Wehrmachtsrichter
Denk-Ende
Heeresrichter 1944/45
Nicht jeder ließ sich blenden. Oberstabsrichter Werner Otto Müller-Hill informierte sich über Zeitungen, Wehrmachtsberichte und Auslandssender, ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung
17.09.2012
»Man hat es kommen sehen und ist doch erschüttert«: Das Kriegstagebuch eines deutschen Heeresrichters 1944/1945
Werner Otto Müller-Hill
Siedler Verlag (3. September 2012)
Geboren 1885 als Sohn eines Ingenieurs und dessen kunstliebender Frau in Freiburg im Breisgau, studierte Werner Otto Müller-Hill Jura und wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg Anwalt. Schon im Ersten Weltkrieg diente er als Kriegsrichter, in der Weimarer Republik arbeitete er als Anwalt. Den Nationalsozialisten stand er distanziert gegenüber und trat nicht in die NSDAP ein, meldete sich aber bei Kriegsbeginn 1939 bei der Wehrmacht.
Sein Tagebuch beginnt am 27. März 1944, dem Tage seines neunundfünzigsten Geburtstags. ....
Werner Otto Müller-Hill überlebte den Zweiten Weltkrieg. ... Nach 1945 wurde er Staatsanwalt in der Bundesrepublik. Er starb 1977.
"Mit reinem Gewissen": Wehrmachtrichter in der Bundesrepublik und ihre Opfer
Wolfram Wette (Herausgeber), Joachim Perels (Herausgeber)
Gebundene Ausgabe: 474 Seiten
Verlag: Aufbau Verlag; Auflage: 1 (10. Oktober 2011)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3351027400
ISBN-13: 978-3351027407
Kurzbeschreibung
Alles andere als eine Erfolgsgeschichte des Rechtsstaats Während Opfer der NS-Militärjustiz jahrzehntelang um ihre Rehabilitierung kämpfen mussten, machten ehemalige Wehrmachtjuristen wie Richard Börker, Hans Filbinger, Ernst Mantel und Erich Schwinge in der Bundesrepublik eine zweite Karriere als Richter, Staatsanwälte, Beamte oder Dozenten. Renommierte Historiker und Juristen rücken die Folgen der personellen Kontinuitäten für die demokratische Rechtsordnung und die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ins Bewusststein: Die Amnestie von Schreibtischtätern wurde durchgesetzt, Verfahren wegen Justizverbrechen endeten mit Freisprüchen oder wurden eingestellt. Selbstentlastungen früherer Kriegsrichter stützten die Legende von der »sauberen« Wehrmacht, eingeschlossen die Wehrmachtjustiz. Der politische Widerstand gegen Hitler, der vor allem auf die Wiederherstellung der Geltung des Rechts gerichtet war, dagegen galt z.B. 1956 noch immer als strafrechtlich zu ahndendes Verbrechen. Erst über 50 Jahre nach Kriegsende hob der demokratische Gesetzgeber in mehreren Anläufen – zuletzt mit der Annullierung der Norm des Kriegsverrats – sämtliche Unrechtsurteile des Hitler-Regimes auf und gab den Opfern damit ihre Würde zurück. Hoch aktuell ist die differenzierte Auseinandersetzung mit Überlegungen zur Wiedereinführung einer Militärjustiz in der Bundesrepublik.
Über den Autor
Wette, Wolfram, Prof. Dr. phil., geboren 1940, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie, Promotion 1971 in München, Habilitation 1991 in Freiburg i. Br.; von 1971 bis 1995 Historiker im Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) in Freiburg i. Br.; seit 1998 apl. Professor für Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.; Mitbegründer des Arbeitskreises Historische Friedensforschung (AKHF); Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der "Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.".
Joachim Perels, geb. 1942, Politikwissenschaftler, seit 1971 an der Universität Hannover, seit 1983 dort Professor für Politische Wissenschaft (inzwischen emeritiert). Arbeitsgebiete: Demokratische Verfassungstheorie, Herrschaftsstruktur des Staatssozialismus, Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, Nachwirkungen des NS-Systems in der Bundesrepublik Deutschland, Ahndung von Staatsverbrechen, Politische Implikationen von Theologie. Mitbegründer und Redakteur der Zeitschrift »Kritische Justiz«, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Fritz Bauer Instituts und Mitglied der internationalen Expertenkommission für den Ausbau der Gedenkstätte Bergen-Belsen, stellvertretender Direktor des Instituts für Föderalismusforschung.
