Väternotruf

Mai 2010


 

 

Gericht: KG Berlin Senat für Familiensachen

Entscheidungsdatum: 03.05.2010

Aktenzeichen: 16 UF 191/09

Dokumenttyp: Beschluss

 

Quelle: juris Logo

Normen: § 1672 Abs 1 BGB, Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 GG, Art 6 Abs 5 GG, Art 100 Abs 1 GG

 

Leitsatz

§ 1672 Abs. 1 BGB, der die Übertragung der elterlichen Sorge für ein nichteheliches Kind bei fehlender Sorgeerklärung von der Zustimmung der Mutter abhängig macht, verstößt gegen Art. 6 Abs. 2 und 5, Art. 3 Abs. 1 GG. Zu dieser Frage wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG eingeholt.

Tenor

Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage eingeholt, ob § 1672 Abs. 1 BGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Gründe

A

1

Der am 28. Juni 2006 geborene S ist das nichteheliche Kind der Eltern, die keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben. Die Eltern – die Mutter ist Thailänderin und lebt seit 1992 in Deutschland - lebten seit 2002 zusammen, wobei sie zwischen den beiden gemeinsamen Wohnungen in B. und in D. – dort wurde im Jahr 2008 ein Haus bezogen – im Zweiwochenrhythmus pendelten. Im Jahr 2008 trennten sie sich. Ursache waren insbesondere Streitigkeiten über die Erziehung und das Freizeitverhalten sowie den Lebensschwerpunkt einschließlich des Kindergartenbesuchs Ss in Berlin – Wunsch der Mutter - oder D. – Wunsch des Vaters. Die Mutter verließ am 16. Dezember 2008 mit S das Haus in D. und erklärte dem Vater, sie werde nicht mehr dorthin zurückkehren. Sie blieb mit S in B..

2

Der Vater stellte am 22. Dezember 2008 einen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge, wobei er unzutreffend angab, die Eltern hätten eine gemeinsame Sorgeerklärung vor dem Jugendamt abgegeben. Den Antrag begründete er u.a. mit Streitigkeiten über den Lebensmittelpunkt, den Kindergartenbesuch ab 2009, das Stillverhalten, Nikotin- und Alkoholkonsum (der Mutter), (Art und Dauer des) Medienkonsum (der Mutter mit S).

3

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und Verfahrens – insbesondere des Verlaufs der Umgangstermine - wird auf den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Oktober 2009, insbesondere auf Nummer I. der Gründe (Bl. I/144 ff.) ergänzend verwiesen.

4

Das Amtsgericht hat der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht nach §§ 1666, 1666a BGB entzogen und dem Vater nach § 1680 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 BGB übertragen. Es hat sich dabei auf das psychologische Gutachten der Sachverständigen W. vom 29. Juli 2009 (Bl. I/ 55 ff) und ihre Ergänzung im Termin am 30. September 2009 (Bl. I/127) gestützt, wonach der Vater die Hauptbezugsperson von S sei und es der Mutter aufgrund ihrer Haltung prognostisch nicht gelingen werde, den in diesem Fall besonders wichtigen Kontakt zum Vater zu gewährleisten, was eine Kindeswohlgefährdung darstelle.

5

Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass S zum Vater – wie die Sachverständige und die Verfahrenspflegerin L. überzeugend begründet hätten - die vorrangige Bindung habe und die Mutter nicht in der Lage sei, die Wichtigkeit der Vaterbeziehung für S anzuerkennen und sich insoweit nicht in ihren Sohn hineinversetzen könne. Es sei zu erwarten, dass die Mutter auch langfristig den Umgang zum Vater nicht unterstützen werde und S die Zerrissenheit eines Loyalitätskonflikts langfristig erleiden müsse und damit die erhebliche Gefahr bestehe, dass sein Vertrauen in den Bestand von Bindungen beschädigt werde und er später selbst Beziehungen nur unter Vorbehalt eingehen möge. Ss Vaterbild und seine späteren Identifikationsmöglichkeiten würden erheblich darunter leiden, wenn er seinen Vater als hilflos darin erlebe, den eigenen Willen und den Willen des Kindes zu verteidigen.

6

Die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der §§ 1666, 1666a BGB müsse bei verfassungskonformer Auslegung unter Abwägung der Rechte des Kindes gegen die in Artikel 6 Abs. 2 GG geschützten Rechte beider Eltern zur Anwendung des Maßstabes des § 1671 Abs. 2 S. 2 BGB führen.

7

Gerichtliche Gebote seien nicht geeignet, für S die Trennung von seinem Vater als wichtigster Bezugsperson – bei der er leben wolle - zu kompensieren. Ein ernsthafter Erkenntnisprozess zur Bindungstoleranz sei bei der Mutter in den 9 Monaten des Verfahrens nicht feststellbar gewesen.

8

Ein über die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts hinausgehender Eingriff in das Sorgerecht der Mutter sei nicht erforderlich. Ihr sei die Chance zu geben, bei den notwendigen Entscheidungen mitzuwirken. Etwa erforderliche gerichtliche Entscheidungen seien kaum mit einer Gefährdung des Kindeswohls verbunden.

9

Das Amtsgericht hat ferner das Umgangsrecht der Mutter u.a. dahin geregelt, dass S von Donnerstagnachmittag jeder ungeraden Kalenderwoche bis zum folgenden Montagmittag bei ihr ist.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf den angefochtenen Beschluss (Bl. I/144 ff).

11

Seit November 2009 wohnt S beim Vater.

12

Gegen die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und Übertragung auf den Vater wendet sich die Mutter mit ihrer zulässigen Beschwerde. Sie führt insbesondere aus, dass sie den Umgang von S mit dem Vater nicht verhindern werde. Die vom Amtsgericht gesehene, von ihr bestrittene Gefährdungssituation, sie könne keinen unbefangenen Umgang zulassen, würde im Übrigen genauso nun beim Umgang der Mutter mit S auftreten. Der Konflikt der Eltern liege auf der Paarebene. Der Vater habe wegen der Umgangstermine keine Abstimmung gesucht, sondern habe sie einseitig bestimmen wollen, was sie verweigert habe. Wegen seiner Berufstätigkeit könne sich der Vater nur eingeschränkt um S kümmern. Vor der Entziehung der elterlichen Sorge wäre die Verpflichtung zu gemeinsamen Gesprächen bei der Erziehungs- und Familienberatungsstelle als geringeres Mittel erforderlich gewesen.

