Umgangsunwilliger Elternteil
OLG Hamm, Beschluss vom 25.07.2017 - 6 WF 179/17
Fundstelle
openJur
2019, 18860
Rkr:
Verfahrensgang
vorher: Az. 106 F 103/16
Die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den umgangsunwilligen Elternteil
scheitert in der Regel daran, dass der so erzwungene Umgang regelmäßig nicht dem
Kindeswohl dient und deshalb der mit der Festsetzung bewirkte Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht des umgangsunwilligen Elternteils nicht gerechtfertigt ist.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters vom 11.05.2017
wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 04.05.2017
(106 F 103/16) in Ziffer 2 (Ordnungsgeld) und Ziffer 4 (Kostenentscheidung)
aufgehoben.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht
erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Kosten des
Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des
Beschwerdeverfahrens wird auf 200,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Kindeseltern schlossen im Juli 2013 vor dem Amtsgericht - Familiengericht -
Essen eine Umgangsvereinbarung für ihren am ...2013 geborenen Sohn N, wonach der
Kindesvater den Umgang mit seinem Sohn wöchentlich mittwochsnachmittags sowie
zusätzlich an einzelnen Wochenendtagen ausüben sollte. Eine nicht
unterschriebene Eingabe des Kindesvaters nahm das Amtsgericht im April 2016 zum
Anlass, von Amts wegen ein neues Umgangsverfahren einzuleiten. Dies führte -
unter Beteiligung des bestellten Verfahrensbeistandes - zu einer im Termin vom
18.01.2017 geschlossenen Umgangsvereinbarung, wonach der Kindesvater ab dem
21.01.2017 zunächst 14-täglich samstags und ab dem 14.04.2017 14-täglich
samstags und sonntags mit Übernachtung Umgang mit N ausüben sollte. Weil der
Kindesvater am Morgen des 20.01.2017 den für den Folgetag vereinbarten Umgang
ohne Angabe von Gründen absagte, beantragte die Kindesmutter die Festsetzung
eines angemessenen Ordnungsgeldes. Durch am 25.01.2017 erlassenen Beschluss
billigte das Amtsgericht die Umgangsvereinbarung vom 18.01.2017 und drohte für
den Fall der Zuwiderhandlung den Beteiligten Ordnungsgeld bis zu 25.000,00 €
oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten an. Dem Antrag der Kindesmutter auf
Festsetzung eines Ordnungsgeldes entsprach das Amtsgericht mangels vorheriger
Androhung von Ordnungsmitteln nicht. Mit Schreiben vom 03.02.2017 teilte der
Kindesvater dem Amtsgericht mit, dass er die Umgangskontakte zu N "schweren
Herzens" eingestellt habe, weil wegen der problematischen Situation der
Kindeseltern "entspannte Umgangskontakte keine Perspektive haben".
Weil der Kindesvater die vereinbarten Umgangstermine am 04.02.2017 und am
18.02.2017 einerseits sowie den Termin vom 08.03.2017 andererseits nicht
wahrnahm, setzte das Amtsgericht durch die am 27.03.2017 und am 26.04.2017
erlassenen Beschlüsse ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 200,00 €, ersatzweise
für jeweils 100,00 € ein Tag Ordnungshaft, festgesetzt. Die dagegen gerichteten
sofortigen Beschwerden sind vor dem Senat Gegenstand der Verfahren 6 WF 147/17
und 6 WF 172/17. Durch den am 04.05.2017 im Verfahren 6 WF 172/17 erlassenen
Nichtabhilfebeschluss hat das Amtsgericht ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von
200,00 €, ersatzweise für jeweils 100,00 € ein Tag Ordnungshaft, festgesetzt,
weil der Kindesvater den für den 08.04.2017 vereinbarten Umgang nicht
wahrgenommen hat. Dieser sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht im hiesigen
Verfahren durch den am 11.05.2017 erlassenen Beschluss nicht abgeholfen und das
Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des
Kindesvaters ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses, weil das Amtsgericht ermessensfehlerhaft nach § 89 Abs. 1 FamFG ein
Ordnungsgeld wegen der Nichtausübung des Umgangs angeordnet hat.
