Untätigkeitsbeschwerde


 

 

 

 

heute im Bundestag Nr. 294 - Pressedienst des Deutschen Bundestages

Mi, 14. November 2007 Redaktionsschluss: 09:10 Uhr

Untätigkeitsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer einführen

...

 

 

 

1. Untätigkeitsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer einführen

Petitionsausschuss

Berlin: (hib/MIK) Für die Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer bei Gericht hat sich der Petitionsausschuss eingesetzt und die zugrundeliegende Eingabe am Mittwochmorgen einstimmig dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) "als Material" überwiesen und den Fraktionen des Deutschen Bundestages "zur Kenntnis" gegeben. In seiner Eingabe beklagt der Petent die lange Verfahrensdauer vor Gericht. Seit drei Jahren führe er einen Zivilprozess wegen Baumängeln. Der beklagte Baukonzern unternehme alles, um den Prozess nach Einholung von zwei Gutachten, die Baumängel bestätigten, weiter in die Länge zu ziehen. Er möchte nun wissen, wie er das Verfahren beschleunigen könne. Dem Petenten ist unverständlich, warum er als Geschädigter zunächst einen Gerichtskostenvorschuss leisten muss, damit das Gericht überhaupt tätig wird, und warum für die Einholung von Sachverständigengutachten zusätzlich ein Auslagenvorschuss fällig sei. Bei der vom Ausschuss eingeholten parlamentarischen Prüfung führte das BMJ aus, dass die Justiz im Allgemeinen "durchaus zügig" arbeite. Statisch habe die durchschnittliche Erledigungsdauer im Jahr 2004 bei den Arbeitsgerichten in Zivilsachen bei 4,4 Monaten, in Familiensachen bei etwa 10,5 Monaten, in Strafsachen bei 4,3 und in Bußgeldsachen unter drei Monaten gelegen. Gleichwohl würden sich angesichts der hohen Belastung der Justiz und der beschenkten Haushaltsmittel in Einzelfällen längere Verfahrensdauern nicht immer vermeiden lassen. Die Ausstattung der Instanzgerichte sei Sache der Länder. Auf die Dauer gerichtlicher Verfahren könne nur insoweit Einfluss genommen werden, als der Gesetzgeber die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen oder Regelungen vorschlage, die den Gerichten ein zügiges Verfahren erlauben würden. Derzeit sieht das Prozessrecht keinen ausdrücklichen Rechtsbehelf vor, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen langsam verlaufe, so das BMJ. Diese Situation soll durch einen Gesetzentwurf der Bundesregierung verbessert werden, der als neuen Rechtsbehelf "die Untätigkeitsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer" vorsehe. Ein Bürger könne danach Beschwerde bei dem Gericht einlegen, bei dem sein Verfahren anhängig sei und verlangen, dass seine Sache rasch und effektiv vorangebracht werde. Wenn das Gericht keine Maßnahmen treffen wolle, um dem zu entsprechen, könne es die Beschwerde nicht selbst zurückweisen, sondern müsse die Angelegenheit dem nächst höheren Gericht vorlegen. Wenn das Eingangsgericht zwar Abhilfe leiste, der Betroffene aber den Eindruck habe, dass die getroffenen Maßnahmen eine Verfahrensförderung nicht bewirken könne, könne er auch die Vorlage an das nächst höhere Gericht erzwingen. Das BMJ will den Gesetzentwurf "zügig" in den Bundestag einbringen.

 

 

Herausgeber: Deutscher Bundestag

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Verantwortlich: Uta Martensen

Redaktionsmitglieder: Dr. Bernard Bode, Dr. Susanne Kailitz, Michael Klein, Dr. Volker Müller, Monika Pilath, Günter Pursch, Annette Sach, Bernadette Schweda, Sabrina Sperlich, Alexander Weinlein, Siegfried F. Wolf

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

 

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ist so etwas ähnliches wie der Hase in der Geschichte vom Hasen und dem Igel, die um die Wette laufen. Immer wenn der Hase (Petitionsausschuss) ins Ziel kommt, ist der Igel (die Bundesregierung) schon längst da. Das liegt aber nicht daran, dass der Igel sonderlich schnell wäre. Immerhin 62 Jahre nach Ende des nationalsozialistischen Terrorregimes werden in Deutschland nichtverheiratete Väter bezüglich des Sorgerechtes immer noch wie eine Bande Aussätziger behandelt - schlichtweg also faschistoid. In 10 Jahren werden die Schlafmützen im Petitionsausschuss der Bundesregierung empfehlen, die sorgerechtliche Diskriminierung nichtverheiratete Väter und ihrer Kinder zu beenden. Dann wird die Bundesregierung den entsprechenden Gesetzesvorschlag schon lange vorgehalten haben.