13

Der Senat hat den Prozesskostenhilfeantrag der Mutter vom 4. November 2009 für das Beschwerdeverfahren und ihren Antrag, ihr im Wege einer einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu übertragen mit Beschlüssen je vom 10. Dezember 2009 zurückgewiesen, weil unabhängig von den verfassungsrechtlichen Erwägungen des Amtsgerichts die Verhinderung des Umgangs zum Vater, die hier zu erwarten sei, eine Kindeswohlgefährdung darstelle und dies die Entscheidung des Amtsgerichts mangels erfolgsversprechender Hilfsmaßnahmen rechtfertige. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des Senats vom 10. Dezember 2009 Bezug genommen (Bl. I/233 f, I/237 f).

14

Die Mutter hat mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 vorgetragen, S belaste die Trennung von ihr. Er habe geäußert, in Berlin sei es besser. Sie, die Mutter, sei nicht gut, weil sie nicht bei ihm bleibe. Er habe sie festgehalten und gesagt, „kann ich nicht hierbleiben, warum muss ich zurückfahren“.

15

Die Verfahrenspflegerin L. hat in ihrem Schreiben vom 6. Januar 2010 (Bl. I/250) diese Erklärung Ss als mögliche Anpassungsreaktion eingeordnet. Die weitere Entwicklung bleibe abzuwarten. Wegen der Geburt ihres Kindes bitte sie um Bestellung eines anderen Verfahrenspflegers.

16

Bei den Umgangsterminen und über die Umgangstermine Ende 2009/Anfang 2010 kam es zu diversen Streitigkeiten zwischen den Eltern. Das betraf u.a. den Reisepass von S, den die Mutter dem Vater bzw. der von ihm vorgeschlagenen Person nicht übergeben wollte. Insoweit bestand Streit, ob die Mutter mit S im Januar 2010 nach Thailand reisen dürfe, was der Vater verweigerte. Er verständigte wegen des Streits über die Passherausgabe bei der Übergabe auf dem Bahnhof D. am 30. Dezember 2009 die Bundespolizei. Der Umgang zu diesem Zeitpunkt fand nicht statt. Wegen des im Januar 2010 aufgrund ihres dreiwöchigen Thailandbesuchs ausgefallenen Umgangs hatte die Mutter Mitte Februar 2010 verlängert 10 Tage Umgang mit S. Ferner gelang es den Eltern bei einer Übergabe Ss an die Mutter Anfang März 2010 nicht, sich in angemessener Weise über das von ihm aufgrund einer Erkrankung einzunehmende Antibiotikum und seine Verabreichung zu verständigen.

17

Das Jugendamt M. von B. hat im Schreiben vom 19. Januar 2010 (Bl. II/27) die Einschätzung vertreten, dass die Mutter in der Trennungssituation vor einem Jahr zunächst verunsichert und misstrauisch reagiert habe. Inzwischen habe sie eine Entwicklung vollzogen, die es ihr ermögliche, anders mit der Situation umzugehen und jdf. jetzt auch Beratungsmöglichkeiten interessiert aufzugreifen.

18

Der Senat hat durch Beschluss vom 29. März 2010 anstelle der verhinderten Verfahrenspflegerin L.die Verfahrenspflegerin M. für S bestellt.

19

Der Jugendhilfedienst der Stadt D. hat mit Schreiben vom 13. April 2010 (Bl. II/65) nach einem Hausbesuch berichtet, dass es S in D. beim Vater gut gehe, er mache einen zufriedenen und im Umfeld sicheren Eindruck und habe ein enges Verhältnis zum Vater.

20

Der Senat hat die Eltern, S und die Verfahrenspflegerin M. im Termin am 22. April 2010 angehört. Die Sachverständige W. ist ergänzend befragt worden. Das Jugendamt M. (Frau E.-G.) erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.

21

Wegen der Einzelheiten wird auf den Vermerk des Berichterstatters vom 22. April 2010 verwiesen.

B

22

Die Entscheidung des Senats hängt von der Verfassungsgemäßheit des § 1672 Abs. 1 BGB ab. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kann die elterliche Sorge – auch in Teilbereichen – dem nichtehelichen Vater mangels gemeinsamer Sorgeerklärung nicht ohne Zustimmung der Mutter übertragen werden, an der es hier fehlt.

