immer mehr in den Hintergrund gerät. Während in jüngerer Zeit einerseits die Säuglingsforschung relativ beharrlich den Vater aus der Kindesentwicklung ausblendet, wird andererseits im Rahmen der Diskussion um die Bedeutung der Triangulierung der Wert unterschiedlicher Funktionen des Vaters wieder in den Blickpunkt gerückt. Dabei muss zwischen der Bedeutung eines neutralen Dritten im Übergangsraum zwischen Mutter und Realität, dem symbolischen Vater als Gesetzgeber im Innern der Mutter und der Bedeutung eines realen Vaters als sinnlich erfahrbarem Mann unterschieden werden. Bevor das Kind den Dritten in seiner männlichen Andersartigkeit ödipal triangulierend zur Erweiterung der inneren Objektwelt gebrauchen kann, stellt es zunächst eine Beziehung zur inneren Mutter des präödipalen Vaters her. Auf der Basis dieser Unterscheidung versucht der Autor, einen dreistufigen Prozess der Triangulierung zu skizzieren, bei dem die potenzielle, die frühe und die ödipale Triangulierung miteinander in Beziehung gesetzt werden.

..."

 

 


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