Väternotruf informiert zum Thema
Bezirksgericht Berlin
Stadtgericht Berlin
Bezirksgericht Berlin
Deutsche Demokratische Republik
Bezirk Berlin
http://de.wikipedia.org/wiki/DDR-Justiz
später dann angegliedert an die ehemalige Bundesrepublik Deutschland
Bundesland Berlin
Das Bezirksgericht Berlin ist ein ehemaliges Bezirksgericht in der DDR.
Dem Bezirksgericht Berlin übergeordnet war das Oberste Gericht der DDR
Untergeordnete Stadtbezirksgerichte:
Stadtbezirksgericht Friedrichshain
Stadtbezirksgericht Hellersdorf
Stadtbezirksgericht Hohenschönhausen
Stadtbezirksgericht Lichtenberg
Stadtbezirksgericht Marzahn
Stadtbezirksgericht Prenzlauer Berg
Stadtbezirksgericht Treptow
Stadtbezirksgericht Weißensee
Bezirk Berlin
Ost-Berlin gehörte nach 1945 keinem Land der Sowjetischen Besatzungszone an, sondern unterstand dem Viermächtestatus von Groß-Berlin. Somit wurde es ab 1949 auch kein konstitutives Glied der DDR. Nach der Verwaltungsreform von 1952 wurde sein Status zunehmend dem der Bezirke angenähert. Am 7. September 1961 wurde Ost-Berlin durch einen Erlass des Staatsrates der DDR die Funktion eines Bezirks übertragen („Die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik übt die Funktion eines Bezirkes aus.“[3]). Damit erhielt die Stadt zwar die Stellung eines Bezirks, war jedoch weiterhin keiner.[4] Indem Ost-Berlin in den folgenden beiden Jahrzehnten nach und nach seine Sonderrechte gegenüber der DDR-Verwaltung verlor, war dieser Unterschied in der Praxis von geringer Bedeutung. In vielen Publikationen der DDR wird Ost-Berlin als 15. Bezirk geführt, meist mit der einfachen Bezeichnung „Hauptstadt Berlin“.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bezirk_(DDR)
Stadtbezirk
Mitte
Prenzlauer Berg
Friedrichshain
Pankow
Weißensee - 1985 um Teile Pankows erweitert
Hohenschönhausen - 1985 aus Teilen Weißensees neu gebildet
Lichtenberg
Marzahn 1979 - aus Teilen Lichtenbergs neu gebildet
Hellersdorf 1986 - aus Teilen Marzahns neu gebildet
Treptow
Köpenick
Richter am Bezirksgericht Berlin:
Richter am Kreisgericht Berlin-Mitte:
Uwe Weitzberg - Richter am Kreisgericht Berlin-Mitte (ab , ..., 1990, ..., ) - "Daß es Schwierigkeiten geben würde, den Ost-Juristen die Akten abzunehmen, war vorhersehbar gewesen. Seit Wochen schon hatte der nach der Wende eben erst gegründete DDR-Richterbund versucht, die Bürger gegen die West-Justiz aufzubringen.
Der DDR-Richterbundvorsitzende Uwe Weitzberg, im Februar immerhin von der Mehrheit aller Ost-Richter zu ihrem Sprecher gemacht, verbreitete Angst-Parolen wie in den Hoch-Zeiten des DDR-Fernsehkommentators Karl-Eduard von Schnitzler: Er könne es als Richter nicht verantworten, so ließ er in Interviews verbreiten, künftig "einer Mutter mit drei Kindern, die mal einen Monat absolut ihre Miete nicht zahlen --- S.81 kann, im Namen des Volkes den Räumungsbescheid zu verkünden" - "und das kommt".
Weitzberg, bis zur Vereinigung Direktor des im Durcheinander versunkenen Stadtbezirksgerichts Berlin-Mitte, sparte noch im Untergang nicht mit großen Worten: "Wenn der Ost-Richter geht, verliert der Ost-Bürger seinen wichtigsten Anwalt." - DER SPIEGEL 43/1990 - http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=13502591&top=Spiegel
Haben Sie interessante Gerichtsbeschlüsse des Bezirksgerichts Berlin oder nachgeordneter Kreisgerichte? Diese können wir hier gerne veröffentlichen.
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Foto zugesandt am 12.10.2012
Schrankenlose Willkür Die Hinrichtung des Leutnants Adalbert Kapperer am 20. April 1945
Elisabeth Kohlhaas ist Historikerin an der Universität Leipzig. Der vorliegende Beitrag stützt sich auf ihre umfangreiche Publikation Krieg nach Innen. NS-Verbrechen in Aschaffenburg und an Aschaffenburgern, erschienen im Jahr 2005. In diesem Buch beschäftigt sich Elisabeth Kohlhaas auch ausführlich mit dem Fall von Friedel Heymann.
Von Elisabeth Kohlhaas
Die Hinrichtung von Adalbert Kapperer zeigt, dass die Wehrmacht in der letzten Kriegsphase nicht allein gegen vermeintliche Deserteur rigoros vorging. Jedes Verhalten, das in irgendeiner Art und Weise als Disziplinlosigkeit ausgelegt wurde, konnte völlig unverhältnismäßig mit dem Tod bestraft werden - sogar wenn ihm wie in Kapperers Fall überhaupt kein Verstoß gegen einen Befehl zugrunde lag. Ein letztes brutales Disziplinierungsinstrument gegenüber den Auflösungserscheinungen in der Truppe stellten die sogenannten fliegenden Standgerichte dar, die die Wehrmacht noch kurz vor Kriegsende im Frühjahr 1945 einrichtete.
Leutnant Adalbert Kapperer
Bildunterschrift: Leutnant Adalbert Kapperer, Foto: Privat
Sie verurteilten in den letzten Kriegswochen eine Vielzahl von Soldaten zum Tode, eines von ihnen auch Adalbert Kapperer. Die Akteure dieses fliegenden Standgerichts hatten sich Anfang der 1950er Jahre wegen mehrerer Dutzend Hinrichtungen vor Gerichten in der Bundesrepublik und in der DDR zu verantworten. Das bundesdeutsche Verfahren stellte einen der wenigen Nachkriegsprozesse wegen eines nationalsozialistischen Justizverbrechens dar, der mit einer rechtskräftigen Strafe endete.
Kurz nach dem Kriegsende nahmen verschiedene Stellen in Bayern und Hessen Ermittlungen auf, um eine große Anzahl von Exekutionen in den letzten Kriegswochen 1945 zu klären. Es handelte sich meist um Wehrmachtangehörige, die im Süden Hessens, in Nordbayern und auf tschechischem Gebiet hingerichtet worden waren. Es dauerte seine Zeit und bedurfte einiger Koordinationsanstrengungen bei den Nachforschungen, bis feststand, dass viele der unabhängig voneinander untersuchten Fälle auf ein und denselben Verursacher zurückgingen: auf ein fliegendes Standgericht der Wehrmacht, das einem Major namens Erwin Helm unterstanden hatte.
Major Erwin Helm
Bildunterschrift: Major Erwin Helm, Foto: Die Bundes-beauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR
Es gehörte zu einem Auffangstab der 7. Armee unter der Führung Helms. Zwischen März und Mai 1945 zog es von der Eifel in Richtung Osten bis nach Böhmen. Die genaue Anzahl all seiner Hinrichtungen ließ sich nie beziffern. Ein beteiligter Sanitäter sagte nach dem Krieg aus, dass er bei 34 Exekutionen anwesend gewesen sei. Seiner Schätzung nach hatte das Standgericht mehr als 50 Hinrichtungen vollstreckt. Es steht damit beispielhaft für die Terror- und Willkürjustiz der Wehrmacht in den letzten Kriegsmonaten.
Leutnant Adalbert Kapperer
Bildunterschrift: Leutnant Adalbert Kapperer, Foto: Privat
Zu den Opfern des Standgerichts gehörte auch der 25-jährige Adalbert Kapperer aus Aschaffenburg-Schweinheim. Das Standgericht hatte ihn in der Nacht vom 20. zum 21. April 1945 in Prebuz (Frühbuß), einem kleinen Ort nördlich von Karlsbad, zum Tode verurteilt und das Urteil sofort vollstreckt. Der Leutnant sollte eine Dienstpflichtverletzung begangen haben, indem er angeblich einen Befehl nicht befolgt hatte, den er nie erhalten hatte. Die Nachkriegsjustiz sprach in seinem wie in den vielen anderen Hinrichtungsfällen des fliegenden Standgerichts von „schrankenlose[r] Willkür“.