http://www.amazon.de/Mit-reinem-Gewissen-Wehrmachtrichter-Bundesrepublik/dp/3351027400
Gericht: VG Berlin 4. Kammer
Entscheidungsdatum: 08.10.2010
Aktenzeichen: 4 K 5.10
Dokumenttyp: Urteil
Quelle: juris Logo
Normen: § 1 Abs 4 AusglLeistG, NS-AufhG
Verweigerung von Ausgleichsleistung wegen Tätigkeit als Wehrmachtsrichter
Leitsatz
Es geht zu Lasten des eine Ausgleichsleistung unter Berufung auf § 1 Abs. 4 AusglLeistG verweigernden Beklagten, wenn konkrete Umstände des Wirkens des von der Enteignung des betroffenen Militärrichters nicht aufklärbar sind.
Das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege gebietet nicht die Annahme bzw. tatsächliche Vermutung, der Militärrichter habe mit seinem im Einzelnen unbekannten Wirken gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen.
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 8. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Widerspruchsausschusses beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen vom 9. April 2008 verpflichtet, den Klägerinnen eine Ausgleichsleistung für die entschädigungslose Enteignung des Eigentums von Herrn Dr. Wilhelm W. an den unter Nr. 9... der Liste 3 (VOBl. I 1949, 425) aufgeführten Grundstücken in Berlin-R. nach Maßgabe des Ausgleichsleistungsgesetzes zu gewähren.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um eine Ausgleichsleistung, die der Beklagte wegen der Tätigkeit des enteigneten Rechtsvorgängers der Klägerinnen als Wehrmachtsrichter verweigert.
2
Die Klägerinnen sind Töchter und Erbeserbinnen von Dr. Wilhelm W.. Zusammen mit seinem Bruder Friedrich Wilhelm war er Eigentümer von sechs Grundstücken in Berlin-R., die auf Grund des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 in Liste 3 (VOBl. I 425) unter Nr. 9... aufgeführt waren und entschädigungslos eingezogen wurden. Die Sequestrierung war 1947 mit der Mitgliedschaft von Dr. W. in der NSdAP und seiner Tätigkeit als „Oberster Militärrichter für Fahnenfluchtfälle in Norwegen“ begründet. Damit wurde 1948 auch die ausgesprochene Beschlagnahme begründet. Er wurde im Dezember 1949 von den Sowjets inhaftiert und vom Kriegstribunal der Truppen des Innenministeriums im Bezirk Nowgorod verurteilt. 1996 rehabilitierte ihn die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation.
3
Der Vater der Klägerinnen war seit 1933 Mitglied der SA/Motorstaffel und seit 1935 Truppführer. Seit 1937 war er Mitglied der NSdAP. Nachdem er am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, war er bis in das Jahr 1939 Hauptmann der Reserve. 1940 kam er als Kriegsgerichtsrat z.V. zur Heeresjustiz. Er wurde beim Gericht der Gruppe XXI und beim Armeeoberkommando Norwegen beim dortigen Gericht eingesetzt. 1944 wurde er zum Oberkriegsgerichtsrat der Reserve befördert. Dem ging eine Beurteilung voraus, in der es heißt, er biete die absolute Gewähr, dass er sich jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat einsetze.
4
Mit Bescheiden des Amts zur Regelung offener Vermögensfragen Köpenick-Treptow (AROV III) je vom 6. Mai 1994 lehnte der Beklagte die Anträge der Klägerinnen auf Rückübertragung der Grundstücke ab. Im Einzelnen handelte es sich um die Grundstücke Am K. (vormals W.straße 8), Am K. 17, nordöstlich Straße 5... (vormals W.straße 1-8), Am K. 3 (vormals W.straße 1-8), An der D.straße (vormals W.straße 1-8) und Straße 5... (vormals W.straße 1-8). Ihren Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen vom 24. Oktober 1995 zurück. Ihre Klage wies das Gericht mit Urteil vom 11. September 1997 - VG 22 A 375.95 - wegen des Restitutionsausschlusses nach § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG ab.
5
Die Klägerinnen beantragten die Gewährung einer Ausgleichsleistung. Im Verwaltungsverfahren erklärte das Bundesministerium der Finanzen:
6
„Es gehört, namentlich seit der wegweisenden Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11. September 1991 – 9a RV 11/90 – zum allgemeingültigen und gesicherten Wissen, dass die Wehrmachtsjustiz in der NS-Zeit nicht unpolitisch war, sondern Stabilisator des NS-Regimes, ja, mehr als das, sie war nach offizieller Deutung aus der NS-Zeit „eine der beiden Säulen der nationalsozialistischen Herrschaft neben der Partei“.