Und so eine verschlafene parteienübergreifende Parlamentariertruppe bekommt auch noch über 7.000 Euro aus den Taschen der Steuerzahler/innen.

 

 


 

 

Untätigkeitsbeschwerde bei überlanger Verfahrensdauer

 

KG Berlin: Untätigkeitsbeschwerde im Umgangsrechtsverfahren

Bei überlanger Verfahrensdauer darf eine Untätigkeitsbeschwerde eingelegt werden, obwohl eine gesetzliche Regelung fehlt.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 23.8.2007 - 16 WF 172/07

 

 

Grund der Untätigkeitsbeschwerde war, dass das verfahrensführende Gericht, erst ein Jahr nach Einleitung eines Umgangsverfahrens durch den Vater die Mutter anhörte.

Mit der stattgegebenen Untätigkeitsbeschwerde wurde die Vorinstanz (erstinstanzliches Gericht) angewiesen, dem Verfahren seinen Fortgang zu geben.

 

 

 

 

 


 

 

Untätigkeitsbeschwerde

Zum Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in Kindschaftssachen gehört bei einer Entscheidung über eine Untätigkeitsbeschwerde die angemessene Bewertung des Einzelfalls, insbesondere des Alters der betroffenen Kinder im Hinblick auf die Gefahr einer möglichen Präjudizierung.

Das Bundesverfassungsgericht (3. Kammer des Ersten Senats) kam in seinem Beschluss vom 25.11.2003 - 1 BvR 834/03 zu der Feststellung, dass die Entscheidung des Berliner Kammergerichtes nicht den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes in Kindschaftssachen genügt.

Das Bundesverfassungsgericht rügte auch dass der Antrag des Vaters auf einstweilige Anordnung von Umgang vom 6.9.01 nicht bearbeitet wurde.

Das vom Amtsgericht in Auftrag gegebene Gutachten war nach 9 Monaten in Auftrag gegeben, ohne dass das Amtsgericht sich darum bemüht hätte den Fortgang der Arbeit des Gutachters zu beschleunigen.

 

Beschluss ausführlich in: "Familie, Partnerschaft, Recht", 2004, Heft 4, S. 225

 


 

 

 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von:

Gesendet: Freitag, 2. Dezember 2005 09:04

An: info@vaeternotruf.de

Betreff: Re: AW: Amtsgericht Herford

 

Guten Morgen,

zur Information: habe inzwischen (06.05.2005) eine erfolgreiche Untätigkeitsbeschwerde beim OLG Hamm, gegen die Untätigkeit des AG Herford, Familiengericht, 14 F eingelegt.

Az OLG Hamm:1 WF 128/05, Beschluss vom 14.06.2005:

"Mit Schriftsatz vom 29.09.2004 rügte er die Untätigkeit des Gerichts und bittet, unverzüglich über seine Anträge, auch im Wege einer einstweiligen Anordnung, zu entscheiden oder Hinderungsgründe mitzuteilen.

Über den Antrag des Kindesvaters vom 24.06.2004 hätte das Amtsgericht entscheiden müssen. Dass es das bis heute nicht getan hat, begründet den Vorwurf der Untätigkeit"

Wäre mit einer Veröffentlichung meiner Email-Adresse einverstanden.

RAKlausing@aol.com

 

Mit freundlichen Grüßen

W.Klausing

 

 

 


 

 

 

Erfolgreiche Untätigkeitsbeschwerde eines Vaters

 

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

16. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -16 WF 50/03 Karlsruhe, 24. Juli 2003

7B F 99/00

Umgang des Vaters mit KKKKKK, geb. am ....1993

Beteiligte: VVVVVV- Vater -Verfahrensbevollmächtigte:AVAVAVMMMMMM-

Mutter -Verfahrensbevollmächtigte: AMAMAM

Stadt Mannheim, - Jugendamt -VPFVPF- Verfahrenspflegerin

-hier: Untätigkeitsbeschwerde des Vaters

 

 

Beschluss

Auf die Untätigkeitsbeschwerde des Vaters wird das Amtsgericht angewiesen, das Verfahren mit äußerster Beschleunigung weiterzuführen.

