Unterkunftskosten


 

 

 

Sozialgericht Magdeburg

Aktenzeichen: S 28 AS 353/05

Datum der Entscheidung: 28.10.05

Paragraph: § 22 Absatz 1 SGB II

Entscheidungsart: Urteil

Überschrift: Zur Angemessenheit der Unterkunftskosten im Landkreis Wernigerode.

Instanz 1: SG Magdeburg

Instanz 2:

Instanz 3:

Redaktioneller Leitsatz: Bei § 22 Absatz 1 SGB II sind bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten.

Die vom Umfang deutlich über gelegentliche Besuche hinausgehenden Aufenthalte der Kinder beim Kläger sind bei der Frage der Angemessenheit der Unterkunft zu berücksichtigen.

Entscheidung: SOZIALGERICHT MAGDEBURG

Aktenzeichen:

S 28 AS 353/05

Verkündet am: 28. Oktober 2005

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

in dem Rechtsstreit

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- Kläger -

gegen

Landkreis Wernigerode

Eigenbetrieb Kommunale Beschäftigungsagentur,

Kurtsstraße 13, 38855 Wernigerode

- Beklagter –

Die 28. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht Steiner, sowie die ehrenamtlichen Richter Ursula Hein und Marianne Kreutzer für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass für den Kläger - aufgrund der Besonderheiten dieses Einzelfalles

1. eine Wohnungsgröße Von 60 bis 65 qm angemessen ist und

2. die Unterkunftskosten entsprechend der Richtlinie des Beklagten für die oben genannte Wohnungsgröße angemessen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten.

Die Kinder leben in der Woche bei der Kindesmutter. Sie leben dort in einer 4— Raum — Wohnung

(77 qm mit zwei Kinderzimmern). Die Kindesmutter bezieht Arbeitslosengeld II und für ihre Kinder

Sozialgeld. Die tatsächlichen Unterkunftskosten sind von der zuständigen Arbeitsgemeinschaft als

angemessen anerkannt.

An vielen Wochenenden sind die Kinder (von Freitag Nachmittag bis Sonntag Abend) beim Kläger. Nach den Angaben des Klägers findet dies an dreiviertel aller Wochenenden statt, nach den Angaben der Kindesmutter ungefähr an der Hälfte der Wochenenden. Darüber hinaus sind die Kinder in den Ferien insgesamt ca. drei bis vier Wochen im Jahr beim Kläger, so jedenfalls im Jahr 2004, nach den Angaben des Klägers im Jahr 2005 länger.

Die Wohnung des Klägers ist 90,77 in groß und hat zwei Kinderzimmer.

Mit Schreiben vom 7.7.2005 kündigte der Beklagte an, er werde die tatsächlichen Unterkunftskosten (ohne Heizkosten) in Höhe von 413,35 € monatlich nur noch bis zum 31. 12.2005 übernehmen, da diese Kosten unangemessen seien. Die angemessene Wohnungsgröße für einen 1 — Personen — Haushalt liege bei 45 qm Damit würden sich angemessene Unterkunftskosten in Höhe von 280 € monatlich ergeben. Nur in dieser Höhe würden die Unterkunftskosten nach dem 31.12.2005 berücksichtigt werden.

Am 18.7.2005 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Er vertritt die Ansicht, dass bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten auch die drei Kinder zu berücksichtigen seien. Schließlich folge aus dem Sorgerecht auch eine Verpflichtung für ihn, sich um die Kinder zu kümmern.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass seine derzeitigen tatsächlichen Unterkunftskosten (ohne Heizkosten) in Höhe von 413,35 Euro angemessen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, es sei aufgrund der Aufenthalte der Kinder beim Kläger allenfalls denkbar, eine Wohnflache von circa 60 bis maximal 65 qm als angemessen zu akzeptieren, da grundsätzlich eine Wohnfläche von circa 45 qm für eine Person und für jede weitere Person circa 10 m zusätzlich angemessen sei. Der in der Richtlinie des Beklagten zur Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten festgelegter Höchstbetrag für eine Wohnung bis zu 65 m (2 Personen) sei jedoch noch zu reduzieren, da die Betriebskosten aufgrund der überwiegenden Abwesenheit der Kinder geringer seien.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Die umstrittene Ankündigung des Beklagten (Schreiben vom 7.7.2005), ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen, stellt keinen Verwaltungsakt dar. Das Schreiben enthält noch keine verbindliche Regelung. Es wird lediglich in Aussicht gestellt, dass demnächst ein entsprechender Verwaltungsakt erlassen wird. Von daher war dem Klageverfahren kein Widerspruchsverfahren voranzustellen.