7
…
8
Die NS-Kriegsgerichte waren demzufolge generell, von Ausnahmen abgesehen, Ausdruck eines verbrecherischen Systems.
9
…
10
Wenn ihm (Dr. W.) auch kein konkretes Handeln zur Last gelegt werden kann, so erfüllt die Tätigkeit „als solche“ das Tatbestandsmerkmal des erheblichen Vorschubleistens.
11
…
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Eine solche Wiedergutmachung kann versagt werden und ist zu versagen, wenn die Zweifel an der moralischen Berechtigung so überwältigend sind wie im vorliegenden Fall.“
13
Mit Bescheid des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 8. Januar 2008 lehnte es der Beklagte ab, den Klägerinnen für die enteigneten Grundstücke eine Ausgleichsleistung zu gewähren, weil durch die Kriegsgerichtstätigkeit der Ausschlussgrund des § 1 Abs. 4 AusglLeistG erfüllt sei. Ihren Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2008 mit Verweis auf den bindenden Erlass des Bundesministeriums der Finanzen zurück.
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Die Klägerinnen haben am 9. Mai 2008 Klage (VG 22 A 97.08) erhoben, für die durch den Geschäftsverteilungsplan 2010 die 4. Kammer zuständig geworden ist. Sie machen geltend: Der Beklagte habe auf Grund kollektiver Merkmale ein sozialethisches Unwerturteil verhängt, ohne zu prüfen, welche individuell vorwerfbaren Handlungen Dr. W. begangen haben soll. Dafür gebe das Urteil des Bundessozialgerichts keine Stütze. Die rigide Spruchpraxis der Kriegsgerichte habe bezweckt, die sich anbahnende Niederlage abzuwenden. Die Vorgehensweise sei nicht spezifisch nationalsozialistisch gewesen und habe dem System deshalb keinen Vorschub im Sinne des Ausschlusstatbestands geleistet. Für den Nachweis des Verstoßes gegen Grundsätze der Menschlichkeit fehlte es an Einzelfällen über das Wirken von Dr. W.. Sie berufen sich auf Entscheidungen von Spruchkammern aus den 1950er Jahren; die seinerzeit angewandten Maßstäbe seien auf § 1 Abs. 4 AusglLeistG übertragbar.
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Die Klägerinnen beantragen,
16
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 8. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Widerspruchsausschusses beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen vom 9. April 2008 zu verpflichten, ihnen eine Ausgleichsleistung für die entschädigungslose Enteignung der unter Nr. 9… der Liste 3 aufgeführten Grundstücke in Berlin-R. (ursprünglicher Anteil von Dr. Wilhelm W.) nach Maßgabe des Ausgleichsleistungsgesetzes zu gewähren.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Er verweist auf die ihn bindende Weisung des Bundesministeriums der Finanzen.
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8 Bände Verwaltungsvorgänge, der Widerspruchsvorgang sowie Unterlagen aus der Handakte der Terminsvertreterin haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist auch ohne betragsmäßig bestimmten Antrag zulässig, weil der Streit um den Ausschlussgrund der Bestimmung der Höhe der Ausgleichsleistung vorgelagert ist. Letztere war vom Beklagten noch nicht abschließend ermittelt und hat bislang nicht in Streit und zur gerichtlichen Überprüfung kommen können.
22
Die Klage ist begründet, weil die Versagung der Ausgleichsleistung wegen Unwürdigkeit rechtswidrig ist und die Klägerinnen in ihrem Anspruch auf eine solche Leistung für die Enteignung der unter Nr. 9... der in Liste 3 aufgeführten Grundstücke, soweit Dr. W. ihr Eigentümer war, verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
23
Natürliche Personen, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG durch entschädigungslose Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Beitrittsgebiet verloren haben, oder ihre Erben erhalten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes. Diese hier durch die Klägerinnen erfüllten Voraussetzungen führen jedoch dann nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht zu einer Ausgleichsleistung, wenn derjenige, von dem die Klägerinnen ihre Rechte ableiten, gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstieß oder dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub leistete.
