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Vom Alltagsglück ausgeschlossen

Deutschland - Telepolis -TP: Thomas Pany 10.06.2008

Großbritannien: Verzweifelte Väter verkleiden sich als Superhelden und steigen einer Labour-Führerin aufs Dach

Glückliche Familien sind alle ähnlich langweilig - so könnte man Tolstois berühmten Anfang von "Anna Karenina" in unsere Zeit der Herrschaft der Mittelklasse übersetzen. Und hinzufügen, dass die Penetranz, mit der Geschichten und Probleme von glücklichen Mittelstandsfamilien ausgebreitet werden, um die Deutschen zu mehr Kindern zu bewegen, stetig steigt und die bereits angeschlagenen Nerven jener nicht eben gerade kleinen Gruppe besonders strapaziert, die von diesem Alltagsglück oder dessen Illusion ausgeschlossen ist - und aus diesem Grund auch die viel weniger harmlosen Geschichten über "Familienleben 2008" zu erzählen wüsste: die Gruppe der Väter, die ihre Kinder aufgrund der Rechtssprechung und Rechtslage nur unter sehr schwierigen Umständen oder gar nicht sehen dürfen.

Wie groß das Leid, die Wut und die Gemeinheit im Leben dieser Väter sein muss, lässt sich immer wieder auch an Forumsbeiträgen ablesen, die sich mit besonderer Schärfe zu Wort melden, wenn es um modische Vätermodelle geht. Sie weisen auf ein heuchlerisches Moment der Diskussion um die neuen Rollenmodelle hin: Dass manche Väter von ihren Kindern wegbleiben, nicht weil sie etwa bequem seien oder traditionell, sondern weil das Gesetz, das "Sorgerecht" und seine richterliche Auslegung, es so will.

In Großbritannien kennt man dieses bittere Problem auch und ähnlich wie in Deutschland (z.B. "Väter für Kinder") gibt es Organisationen, die diese Väter öffentlichkeitswirksam vertreten – manchmal in einer spektakulären Form: So sind am Sonntagmorgen zwei Männer der britischen Aktionsgruppe Fathers 4 Justice ("Väter für Gerechtigkeit") der stellvertretenden Labour-Parteivorsitzenden und Geschäftsführerin der Regierung im Unterhaus Harriet Harman aufs Doppelhausdach gestiegen.

Dort oben entfalteten die beiden Männer, die in auffälligen Superheldenkostümen gekleidet waren (als 'Captain Conception' und 'Cash Gordon'), ein großes Transparent mit dem Slogan: "A father is for life, not just conception".

Ihre Forderung: Die ehemalige Staatsministerin im Justizministerium sowie Sozialministerin, die auch speziell für Frauen-Fragen zuständig war, Harriet Harman, soll das mitgebrachte Buch eines der beiden Männer mit dem sprechenden Titel "Family Court Hell" lesen; Autor Mark Harris schildert darin seinen Fall, der ihm laut Times u.a. eine Gefängnisstrafe eingebracht haben soll, weil er seinen drei Töchtern, zu denen ihm der Zutritt verweigert war, über einen Supermarktparkplatz hinweg zugewunken haben soll.

"Wir haben sie gebeten, das Buch zu lesen. Anschließend werden wir ihr ein paar Fragen dazu stellen. Wenn sie alle korrekt beantworten kann, werden wir wieder hinuntersteigen", so Mark Harris gegenüber der Presse. Harriet Harman zog es vor, die Doppelhaushälfte, deren Dach von kostümierten Superhelden besetzt war, mit ihrem Mann zu verlassen, um "Staatskosten zu sparen", die andernfalls für ein noch größeres Polizeiaufgebot angefallen wären.

Die beiden Aktionisten sollen die Sonne auf dem Dach genossen und in der Autobiografie von Martin Luther King gelesen haben. Bis gestern morgen einer von beiden von der Polizei abgeführt wurde.

In der Vergangenheit hatte "Fathers 4 Justice", die "letzte Verteidigungsline der Vaterschaft", verschiedentlich mit eklatanten Aktionen – z.B. einer Farbbeutelattacke auf Tony Blair und dem Erklettern eines Balkons des Buckinghampalastes in Batman-Uniform für Aufsehen gesorgt.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28099/1.html

 

 

 


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