Leutnant Adalbert Kapperer
Bildunterschrift: Leutnant Adalbert Kapperer, Foto: Privat
Die folgenden Seiten beschäftigen sich mit der Hinrichtung Adalbert Kapperers und mit ihren Hintergründen. Zunächst geht es um die Geschehnisse, die zu der Exekution führten: Mit welcher Begründung und unter welchen Umständen wurde der Wehrmachtoffizier zum Tode verurteilt und hingerichtet? Anschließend konzentriert sich der Blick auf das fliegende Standgericht Helm und seine Akteure. Die Entstehungsgeschichte, die brutale Urteilspraxis und die rechtlichen Grundlagen werden nachvollzogen und die beteiligten Wehrmachtoffiziere vorgestellt. Die Ausführungen stützen sich auf Gespräche mit den Familienangehörigen von Adalbert Kapperer, und sie beziehen die vorliegende Sekundärliteratur ein, besonders die ältere und knappe, dennoch präzise Zusammenfassung des Hergangs bei Alois Stadtmüller.
Gleichzeitig kann die Schilderung über die bisherigen Darstellungen hinausgehen, da sie sich auf eine wesentlich breitere, in großen Teilen ganz neu zusammengetragene Quellenbasis stützt. So wurden erstmals die Akten des Justizverfahrens vollständig ausgewertet, das Anfang der 1950er Jahre vor dem Landgericht Würzburg gegen vier Beteiligte an dem fliegenden Standgericht stattfand. Die Dokumente sind bei aller Vorsicht, die im Umgang mit dieser Art von Quellen geboten ist, unverzichtbar für handfeste Informationen über das Standgericht und sein Vorgehen. Darüber hinaus sagen sie etwas über den Umgang der bundesdeutschen Justiz mit den nationalsozialistischen Justizverbrechen bzw. mit den Verbrechen der Wehrmacht in den frühen Nachkriegsjahren aus. Um die Frage der Nachkriegsjustiz wird es deshalb in den letzten Abschnitten gehen. Dabei kann nicht nur die westdeutsche, sondern auch die Justiz im Osten Deutschlands einbezogen werden. Denn zeitgleich mit dem Würzburger Verfahren haben sich Anfang der 1950er Jahre auch die Justizbehörden der DDR mit den Verbrechen des fliegenden Standgerichts Helm befasst. Die beiden Hauptverantwortlichen, der Gerichtsherr Erwin Helm und der regelmäßige Vorsitzende des Standgerichts Bruno Bähr, hatten sich vor dem Stadtgericht in Ostberlin zu verantworten. Im Bundesarchiv und in der „Birthler-Behörde“ für die Unterlagen der ehemaligen Staatssicherheit in der DDR sind die entsprechenden Akten heute zu finden. Hier werden sie erstmals ausgewertet.
Leutnant Adalbert Kapperer
Bildunterschrift: Leutnant Adalbert Kapperer, Foto: Privat
Adalbert Kapperer wurde am 9. Februar 1920 in Aschaffenburg-Schweinheim geboren und wuchs dort als Kind einer Arbeiterfamilie auf. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er von 1933 bis 1936 eine kaufmännische Lehre in dem Kolonialwaren- und Feinkostgeschäft Arthur Miller in der Aschaffenburger Elisenstraße. Nach dem Abschluss der Lehre blieb er als kaufmännischer Angestellter dort und spezialisierte sich auf die Weinkellerei und den Weinverkauf. Für den Weineinkauf reiste er bisweilen sogar zu Weingütern und -anbietern. 1937 legte er die Prüfung zum Kaufmannsgehilfen ab. In seiner Freizeit war Adalbert Kapperer ein begeisterter Radfahrer. Er war Mitglied im Schweinheimer Radfahrerverein, wie sein Vater, der dem Verein vorstand und darüber hinaus eine Funktion im Unterfränkischen Radfahrer-Bund inne hatte. Als junger Mann unternahm Adalbert Kapperer Mitte und Ende der 1930er Jahre etliche lange Fahrradtouren, häufig mit einem guten Freund, beispielsweise bis in die Schweiz oder nach Hamburg. Er besaß einen Fotoapparat und hielt die Fahrten auf vielen Fotos fest.
Leutnant Adalbert Kapperer
Bildunterschrift: Leutnant Adalbert Kapperer, Foto: Privat
Adalbert Kapperer war Mitglied der Schweinheimer HJ und war dort HJ-Gefolgschaftsführer. 1939 trat er der NSDAP bei. Sein Vater, der für die langjährige Teilnahme am Ersten Weltkrieg ausgezeichnet worden war, gehörte seit Anfang der 1930er Jahre der SA an. Seitens der Mutter war das Elternhaus christlich eingestellt, Adalbert Kapperer wurde religiös erzogen.
Im Mai 1940 wurde der 20-Jährige zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und einer Einheit des RAD Oberdonau in der Steiermark zugewiesen. Nach der Grundausbildung gelangte die Abteilung an die Westfront nach Lothringen und in das Elsaß. Sie war mit Instandsetzungsarbeiten beschäftigt, beispielsweise an Straßen, um nach dem Durchzug der Wehrmachttruppen bei dem deutschen Überfall auf Frankreich die Infrastruktur wieder herzustellen. Die Abteilung geriet häufig in Kämpfe mit französischen Einheiten. Ein besonders schwerer Zusammenstoß ereignete sich nach den Notizen Adalbert Kapperers in Stenay bei Sedan. Etliche Angehörige aus seiner Einheit, darunter auch er selbst, erhielten dafür das Kriegsverdienstkreuz, das erst wenige Monate zuvor überhaupt eingeführt worden war.
Im Oktober 1940 wurde Adalbert Kapperer zur Wehrmacht einberufen und der schweren Artillerie im thüringischen Mühlhausen zugeteilt. Im Mai 1941 absolvierte er einen Funkerlehrgang und war während der folgenden Kriegsjahre mit kurzen Unterbrechungen als Funker im Westen Frankreichs am Ärmelkanal und in der Normandie eingesetzt, zuletzt bei der Küstenartillerie in Cherbourg. Im März 1942 erhielt er die Beförderung zum Unteroffizier, im September 1943 wurde er Fahnenjunker-Wachtmeister und damit Offiziersanwärter, und von Oktober 1944 bis zum Januar 1945 nahm er an einem Offizierslehrgang in Pommern teil. Er gehörte zu der immer größeren Zahl von erfahrenen Reserveoffizierbewerbern, die im Verlauf des Krieges angesichts des Mangels an Nachwuchsoffizieren auch ohne das Abitur in die Offizierslaufbahn übernommen wurden. An Ende des Lehrgangs erhielt er zum 1. Januar 1945 die Beförderung zum Leutnant. Anschließend wurde er der „Führerreserve West“ zugeteilt und zu einer Ersatz-Abteilung der schweren Artillerie nach Fritzlar in Nordhessen abkommandiert.
Im Juli 1944 heiratete er in Aschaffenburg seine Braut Else. Sie kam wenig später Anfang Januar 1945 bei einem Bombenangriff zusammen mit ihrer Mutter zu Tode. Sie hatte das erste Kind erwartet.
Adalbert Kapperer erhielt außer dem Kriegsverdienstkreuz weitere Auszeichnungen für seine Kampfeinsätze, so das Verwundetenabzeichen, die im August 1942 eingeführte „Nahkampfspange“ und das ab März 1942 vergebene „Sonderabzeichen für das Niederkämpfen von Panzerkampfwagen durch Einzelkämpfer“, das eine Belohnung für die Zerstörung eines feindlichen Panzers im Alleingang darstellte.