Dennoch war dem Kläger nicht zuzumuten, bis zum Erlass des entsprechenden Verwaltungsaktes abzuwarten. Er hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die Frage der Angemessenheit seiner Unterkunftskosten frühzeitig geklärt wird, da es kaum möglich sein dürfte, kurzfristig die Wohnung zu wechseln.

Die Klage ist teilweise begründet.

Gemäß § 22 Absatz 1 SGB II gilt Folgendes: Leistungen für Unterkunft (und Heizung) werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Minate.

Die derzeitigen tatsächlichen Unterkunftskosten des Klägers sind nicht angemessen.

Bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten sind die drei Kinder beim Kläger nicht voll zu berücksichtigen. Die Kinder wohnen überwiegend bei der Kindesmutter. Sie haben dort angemessenen Wohnraum (der übrigens von einem SGB II – Leistungsträger finanziert wird).

Da die Träger der Grundsicherung ihre Mittel sparsam zu verwenden haben, erscheint es der Kammer nicht angemessen, wenn für die Kinder aus öffentlichen Mitteln ein Zweiter, genauso angemessener Wohnraum zur Verfügung gestellt werden müsse.

Andererseits sind nach § 22 Absatz 1 SGB II bei der Prüfung der Angemessenheit die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten, Insofern wäre es unbillig, hier nur von einem 1 — Personen Haushalt auszugehen. Bei einer Wohnungsgröße von 45 qm müssten die - vom Umfang deutlich über gelegentliche Besuche hinausgehenden - Aufenthalte der Kinder beim Kläger unter unzumutbaren Bedingungen stattfinden.

Unter Abwägung der Interessen der Steuerzahler mit denen des Klägers und der Kinder erscheint hier eine Wohnung mit einem Kinderzimmer angemessen. Dies dürfte bei einer Wohnungsgröße von 60 bis 65 qm zu realisieren sein.

Die für eine Wohnung dieser Größe angemessenen Unterkunftskosten ergeben sich aus der Richtlinie des Beklagten zur Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten. Einen Geldbetrag konnte die Kammer hierfür nicht festsetzen, da die Richtlinie nach dem Alter der jeweiligen Wohnung differenziert wird.

Abschläge von den in der Richtlinie angegebenen Werten zu machen, wie es die Beklagte im Gerichtsverfahren angeregt hat, hält die Kammer nicht für angebracht. Das Argument geringerer Betriebskosten aufgrund der nicht ständigen Anwesenheit der Kinder überzeugt nicht. Stromkosten sind ohnehin nicht in den Kosten der Unterkunft enthalten. Abgesehen von den .Wasserkosten dürften die Betriebskosten im wesentlichen unabhängig von der tatsächlichen Anwesenheit der Bewohner anfallen.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt

im Justizzentrum Halle

Thuiringer Straße 16

06112 Halle (Postfach 10 02 57, 06141 Halle)

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem

Sozialgericht Magdeburg

Liebknechtstr. 65 - 91

39110 Magdeburg

(Postfach 39 11 25, 39135 Magdeburg)

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Steiner

Richter am Sozialgericht

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Schlagwort: angemessene Unterkunftskosten bei häufigen Besuchen der Kinder

Leistungssystem: SGB II

 

 


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