Gründe:I.Das Umgangsrecht des Vaters ist in einer einstweiligen Anordnung im Rahmen des Ehescheidungsrechtsstreits zwischen den Eltern vom 11. November 1997 folgendermaßen geregelt:

Dem Kindesvater steht das Recht zu, mit dem ehegemeinschaftlichen Kind KKKKKK, geb. am 29.11.1993, unter Betreuung des Deutschen Kinderschutzbundes, Ortsverband Mannheim, N 3, 7, 68161 Mannheim, in dessen Räumen persönlichen Umgang zu haben, wobei Dauer und Rhythmus des Umgangsrechts vom Kinderschutzbund - in Absprache mit den Kindeseltern - festgelegt werden. Umgang des Vaters mit dem Kind hat seitdem so gut wie nicht stattgefunden.

Ein auf Antrag des Vaters eingeleitetes Vermittlungsverfahren - Amtsgericht Mannheim 7B F 111/98 - scheiterte am 21. Dezember 1998. Nach Aufhebung einer Entscheidung des Amtsgerichts vom 11. Mai 1999 über die Kosten des Vermittlungsverfahrens durch den Senat mit Beschluss vom 22. Oktober 1999 - 16 WF 67/99 - leitete das Amtsgericht am 26. Juni 2000 ein Verfahren auf Neuregelung des Umgangsrechts des Vaters ein. In diesem Verfahren ist eine Sachentscheidung noch nicht ergangen. Nachdem das Amtsgericht den Parteien am 19. Februar 2002 seine Absicht mitgeteilt hat, ein Sachverständigengutachten zu erheben, hat es dieses Gutachten am 17. März 2003 angeordnet und den Dipl. Psych. SVSVSV mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Auf ein Verhalten des Vaters selbst gehen nennenswerte Verzögerungen des Verfahrens nicht zurück. Er hat zwar am 04. Juli 2000 gegen den Beschluss, das Verfahren auf Neuregelung des Umgangsrechts einzuleiten, Beschwerde eingelegt. Die Mutter tat das gleiche. Beide Beschwerden wurden mit den Senatsbeschlüssen vom 02. Oktober 2000 - 16 WF 141/00 und 16 WF 148/00 - verworfen.

Das Amtsgericht hat am 23. Juni 2001 eine Verfahrenspflegerin bestellt, am 22. November 2002 das Kind angehört, am selben Tag ergänzenden Bericht der Verfahrenspflegerin und des Jugendamtes eingefordert, welche am 10. bzw. 16. Dezember 2002 eingingen. Als nächste Entscheidung steht diejenige über den Antrag der Mutter vom 13. Mai 2003 an, welche den Sachverständigen, Dipl.-Psych. SVSVSV wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat.

 

 

II. Die Untätigkeitsbeschwerde des Vaters ist zulässig und begründet.

1. In Streitigkeiten über den Umgang eines Elternteiles mit seinem Kind kommt dem Anspruch dieses Elternteils auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes besondere Bedeutung zu. Denn jede Verfahrensverzögerung führt zu einem Rechtsverlust dieses Elternteils - er kann sein Umgangsrecht, so es, was aber erst mit der Endentscheidung feststeht, nicht auszuschließen ist, nicht ausüben. Zeitverlust führt zu (weiterer) Entfremdung, welche ihrerseits die Gefahr vergrößert, dass das Umgangsrecht gem. § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB beschränkt oder gar ausgeschlossen wird. Eine Untätigkeitsbeschwerde in einer Umgangssache ist deshalb nicht erst dann zulässig, wenn ein sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Verfahrensstillstand gegeben ist, der auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft (vgl. etwa OLG Saarbrücken, OLGR 1999, 179) oder wenn ein Untätigbleiben des Gerichts auf einem willkürlichen Verhaften beruht und den Tatbestand einer Rechtsverweigerung erfüllt (vgl. BGH, NJW-RR 1995, 887; Senatsbeschluss vom 24. Juli 2001 - 16 WF 78/01 - nicht veröffentlicht -), sondern bereits dann, wenn eine Verzögerung behauptet wird, die zu einem nennenswerten Rechtsverlust führt (vgl. BVerfG, FamRZ 2001, 753). Dies ist hier der Fall.