Seit dem Abschluss seines Offizierslehrgangs Ende Januar 1945 und der Beförderung zum Leutnant befand Adalbert Kapperer sich bei der „Führerreserve West“ in Fritzlar im nördlichen Hessen. Als die Front näher rückte, wurden dort um den 20. März 1945 herum Kampfgruppen gebildet. Aufgestellt wurde auch ein „Panzervernichtungstrupp“, eine größere Gruppe von Männern unter Kapperers Führung. Der erste Einsatz des Trupps erfolgte in einem Dorf bei Fritzlar, wo eine Brücke zu schützen war. Wenige Tage später, am Karfreitag 1945, nahmen amerikanische Verbände die Gegend ein. Kapperers Kampfgruppe bewegte sich nun über Melsungen, Eschwege und den Harz ostwärts, zuletzt mit einer Panzerdivision in Richtung Halle. Sie geriet ständig in Gefechte mit amerikanischen Einheiten, wurde etliche Male überrollt und kämpfte sich mehrfach wieder auf die deutsche Seite der Front durch. Wie ein Angehöriger der Gruppe es nach dem Krieg nicht ohne Stolz beschrieb, lag es den Männern fern, den Kampf aufzugeben: „Natürlich hätten wir uns leicht in Gefangenschaft begeben können, aber das kam für uns gar nicht in Frage.“ Dann erhielt der Trupp den Befehl, sich dem 9. Armeeoberkommando (AOK) anzuschließen. Auf dessen Suche gelangte er ins Erzgebirge und nach Westböhmen, wo er in stark verringerter Zahl um den 18. April 1945 herum nahe Graslitz (Kraslice) von dem Auffangstab Helm aufgesammelt wurde.
Adalbert Kapperer kam krank und erschöpft am Standort des Auffangstabs in Heinrichsgrün (Jindrichovice) nahe Karlsbad (Karlovy Vary) an. Er litt an starken Magen-Darm-Beschwerden und hatte hohes Fieber, vielleicht war er an der Ruhr erkrankt. Der Sanitäter des Auffangstabs riet ihm, sich im Krankenrevier auszukurieren, aber er lehnte ab. Er ließ sich statt dessen mehrfach behandeln, darunter auch mit Opiumtropfen, bevor er schon einen oder zwei Tage später, am 20. April 1945, wieder aufbrach. Er hatte den Befehl erhalten, eine Gruppe von Soldaten in den etwa 40 km nördlich liegenden Ort Eibenstock in Sachsen zu führen.
Bevor die Marschgruppe sich in den Mittagsstunden des 20. April auf den Weg machte, hatte sie wie die anderen Angehörigen des Auffangstabs noch bei der Hinrichtung eines ganz jungen Soldaten außerhalb von Heinrichsgrün dabei zu sein, der sich einige Stunden zu spät bei seiner Einheit zurück gemeldet hatte und deshalb wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt worden war. Möglicherweise führte Adalbert Kapperer das Exekutionskommando. Ein ehemaliger Angehöriger des Auffangstabs sagte nach dem Krieg aus, Kapperer habe sich nach dem Vollzug der Hinrichtung unter seiner Führung ihm gegenüber ablehnend über diese Vorgehensweise des Standgerichts noch zu diesem Zeitpunkt des Krieges geäußert.
Kapperers Gruppe bestand insgesamt aus etwa 30 Männern, von denen viele aus einem Lazarett kamen und sich in einem schlechten Gesundheitszustand befanden. Die meisten waren älter, waren schlecht zu Fuß und liefen mit Stöcken. Die Gruppe trug keinerlei Ausrüstung mit sich, viele Männer hatten keine Waffe und keinen Stahlhelm. Der Trupp wurde in drei Züge mit je einem eigenen Führer unterteilt, von denen Adalbert Kapperer selbst einen übernahm, und machte sich gestaffelt auf den Weg. In dem Befehl der Marschgruppe sei „einwandfrei“ nicht die Rede von einem Kampfauftrag oder einem Eilmarsch mit Übernachtungsverbot gewesen, um am Zielort die Front zu unterstützen, sagte einer der beiden anderen Unterführer nach dem Krieg aus: „Bei ihrem Ausrüstungs- und Gesundheitszustand wäre es auch absoluter Wahnsinn gewesen.“
Die eingeschlagene Strecke war bergig, und die Wetterverhältnisse waren schlecht. Die Marschgruppe war schnell erschöpft. Einige Männer trugen die Bitte an Adalbert Kapperer heran, eine Nachtruhe einzulegen. Er ging darauf ein. Die Gruppe quartierte sich abends in Frühbuß (Prebuz) ein, das vom Ausgangsort etwa 15 km entfernt lag. Wahrscheinlich gab Adalbert Kapperer einen Befehl für den Aufbruch am nächsten Morgen aus. Ob mit oder ohne ausdrücklichen Befehl sei klar gewesen, dass nach der Übernachtung am nächsten Tag früh weitermarschiert werde, schilderte einer der Zugführer nach dem Krieg die Übereinkunft in der Gruppe. Adalbert Kapperer meldete die Ankunft seiner Gruppe bei dem Bürgermeister des Ortes. Anschließend legte er sich müde und krank in sein Bett in einem Privathaus.
Es war wahrscheinlich der Bürgermeister, bis 1942 auch NSDAP-Ortsgruppenleiter von Frühbuß, der sich per Telefon bei Helm über die Einquartierung der Gruppe in seinem Ort beschwerte. Möglicherweise hatte er schon bei Kapperers Vorsprache seine Unterstützung bei der Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten verweigert und die Gruppe zum Weitermarsch aufgefordert, so dass die Männer ihre Unterkunft auf eigene Faust suchen mussten. Von Adalbert Kapperer hatte er erfahren, dass Erwin Helm der zuständige Vorgesetzte war. Nachdem die Nachricht von der nächtlichen Ruhepause des Marschtrupps bei Helm angekommen war, setzte sich das fliegende Standgericht mit seinem Wagen sofort in Richtung Frühbuß in Bewegung. Während der Fahrt bestimmte Helm den Oberleutnant Bruno Bähr zum Vorsitzenden und den Leutnant Walter Fernau zum Ankläger für die folgende Verhandlung. Bähr hatte bereits einen Strick dabei. Der Leutnant Engelbert Michalski fuhr ebenfalls mit, war an der Standgerichtsverhandlung gegen Adalbert Kapperer dann aber nicht beteiligt. Bei den drei Männern handelte es sich um Kompanieführer in Helms Auffangstab.
Spätabends in Frühbuß angekommen, wurde das Standgericht um zwei Beisitzer aus Militäreinheiten im Ort ergänzt. Bekannt ist lediglich, dass einer von ihnen ein Offizier war. Nicht bekannt ist, nach welchen Kriterien sie ausgewählt wurden, ob es sich beispielsweise um nationalsozialistische Führungsoffiziere oder um in irgendeiner Weise in der Militärgerichtsbarkeit erfahrene Männer handelte. Letzteres war vermutlich nicht der Fall. Einen Verteidiger gab es nicht, ebenso wenig einen Protokollführer. Das Standgericht versammelte sich in der Wohnküche im Haus des Bürgermeisters. Helm und / oder Bähr schilderten den Beisitzern den Fall, wie er sich in ihren Augen darstellte: Adalbert Kapperer habe den Befehl nicht befolgt, die Marschgruppe nach Eibenstock zu bringen, und habe eigenmächtig die Übernachtung in Frühbuß angeordnet. Sie instruierten die Beisitzer, dass das Gericht nur auf die Todesstrafe oder einen Freispruch erkennen könne. Anschließend hatten die Beisitzer einzig und allein die Frage zu beantworten, ob Adalbert Kapperer befehlsgemäß oder dem Befehl zuwider gehandelt habe. Beide Beisitzer standen auf dem Standpunkt, dass bei dieser Darstellung des Sachverhalts Kapperer dem Befehl zuwider gehandelt habe. Einer von ihnen machte allerdings Einwände gegen die Todesstrafe und plädierte dafür, dem mehrfach ausgezeichneten Offizier „Frontbewährung“ zuzugestehen, ihn also zu degradieren und zum Fronteinsatz zu schicken. Die Einwände wurden von dem Vorsitzenden Bähr nicht zur Kenntnis genommen.
Nachdem die Verhandlung des Standgerichts nun faktisch bereits stattgefunden hatte und das Urteil festgelegt war, wurde auch Adalbert Kapperer in den Raum geführt. Er verteidigte sein Vorgehen mit der Erschöpfung der von ihm geführten Männer. Seine Verteidigung blieb ungehört. Er bat selbst um den Einsatz an der Front statt der Todesstrafe. Angesichts seiner bisherigen Erfolge im Kampf gegen feindliche Panzer und der Auszeichnung, die er dafür erhalten hatte, wollte er sich vor dem Gericht dazu verpflichten, alleine mehrere Panzer der alliierten Truppen zu zerstören. Das Gericht hörte keine Zeugen, um die Situation der Marschgruppe zu beleuchten, und es hörte nicht auf Adalbert Kapperers Bitten um Strafumwandlung. Der Vorsitzende Bähr sprach ohne weitere Aussprache oder Abstimmung das Todesurteil wegen angeblicher „Dienstpflichtverletzung“ aus. Der Gerichtsherr Helm, der vor der Tür gewartet hatte, bestätigte das Urteil umgehend.