Nach dieser Vorschrift kann das Gericht bei der Zuwiderhandlung gegen einen
Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs gegenüber dem Verpflichteten die
dort näher bezeichneten Ordnungsmittel anordnen. Diese Ausgestaltung von § 89
Abs. 1 FamFG als "Kann-Vorschrift" als Ersatz für die frühere "Soll-Vorschrift"
in § 33 FGG trägt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom
01.04.2008, 1 BvR 1620/04, FamRZ 2008, 845 ff.) Rechnung, nach der die
Umgangspflicht eines Elternteils gegen dessen Willen nur ausnahmsweise dann
vollstreckt werden kann, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür
sprechen, dass der erzwungene Umgang dem Kindeswohl dient (BT-Drucksache
16/9733, S. 291; BGH, Beschluss vom 17.08.2011, XII ZB 621/10, FamRZ 2011, 1729
ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.09.2013, 5 WF 171/13, FamRZ 2014, 403 f.).
Soweit § 1684 Abs. 1 BGB nicht nur ein Umgangsrecht, sondern auch die Pflicht
eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind als Konkretisierung der den Eltern
grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind statuiert, begegnet dies
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist einem Elternteil zumutbar, zum
Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient.
Eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht gegen den erklärten Willen
eines Elternteils ist jedoch regelmäßig nicht geeignet, den Zweck zu erreichen,
der mit ihr verfolgt wird, nämlich dem Kind einen Umgang mit seinem Elternteil
zu ermöglichen, der zu einer gedeihlichen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes
beiträgt. Denn bei einem erzwungenen Umgang, der dem Willen und auch den
Gefühlen eines Elternteils widerstrebt, wird das Kind anstelle der angestrebten
Zuwendung die Ablehnung gerade von seinem Elternteil spüren (BVerfG, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen für
eine Vollstreckung der Umgangspflicht gegen den Willen des Kindesvaters nicht
vor. Das Amtsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Der Senat sieht
aber auch keine Anhaltspunkte, dass hier ausnahmsweise eine Erzwingung des
Umgangs gegen den erklärten Willen des Kindesvaters dem Wohl von N dient. Zwar
bestand zwischen dem Kindesvater und seinem Sohn jedenfalls bis zum Abbruch der
Kontakte unmittelbar nach Abschluss der Umgangsvereinbarung im Januar 2017 eine
persönliche Beziehung. N hat die Treffen mit seinem Vater - wenn sie denn
stattfanden - auch positiv erlebt. Zu berücksichtigen ist aber, dass diese
Kontakte stattfanden, als der Kindesvater noch selbst aktiv sein Umgangsrecht
einforderte, obwohl es - zumindest aus seiner Sicht - einigen Widerstand der
Kindesmutter zu überwinden galt und die jeweiligen Übergabesituationen wegen des
zerrütteten Verhältnisses der Kindeseltern untereinander von diesen als sehr
belastend empfunden wurden. Im Laufe des Umgangsverfahrens verstärkte sich
jedoch die Ablehnung der Kindesmutter durch den Kindesvater, so dass dieser nach
dem Eindrucksvermerk des Abteilungsrichters vom 19.01.2017 selbst bei Abschluss
der gerichtlichen Umgangsvereinbarung eine Einstellung der Umgangskontakte
ankündigte. Würde jetzt der Kindesvater mit Ordnungsmitteln bis hin zu der vom
Amtsgericht inzwischen in Aussicht gestellten Ordnungshaft zu einer
Wiederaufnahme des Umgangs gezwungen, würde N aller Voraussicht nach den
Widerstand des Kindesvaters zumindest in der Übergabesituation deutlich spüren.
Hinzu kommt, dass derzeit keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass N die Treffen
mit seinem Vater vermisst, zumal sich inzwischen auch die Kindesmutter eindeutig
gegen eine zwangsweise Durchsetzung des Umgangs mit Rücksicht auf die
Verunsicherung von N durch die mitunter kurzfristigen Absagen des Kindesvaters
ausgesprochen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 Abs. 1 FamFG.
https://openjur.de/u/2153957.html