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Die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ergeben sich aus dem Sittengesetz und den jeder Rechtsordnung vorgegebenen natürlichen Rechten der Einzelperson, die auch in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Geltung geblieben sind. Zur Konkretisierung kann der Katalog der Menschenrechte in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl II 685, 953) herangezogen werden. Anhaltspunkte für die rückschauende Betrachtung, ob ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit anzunehmen ist, gibt auch Art. 1 Abs. 2 GG. Dort wird auf die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt verwiesen. Hierzu zählt allerdings nicht jedes, etwa in internationalen Konventionen niedergelegte Menschenrecht, sondern nur ein unverzichtbarer Kern. Zu solchen allgemein anerkannten und unveräußerlichen Menschenrechten gehört vor allem, aber nicht nur, das Recht jedes Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit und auf eine menschenwürdige Behandlung. Dieses Recht vor staatlicher Willkür, auch vor unrechtmäßigen Kriegshandlungen, zu schützen, ist ein Gebot der Menschlichkeit und zugleich der Rechtsstaatlichkeit. Ausgehend davon erfüllt nicht jedes unter dem Schutz der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft begangene Unrecht diesen Ausschlusstatbestand; es muss sich um eine erhebliche Zuwiderhandlung gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit gehandelt haben (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Februar 2007 – BVerwG 3 C 38.05 -, Buchholz 428.4 Nr. 9 zu § 1 AusglLeistG Rn. 35).
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Das erhebliche Vorschubleisten weist eine objektive und eine subjektive Komponente auf. In objektiver Hinsicht setzt der Ausschluss voraus, dass nicht nur gelegentlich oder beiläufig, sondern mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen wurden, die dazu geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, Entwicklung oder die Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems zu verbessern oder Widerstand zu unterdrücken, und dies auch zum Ergebnis hatten. Die unterstützende Tätigkeit muss sich auf spezifische Ziele des nationalsozialistischen Systems bezogen haben. Eine Unterstützung nicht spezifisch von der nationalsozialistischen Ideologie geprägter Bestrebungen, wie etwa des Ziels, den 2. Weltkrieg zu gewinnen, genügt nicht. Ein erhebliches Vorschubleisten setzt ferner voraus, dass der Nutzen für das Regime nicht nur ganz unbedeutend war. Die subjektiven Ausschlussvoraussetzungen sind erfüllt, wenn die betreffende Person bei dem Vorschubleisten in dem Bewusstsein handelte, ihr Verhalten könne den Erfolg haben, wenn ihr Handeln also hierzu bestimmt war (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 -, BVerwGE 123, 142 = Buchholz 428.4 Nr. 5 zu § 1 AusglLeistG und zuletzt wohl Urteil vom 14. Mai 2009 – BVerwG 5 C 15.08 -, Buchholz 428.4 Nr. 18 zu § 1 AusglLeistG Rn. 16).
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A. Für beide Ausschlussgründe kommt es auf das individuelle Verhalten des Betroffenen an; es bedarf der Feststellung eines konkreten Verhaltens, das den Ausschluss der Ausgleichsleistung rechtfertigt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Oktober 2006 – BVerwG 3 C 39.05 -, Buchholz 428.4 Nr. 7 zu § 1 AusglLeistG Rn. 14, 21, 29, 34 sowie Pressemitteilung zum Urteil vom 29. September 2010, - BVerwG 5 C 16.09 -). Eine solche Feststellung ist hier nicht möglich. Über den Kriegsgerichtsrat bzw. späteren Oberkriegsgerichtsrat Dr. W. ist nicht mehr als seine Dienstlaufbahn und eine dienstliche Beurteilung bekannt, die allerdings außer einer wohl üblichen Formulierung („absolute Gewähr, dass er sich jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat einsetzt“) nichts Greifbares aussagt. Das war zur Zeit der entschädigungslosen Enteignung nicht anders. Die Maßnahme gründete nicht auf konkretes, einzelfallbezogenes Wissen über das Wirken von Dr. W. in Norwegen, sondern darauf, dass er Parteimitglied und Militärrichter war. Dass er als „Oberster Militärrichter für Fahnenfluchtfälle in Norwegen“ bezeichnet wurde, hält das Gericht für zweifelhaft und unergiebig. Zweifelhaft ist es, wenn mit „Oberster Militärrichter“ ein Rechtsmittelrichter gemeint gewesen sein sollte. Denn Kriegsgerichtsurteile waren nicht anfechtbar. Für unwahrscheinlich hält das Gericht, dass es eine nach Delikten geordnete Zuständigkeit der Militärrichter gegeben haben soll. Das Gericht nimmt aber an, dass Dr. W. auch Fahnenfluchtfälle bearbeitet haben dürfte. Indes ist über einzelne Fälle und die Bearbeitung durch Dr. W. nichts bekannt, und es deutet nichts darauf, dass eine Suche etwa im Archiv in Kornelimünster in Bezug auf den Kriegsgerichtsrat bzw. späteren Oberkriegsgerichtsrat Dr. W. Unterlagen erbrächte.