Adalbert Kapperer wurde etwa um Mitternacht an einem Baum direkt vor dem Grundstück des Bürgermeisters erhängt. Die Angehörigen des Auffangstabs und anderer Einheiten in Frühbuß, insgesamt etwa 200 Wehrmachtangehörige, waren bereits zusammengerufen worden, um an der Exekution teilzunehmen. Nachdem Adalbert Kapperer noch im Haus des Bürgermeisters von Helm degradiert worden war, wurde er zu dem Baum geführt. Wahrscheinlich musste er schon auf dem Weg ein Pappschild um den Hals tragen: „Wegen grober Pflichtverletzung zum Tode verurteilt“. Zum Führer des Exekutionskommandos war der Ankläger des Standgerichts Walter Fernau bestimmt worden. Er verlas das Todesurteil. Adalbert Kapperer bat erneut um Frontbewährung. Als Fernau seine Worte abschmetterte, trat einer der Männer, der zu Kapperers Trupp gehört hatte, aus der versammelten Soldatenmenge hervor und bat um Begnadigung des Leutnants. Er wurde zurückgewiesen. Er trat ein zweites Mal nach vorne und wurde wieder zurückgeschickt. Bei der Erhängung gelang es Adalbert Kapperer zweimal, mit den Händen in die Schlinge zu greifen. Er starb erst dann, als der Vollstrecker der Hinrichtung nach dem zweiten Versuch einen Schuss auf ihn abgab und damit seinen Hals durchschoss. Walter Fernau als nationalsozialistischer Führungsoffizier hielt anschließend eine Ansprache an die versammelten Soldaten, wie er es nach den Hinrichtungen des Standgericht häufig tat. Auf Helms Befehl musste Adalbert Kapperers Leichnam mit dem Schild drei Tage hängenbleiben, bevor er auf dem Dorffriedhof begraben werden konnte. Dort befindet sich das Grab noch heute.
Die Marschgruppe hatte noch in der Nacht ihren Weg nach Eibenstock fortzusetzen. Als sie dort in den frühen Morgenstunden ankam, fand sie eine vollkommen ruhige Situation vor. Die Front war weit entfernt, und von einem Kampfeinsatz war nicht die Rede. Solange der Trupp in den folgenden zwei Tagen in dem Dorf war, änderte sich das nicht. Es hatte keine Dringlichkeit gegeben, den Ort zu erreichen. Die Hinrichtung Adalbert Kapperer war nicht im Mindesten mit den Notwendigkeiten des Frontverlaufs zu begründen.
Das fliegende Standgericht unter Major Erwin Helm war im März 1945 eingerichtet worden. Es gehörte zu einem Auffangstab der 7. Armee, dessen Führung Helm kurz vorher im Februar 1945 übernommen hatte. Die 7. Armee befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Eifel und war auf dem Rückzug vor den alliierten Truppen in Richtung Osten. Sie hatte mehrere solcher Auffangstäbe gebildet, deren Aufgabe darin bestand, im Rücken der Front Soldaten zu sammeln, sie neu aufzustellen und den Fronteinheiten wieder zuzuführen. Die Auffangstäbe hatten gleichzeitig die Anweisung, gegen vermeintliche Deserteure scharf vorzugehen. Die Formationen unterstanden dem Kommandeur des rückwärtigen Armeegebietes, kurz auch als „Korück“ bezeichnet. Sie setzten sich aus einem Stab und mehreren Kompanien zusammen, die von Offizieren befehligt wurden. Helm übernahm seinen Auffangstab in einer Kaserne in Wittlich. Den Rückzug der 7. Armee begleitend, zog er mit ihm und dem Standgericht von hier über den Süden Hessen und über Nordbayern nach Westböhmen, wo der Auffangstab nahe Karlsbad (Karlovy Vary) die letzten Kriegstage verbrachte.
Das Standgericht wurde entweder gegründet, als der Auffangstab sich noch in Wittlich befand, oder wenig später, als er bereits den Rhein überquert hatte und in Bensheim an der Hessischen Bergstraße lag. Hier fanden am 22. oder 23. März 1945 auch die ersten drei Hinrichtungen statt. Den Befehl zur Einsetzung des fliegenden Standgerichts und die entsprechenden Instruktionen erhielt Helm von dem Kommandeur des rückwärtigen Armeegebietes, anschließend bestätigte dessen reguläres Feldkriegsgericht den Befehl schriftlich, wie Helm nach dem Krieg angab. Vermutlich wurde er auch als Gerichtsherr vereidigt. Die anderen Auffangstäbe der 7. Armee richteten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls fliegende Standgerichte ein; bei den Nachkriegsermittlungen war von drei bis sechs die Rede. Diese Standgerichte bestanden zusätzlich zu den normalen Feldkriegsgerichten. Damit der Bataillonskommandeur Helm als Gerichtsherr fungieren konnte, erhielt er die Disziplinarstrafgewalt überantwortet, wie sie einem höher stehenden Regimentskommandeur zustand. Die Ermächtigung, militärische Rechtsprechung zu vollziehen, war damit in der Hierarchie nochmals weiter nach unten vergeben worden.
Auf ihrem Weg nach Osten schlugen die einzelnen Kompanien des Auffangstabs verschiedene Wege ein, auf denen sie das nordbayerische Gebiet in breiter Anordnung durchquerten. Das Standgericht selbst bewegte sich mit einem Wagen vorwärts, an dem ein Schild mit der Aufschrift fliegendes Standgericht befestigt war. Es war nicht das einzige Standgericht, das durch Nordbayern zog, denn es existierte auch ein Standgericht des Gauleiters in Würzburg. Zusätzlich war auch ein Kriegsgericht der 416. Division in dem Gebiet unterwegs. Von Vorfällen, die möglicherweise abzuurteilen waren, erfuhr das fliegende Standgericht Helm auf verschiedene Weise: Streifen der Feldgendarmerie, die einzelne Gegenden durchkämmten, oder die Wehrmeldeämter führten ihm Soldaten zu. Auch die Polizeibehörden im Gebiet der Westfront hatten von Himmler die Anweisung erhalten, mit den militärischen Auffangorganisationen zusammenzuarbeiten und strenge Kontrollen durchzuführen, um Versprengte und mögliche Deserteure aufzufinden. Sie hatten die Befugnis, Plünderer und Deserteure umstandslos zu erschießen. An anderen Orten fragte das fliegende Standgericht selbst nach Ereignissen, die in seine Zuständigkeit fallen könnten, und erfuhr dann zum Beispiel von dem Kampfkommandanten von möglichen Opfern. So war es bei dem Volkssturmangehörigen Karl Weiglein in Zellingen am Main der Fall, der sich „aufwieglerisch“ und „wehrkraftzersetzend“ verhalten haben sollte und von dem Standgericht am 29. März 1945 sofort zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.