2. Droht, wie hier, auch tatsächlich ein nennenswerter Rechtsverlust, hat das mit der Untätigkeitsbeschwerde angegangene Beschwerdegericht die Maßregeln zu treffen, welche einen effektiven Rechtsschutz des Beschwerdeführers jedenfalls in der Zukunft gewährleisten. Am effektivsten wäre es, wenn das Beschwerdegericht das Verfahren selbst an sich zöge. Dies ist jedoch aus guten Gründen nicht möglich. Auch die Möglichkeit, dem Gericht der ersten Instanz einen Verfahrensablauf vorzuschreiben, wie ihn das Beschwerdegericht selbst beobachten würde, wenn ihm die Sache in der Beschwerde angefallen wäre, scheidet aus. Letztlich würde auch ein solcher Fahrplan unverbindlich bleiben, weil nicht vorhersehbare und auch nicht beherrschbare Tatsachen eintreten können, die zu einer von dem Fahrplan abweichenden Verzögerung führen müssen. Darin, dem Gericht der ersten Instanz äußerste Beschleunigung anzuempfehlen, erschöpft sich also die Möglichkeit des Beschwerdegerichts. Von äußerster Beschleunigung könnte, wenn besondere Umstände nicht hinzutreten, nicht mehr gesprochen werden, wenn folgende Fristen nicht eingehalten werden würden:

über die Befangenheitsablehnung des Sachverständigen, Dipl.-Psych. SVSVSV zu entscheiden bis 30. August 2003;

nach rechtskräftiger Entscheidung über die Ablehnung des Sachverständigen, Dipl.-Psych. SVSVSV, diesem eine Frist von 6 Wochen zur Fertigstellung seines Gutachtens zu setzen;

alternativ: einem neu zu bestellenden Sachverständigen Frist zur Erstellung eines Gutachtens von 3 Monaten zu setzen;

binnen 1 Monats nach Eingang des Sachverständigengutachtens die Eltern und das Kind persönlich anzuhören, je nach Sachlage auch den Sachverständigen anzuhören; innerhalb 1 Monats nach Anhörung endgültig über das Umgangsrecht des Vaters zu entscheiden.

Kosten sind nicht zu erheben.

 

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Schäfer Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht

Disqué Richter am Oberlandesgericht

Zimmermann Richter am Oberlandesgericht

 

 

 


 

 

 

Zitierung: BVerfG, 1 BvR 661/00 vom 11.12.2000, Absatz-Nr. (1 - 25), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20001211_1bvr066100.html

 

Frei für den privaten Gebrauch. Kommerzielle Nutzung nur mit Zustimmung des Gerichts.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 661/00 -

Im Namen des Volkes

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn W...

- Bevollmächtigter:

Rechtsanwalt Georg Rixe,

Hauptstraße 60, Bielefeld -

gegen a)den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2000 - 10 WF 711/99 -,

b)den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 8. Dezember 1999 - 306 F 1531/98 -,

c)die Dauer des Verfahrens - VIII 447/97, 306 F 1531/98 - des Amtsgerichts Dresden

undAntrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Papier

und die Richterinnen Haas,

Hohmann-Dennhardt

am 11. Dezember 2000 einstimmig beschlossen:

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2000 - 10 WF 711/99 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen in Höhe von 2/3 zu erstatten.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 15.000 DM (in Worten: fünfzehntausend Deutsche Mark) festgesetzt.

Gründe:

1

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Zurückweisung seiner Untätigkeitsbeschwerde sowie die überlange Dauer eines familiengerichtlichen Verfahrens, in dem er als Vater seines ehelich geborenen Kindes die Ausübung eines Umgangsrechts durchsetzen will.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Vater eines im Jahre 1990 ehelich geborenen Kindes. Inhaberin der elterlichen Sorge ist die leibliche Mutter.