I

23

Auf diese Norm kommt es an, weil im vorliegenden Fall eine Entziehung und Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts von der Mutter auf den Vater nicht auf §§ 1666, 1666a, 1680 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 BGB gestützt werden kann. Die Voraussetzungen einer Entziehung der elterlichen Sorge mit Trennung von der Mutter - nämlich die Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes und der fehlende Wille oder die fehlende Möglichkeit der Mutter, die Gefahr abzuwenden und die fehlende Möglichkeit, die Gefahr auf andere Weise, auch durch öffentliche Hilfen abzuwenden - liegen nicht vor. Aufgrund der vom Senat durchgeführten Anhörung der Beteiligten und deren Stellungnahmen teilt der Senat nicht mehr die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Mutter in Zukunft die Beziehung von S zum Vater unmöglich machen wird und damit eine Kindeswohlgefährdung wegen des Abbruchs der Bindung zu seiner ersten Bezugsperson zu bejahen ist, die nur durch eine Entziehung der elterlichen Sorge zu beseitigen ist. Die Mutter ist im Termin vom Senat mit Dolmetscherin angehört worden. Der Senat hat dennoch – um einen Eindruck von den Problemen der Eltern bei den Übergaben zu erhalten – die Mutter gebeten, ohne Übersetzung einige Frage zu den Problemen im Zusammenhang mit der Mitteilung über die Verabreichung des Antibiotikums zu beantworten. Obwohl die Mutter inzwischen besser deutsch sprechen soll, hat der Senat den Eindruck gehabt, dass sie die Fragen nicht wirklich bzw. nur sehr zögerlich verstanden hat. Es dauerte eine Weile bis ihr klar geworden ist, dass die Frage war, was sie von den Mitteilungen des Vaters über die Verabreichung der Medizin verstanden hatte bzw. was er ihr nach ihrer Erinnerung gesagt hatte. Auch ihre Fähigkeit sich mitzuteilen, ist eingeschränkt gewesen. Aufgrund der Konfliktsituation der Eltern, die Mutter beklagt insoweit auch, dass sie sich vom Vater dominiert fühlt, ist es nachvollziehbar, dass sie sich dem Vater im Rahmen der Umgangsübergaben sprachlich unterlegen fühlt, dies im Konflikt nicht zeigen möchte und dann nicht angemessen reagiert, insbesondere auch mit unberechtigten Vorwürfen. Das schränkt ihre Bindungstoleranz zwar ein, jedoch derzeit nicht in einem Ausmaß, das die Entziehung der elterlichen Sorge rechtfertigen könnte. Die zwischen den Eltern bestehenden Konflikte bei den Übergaben zum Umgang könnten dadurch vermieden werden, dass die Übergaben durch einen Umgangsbegleiter erfolgen, wie es auch die Verfahrenspflegerin M. sieht. Allerdings ist ihre Erklärung, dass S immer bei der Mutter gelebt habe, so pauschal nicht zutreffend. Er lebte bei beiden Eltern und erst nach der Trennung bei der Mutter, wobei der Vater Umgang hatte. Das Jugendamt M. hat im Schreiben vom 19. Januar 2010 die Einschätzung vertreten, dass die Mutter eine weitere Entwicklung durchgemacht habe, die es ihr nun auch ermögliche, Beratungsmöglichkeiten interessiert aufzugreifen. Da der Trennungskonflikt noch deutlich auf die Beziehung der Eltern nachwirkt, geht der Senat nach allem davon aus, dass die Mutter es in absehbarer Zeit mit zeitlichem Abstand von der Trennung verstehen wird, dass sie S nicht negativ gegen den Vater beeinflussen darf, weil sie sonst S schadet, und dass sie die Eltern- von der gescheiterten Paarebene trennen muss. Vom Vater behauptete Äußerungen der Mutter gegenüber S, „der Vater sei böse“ oder sie, die Mutter, „hasse schwarze Menschen“ (die Lebensgefährtin des Vaters und ihre Tochter sind farbig) dürfen nicht vorkommen. Sie würden zwar das Bedürfnis der Mutter befriedigen, ihren Gefühlen über den Vater Luft zu machen, sie würden aber nachhaltig das Wohl des Kindes beeinträchtigen. Dass die Mutter ihre – von ihr bestrittenen - Äußerungen nicht gegen den Vater richtet, sondern sie bezogen auf „schwarze Menschen“ rassistisch meint, was ihre Erziehungseignung einschränken würde, hält der Senat – wenn die Vorwürfe zutreffen sollten - für wenig wahrscheinlich. Ob Elterngespräche mit dem Ziel, eine friedliche Gesprächsbasis zu finden, aufgrund der Entfernung der Wohnorte der Eltern in Betracht kommen, der Vater hat das schon problematisiert, mag offen bleiben. Die Mitarbeiterin des Jugendamts hat sie auf Nachfrage des Senats im Termin jedenfalls für möglich erachtet. Zumindest aber Beratungsgespräche, die der Mutter klarmachen, dass sie im Interesse Ss über den Vater nicht schlecht sprechen, keine unberechtigten Vorwürfe gegen ihn erheben darf und sie ihre Deutschkenntnisse - etwa durch Sprachkurse - weiter verbessern muss, wären vor dem Entzug der elterlichen Sorge in Betracht zu ziehen. Zu einem endgültigen Abbruch des Umgangs zwischen dem Vater und S ist es zudem auch in der sehr konfliktbehafteten Zeit nach dem Verbleib der Mutter in B. nicht gekommen und einen Umgang befürwortet die Mutter. Ihre frühere Einschätzung, dass S längere Ferien beim Vater oder die Reise zum Umgang nach D. belasten könnten, hatten allerdings wenig realen Bezug – auf den Beschluss des Senats vom 10. Dezember 2009 zum Prozesskostenhilfeantrag der Mutter wird verwiesen - und waren von einer Konflikthaltung geprägt, die die Mutter aufgeben muss. Entgegen früheren Erklärungen hat die Mutter nun bei ihrer Anhörung durch den Senat auch erklärt, dass sich S beim Vater wohlfühlt und er ihr von Spielen und Ausflügen mit dem Vater erzählt und es ihr wichtig sei, dass S glücklich ist. Das zeigt, dass die Mutter auf einem guten Weg ist, der ggf. noch unterstützt werden muss. Hinzukommt, dass S – auch wenn seine Erklärung nicht überbewertet werden darf – sich tendenziell nun eher für Berlin – also für ein Wohnen bei der Mutter - ausgesprochen hat. Die fünfjährige Tochter C. der Lebensgefährtin hat erklärt, dass sie wisse, S wolle in B. wohnen. Die Zerrissenheit Ss machte sich aber durchaus darin deutlich, dass er andererseits äußerte, in D. zur Schule gehen zu wollen, ohne dies erklären zu können. Möglicherweise fühlt er sich in D. nur im Kindergarten nicht so wohl wie in B.. Ss Willen daraus maßgebend abzuleiten, ist aufgrund seiner sehr zurückhaltenden Antworten, die nur mühsam zu erlangen waren und sich zum Teil widersprachen, letztlich nicht möglich.

24

Ein Abbruch der Beziehung zum Vater durch einen Umzug der Mutter nach Thailand ist nicht zu erwarten. Eine Absicht, mit S nach Thailand zu ziehen, hat sie verneint und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen nicht. Soweit der Vater entsprechende Äußerungen der Mutter behauptet, ändert dies an der Einschätzung nichts. Bloße unbedachte Äußerungen im Streit haben keine Bedeutung. Das würde nur dann anders zu beurteilen sein, wenn zusätzliche Umstände den Schluss nahelegten, dass die Äußerungen ernst gemeint sind und konkrete Maßnahmen ergriffen werden, sie in die Tat umzusetzen. Daran fehlt es hier aber.

25

Andere Gründe, der Mutter die elterliche Sorge zu entziehen, bestehen nicht. S hat zu beiden Eltern etwa gleich gute Bindungen, wobei die Sachverständige die etwas stärkere Bindung zum Vater sieht, und die Erziehungseignung der Mutter steht ansonsten nicht in Zweifel.

II

26

Der Senat hält es – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - nicht für möglich bei der Anwendung der §§ 1666, 1666a BGB im Wege verfassungskonformer Auslegung den Maßstab des § 1671 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB heranzuziehen. §§ 1666, 1666a, 1680 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 BGB zielen nicht auf den Ausgleich der elterlichen Rechte in Konfliktsituationen bei Getrenntleben ab, sondern ziehen eine Grenze für Eingriffe des Familiengerichts in das Elternrecht bei Ausübung des staatlichen Wächteramts nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG und sind nicht geeignet, als Maßstab zu dienen, welche sorgerechtliche Stellung den Elternteilen jeweils einzuräumen ist (BVerfG FamRZ 2003, 285/291 a.E. zu d; Staudinger/Coester, BGB (2009), § 1666 Rn. 94).