Das militärische Gerichtsverfahren war schon zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zuungunsten der Angeklagten eingeschränkt worden und wurde im folgenden immer weiter beschnitten. Nun in der hysterischen Atmosphäre des Kriegsendes setzten sich die fliegenden Standgerichte über die wenigen noch bestehenden Regelungen endgültig hinweg. Auch das Vorgehen des fliegenden Standgerichts Helm lässt sich in keiner Weise mehr als rechtsförmig bezeichnen. Seine Verhandlungen waren reine Scheinverfahren. Die Todesurteile standen von Anfang an fest und wurden wie im Zellinger Fall gelegentlich auch schon vor Beginn der Verhandlung schriftlich niedergelegt. Die Todesstrafe wurde auch für Vergehen verhängt, für die sie als Strafmaß völlig überzogen war. Das Urteil gegen Adalbert Kapperer ist ein Beispiel dafür. Wenn er denn tatsächlich eine „Dienstpflichtverletzung“ begangen hätte, wie es ihm vorgeworfen wurde, dann hätte er nach dem Militärstrafgesetzbuch disziplinarisch bestraft werden müssen. Die Todesstrafe überstieg diesen Strafrahmen bei weitem. Ein „Merkblatt über Standgerichte“ vom Kriegsende schrieb für ein solches Vergehen eine zehnjährige Zuchthausstrafe vor, wie der nächste Abschnitt zeigen wird. Dauerte Helm als Gerichtsherrn, der an den Verhandlungen nicht teilnahm, ein Verfahren zu lange, dann unterbrach er und drängte darauf, endlich das Todesurteil zu fällen. Verteidiger für die Angeklagten und Protokollführer gab es nicht. Die Todesurteile kamen auch ohne die Mehrheit der Stimmen zustand, so auch bei der Verhandlung gegen Kapperer und bei einem Todesurteil in Zellingen. In beiden Fällen bewiesen die Beisitzer Courage und äußerten Vorbehalte gegen die Todesstrafe. Sie plädierten statt dessen für eine weitere Klärung des Sachverhalts bzw. für eine Umwandlung der Todesstrafe in einen Einsatz an der Front. Sie wurden kurzerhand abgesetzt bzw. ihre Vorbehalte ignoriert. Die Reihe der Verfahrensverletzungen könnte fortgesetzt werden. Das Würzburger Schwurgericht kam in seiner Urteilsbegründung 1952 zu einem klarem Schluss, was die Durchführung der Standgerichtsverhandlungen und das Strafmaß der Todesstrafe für grundsätzlich alle verurteilten Delikte anging: „[D]as Schwurgericht [konnte] zu keiner anderen Überzeugung kommen, als dass die Verfahren nur zum Scheine aufgezogen worden waren, um von vornherein feststehende Entscheidungen zu legalisieren.“
Die Vollstreckung der Todesurteile des Helmschen Standgerichts folgte dem bekannten Muster. Die Exekutionen, sofort nach dem Todesurteil angeordnet, waren fast immer Erhängungen. Diese Maßnahme bedeutete im militärischen Ehrenkodex eine besondere Herabsetzung der Verurteilten, denen vor der Exekution auch die militärischen Auszeichnungen und Dienstabzeichen von den Uniformen entfernt, oft in aller Öffentlichkeit heruntergerissen wurden. Um eine abschreckende Wirkung zu entfalten, fanden sie vor der versammelten Einheit statt. Die Exekutionskommandos standen unter der Leitung eines Offiziers aus dem Auffangstab oder dem Standgericht selbst. Vollstrecker der Exekutionen war bei dem fliegenden Standgericht Helm ein 19-jähriger Obergefreiter aus einer Kompanie des Auffangstabs, der als Gratifikation für jede Hinrichtung Geld oder Alkohol erhielt. Spätestens nach der Vollstreckung wurden den Toten Schilder umgehängt, die ihre angeblichen Vergehen wie Fahnenflucht, Plünderung oder Feigheit benannten. Zur Abschreckung blieben die Leichname mehrere Tage hängen.
Die Offiziere, die an dem fliegenden Standgericht mitwirkten, verfügten über keinerlei tiefere Kenntnisse in Sachen Militärstrafrecht. Nach dem Krieg führten sie zumindest dieses gängige Argument zu ihrer Verteidigung an: Sie seien nicht geschult worden und hätten auch nicht über grundlegende Hilfsmittel wie das Militärstrafgesetzbuch oder die „Verordnung über das Sonderstrafrecht im Kriege“ verfügt. Es habe keine Möglichkeit bestanden, sich über das Militärstrafrecht zu informieren und Strafen auszusprechen, die ihm entsprachen. Der ehemalige Ankläger des Standgerichts gab an, er habe lediglich ein maschinen geschriebenes Blatt erhalten, auf dem einige Tatbestände aufgelistet gewesen seien, die die Todesstrafe forderten. Vermutlich handelte es sich um ein „Merkblatt über Standgerichtsverfahren“, das Mitte März 1945 von der Heeresgruppe B herausgegeben worden war. Im nächsten Abschnitt wird von ihm noch einmal die Rede sein.
Es entsprach der gängigen Praxis, dass in den Standgerichten Offiziere militärisches Recht sprachen, die für diese Aufgabe nicht ausgebildet oder vorbereitet waren. Allerdings haben die Nachkriegsermittlungen über das fliegende Standgericht Helm auch ergeben, dass den Mitwirkenden durchaus Möglichkeiten zur Verfügung standen, ihre juristische Unkenntnis zumindest in begrenztem Maße aufzuheben und sich Rat und Unterstützung zu holen. So stand das fliegende Standgericht immer wieder mit dem regulären Kriegsgericht des „Korück“ in Kontakt, wenn beide Einheiten sich in räumlicher Nähe befanden. Der Kriegsgerichtsrat bei dem „Korück“, nach dem Krieg bei der österreichischen Justiz in Linz tätig, erinnerte sich in seinen Nachkriegsaussagen sogar daran, dass Helm ihn ein- oder zweimal aufgesucht habe. Er beschrieb die Zusammenarbeit von regulären Kriegsgerichten und Standgerichten so, dass Militärrichter für Verhandlungen der fliegenden Standgerichte herangezogen wurden, wenn sie verfügbar waren. Helms Standgericht habe einmal auch einen Fall an das Kriegsgericht abgegeben. Auch der Ankläger des Standgerichts sprach nach dem Krieg davon, dass er einmal als Beisitzer bei einer Verhandlung des regulären Feldkriegsgerichts der 7. Armee ausgeholfen zu haben.
Überhaupt stand das fliegende Standgericht Helm mit seinen vorgesetzten Dienststellen in Verbindung und handelte nicht eigenmächtig und isoliert von allen militärischen Strukturen, ohne das Wissen der militärischen Dienstherren, wie es bis heute gerne beschrieben wird. So berichtete ein ehemaliger Offizier aus der 7. Armee nach dem Krieg, dass er einmal mit dem Vorgesetzten Helms über die leichtfertig gefällten Todesurteile des Standgerichts gesprochen habe. Der „Korück“ habe ihn mit den Worten beruhigt, dass er die Urteile des Standgerichts überprüft und keine Verstöße festgestellt habe. Der genannte Kriegsgerichtsrat bei dem „Korück“, bei dem Helm einige Male vorgesprochen hatte, wusste noch Anfang der 1950er Jahre nur Gutes über das Helmsche Standgericht auszusagen: Das Gericht und sein Kommandeur hätten immer korrekt gehandelt und die geltenden Gesetze beachtet. Er habe den Eindruck gehabt, dass Helm und der Vorsitzende des Standgerichts sich ihrer „großen Verantwortung“ bewusst gewesen seien. Ein anderer ehemaliger Offizier des Auffangstabs, der einige Male auch für das Standgericht herangezogen worden war, schilderte nach dem Krieg sogar eine sehr enge Verbindung zu den vorgesetzten Dienststellen, wenn seine Worte möglicherweise auch mit einiger Vorsicht zu interpretieren sind, weil sie der eigenen Entlastung dienten: „Ich weiß aber, dass das Standgericht Helms an jedem neuen Ort mindestens einmal von einem Major des Stabes aufgesucht wurde, sodass [!] das AOK laufend über die Tätigkeit des Standgerichts orientiert war. Auch das Kriegsgericht erhielt Kenntnis von jeder Verurteilung [...].“ Letzteres hätte den Vorschriften entsprochen.
Wie intensiv die Verbindung zwischen dem Auffangstab und dem fliegenden Standgericht einerseits und den übergeordneten militärischen Ebenen andererseits war, lässt sich nicht mehr gänzlich ausloten. Die Beschreibungen der Zeitzeugen aus der Nachkriegszeit machen aber deutlich, dass das fliegende Standgericht Helm in militärische Hierarchien eingebettet handelte und dass die vorgesetzten Dienststellen seine Verhandlungs- und Verurteilungspraxis nicht unterbanden, sondern sie eine lange Zeit zumindest duldeten, vielleicht sogar gut hießen. Helm wurde die Befugnis zur Bestätigung von Todesurteilen erst in den allerletzten Kriegstagen entzogen, als das Standgericht sich schon im ehemaligen Sudetenland befand und ein neuer „Ko-Rück“ eingesetzt worden war. Für Adalbert Kapperer kam das zu spät. Das brutale Durchgreifen von Helms fliegendem Standgericht war an höherer Stelle bekannt. Es war gängige Praxis der Standgerichte am Kriegsende- die Regel, nicht die Ausnahme. Das fliegende Standgericht Helm repräsentiert eine militärische Terrorjustiz, wie sie vielerorts praktiziert wurde, um dem sichtbaren Motivationszerfall der Wehrmachtangehörigen entgegenzutreten und den bereits verlorenen Krieg um den Preis vieler Menschenleben zu verlängern.
Bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 waren der Auffangstab und das Standgericht Helms in das südliche Sachsen weitergezogen. Hier begaben sie sich in nahezu vollständiger Besetzung in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurden in einem Kriegsgefangenenlager in Zwickau auf dem Gelände der Audi-Werke interniert. Die militärischen Hierarchien blieben wie vielerorts in den Gefangenenlagern auch hier bestehen: Helm wurde Lagerkommandant, die Standgerichtsoffiziere übernahmen ebenfalls Funktionen. Als die US-Verbände sich Anfang Juli 1945 aus Sachsen und Thüringen zurückzogen und die Gebiete der Roten Armee überließen, waren alle maßgeblichen Mitwirkenden an dem fliegenden Standgericht wieder frei.
Die „Verordnung über das militärische Strafverfahren im Kriege“ führte kurz vor dem Zweiten Weltkrieg ein neues Verfahrensrecht der Wehrmacht ein. Unter Missachtung wesentlicher Rechtsprinzipien sollte es eine erheblich beschleunigte Abwicklung von militärischen Gerichtsverfahren garantieren, wie sie in den Augen der obersten Wehrmachtrichter in Kriegszeiten gefordert war. Ab November 1939 war in der KStVO auch die Einsetzung von Standgerichten festgelegt. Die Regularien eines militärischen Strafverfahrens waren dabei auf ein absolutes Minimum reduziert.
Bis zum Kriegsende und gerade in der letzten Phase des Krieges traten eine Vielzahl weiterer Bestimmungen in Kraft, die die Standgerichte zu einem der wichtigsten, zuletzt dem wichtigsten Instrument der NS-Militärjustiz für die Durchsetzung ihrer Disziplinierungs- und Todesstrafen-Strategie (Manfred Messerschmidt) werden ließen. Die Befugnisse der Gerichtsherrn wurden stetig ausgeweitet und auf immer niedrigere Ebenen der Hierarchie verlagert, das Verfahren permanent verkürzt und eingeschränkt. Zahlreiche Befehle und Erlasse der verschiedensten Instanzen höhlten die ursprünglichen rechtlichen Grundlagen aus. Die Regelungen der Militärstrafgesetzbuchs und der KStVO waren am Kriegsende überholt. Standgerichtsverfahren stellten zuletzt die reinste Willkür dar. Mit einer ordentlichen Rechtsprechung, gar Gerechtigkeit hatten sie nichts mehr zu tun.
Fliegende Standgerichte unterschieden sich von den üblichen Standgerichten darin, dass sie mobil waren. Wie das fliegende Standgericht Helm bewegten sie sich mit ihren Fahrzeugen durch einzelne Gebiete und trugen durch ihre Flexibilität den Gegebenheiten der letzten Kriegsphase Rechnung, in der ganze Wehrmachteinheiten sich aufgelöst hatten und die Zahl der versprengten Soldaten stark zunahm. Sie konnten schnell und gezielt zugreifen, je nachdem wo sie gerade gebraucht wurden.
Die Einsetzung fliegender Standgerichte erfolgte im Frühjahr 1945 gleichzeitig in verschiedenen Einheiten und Instanzen der Wehrmacht, so in der Heeresgruppe Nord Anfang Februar 1945. In ihm wurden Soldaten, die sich nicht sofort bei der nächsten kämpfenden Einheit gemeldet hatten, als „übelste Verräter an der Gemeinschaft des deutschen Volkes“ und als „Verbrecher“ bezeichnet. Die Errichtung des fliegenden Standgerichts Helm ist auf einen Befehl der Heeresgruppe B zurückzuführen. Ihr unterstand die 7. Armee im März 1945. Auf der Grundlage eines Befehls des OKW vom Vortag hatten der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B und der Oberbefehlshaber West am 6. März 1945 eine Anordnung erlassen, die das allerschärfste Vorgehen gegen versprengte Wehrmachtangehörige vorschrieb und dafür fliegende Standgerichte einsetzte. Der Befehl lautete: „Ab dem 15. bzw. 17.3.1945 sind Soldaten, die noch abseits ihrer Einheiten auf Straßen, in Ortschaften, in Trossen oder Ziviltrecks, auf Verbandsplätzen, ohne verwundet zu sein, grundlos angetroffen werden und angeben, noch versprengt zu sein und ihre Einheit zu suchen, standrechtlich abzuurteilen und zu erschießen. Hierzu sind möglichst viele fliegende Standgerichte zu errichten. Sie urteilen über Wehrmachtangehörige aller Wehrmachtteile.“ Der vorrangige Zweck fliegender Standgerichte wird hier deutlich ausgesprochen: Es ging darum, mit dem Instrument einer rigorosen Sofortjustiz gegen alle Anzeichen von Auflösungserscheinungen vorzugehen, wie sie insbesondere bei versprengten Wehrmachtangehörigen vermutet wurden. Vermutlich wurde Helm dieser Befehl bekannt gegeben, als sein fliegendes Standgericht in der zweiten Märzhälfte 1945 eingerichtet wurde und sein Vorgesetzter ihn in die Tätigkeit als Standgerichtsherr einwies.
Am 9. März 1945 hatte auch Hitler selbst per „Führererlass“ ein fliegendes Standgericht geschaffen, das ihm direkt unterstand und Aufträge nur von ihm entgegennahm. Das Verfahren war hier nochmals verkürzt und verschärft, indem der dienstälteste Offizier Gerichtsherr und Vorsitzender des Gerichts in einer Person war: Als Vorsitzender leitete er die Ermittlungen und führte die Verhandlung, als Gerichtsherr bestätigte er das Urteil und ordnete die Vollstreckung an. Das Gnadenrecht entfiel. Möglicherweise wurde das fliegende Standgericht Helm einmal auch von einem Angehörigen dieses fliegenden Standgerichts Hitlers aufgesucht und inspiziert.
Als die bundesdeutsche Justiz sich nach dem Krieg mit den Verbrechen des fliegenden Standgerichts Helm beschäftigte, ging sie davon aus, dass seine Handlungsgrundlage ein „Merkblatt für den Regimentskommandeur als Gerichtsherrn“ des OKH vom Januar 1943 gewesen sei. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ein wesentlich jüngeres „Merkblatt über Standgerichtsverfahren“ für das fliegende Standgericht Helm handlungsleitend war, das die Heeresgruppe B am 15. März 1945 herausgegeben hatte. Es stand mit der Errichtung der fliegenden Standgerichte zu demselben Zeitpunkt vermutlich in einem direktem Zusammenhang. Die in einem Standgerichtsverfahren ohnehin stark eingeschränkten Rechte der Angeklagten waren hier endgültig außer Kraft gesetzt. Ein Verteidiger war „auch bei todeswürdigen Verbrechen nicht erforderlich“, und ein Protokollführer sowie ein Ankläger waren nur „soweit möglich“ einzusetzen. War kein Ankläger vorhanden, konnte der vorsitzende Richter dessen Funktion übernehmen. Die richterliche Freiheit existierte damit nicht mehr. Ein Gnadenweg war nicht vorgesehen. Letztlich blieb nur die Fassade eines militärgerichtlichen Strafverfahrens übrig. Niedergelegt war allerdings auch, dass der Sachverhalt durch die Aufnahme von Beweisen und die Anhörung von Sachverständigen und Zeugen zu klären war. Dieser Schritt entfiel in der Verhandlung des fliegenden Standgerichts Helm gegen Adalbert Kapperer vollkommen. Das zeigt, dass die Praxis der fliegenden Standgerichte nochmals anders aussah als die Richtlinien. Vorgeschrieben war auch, dass das nächste Feldkriegsgericht von allen Vorgängen zu unterrichten war. Die zitierten Zeugenaussagen aus der Nachkriegszeit lassen die Vermutung zu, dass Helm dieser Informationspflicht nachgekommen ist.
Darüber hinaus gab das „Merkblatt“ eindeutige Hinweise für die Strafzumessung. Es listete einige wichtige Tatbestände wie unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht auf und benannte die dazugehörigen Strafen. Bei den mit der Todesstrafe bedrohten Delikten wie Fahnenflucht war von dem Todesurteil als „Höchststrafe“ die Rede, Zuchthausstrafen waren also nicht kategorisch ausgeschlossen. Aufgeführt war auch die „Dienstpflichtverletzung im Felde“, wie sie Adalbert Kapperer vorgeworfen worden war. Als Höchststrafe war Zuchthaus bis zu zehn Jahren angesetzt. Die Todesstrafe stand auf dieses Vergehen nicht.