3

Im Mai 1996 erging eine Umgangsentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers, welche die Mutter jedoch - trotz Zwangsvollstreckungsmaßnahmen - im Wesentlichen missachtete.

4

Daher beantragte der Beschwerdeführer im März 1997 beim Vormundschaftsgericht die Einrichtung einer Umgangs- bzw. Ergänzungspflegschaft, um die Ausübung des Umgangsrechts sicherzustellen. Die Mutter beantragte daraufhin im Juni 1997 einen Umgangsausschluss und verweigerte den Umgang unter anderem mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs. Im November 1997 schlossen die beiden Elternteile im Ehescheidungsverfahren eine Umgangsvereinbarung, die dem Beschwerdeführer (erneut) die Ausübung eines Umgangs zu festgelegten Zeiten einräumte. Gleichwohl suchte der Beschwerdeführer im Verfahren wegen Einrichtung einer Pflegschaft mehrmals um eine schnelle Entscheidung nach. Im Januar 1998 gab das Vormundschaftsgericht das Verfahren zuständigkeitshalber an das Familiengericht ab, welches im selben Monat auf die bestehende Umgangsvereinbarung verwies. In der Folgezeit bat der Beschwerdeführer mehrmals um eine Entscheidung des Familiengerichts.

5

Im Mai 1998 bat das Gericht das Jugendamt um Unterstützung und Erstattung eines Berichts. Schließlich bestimmte das Amtsgericht - nach mehrmaligen Aufforderungen durch den Beschwerdeführer - am 26. August 1998 einen Termin für den 24. September 1998. In diesem Termin verzichtete der Beschwerdeführer wegen einer inzwischen begonnenen Therapie des Kindes zunächst auf Umgang; das Gericht avisierte einen neuen Termin für die zweite Dekade des Novembers. Am 13. November 1998 erinnerte der Beschwerdeführer an diesen Hinweis des Gerichts. In der Folgezeit beschränkte sich das Gericht gleichwohl auf drei Nachfragen (vom 11. November 1998, 13. Januar 1999, 22. April 1999) nach dem Stand der Therapie. Am 22. April 1999 und 7. Mai 1999 bat der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die faktische Umgangssperre um Fortgang des Verfahrens. In einem Schriftsatz vom 17. Mai 1999 führte er aus, dass eine schlechte gerichtliche Entscheidung in jedem Fall besser sei als ein schlichtes Dahingleiten der Zeit. Das Gericht verwies ihn daraufhin am 25. Mai 1999 auf die letzte Sachstandsanfrage. Anfang Juni 1999 wandte sich der Beschwerdeführer erneut an das Gericht, äußerte Bedenken gegen eine Therapie, die von einer von der Mutter beauftragten Therapeutin durchgeführt und bei der er nicht einbezogen werde und verwies ausdrücklich auf seinen Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Im Juni 1999 teilte die Therapeutin mit, dass es ihr nicht möglich sei, in den vom Gericht geforderten Abständen Therapiefortschritte zu formulieren, da ein Therapieprozess in langen Zeiträumen ablaufe. Daraufhin beraumte das Gericht letztlich einen Termin auf den 23. September 1999 an. Am Ende dieses Termins teilte das Gericht laut Protokoll mit, dass es die Verfahrensbeteiligten über die Art und Weise der Fortführung des Verfahrens Ende März 2000 von Amts wegen informieren werde.

6

Daraufhin erhob der Beschwerdeführer am 29. November 1999 Untätigkeitsbeschwerde. Das Amtsgericht legte das Verfahren mit Beschluss vom 8. Dezember 1999 dem Oberlandesgericht vor. Dieses verwarf die Beschwerde im angegriffenen Beschluss vom 16. Februar 2000 als unzulässig (vgl. FamRZ 2000, S. 1422 f.). Zur Begründung führte es insbesondere aus: Als Untätigkeitsbeschwerde sei der Rechtsbehelf unzulässig. Diese sei nur dann gegeben, wenn Veranlassung zu der Annahme bestehe, eine sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Untätigkeit des erstinstanzlichen Gerichts führe zu einem der Rechtsverweigerung gleichkommenden Verfahrensstillstand. Das Amtsgericht sei jedoch nicht untätig geblieben, was sich aus der dreimaligen Nachfrage bei der Therapeutin ergebe. Außerdem obliege es der Entscheidung des zuständigen Richters, welche konkreten Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt tatsächlich zu ergreifen seien.