III

27

Nach dem Maßstab des § 1672 Abs. 1 BGB, wenn dieser nicht die Einschränkung der mütterlichen Zustimmung enthielte, würde der Senat die gegen die vom Amtsgericht vorgenommene Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater gerichtete Beschwerde der Mutter zurückweisen, weil dies dem Wohl Ss dienen würde. Auch wenn die Anhörung Ss durch den Senat – wie schon oben erwähnt - eine gewisse Tendenz für B. ergeben hat, hat die Sachverständige überzeugend erklärt, dass im Alter von S vorrangig sein Verhalten in den elterlichen Haushalten Aussagekraft hat. Die Anhörung Ss – wegen des Inhalts wird auf den Vermerk des Berichterstatters vom 22. April 2010 Bezug genommen – hat seine klare Zerrissenheit gezeigt, ohne dass die leichte Tendenz eines Wunsches, in B. zu wohnen, greifbar wurde und für die Entscheidung ausschlaggebend sein kann. Es war auffallend, dass er ganz oft und vor allem als erste Antwort erklärte, das wisse er nicht. Im Zeitpunkt der Begutachtung der Sachverständigen im April bis Juni 2009 hatte S zum Vater die sicherere Beziehung und dieser stand für ihn an erster Stelle in der Bindungshierarchie (Gutachten, Seite 44 f = Bl. I/99 f). Die Förderkompetenz der Mutter ist aufgrund ihrer noch immer geringen Deutschkenntnisse eingeschränkt und sie hat Schwierigkeiten mit der Grenzsetzung und der Wahrnehmung der kindlichen Bedürfnisse (Gutachten, S. 47 f = Bl. I/102 f). Die Sachverständige stellte damals ein sehr unterschiedliches Verhalten Ss in den elterlichen Haushalten dar. Bei dem Vater war er gesprächig und aufgeschlossen, bei der Mutter wirkte er zurückgezogen und unselbständig (Gutachten, S. 40 f = Bl. I/95 f). Zwar hat die Verfahrenspflegerin M. bei ihrer Anhörung im Termin eine gute Beziehung zwischen der Mutter und S und Spielen mit viel Körperkontakt und Vertrautheit bei ihrem Hausbesuch am 16. April 2010 bei der Mutter geschildert, wobei sie den Inhalt der auf Thai geführten Gespräche nicht verstand. Der Jugendhilfedienst D. hat jedoch bei seinem Besuch beim Vater festgestellt, dass S dort einen zufriedenen und im Umfeld sicheren Eindruck macht und offensichtlich ein enges Verhältnis zum Vater hat. Das mag – die Verfahrenspflegerin M. und der Jugendhilfedienst D. haben jeweils nur die Situation bei einem Elternteil gesehen - nun darauf hindeuten, dass S im Haushalt der Mutter inzwischen nicht mehr zurückgezogen und unselbständig ist, ändert aber nichts an der grundsätzlich bestehenden besseren Förderkompetenz des Vaters, der S besser lenken, ihm Grenzen setzen und Anregungen geben kann (Gutachten, S. 45 f = Bl. I/100 f). Das Kindeswohlinteresse spricht unter Berücksichtigung aller Aspekte und aufgrund des überzeugenden Gutachtens für einen Aufenthalt Ss beim Vater und damit für eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater. Dass der Vater berufstätig ist, ändert an dieser Einschätzung nichts, weil S sowohl in B. als auch in D. im Kindergarten ist und dies in B. zu seiner sprachlichen Förderung erforderlich wäre.

C

28

§ 1672 Abs. 1 BGB, der es im vorliegenden Fall nicht zulässt, dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, verstößt gegen Art. 6 Abs. 2, 5, 3 Abs. 1 i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG - Rechtsstaatsprinzip).

29

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. April 2003 – 1 BvR 1248/99 - (FamRZ 2003, 1448 f) unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 29. Januar 2003 – 1 BvL 20/99 u. 1 BvR 933/01 – (FamRZ 2003, 285 ff.) die Vorschrift für verfassungsgemäß erachtet und Verstöße gegen Art. 6 Abs. 2, 5, Art. 3 Abs. 1 GG verneint, weil das Elternrecht der Ausgestaltung des Gesetzgebers bedürfe und die Typisierung von Lebenssituationen diesem erlaube, davon auszugehen, dass zusammenlebende nicht miteinander verheiratete Eltern regelmäßig eine gemeinsame Sorgeerklärung abgeben würden und nur in schwerwiegenden Fällen die Mutter keine derartige Erklärung abgeben wolle und werde [FamRZ 2003, 285/289 zu cc] (1), 290 zu (2) (a), (2) (b) und (3) (b), 292 zu II 1 und 2]. Damit habe der Gesetzgeber auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 5 GG – wonach nichtehelichen Kinder durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen sind wie ehelichen Kindern (hier dann als „Anspruch des Kindes auf den besser geeigneten Elternteil“, vgl. Staudinger/Coester, BGB, 2009, § 1672 Rn. 10) – und im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG - Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Väter bzw. nichtehelicher Vater und nichteheliche Mutter - aus Gründen des Kindeswohls eine grundgesetzkonforme Regelung getroffen.

30

An dieser Auffassung kann nach Auffassung des Senats angesichts der Entscheidung des EGMR (V. Sektion) vom 3. Dezember 2009 – 22028/04 – (NJW 2010, 501 ff., zu verfassungsrechtlichen Bedenken siehe schon: Staudinger/Coester, BGB, 2009, § 1672 Rn. 9 f.) nicht festgehalten werden. Eine ungleiche Behandlung der Elternrechte von nicht mit der Mutter verheirateten Vätern und verheirateten Vätern sowie eine ungleiche Behandlung von Kindern, die in einer Ehe geboren werden, und Kindern, die in einer Lebensgemeinschaft nicht verheirateter Eltern geboren werden, sind im Rahmen von Sorgerechtsregelungen nur gerechtfertigt, wenn dafür gewichtige Gründe vorliegen (EGMR a.a.O. Rn. 51, 56 ff). Diese sind weder grundsätzlich noch im vorliegenden Fall ersichtlich. Die Eltern lebten bei der Geburt Ss im Jahr 2006 schon längere Zeit seit 2002 zusammen, hatten also eine tragfähige soziale Beziehung und die Mutter vollzog die endgültige Trennung erst im Dezember 2008. Bis dahin wirkte der Vater an der Betreuung Ss mit. Sein Antrag zeigt – was nach den Erfahrungen des Senats aus anderen Verfahren durchaus häufiger vorkommt – dass ihm nicht bewusst war, nicht die gemeinsame elterliche Sorge mit der Mutter gehabt zu haben. Es gibt keinen Grund, wegen der nun bestehenden Streitigkeiten eine Sorgerechtsentscheidung nicht zu ermöglichen, weil eine gemeinsame Sorgeerklärung fehlt. Wären die Eltern verheiratet gewesen oder wäre vorher eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben worden, hätten sich die gleichen Streitigkeiten ergeben. Es ist nicht nachvollziehbar, warum in dieser Situation ein Kind aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft unter Berufung auf das Kindeswohl weitergehenden Schutz vor Beeinträchtigungen seines Wohls - z. B. durch den Streit seiner Eltern - haben sollte als ein eheliches Kind oder ein Kind, dessen Eltern eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben. Mit dem EGMR geht der Senat davon aus, dass nicht typischerweise davon ausgegangen werden kann, dass konfliktfreie nichteheliche Lebenspartnerschaften gemeinsame Sorgeerklärungen abgeben und deshalb bei fehlender gemeinsamer Sorgeerklärung eine Entscheidung über die elterliche Sorge nach Trennung mit dem Kindeswohl typischerweise nicht vereinbar wäre. Die Konflikte langjähriger Lebensgemeinschaften – unabhängig davon, ob eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben wurde oder nicht - unterscheiden sich bezogen auf die Kinder im Trennungsfall in der familiengerichtlichen Realität regelmäßig nicht von den Konflikten von Eheleuten. Im Trennungsfall eine Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Elternrechte in einer vorher abgegebenen Sorgeerklärung zu sehen, ist zumindest angesichts der aktuellen Entwicklung – wie sie der Senat in seiner Praxis erlebt - nicht mehr überzeugend. S würde andernfalls die Chance genommen, der Verantwortung des besser geeigneten Elternteils unterstellt zu werden und entsprechende Förderung zu erfahren.