Allerdings wies das Merkblatt deutlich darauf hin, dass die Todesstrafe auch dann ausgesprochen werden konnte, wenn sie nicht als reguläres Strafmaß vorgesehen war. Es informierte über den Paragraphen 5a der Kriegssonderstrafrechtsverordnung, auf dessen Grundlage jedes Strafmaß bis zur Todesstrafe verschärft werden konnte. Er stellte es in das Ermessen der Richter, den üblichen Strafrahmen bis zur Höchststrafe und darüber hinaus bis zur Todesstrafe zu überschreiten. Zur Begründung reichte die weit gefasste Einschätzung aus, dass die Strafverschärfung bzw. die Todesstrafe „zur Aufrechterhaltung der Manneszucht“, für die „Sicherheit der Truppe“ oder auch nur „nach gesundem Volksempfinden“ notwendig erschien. Helm bekam dieses „Merkblatt über Standgerichtsverfahren“ bei seiner Einsetzung als Standgerichtsherr im März 1945 vermutlich ausgehändigt.
Dass der Standgerichtsherr Helm und seine Gerichtsoffiziere so brutal handeln konnten, hat sicher mit der persönlichen charakterlichen Ausstattung, vielleicht besser: mit der charakterlichen Verrohung der Akteure zu tun. Es wäre aber falsch, das Agieren des Standgerichts allein auf menschliches Versagen und auf den „Exzesstäter“ Helm zu reduzieren. Der „Exzesstäter“ konnte sein Unwesen nur treiben, weil alle rechtlichen Grundlagen zerstört waren durch eine Vielzahl von Befehlen und Bestimmungen, die jeglicher Rechtsförmigkeit entbehrten. Sie schufen den Rahmen für die Exzesse des fliegenden Standgerichts Helm. Das Standgericht agierte auf dem Boden von bestehenden Vorschriften.
Für die Besetzung des Standgerichts zog Helm seine Kompanieführer heran, die junge Offiziere im Alter von etwa 25 Jahren waren. Der Ranghöchste unter ihnen, ein Oberleutnant namens Bruno Bähr, fungierte in vielen Verhandlungen als Vorsitzender. Stand er nicht zur Verfügung, setzte Helm den Leutnant Engelbert Michalski ein, der anfangs auch als Ankläger und später als Beisitzer auftrat. In der Regel war der Leutnant Walter Fernau der Ankläger. Zum Beisitzer bestimmte der jeweilige Vorsitzende, wer gerade aus dem Auffangstab, aus anderen militärischen Einheiten am Ort oder aus dem Volkssturm verfügbar war.
Erwin Helm, als Sohn eines Eisenbahners am 5. September 1910 in Leipzig geboren, absolvierte bis 1924 die Volksschule, die ersten beiden Jahre aufgrund des Ersten Weltkriegs in der Heimat der Mutter in Württemberg, die restlichen Jahre in Leipzig. Danach besuchte er vier Jahre lang ein katholisches Internat in Bautzen und legte dort die Obersekundareife ab, die der heutigen Mittleren Reife entspricht.
Nach einem kurzen Intermezzo als Schreibhilfe bei der Reichsbahn entschied er sich, Berufssoldat zu werden, und verpflichtete sich Mitte 1929 freiwillig für zwölf Jahre zum Dienst bei der Reichswehr. Bis 1938 gehörte er Infanterie-Einheiten in Dresden, Plauen und Glauchau an. Kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs zum Offiziers-Anwärter befördert und damit möglicherweise ein so genannter Kriegsoffizier, nahm er mit dem Infanterie-Regiment 185 am Frankreichfeldzug teil. Sein weiterer Einsatz im Zweiten Weltkrieg war von Verwundungen und Unfällen geprägt, von denen eine äußerst schwere Schädel-Hirn-Verletzung physische und psychische Folgeschäden nach sich zog. Als Oberleutnant wurde er im Frühjahr 1942 Kompanieführer in einem Ersatzbataillon der Infanterie, das kurz später an die Ostfront verlegt wurde. Dort wurde er Mitte 1942 das erste Mal an Rücken und rechtem Arm verwundet. Nach einem Lazarettaufenthalt in Deutschland gelangte er mit Zwischenstationen in die Ukraine, wo er als Lehrer an einer Wehrmachtschule und als infanteristischer Berater bei einem Pionierstab der Heeresgruppe Mitte tätig war. Anschließend wurde er Bataillons-Kommandeur in einem Füsilier-Regiment an der Ostfront. In der Nähe von Orscha zog er sich im Oktober 1943 seine schwere Schädel- und Hirnverletzung zu. Nach der Genesung war er nicht mehr „kriegstauglich“, sondern war als „a. v.“ (arbeitsverwendungsfähig) eingestuft. Er nahm nicht mehr aktiv an Kampfeinsätzen teil. Zunächst wurde er Hauptmann beim Stab in einer Unteroffiziersschule in Deutschland. Im April 1944 zum Major befördert, wurde er etwa Mitte 1944 Lehrgruppenkommandeur und Taktiklehrer an einer Armeewaffenschule des AOK 7 in Le Mans in Frankreich. Nachdem er in Frankreich einen schweren Autounfall erlitten und sich gemäß seinen eigenen Angaben nach dem Krieg einen Schädelbasisbruch zugezogen hatte, wurde er zur Genesung nach Deutschland zurückverlegt.
Wiederum genesen, absolvierte er bis Anfang 1945 einen Genesenden-Lehrgang in Stuttgart. Im Anschluss erhielt er den Befehl, sich bei dem AOK 7 zu melden, und übernahm im Februar 1945 in der Eifel den Auffangstab, wie es oben beschrieben ist.
Aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft in Zwickau kam Helm schon am 23. Mai 1945 frei, womöglich wegen seiner Kopfverletzung, womöglich weil seine Familie im nahe gelegenen Glauchau wohnte. Im Oktober und November 1945 arbeitete er als Preisprüfer bei dem Landrat in Glauchau. Er wurde entlassen, weil er nach den Säuberungsbestimmungen der Sowjetischen Besatzungsmacht als Militarist galt. Ab 1946 arbeitete er als Lohnbuchhalter und Personalsachbearbeiter in dem VEB Feinzwirnerei und Nähfadenfabrik. 1948 standen mehrere führende Angestellte dieses Betriebs, darunter auch Helm, wegen Wirtschaftsverbrechen durch Schieberei und so genannte Kompensationsgeschäfte in Glauchau vor Gericht. Die Beschuldigten hatten Produkte des Betriebs beiseite geschafft und damit einen schwunghaften Tauschhandel betrieben, um trotz der Mangelwirtschaft in der Sowjetischen Besatzungszone den volkseigenen Betrieb aufrechtzuerhalten und weiterzuführen. Schließlich hatten sie auch ihre persönlichen Konsumbedürfnisse befriedigt. Helm wurde im Februar 1949 vor dem Amtsgericht Glauchau zu zweieinhalb Jahren Gefängnis und einer hohen Geldstrafe verurteilt. Er verbüßte seine Strafe im Gefängnis Waldheim. 1950 kam er vorzeitig frei; der Rest seiner Strafe wurde in Bewährung umgewandelt. Er zog seiner Familie nach Leipzig hinterher und arbeitete dort als Lohnbuchhalter in einer Firma.
Im November 1952 wurde er in Leipzig erneut verhaftet, weil die Justizbehörden der DDR auf seine verantwortliche Beteiligung an dem fliegenden Standgericht aufmerksam geworden waren. Möglicherweise stand er auch im Visier der Staatssicherheit, weil er versucht hatte, in der Bundesrepublik als politischer Flüchtling anerkannt zu werden. Er hatte dafür mit entsprechenden Stellen in Westberlin Kontakt aufgenommen. Die Leipziger Staatssicherheit wollte ihn wegen dieser Versuche anfangs nicht nur wegen seiner Kriegsverbrechen, sondern auch wegen „Boykotthetze“ gegen die DDR anklagen. Diese Anklage wurde fallengelassen.