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1. Zuweilen nimmt der Gesetzgeber einem Beteiligten die Last ab, die tatsächlichen Voraussetzungen einer Norm darlegen und beweisen zu müssen (etwa in § 1 Abs. 6 VermG in Verbindung mit Art. 3 BK/O 49/180), indem er sie vermutet. Es ist dann Sache des Gegners, diese Vermutung zu widerlegen. Eine solche gesetzliche Vermutung streitet hier nicht für den Beklagten, der sich auf den Ausschlusstatbestand beruft und den grundsätzlich die Last des Unterliegens trifft, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für diesen Ausschlusstatbestand nicht festgestellt werden können (Feststellungs- oder Beweislast). Der Wortlaut von § 1 Abs. 4 AusglLeistG enthält keine Grundlage für eine solche Vermutung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Oktober 2006, aaO, Rn. 38, und Urteil vom 28. Februar 2007, aaO, Rn. 62).
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2. Indes kann der erste Anschein eines Sachverhalts beweiskräftig sein. Das setzt aber einen typischen Geschehensablauf voraus, also Fälle, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Januar 2010 – VI ZR 33/09 -, NJW 2010, 1072). Das Gericht hält es für ausgeschlossen, im Falle eines Heeresrichters der Wehrmacht im 2. Weltkrieg von einem typischen Geschehensablauf zu sprechen, bei dem es zwangsläufig zu einem erheblichen Vorschubleisten oder einem Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit gekommen sein muss. Es kann schon fraglich sein, ob man den Gedanken des Anscheinsbeweises, der im Schadensersatzrecht für Kausalverläufe aufgekommen ist, auf komplexe Tätigkeiten übertragen kann. Doch mag man sich vorstellen, dass man im Falle eines Angehörigen einer KZ-Wachmannschaft von einem Anscheinsbeweis ausgehen könnte, weil dieser Tätigkeit die Unmenschlichkeit immanent war. Über diese Tätigkeit gibt es jedoch auch reichlich Material. Anders verhält es sich bei den Heeresrichtern. Deren Tätigkeit wurde u.a. von Wüllner (Die NS-Militärjustiz und das Elend der Geschichtsschreibung, 2. Aufl. 1997) und Messerschmidt (mit Wüllner, Die Wehrmachtjustiz im Dienste des Nationalsozialismus, 1987) untersucht vgl. auch Schweling/Schwinge, Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus, 1977; Schwinge war allerdings selbst in der Militärjustiz tätig waren. Sie konnten dabei aber nicht auf einen umfassenden und geschlossenen Aktenbestand zurückgreifen. Scheint noch sicher zu sein, dass es mehr als 3.000 Militärjuristen gab, so lässt sich die Zahl der Gerichte, an denen sie tätig waren, und die der von ihnen bearbeiteten Verfahren nur schätzen (Messerschmidt/Wüllner, aaO, S. 48 ff.: etwa 2,5 Mio; Wüllner, aaO, S. 116: 4 Mio). Die Wehrmachtsstatistik scheint auch aus kriegsbedingten Gründen unvollständig gewesen zu sein (Messerschmidt/Wüllner, aaO, S. 64). In Deutschland befinden sich nur „Trümmerbestände“ an Akten (Messerschmidt/Wüllner, aaO, S. 79, 89 [72.000 Marineakten]; Wüllner, aaO., S. 104, 114). Die Akten, die nach Vollstreckung des Urteils nach Potsdam zum Heeresarchiv abzugeben waren, wurden im Frühjahr 1945 durch Bombeneinwirkung zerstört (Messerschmidt/Wüllner, aaO, S. 87 ff.).
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3. Das Bundesverwaltungsgericht kennt im Ausgleichsleistungsrecht daneben noch eine tatsächliche Vermutung, auf die der Gegner wie auf einen Anscheinsbeweis reagieren kann (vgl. Urteil vom 26. Februar 2009 – BVerwG 5 C 4.08 -, Buchholz 428.4 Nr. 16 zu § 1 AusglLeistG Rn. 16, 24, und Urteil vom 14. Mai 2009, aaO, Rn. 18). Diese tatsächliche Vermutung fand im Falle eines hauptamtlich für die Gestapo bzw. für eine Organisationseinheit der SS Tätigen ihre Rechtfertigung in den der Gestapo bzw. der SS obliegenden Aufgaben und deren Bedeutung für das nationalsozialistische System.