 

http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/20rr/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=93&numberofresults=6715&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE211882010%3Ajuris-r00&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint

 

 

 


 

 

Kinderkommission zum Internationalen Tag der vermissten Kinder am 25. Mai

Am 25. Mai 1979 verschwand im New Yorker Stadtteil Soho der damals sechsjährige Etan Patz spurlos. Ihm zum Gedenken wurde vier Jahre später der Internationale Tag der vermissten Kinder eingeführt, der seit nunmehr acht Jahren auch in Europa begangen wird.

Etwa 50.000 Kinder verschwinden in Deutschland jedes Jahr. Die meisten laufen weg und kommen glücklicherweise schon nach kurzer Zeit wieder zurück. Doch 1.700 Kinder sind länger als ein Jahr vermisst. Die Gründe dafür sind vielfältig, Stress in der Schule wie Mobbing, Ärger zu Hause, Liebeskummer, aber auch Entführungen ins Ausland durch ein Elternteil.

Für die betroffenen Eltern und Geschwister bricht eine Welt zusammen, und eine schreckliche Leidenszeit beginnt. Die Polizei leistet die wichtige „Erste Hilfe“, langfristige Unterstützung bieten ehrenamtliche Helfer und Elterninitiativen, die nicht nur Trost spenden, sondern den Familien auch mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Der 25. Mai soll nicht nur an die vermissten Kinder erinnern, sondern auch den Eltern, die ein Kind vermissen, Hoffnung geben und ihnen zeigen, dass sie mit ihren Sorgen nicht alleingelassen werden. Den vielen ehrenamtlichen Helfern und Initiativen soll an diesem Tag „Danke“ gesagt werden.

Der Vorsitzende der Kinderkommission, Eckhard Pols: „Vermisste Kinder stellen Eltern vor große physische und psychische Probleme. In diesen Augenblicken muss den Eltern, Großeltern und Geschwistern geholfen werden. Für diese Fälle stehen Initiativen und ehrenamtliche Helfer bereit, die in dieser Zeit wertvoll und unbezahlbar sind.“

Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 21.5.2010

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

Die Zahlen vermisster Kinder in Deutschland dürfte um einiges höher sein, denn viele Kindesentführungen innerhalb Deutschlands, die zumeist durch Mütter, die mit dem Kind abtauchen, verübt werden, tauchen in der Statistik erst gar nicht auf, denn der Staat hat keinerlei Interesse diese Problematik bekannt zu machen, teils unterstützt er diese Praktiken durch den Väterdiskriminierenden Schandparagraphen 1626a BGB oder durch nachträgliche Legitimation . So bleibt es im Land der drei Affen: Nichts sehen, nichts hören, nicht sagen, der Selbsthilfebewegung überlassen auf diesen gesellschaftlichen Skandal aufmerksam zu machen, wie etwa in dem Fall eines Vaters, dem die Mutter beide Töchter von Berlin nach Flensburg entführte und dort für mehrere Monate untertauchte. Während der insgesamt über zehn Jahre andauernden Entführungszeit und Kontaktvereitelung erhielt die Mutter aktive oder passive Rückendeckung seitens der Jugendämter und Gerichte in Flensburg, Freiburg und Waldshut-Tiengen. Pfui Deibel Deutschland.   

 

 

 


 

 

Sorgerecht (Vater) Mutter Kind

Ausgesperrt. Douglas Wolfsperger darf seine Tochter nicht mehr sehen. „Dabei liebe ich sie doch“, sagt er und hat einen Dokumentarfilm über „entsorgte Väter“ gedreht. - Foto: Mike Wolff

Er will sie doch nur sehen, für seine Tochter da sein. Aber die Mutter erlaubt es nicht. Denn meist bekommt bei Unverheirateten die Frau das Sorgerecht. Eine schreiende Ungerechtigkeit, sagen viele Väter

Als er seine Tochter zum vorletzten Mal sah, drehte sie sich weg. Douglas Wolfsperger macht eine eigenartige Bewegung auf seinem roten Sessel, um vorzuführen, wie sie sich mit angelegten Armen in sich selbst verschraubte. Unfähig, zu gehen. Unfähig, dazubleiben. Er hatte ihr nichts getan. So sah er es. Aber statt als Vater wahrgenommen zu werden in dem kalten, notdürftig für Kinder eingerichteten Zimmer der Arbeiterwohlfahrt in Köln, wo sie einander nun zum dritten Mal unter Aufsicht begegneten, war er nur der, vor dem sie sich die Augen zuhielt, dessen Mitbringsel sie verweigerte, auf dessen Fragen sie antwortete: „Ich weiß nicht.“

Danach saß er im Zug zurück nach Berlin. 570 Kilometer innere Leere. War es seiner Exfreundin nun doch gelungen, ihn aus dem Leben der gemeinsamen Tochter zu drängen? Freunde hatten ihm geraten, sich mit der Entfremdung abzufinden. Warum tue er sich das an, immer wieder vor Gericht zu ziehen, als Querulant dazustehen? Warum warte er nicht, bis das Mädchen von alleine komme?