7

In der Zeit von Dezember 1997 bis Februar 1998 sah der Beschwerdeführer seinen Sohn insgesamt an sechs Terminen. Ein weiterer Umgang erfolgte auf Anregung des Oberlandesgerichts am 20. Juni 1998; seitdem blieben Umgangskontakte aus.

8

2. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner am 13. April 2000 erhobenen Verfassungsbeschwerde unter anderem eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

9

3. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und die Mutter des Kindes - als Beteiligte des Ausgangsverfahrens - haben zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

II.

10

1. Die Verfassungsbeschwerde ist im Umfang ihrer Zulässigkeit zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93 c BVerfGG). Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 und 2 BVerfGG).

11

a) Die Frage, welcher verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab für die Überprüfung der Effektivität des Rechtsschutzes bei bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten heranzuziehen ist, wurde in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits grundsätzlich geklärt. Danach ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für den einzelnen Bürger aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleiten. Dieses fordert im Interesse der Rechtssicherheit, dass strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden (vgl.BVerfGE 88, 118 <124>). Ob eine Verfahrensdauer unangemessen lang ist, muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGE 55, 349 <368> ; BVerfG, NJW 1995, S. 1277 <1277>; FamRZ 1997, S. 871 <873>). Zudem hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt, dass auch die Natur eines Verfahrens danach verlangen kann, dieses mit der gebotenen Beschleunigung durchzuführen (vgl.BVerfGE 46, 17 <29>).

12

b) Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

13

aa) In umgangsrechtlichen Verfahren gibt es keine festgelegten Grundsätze, die besagen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden Verfahrensdauer auszugehen ist (vgl. BVerfG, FamRZ 1997, S. 871 <872 f.>).

14

In kindschaftsrechtlichen Verfahren, also Streitigkeiten, die das Sorge- oder Umgangsrecht betreffen, ist jedoch bei der Beurteilung, welche Verfahrensdauer noch als angemessen erachtet werden kann, einzubeziehen, dass jede Verfahrensverzögerung wegen der eintretenden Entfremdung häufig schon rein faktisch zu einer (Vor-)Entscheidung führt, noch bevor ein richterlicher Spruch vorliegt (vgl. BVerfG, FamRZ 1997, S. 871 <873>).

15

Es kann daher bei der Bestimmung der "angemessenen Zeit", wie sie der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes fordert, in diesem Zusammenhang nicht von den objektiven Zeitmaßstäben eines Erwachsenen ausgegangen werden. Einzubeziehen ist vielmehr, dass sich das kindliche Zeitempfinden von dem eines Erwachsenen unterscheidet: Erst mit zunehmendem Alter erwirbt ein Kind die Fähigkeit zur Wahrnehmung und Schätzung von Zeit und lernt, dass "verschwundene" Personen wieder auftauchen. Kleinere Kinder empfinden daher - auf objektive Zeitspannen bezogen - den Verlust einer Bezugsperson schneller als endgültig als ältere Kinder oder gar Erwachsene. Deswegen ist die Gefahr einer faktischen Präjudizierung hier besonders groß. In kindschaftsrechtlichen Verfahren ist nach alledem eine besondere Sensibilität für die Problematik der Verfahrensdauer erforderlich (vgl. auch BVerfG, FamRZ 2000, S. 413 <414>).

16

Es kommt hinzu, dass auch die mit einem gerichtlichen Verfahren einhergehenden Belastungen für die Betroffenen grundsätzlich Einfluss auf die Beurteilung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer nehmen (vgl.BVerfGE 46, 17 <29> ; NJW 1992, S. 2472 <2473>; NJW 1995, S. 1277 <1277>). Insbesondere in gerichtlichen Verfahren, die Fragen des Sorge- und Umgangsrechts zum Gegenstand haben, geht es für alle Verfahrensbeteiligten naturgemäß um besonders bedeutende, die weitere Zukunft maßgeblich beeinflussende Entscheidungen, die in der Regel auch unmittelbaren Einfluss auf die persönlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern nehmen. Insbesondere in umgangsrechtlichen Verfahren, in denen es meist darum geht, ob und gegebenenfalls wann ein Elternteil sein leibliches Kind sehen darf, offenbart sich die Tragweite eines solchen gerichtlichen Verfahrens - und damit auch seine Bedeutung für die Verfahrensbeteiligten - in besonderem Maße.