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a. Nach den eingangs angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts kann man diese Überlegung nicht für die Wehrmachtsjustiz auf das Merkmal des erheblichen Vorschubleistens übertragen. Selbst wenn sich das nationalsozialistische System über Deutschland hinaus nur in den Gebieten ausbreiten konnte, die die Wehrmacht erobert hatte, und man das Fördern dieses Ziels durch die Wehrmachtsjustiz als erheblich ansieht, handelte es sich dabei doch nur um eine – im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts - nichtspezifische Unterstützung durch die Wehrmachtsjuristen.
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b. Mit Blick auf das genannte zeithistorische Schrifttum (allgemein zu dessen Bedeutung etwa Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Februar 2007, aaO, Rn. 41 und 58) ist zu erwägen, ob für Militärrichter der Wehrmacht von einer tatsächlichen Vermutung auszugehen ist, dass sie in ihrer Tätigkeit Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verletzten. So schreiben Messerschmidt/Wüllner, aaO, S. 36, die Wehrmachtsgerichtsbarkeit sei in einen ideologischen Gesamtrahmen der Rigorosität, Inhumanität und Rechtlosigkeit eingespannt gewesen. Das ist nachvollziehbar, wenn man etwa die Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei besonderem Einsatz vom 17. August 1938 (RGBl. I 1939, 1457) betrachtet. So ist auffallend, dass nur wenige Vorschriften unter allen Umständen beachtet werden mussten (§ 1 Abs. 2), dass die richterlichen Militärjustizbeamten persönlich abhängig waren (§ 7 Abs. 1 Satz 2), dass die Urteile zwar nicht anfechtbar waren (§ 76), jedoch einer Nachprüfung durch den Gerichtsherrn unterlagen (§ 77 Abs. 1), der im Aufhebungsfall ein neues erkennendes Gericht berief (§ 90 Abs. 1). Auffallend ist auch, dass der Vollzug von Freiheitsstrafen (anders als der der Todesstrafe) bis nach Beendigung des Kriegszustands ausgesetzt war (§ 104 Abs. 1) und die Verurteilten einer Sonderabteilung oder einem Lagerverband überwiesen werden konnten (§ 105). Auffallend ist weiter, dass durch Art. I der Ersten Verordnung zur Ergänzung der Kriegssonderstrafrechtsverordnung vom 1. November 1939 (RGBl. I 2131) § 5a eingeführt wurde, nach dem Personen, die dem Kriegsverfahren unterliegen, wegen strafbarer Handlungen gegen die Mannszucht oder das Gebot soldatischen Mutes unter Überschreitung des regelmäßigen Strafrahmens mit Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren, mit lebenslangem Zuchthaus oder mit dem Tode zu bestrafen waren, wenn es die Aufrechterhaltung der Mannszucht oder die Sicherheit der Truppe erforderte. Es dürfte unnötig sein, sich vorzubehalten zu prüfen, ob diese Norm überhaupt rechtsstaatlichen Kriterien genügt (so aber Bösch, Dr. Karl Sack, 1993, S. 146). Zu diesen ausgewählten Auffälligkeiten verfahrensrechtlicher Art mögen solche materieller Art treten, die Todesurteile der Wehrmachtgerichte als Unrecht erscheinen lassen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 11. September 1991 – 9a RV 11/90 -, NJW 1992, 934). Geht man aber von der geschätzten Gesamtzahl der Militärstrafverfahren aus, dann kann man von den mit Todesurteil beendeten Verfahren und den von § 5a erfassten nicht auf alle Verfahren in der Weise hochrechnen, dass eine tatsächliche Vermutung für die Verletzung der Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit gerechtfertigt wäre. Dem steht etwa entgegen, dass nach Wüllners Schätzung etwa 40-50% der Verfahren eingestellt wurden (aaO., S. 116), was wohl in Ausnahmefällen als Verletzung der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit angesehen werden könnte (vgl. auch Urteil des BGH vom 1. März 1995 – 2 StR 331/94 -, NJW 1995, 1297, das sich zu kriegsgerichtlichen Verfahren wegen Verbrechen deutscher Wehrmachtsangehöriger an Zivilpersonen besetzter Länder verhält).
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4. Zu erwägen ist, ob man im Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege eine Wertung des Gesetzgebers erkennen muss, die auf die Anwendung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG ausstrahlt und im Falle der Unaufklärbarkeit der konkreten Tätigkeit des betroffenen Wehrmachtsrichters die Annahme gebietet, er habe gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Das Gericht verneint das.