„Aber wie macht man das?“, fragt Wolfsperger in seiner Charlottenburger Erdgeschosswohnung. Die Tür zum Garten steht auf. Vögel zwitschern. Bis auf einen Brief von seiner Tochter, die hier Hanna heißen soll, und ein Foto, das zusammengerollt auf dem Couchtisch liegt, erinnert nichts an Kinder in seinem Leben. Wolfsperger ist Filmemacher. Seine zweite Tochter lebt wie die erste getrennt von ihm bei der Mutter. Sie jedoch sieht er regelmäßig. „Wieso soll ich als Vater aufgeben“, sagt er. „Ich merke, dass ich immer wieder an die Grenzen meiner Kraft stoße und aufhören müsste. Aber ich kann nicht. Ich habe Hanna immer geliebt.“ Er sah sie noch ein letztes Mal, vor der Kontaktsperre. Er verstand nicht, wieso. Das war am schlimmsten.

Viele verstehen das nicht. Am Donnerstag zuckeln sie wieder durch die Lande. Fröhliche Männergesellschaften mit ihren Wägelchen, auf denen Bierfässer rumpeln. Es wird gesoffen und derbe getan, mit komischen Hüten auf dem Kopf. Männer wie Wolfsperger sind ebenfalls darunter. Und es werden immer mehr. Entsorgte Väter heißen sie. Entsorgt im doppelten Sinn: Auf den Müllhaufen einer gescheiterten Beziehung geworfen, werden sie ihren Kindern oft systematisch entzogen. Obwohl sie sich um den Kontakt bemühen, stehen ihnen nicht nur Hass und Rache der Frauen, sondern auch noch das deutsche Familienrecht im Wege. Es teilt die „Sorge“ im Konfliktfall einem Elternteil zu. In der Regel dem mütterlichen.

„Als Vater ist man immer erst mal schuld“, sagt Thomas, ein Berliner Geschäftsmann. Auf seinem Schreibtisch in Mitte lehnt sich ein einzelnes ungerahmtes Foto an eine Reihe Familienbilder an. Darauf sind vier Jungs zu sehen. Der älteste lächelt verschämt. Es sieht aus, als wüsste er nicht sehr viel damit anzufangen, Ältester zu sein. Aber er freut sich doch. Nennen wir ihn Patrick. „Was auch immer die Mütter anstellen, es bleibt ohne Sanktionen“, sagt Thomas, auf das Bild blickend. „Die Grundmechanik von Gerichten und Ämtern führt dazu, dass diese vollendete Tatsachen akzeptieren.“ Nur Thomas akzeptierte sie nicht. Deshalb ist Patrick auf diesem Foto.

Thomas kehrte 2001 von einer dreitägigen Geschäftsreise in die Wohnung seiner jungen Familie zurück, als für ihn der Albtraum begann. Seine Lebensgefährtin war ausgezogen, samt Möbel und Kind. Untergetaucht bei einer Freundin. „Da läuft man innerlich Amok“, sagt der 45-Jährige. Er habe sich als „aktiver Vater“ betrachtet, sei nachts aufgestanden, um das Baby zu wickeln, und kümmerte sich auch sonst um vieles, da seine Freundin berufstätig war. „Sie merkte irgendwann“, stellt er heute nüchtern fest, „dass ich nicht der Richtige war.“ Erst als sie die Bilder von den Wänden abgehängt hatte, fiel ihm auf, wie wenig er in der Wohnung vorgekommen war.

Das Paar war nicht verheiratet, teilte sich aber das Sorgerecht für den einjährigen Sohn. Als er seine Freundin endlich ausfindig machen konnte, drohte er mit einer Anzeige wegen Kindesentführung, und sie konterte: Dann behaupte ich einfach, dass du mich geschlagen hast. Dabei war sie aggressiv gewesen und auf ihn losgegangen, sagt er. Nun wurde er am Telefon so sehr beschimpft und mit vulgären Ausdrücken überzogen, dass er die Gespräche aufzeichnete, um anderen beweisen zu können, wie rabiat sie gegen ihn vorging. Schließlich zog sie ohne Rücksprache nach München. „Ich konnte danach trotz gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts vieles nur noch abnicken, um das Sorgerecht nicht zu verlieren“, erzählt Thomas.

Das ist seine Version. Vor neun Jahren wirkte sie vielleicht noch bizarr. Doch die Zunahme von Elternschaften ohne Trauschein und Patchwork-Familien bringt auch mehr ledige Väter hervor. Die sind viel stärker in die Betreuung der Kinder eingebunden, als ihre Väter es je waren, aber trotzdem haben sie weniger Rechte. Denn bei unverheirateten Eltern hat automatisch die Mutter das Sorgerecht. Ohne ihre Zustimmung läuft für ihn nichts. Deshalb hat Ende vergangenen Jahres der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eine Reform des deutschen Sorgerechts angemahnt. Im Justizministerium werde „mit Hochdruck“ an einer Lösung gearbeitet, heißt es von dort. Man sei „im Stadium der Vorüberlegung“. Zwar möchte Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger kein automatisches Sorgerecht für beide Elternteile, aber es soll für Väter möglich werden, es gegen den Wunsch der Mutter zu erhalten. Wie das gehen soll, ist jedoch vollkommen unklar.

Viele Bücher und Artikel haben diese Neubewertung eingeleitet. Und im Kino lief im vergangenen Jahr Douglas Wolfspergers Dokumentation „Der entsorgte Vater“, die auch seinen eigenen Fall behandelte. Der Film sei „unmöglich“, meinten Kritiker und zeigten sich doch fasziniert – von den Fakten: In der Hälfte aller strittigen Fälle bekommt die Mutter das alleinige Sorgerecht. Nur jeder siebte bis achte Konflikt endet mit der Alleinsorge des Vaters. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass ein Kind ins Heim oder zu einer Pflegefamilie kommt, als bei seinem leiblichen Vater bleiben zu dürfen.

Fast alle von denen, die sich an einem Donnerstagabend in einem Raum des Charlottenburger „Hauses der Familie“ treffen, haben von Wolfspergers Film gehört. Schultische werden zusammengerückt und der Eindruck vermieden, man wäre gerne hier. „Ich freue mich, dass einer nicht mehr dabei ist“, sagt Rainer Sonnenberger zur Begrüßung. Er meint einen Vater, der seine Kinder wieder regelmäßig sehen darf. Für alle, die gekommen sind, gilt das nicht. Vier Männer und zwei Frauen nehmen am Gesprächskreis des Vereins „Väteraufbruch für Kinder“ teil. Einer ist neu und sitzt steif und unbeholfen in der Runde. Sonnenberger ist Vereinsvorsitzender. Aber vor allem ist er ein bäriger Typ mit weicher Stimme, der Mut macht.