17

bb) Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht gerecht.

18

Das Oberlandesgericht hat sich bei seiner Entscheidung über die Untätigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers auf die Feststellung beschränkt, dass das Amtsgericht wegen seiner Nachfragen bei der behandelnden Therapeutin nicht untätig geblieben sei. Dies genügt jedoch dem Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht.

19

Überprüft ein Oberlandesgericht in einem kindschaftsrechtlichen Verfahren im Rahmen einer Untätigkeitsbeschwerde das Verfahren des Familiengerichts, dann muss es zunächst dem Verfahrensgegenstand Rechnung tragen. Das Oberlandesgericht geht jedoch nicht darauf ein, dass in einem umgangsrechtlichen Verfahren jede Verfahrensverzögerung faktisch nicht nur zu einem Umgangsausschluss führt, sondern daneben auch Tatsachen geschaffen werden, die Einfluss auf das Ergebnis des Verfahrens nehmen können, denn mit zunehmender Verfahrensdauer schreitet auch die Entfremdung zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn weiter voran.

20

Es kommt hinzu, dass das Oberlandesgericht auch deswegen dem Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht hinreichend Rechnung trägt, weil es bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Untätigkeitsbeschwerde unberücksichtigt lässt, dass der Beschwerdeführer den erwähnten faktischen Umgangsausschluss ausschließlich dadurch angreifen kann, dass er gegen die Verfahrensdauer als solche vorgeht. Denn das Amtsgericht nimmt ihm durch das Unterlassen einer formellen und begründeten Entscheidung die Möglichkeit, diese mit der Beschwerde nach § 621 e ZPO anzufechten und damit ihre Überprüfung in der nächsten Instanz zu ermöglichen.

21

Daneben hat das Beschwerdegericht übersehen, dass der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegend gebietet, unter Berücksichtigung des Verfahrensgegenstandes, des Alters des betroffenen Kindes - im Hinblick auf die Einschätzung der Gefahr einer faktischen Präjudizierung - und der psychischen Belastungen, die mit einem solchen Verfahren einhergehen, auch die bisherige Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Das Oberlandesgericht hat sich jedoch mit keinem Wort hiermit auseinandergesetzt.

22

Die Entscheidung vom 16. Februar 2000 ist aufzuheben, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Oberlandesgericht bei hinreichender Berücksichtigung des Anspruchs des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.

23

2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG. Der Gegenstandswert war gemäß § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (vgl.BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

24

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

25

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Papier Haas Hohmann-Dennhardt

 

 


 

 

Überlange Dauer eines familiengerichtlichen Verfahrens

 

Bundesverfassungsgericht

1 BvR 661/00 vom 11.12.2000

 

 

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Zurückweisung seiner Untätigkeitsbeschwerde sowie die überlange Dauer eines familiengerichtlichen Verfahrens, in dem er als Vater seines ehelich geborenen Kindes die Ausübung eines Umgangsrechts durchsetzen will.

 

3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts

Vizepräsident Papier

Richterin Haas

Richterin Hohmann-Dennhardt

 

I. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Februar 2000 - 10 WF 711/99 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/cgi-bin/link.pl?entscheidungen

 

 

veröffentlicht u.a. in "FamRZ", 2001, Heft 12, S. 753-754

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

Zuständig und verantwortlich für die vom Bundesverfassungsgericht gerügte Verschleppung des Verfahrens war das Amtsgericht Dresden. Das Oberlandesgericht Dresden und das Sächsische Staatsministerium für Justiz erklärten das Vorgehen des Amtsgerichts Dresden für akzeptabel.

Armes Deutschland, arme Steuerzahler, die mit solchen Beamten gestraft sind.

 

Der klagende Vater wurde vor dem Bundesverfassungsgericht von Rechtsanwalt Georg Rixe aus Bielefeld unterstützt.

 

 


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