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In seiner ursprünglichen Fassung (BGBl. I 1998, 2501) hob das Gesetz in § 1 verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, auf und stellte die den Entscheidungen zugrunde liegenden Verfahren ein. § 2 des Gesetzes definierte als Entscheidungen im Sinne des § 1 insbesondere Entscheidungen des Volksgerichtshofs, Entscheidungen der aufgrund der Verordnung über die Einrichtung von Standgerichten gebildeten Standgerichte und Entscheidungen, die auf den in der Anlage zum Gesetz genannten gesetzlichen Vorschriften beruhten. Unter Nr. 30 war die Kriegssonderstrafrechtsverordnung genannt. Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 23. Juli 2002 (BGBl. I 2714) wurde die Anlage um die Nr. 26a erweitert, in der große Teile des Militärstrafgesetzbuches in den Fassungen von 1926, 1935 und 1940 enumerativ angeführt sind. Man meinte seinerzeit, dass die wegen Kriegsdienstverweigerung, Desertion/Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung verhängten Urteile unter Anlegung rechtsstaatlicher Wertmaßstäbe Unrecht waren und es den Opfern nicht zumutbar sei, für die Rehabilitierung eine Einzelfallprüfung durchlaufen zu müssen. Hingegen verneinte man die Frage, ob nicht das ganze Militärstrafgesetzbuch in die Anlage aufgenommen werden müsse (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/8276, Seite 5 f. zu Nr. 2). Die Abgeordnete von Renesse sprach davon, dass die Betroffenen Opfer einer Mordmaschine geworden seien und dass die Entscheidungen keine Urteile gewesen seien, weil sie im Gewand des Gerichts und der Justiz ganz andere Akte gewesen seien, nämlich Demonstrationen von Menschverachtung und Vernichtung (Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, 221. Sitzung/28. Februar 2002, Seite 21976 zu B und C). Der Abgeordnete Beck meinte, das Dritte Reich als Staat habe nicht die Legitimität besessen, den Gehorsam seiner Soldaten mit strafrechtlichen Mitteln durchzusetzen. Jedoch meinte er auch, dass es nicht darum gehe, die Militärrichter, die im Einzelfall nur Recht und Gesetz ausgelegt hätten und nicht über das übliche Maß hinausgegangen seien, zu verurteilen (aaO, Seite 21980 zu C und D). In der abschließenden Beratung meinte die Abgeordnete von Renesse, es gehe um ein Urteil über die damalige Strafrechtspflege; die damalige Wehrstrafgerichtsbarkeit sei keine richterliche Instanz gewesen; die Sachverhalte seien nicht ermittelt worden; den Betreffenden sei so gut wie kein rechtliches Gehör gegeben worden (237. Sitzung/17. Mai 2002, Seite 23734 zu C). Der Abgeordnete Beck meinte, mit dem Gesetz distanziere sich der Gesetzgeber ein für alle Mal von den unrechtsstaatlichen Verfahren und den rechtswidrigen Rechtsnormen des NS-Staates (aaO, Seite 23737 zu C). Mit der Rehabilitierung sollte seiner Meinung nach aber nichts über die Soldaten ausgesagt sein, die ihren Dienst getan haben (aaO, Seite 23738 zu B). In den Augen der Abgeordneten Dr. Kenzler war die Militärjustiz des Dritten Reichs das juristische Instrument zur Absicherung der hitlerschen Aggressionsmaschine (aaO, Seite 23740 zu A). Der Abgeordnete Geis wandte ein, dass man mit den in das Gesetz aufgenommenen Straftatbeständen die Richter, die die entsprechenden Urteile gesprochen hatten, pauschal ins Unrecht setze (aaO, Seite 23741 zu C). Im Bundesrat gab die Ministerin Lütkes ihre Wertung zu Protokoll, dass die aufgehobenen Urteile von einer nicht rechtsstaatlichen Justiz verhängt worden seien (777. Sitzung/ 21. Juni 2002, Seite 369). In der Beratung der letzten Änderung (Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 24. September 2009, BGBl. I S. 3150) erklärte der Abgeordnete Gehb, sie seien alle der Auffassung, dass die Arbeitsweise der Kriegsgerichte, die Weite des Straftatbestandes und die ausschließliche Strafdrohung der Todesstrafe (für Kriegsverrat) mit rechtsstaatlichen Kautelen nicht übereinstimmen konnten (16. Wahlperiode, 233. Sitzung/8. September 2009, Seite 26364 zu D). Der Abgeordnete Korte meinte, die Betroffenen seien Opfer einer durch und durch willkürlichen Nazimilitärjustiz geworden, die Teil des gesetzlichen Unrechts gewesen sei (aaO, Seite 26365 zu C).