Der Neue sagt, er sei dabei, „um nicht ’ne Vollmacke zu bekommen“. Eine Frau, die sehr schnell spricht und sich als „Väterin“ vorstellt, war tagsüber in Begleitung eines Helfers aus dem Verein beim Jugendamt. Sie sollte sich freuen, meint der Helfer jetzt und schaut sie aufmunternd an. Es sei doch gut gelaufen. Aber sie fühlt sich betrogen. Sie findet, dass Fakten geschaffen werden durch Zeit. Die Fakten laufen ihr davon.

Das Jugendamt ist für die Gruppe zum Feind geworden. Aber Marion Thurley kann da nur mit den Schultern zucken. Thurley ist stellvertretende Leiterin des Neuköllner Jugendamts, und in ihrem Büro ist es an einem Montagmorgen kühl und still. Viele Eltern glaubten leider, sagt sie, dass es da noch eine höhere Institution geben müsse, wenn sie selbst sich zerstritten haben. Aber die sei nicht vorgesehen. Das Jugendamt könne keine Entscheidungen fällen. Kann es nicht? Nein. Es berät, es vermittelt, es achtet darauf, dass die Kinder bei Trennungen vom Loyalitätskonflikt nicht zerrissen werden. Sie sagt zerrissen, als wäre die Liebe zu den Eltern ein wildes Tier, das plötzlich Jagd auf die Schwächsten macht.

Marion Thurley schenkt pechschwarzen Behördenkaffee ein. Illusionen, sagt dieser Kaffee, braucht man sich hier nicht zu machen. „Man kann nur weitergeben, was man selbst gelernt hat“, sagt Thurley über das Vaterbild einer jüngeren Generation. Sie sagt es besonnen. Dass Männer es bewusst anders, besser machen wollen als ihre Altvorderen, reicht meist nicht. „Eigene Erfahrungen prägen uns sehr stark“, sagt sie. Man hat es in sich. Was die Gruppe im „Haus der Familie“ am meisten fürchtet, darauf setzt sie. Die Geduld des Papiers. Die Verlässlichkeit der verstreichenden Zeit. Nach einer Weile, sagt sie, „nachdem der familiäre Supergau abgeklungen ist, funktionieren auch Absprachen wieder. Und man weiß, wie ernst es den Vätern ist“.

Statistisch hat die Hälfte nach dem ersten Trennungsjahr keinen Kontakt mehr zu den eigenen Kindern. Ist das neue Vatergefühl womöglich ein Hirngespinst? Ein perfides Werkzeug, um mit dem Argument der Gleichberechtigung die Frau auf ihrem ureigensten Terrain anzugreifen?

„Ich lernte das Gefühl mit neun kennen, als mein Vater starb“, erzählt Douglas Wolfsperger. Er wuchs am Bodensee auf. „Und ich habe mich immer gefragt, wie es wäre, wenn er noch da wäre.“ Als er seine Freundin kennenlernte und sie schwanger wurde, tat er sich schwer, sie sofort in sein Kölner Junggesellenleben zu lassen, aber das Kind wollte er. Die Zeit nach Hannas Geburt sei „gewöhnungsbedürftig“ gewesen, und er gesteht, dass er auf die Trennung von Hannas Mutter „auf irgendeine Art hingearbeitet“ habe. Als ihn ein Filmprojekt für mehrere Monate an den Bodensee führt, fordert er den Bruch heraus. Freundin und Tochter ziehen aus der gemeinsamen Wohnung. Ein neuer Mann taucht auf. Und als Wolfsperger zurückkehrt, „um als Vater zur Verfügung zu stehen“, wie er sagt, ist er entbehrlich gemacht worden.

„Ich habe dem Gericht schon gesagt, dass ich dich nicht mag“, hatte Hanna ein halbes Jahr vor dem vorletzten Treffen, im Januar 2007, in einem Brief an ihren Vater geschrieben. „Ich will dich nicht sehen. Und ich möchte auch nicht, dass das Gericht mich zu irgendwas zwingt.“ Damals hatte ihn das Mädchen noch mit „Hallo Douglas“ angeredet.

Jetzt tut sie das nicht mehr. Wolfsperger hat wieder einen Brief von seiner inzwischen 12-jährigen Tochter erhalten. Er liegt auf seinem Wohnzimmertisch. Schön geschwungene Lettern, Kinderschrift. „Lieber Herr Wolfsperger“, heißt es nun. Trotzdem rutscht ihr zweimal das „Du“ heraus.

Es ist so wenig, was er will: sie ein paar Mal sehen dürfen. Aber so Großes, was er dafür bewegen muss. Es gehe ihm, sagt der 53-Jährige, nicht um die Vaterrolle. Als Regisseur weiß er, dass Rollen besetzt werden, um Anweisungen zu befolgen. Wolfsperger spricht lieber von einer „metaphysischen Verbindung“. Essenziell für beide. Vater und Tochter. „Man kann das nicht abschneiden.“ Und wie zum Beweis zeigt er das Foto, das ihn mit seiner Tochter auf einem Bahnsteig zeigt. Auch um dieses Foto ist ein Streit entbrannt. Nicht nur hat Wolfsperger seine Wut und Ohnmacht in den Film umgeleitet. Auch das Foto kommt darin vor, um zu zeigen, dass Vater und Tochter einmal gut miteinander konnten. Es verletze Hannas Persönlichkeitsrechte, klagte die Mutter. Nun hat Hanna einen Balken im Gesicht.

Die Gegenseite taucht in Wolfspergers Film nicht auf. Auch nicht in anderen Geschichten dieser Art. Dabei hätten Mütter sicher viel zu erzählen. Aber es ist schwer, an sie heranzukommen. Der Argwohn ist groß. Umso mehr, wenn Väter sich als Opfer in die Öffentlichkeit stellen. Wolfspergers Exfreundin wehrte sich einmal mit einer Gegendarstellung gegen einen Bericht. In dem Schreiben stellt sie es so dar, dass Wolfsperger seine Tochter verlassen habe, als diese ihn dringend gebraucht hätte. Danach sei er ein Fremder für sie gewesen und es geblieben.

Das Foto auf Wolfspergers Couchtisch erzählt etwas anderes. „Es geht bis heute um diese fünf Monate, in denen ich einen Film gedreht habe“, sagt Wolfsperger und schüttelt matt den Kopf. Auf die Frage, ob sein Einsatz die Situation für die Tochter womöglich verschärfe, weiß er keine Antwort. Aber eines weiß er: „Die Richterin hat meine Tochter auf dem Gewissen.“ Regelmäßig seien Treffen mit der Tochter vereitelt worden. Es wurde verzögert und er wurde hingehalten. Mal durfte Hanna ihren Vater sehen, dann plötzlich wieder nicht. Obwohl jedes Gutachten die Mutter als treibende Kraft hinter dem Umgangsboykott ausmachte, setzte sich die Richterin schließlich darüber hinweg und entschied, dass das Kind „Ruhe“ brauche.