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Obgleich man den auch im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Gedanken, dass eine Aussage über die Unrechtmäßigkeit einer Handlung (Verurteilen im Kriegsstrafverfahren) mit einer über den Handelnden (Wehrmachtsrichter) einhergeht, nicht von der Hand weisen kann, sprechen der Wortlaut, die in den zitierten Redebeiträgen gespiegelte Entstehungsgeschichte und der Zweck des NS-Aufhebungsgesetzes dagegen, in ihm eine Art Beweislastregelung zu § 1 Abs. 4 AusglLeistG für den Fall der Unaufklärbarkeit der konkreten Tätigkeit eines entschädigungslos auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteigneten Wehrmachtsrichters zu sehen.
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Der Maßstab des § 1 NS-AufhG („elementare Gedanken der Gerechtigkeit“) ist nicht gleichbedeutend mit dem des § 1 Abs. 4 AusglLeistG („Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit“), mag es gewiss auch Überschneidungen geben. So verbinden sich mit Rechtsstaatlichkeit überwiegend formale Anforderungen (z. B. Gewaltenteilung, Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes, Unabhängigkeit der Gerichte). Was für den einzelnen Betroffenen eine der Menschlichkeit entsprechende Entscheidung ist, mag im Vergleich mit anderen Entscheidungen ungerecht sein.
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Entstehungsgeschichte und Zweck des NS-Aufhebungsgesetzes stehen ebenfalls dagegen, es als eine Art Beweislastregelung zu § 1 Abs. 4 AusglLeistG anzusehen. Mit dem NS-Aufhebungsgesetz ging es um die pauschale Rehabilitierung von Opfern. Von ihnen sollte der Makel eines Strafurteils genommen werden. Das Gesetz sollte keinen pauschalen neuen Makel schaffen, nämlich den der Beteiligung an Unrechtsurteilen. Demgegenüber schließt § 1 Abs. 4 AusglLeistG bestimmte Personen von einer Wiedergutmachungsleistung aus. Weder ihm noch § 1 Abs. 1 AusglLeistG ist aber zu entnehmen, dass die Ausgleichsleistung nur Personen gewährt wird, die ein in Bezug auf die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit beanstandungsfreies Leben nachweisen können. Das Ausgleichsleistungsgesetz gewährt grundsätzlich den von einer Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage Betroffenen eine Leistung und schließt nur ausnahmsweise bestimmte Personen aus.
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Damit wird keine generelle Aussage über die Würdigkeit von Wehrmachtsrichtern für die Gewährung einer Ausgleichsleistung getroffen, sondern nur entschieden, dass im Falle der Unaufklärbarkeit ihres konkreten Wirkens der Ausschlussgrund des § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht erfüllt ist. Ist hingegen etwa anhand eines Urteils feststellbar, dass der Wehrmachtsrichter Täter einer nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahme war (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Mai 2007, aaO), dann kann der Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn die Verfahrensgestaltung, der angewandte Straftatbestand und/oder das festgesetzte Strafmaß Grundsätzen der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit widersprachen.
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B. Für Ausschlussgründe in den Personen der Klägerinnen gibt es keinen Anhalt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167 VwGO und § 709 ZPO. Weil durch § 6 Abs. 2 AusglLeistG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 Satz 1 VermG die Berufung ausgeschlossen ist, ist über die Zulassung der Revision zu entscheiden gewesen (§ 135 VwGO). Für die Zulassung gibt es keinen Grund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO. Die hier entscheidende Frage nach der Verteilung der Feststellungs- bzw. Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AusglLeistG ist geklärt. Im Übrigen hängt die Entscheidung von der Würdigung der allgemein bekannten Tatsachen über die Militärgerichtsbarkeit der Wehrmacht ab. Von den Klägerinnen weiter aufgeworfene Fragen stellen sich in Bezug auf Dr. W. nicht.
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/1raw/bs/10/page/sammlung.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE110004824%3Ajuris-r01&documentnumber=99&numberofresults=154&showdoccase=1&doc.part=L¶mfromHL=true#focuspoint
Kommentar Väternotruf:
Über dieses Urteil der 4. Kammer des Verwaltungsgerichtes Berlin werden sich ja die Genossen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit freuen, wenn die Arbeit als Wehrmachtrichter für eine Zwangsenteignung nicht ausreichen soll, dann die Arbeit als Mitarbeiter der DDR Staatssicherheit auch nicht für eine Strafrente.
Oder misst die westdeutsche Siegerjustiz hier mit zweierlei Maß. Milde für die NS-Getreuen, Härte für Erich Mielkes Mitarbeiter?