Wolfspergers Film endet damit, dass er sich von seiner Tochter verabschieden soll, um das wilde Tier der Loyalität zu besänftigen. Eigentlich hat er aufgegeben.

Kinder seien „das perfekte Racheinstrument“, sagt Thomas. Er hat zusammengerechnet, wie viel ihn jeder Besuch bei seinem Sohn Patrick in dieser Zeit allein an Anwaltskosten gekostet hat. 380 Euro. Nur damit er ihn sehen darf. Die Reisekosten kommen noch dazu. Das kann sich ein normaler Angestellter auch wegen des Zeitaufwands gar nicht leisten. Und seine jetzige Frau, mit der er drei weitere Kinder hat, findet es „nicht so toll“, dass er seit Jahren bei den Besuchsterminen morgens um vier aufsteht, um den ersten durchgehenden Zug nach München zu nehmen. Patrick wird ihm inzwischen am Bahnhof übergeben. Abends um 22 Uhr ist er mit ihm in Berlin. Es kam vor, dass ihm sein Sohn nur mit zwei Mützen und einem Paar Handschuhe vor die Tür gestellt wurde. Als Vater, sagt er, habe man ständig eine „Bringunschuld“.

12.05.2010

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/vater-mutter-kind/1821300.html

 

 

 


 

 

 

So wenige Geburten wie noch nie

Wiesbaden (apn) Deutschland im Geburtentief: Im vergangenen Jahr sind so wenige Kinder in der Bundesrepublik geboren worden wie noch nie zuvor. Nach vorläufigen Ergebnissen kamen 651.000 Jungen und Mädchen lebend zur Welt, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte. Das waren rund 30.000 oder 3,6 Prozent weniger als 2008. Diesen Artikel weiter lesen

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder machte die gesunkene Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter für den Geburtenrückgang verantwortlich. Allein in den vergangenen vier Jahren ging die Zahl der Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren um eine halbe Million zurück, wie die CDU-Politikerin erklärte. Positiv sei aber, dass die Zahl der Kinder pro gebärfähiger Frau weitgehend stabil geblieben sei. Schröder bekannte sich zum weiteren Ausbau der Kleinkindbetreuung und betonte: «Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz wird kommen.»

Die bislang niedrigste Geburtenzahl hatte es 2006 mit 672.724 gegeben. Mit der Einführung des Elterngeld 2007 hatte es mit 684.862 nur einen vorübergehend einen leichten Anstieg gegeben. Seitdem war sie wieder gesunken. Die bislang höchste Geburtenzahl seit dem Zweiten Weltkrieg wurde in ganz Deutschland 1964 mit 1.357.304 registriert und damit gut doppelt so vielen wie zur Zeit.

Sterbefälle nahezu gleich geblieben

Bei einer nahezu gleichgebliebenen Zahl von Sterbefällen (rund 842.000 entsprechend minus 0,2 Prozent gegenüber 2008) sank der Saldo zwischen Geborenen und Gestorbenen auf minus 190.000 und damit den zweitniedrigsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg. Nur 1975 starben mit einem Saldo von minus 207.339 noch mehr Menschen in Deutschland als geboren wurden. 2008 hatte das Verhältnis noch minus 161.925 betragen. Zum letzten Mal im Plus war es 1971 mit einem Überschuss von 47.773.

Die Zahl der Hochzeiten verharrte auf sehr niedrigem Niveau. Nach vorläufigen Berechnungen gab es 376.000 Eheschließungen, im Jahr zuvor war man zunächst von 375.000 ausgegangen. Tatsächlich waren es dann 377.055 gewesen. Das waren in etwa halb so viele wie im bisherigen Hochzeitsboomjahr 1950, als 750.452 Paare sich das Jawort gegeben hatten.

http://www.destatis.de/

© 2010 The Associated Press. Alle Rechte Vorbehalten - All Rights Reserved

17.05.2010

http://de.news.yahoo.com/1/20100517/twl-so-wenige-geburten-wie-noch-nie-1be00ca.html

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

Männer müssen Zivildienst oder Wehrdienst leisten. Gibt es auch eine Gebärpflicht für Frauen oder alternativ eine Zivildienstpflicht für Frauen die keine Kinder gebären? Nein. Wieso werden dann in Deutschland Männer in dieser Frage diskriminiert?

Ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz. Aber in Karlsruhe und im Deutschen Bundestag herrscht diesbezüglich Tiefschlaf oder - noch schlimmer - kalte Arroganz.

 

 


 

 

Pressemitteilung VAfK:

3. deutscher Väterkongress am 8. Mai in Karlsruhe

Väter in Europa - Gemeinsame Sorge für beide Eltern!

Am 8. Mai 2010 veranstaltet der bundesweite Verein "Väteraufbruch für Kinder e.V." (VAfK) seinen 3. deutschen Väterkongress in Karlsruhe. Im Fokus steht die gemeinsame Sorge von nicht miteinander verheirateten Eltern. ...

Der Bundesvorsitzende des VAfK, Prof. Dr. Dr. Ulrich Mueller, wird die Position des Vereins erläutern, die gemeinsame Sorge von nicht miteinander verheirateten Eltern mit der Anerkennung der Vaterschaft zu begründen.

Der Vater Horst Zaunegger wird über seinen erfolgreichen Weg nach Straßburg und über die daraus folgenden Konsequenzen berichten.

Aus der Schweiz wird Herr Felix Schöbi vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement im Bundesamt für Justiz BJ über die Entwicklung der eidgenössischen Reform referieren.

Frau Rechtsanwältin Annie Heintzelmann wird die Situation in Frankreich beschreiben.

Der Kinder- und Familienpsychologe Jan Piet de Man wird die Reform in Belgien im Jahr 2006 vorstellen und die bisherigen Erfahrungen mit einer stärkeren Einbindung beider Eltern beschreiben. In Frankreich und Belgien ist das Doppelresidenzmodell, bei dem beide Eltern auch nach einer Trennung ihre Kinder gemeinsam betreuen, weit verbreitet und auch gesetzlich berücksichtigt.

Im Anschluss wird Bundesvorstandsmitglied Rainer Sonnenberger Alternativformen zu gerichtlichen Entscheidungen vorstellen, wenn sich die Eltern nicht eigenständig einigen können.

Den Abschluss des Kongresses bildet ein Podiumsgespräch mit Vertretern der politischen Parteien.

Weitere Informationen: www.vaeterkongress.vaeteraufbruch.de

 

 

 

 


zurück