Zeitgleich mit einem Verfahren gegen Beteiligte des Standgerichtes Helm im bundesdeutschen Würzburg, befassten sich Anfang der 1950er Jahre auch die Justizbehörden der DDR mit den Verbrechen dieses Kommandos. Mit Helm beschäftigte sich die. Im Dezember 1952 erging Haftbefehl gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Standgerichtsherr. Im Februar 1953 waren die Ermittlungen der Abteilung IX der Staatssicherheit in Leipzig als zuständiges Untersuchungsorgan der Leipziger Staatssicherheit abgeschlossen.
In ihrem Schlussbericht formulierte sie zwei Anklagepunkte gegen Helm: Er sollte wegen seiner Verbrechen als Standgerichtsherr am Ende des Zweiten Weltkriegs vor Gericht gestellt und zusätzlich wegen so genannter Boykotthetze gegen die DDR zur Rechenschaft gezogen werden. Helm hatte ab Herbst 1951 mit verschiedenen Institutionen in West-Berlin Kontakt aufgenommen und hatte bei einer Flüchtlingsstelle einen Aufnahmeantrag als politischer Flüchtling gestellt. Als Begründung hatte er u.a. seine Verurteilung wegen Wirtschaftskriminalität in Glauchau angegeben. Sein Gesuch war zunächst abgelehnt worden. Er hatte Widerspruch eingelegt, hatte seine durchaus erfolgversprechenden Aktivitäten 1952 aber eingestellt, als er durch Familienangehörige in der Bundesrepublik von dem Würzburger Verfahren und dem Haftbefehl gegen ihn gehört hatte. Da er von den DDR-Behörden wegen seiner Verbrechen als Standgerichtsherr noch unbehelligt war, stellte ein Umzug in den Westen zu diesem Zeitpunkt die schlechtere Alternative dar. In den Augen der Leipziger Staatssicherheit hatte er mit der Selbstdarstellung als politisch Verfolgter „verleumderische Angaben über die Deutsche Demokratische Republik“ gemacht und war deshalb nicht nur wegen seiner Kriegsverbrechen, sondern auch wegen „Boykotthetze“ nach §6 der DDR-Verfassung anzuklagen.
Anschließend übernahm die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin das Verfahren. Mitte April 1953 hatte sie ihre Anklageschrift gegen Helm und Bähr fertig gestellt. Sie beschuldigte die beiden Männer gemeinschaftlich begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Gesetz Nr. 10 und der Direktive Nr. 38 des Alliierten Kontrollrats. Weitere Vorwürfe gegen Helm kamen nicht mehr zur Sprache. Der Generalstaatsanwalt von Groß-Berlin bat bei seiner vorgesetzten Behörde, dem Generalstaatsanwalt der DDR, um die Genehmigung, gegen beide Männer lebenslanges Zuchthaus beantragen zu können. Außerdem ließ er prüfen, ob gegen Helm die Todesstrafe angewandt werden könne. Er regte an, den Prozess „vor einer größeren Öffentlichkeit“ an einem prominenten Ort wie dem Schwurgerichtssaal des Berliner Stadtgerichts stattfinden zu lassen, weil er von der Bundesrepublik mit Aufmerksamkeit verfolgt werde.
Am 10. und 11. September 1953 fand die Verhandlung gegen Erwin Helm und Bruno Bähr vor dem Strafsenat 1a, einem Schöffengericht, bei dem Stadtgericht Berlin statt. Vermutlich wurde auch der Termin der Verhandlung unter öffentlichkeitswirksamen Gesichtspunkten ausgesucht, fand die Urteilsverkündung doch ausgerechnet am „Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors“ statt. Die Presse berichtete neben dem Prozess über die Gedenkfeiern und demonstrierte so noch einmal die Unerbittlichkeit des antifaschistischen Vorgehens in der DDR. Am Ende des zweitägigen Verfahrens verkündete das Gericht das Urteil, das auf lebenslanges Zuchthaus und dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte lautete. Beide Männer galten als Hauptschuldige gemäß der Kontrollratsdirektive 38. Laut der schriftlichen Urteilsbegründung hatte Helm in den Vernehmungen 20 bis 30 Hinrichtungen zugegeben, Bähr hatte sieben Todesurteile des Standgerichts unter seinem Vorsitz gestanden, darunter auch das gegen Adalbert Kapperer. Helm entkam der Todesstrafe, weil ein Psychiater ihn wegen seiner schweren Kopfverletzung aus Kriegszeiten als vermindert zurechnungsfähig erklärt hatte. Seine Möglichkeiten, die eigene Schuld einzusehen, galten als eingeschränkt. Das Gericht beschrieb Helms psychische Ausstattung folgendermaßen: „Er hat wohl die volle intellektuelle Fähigkeit, das Verbrecherische seiner Handlungen einzusehen, er bringt aber aufgrund seiner Verletzungen nicht die moralischen Hemmungen auf, die einem gesunden Menschen eigen sind.“
Nachdem die Berufung Bährs gegen das Urteil gerichtlich verworfen worden war und Helm seine Berufung zurückgezogen hatte, erhielt das Urteil Rechtskraft. Bähr wurde der Strafvollzugsanstalt in Torgau zugewiesen, Helm saß in Brandenburg ein.
Im Folgenden hatten die beiden Männer Glück. Ihre Haftzeit fiel in die Phase der Entstalinisierung in der DDR, die im Februar 1956 mit dem 20. Parteitag der KPdSU ihren offiziellen Ausdruck fand. Das politische Tauwetter hatte gerade auch auf die Strafjustiz der DDR Auswirkungen. Zur „Wiederherstellung der sozialistischen Gesetzlichkeit“, wie das Motto lautete, sollte eine Justizpraxis abgemildert werden, die als politisch instrumentalisiert erkannt worden war und deren Urteile nun als zu hoch angesehen wurden. Aus der neuen Haltung folgten 1956 Massenentlassungen aus den DDR-Gefängnissen. Davon profitierten auch Helm und Bähr.
Im Juni 1956 veröffentlichte das DDR-Presseamt, dass die DDR-Regierung neben ehemaligen SPD-Mitgliedern, knapp 700 an der Zahl, und politischen Häftlingen, um die 15.000 Personen, auch alle Kriegsverbrecher amnestiert hatte. „Wie bereits mitgeteilt, hat die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik beschlossen, die Personen, die von sowjetischen Militärtribunalen oder deutschen Gerichten wegen Verbrechen, die mit dem Hitlerkrieg im Zusammenhang stehen, verurteilt worden sind, freizulassen. [...] Insgesamt wurden bis zum 19. Juni 1956 3308 Kriegsverurteilte freigelassen. In den Haftstätten befinden sich nur noch 11 Kriegsverurteilte, die in Konzentrationslagern besonders schwerwiegende Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.“ An anderer Stelle waren 4.237 Häftlingsentlassungen im ersten Halbjahr 1956 genannt, unter denen sich auch Verurteilte aus den Waldheimer Unrechtsprozessen befanden. Den Entlassungen lagen Gnadenerlasse des Präsidenten der DDR und zwei Beschlüsse des DDR-Ministerrats vom 22. Dezember 1955 und vom 19. April 1956 zugrunde.
Erwin Helm und Bruno Bähr waren unter dieser Vielzahl der entlassenen Strafgefangenen. Beide kamen am 28. April 1956 frei. Helms Name findet sich auf einer Liste der Strafvollzugsanstalt Brandenburg, die insgesamt 181 zu entlassende Häftlingen nennt. Danach fielen neben ihm in Brandenburg weitere 33 zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe und zwei zum Tode Verurteilte unter die Amnestie. Insgesamt sind an diesem Tag 481 Strafgefangene aus den Gefängnissen der DDR entlassen worden, unter ihnen 323 wegen Kriegsverbrechen Verurteilte.
Die Amnestierung von Erwin Helm und Bruno Bähr war also kein Einzelfall, sondern hatte mit der spezifischen politischen Konstellation in der DDR zu tun, die kurzzeitig eine Liberalisierung ihrer Strafjustiz praktizierte und damit auch die letzten noch inhaftierten tatsächlichen NS-Täter wieder in die Gesellschaft zurückholte. Spätestens mit diesen Entlassungen hatte die DDR den Schlussstrich unter die Abrechnung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit gezogen. In diesem pragmatischen Vorgehen unterschied sie sich kaum von der Bundesrepublik. Allerdings stand es in groteskem Gegensatz zu der lauten Propaganda, dass eine harte Abrechnung mit den NS-Tätern im westlichen Deutschland unterbliebe, im östlichen Deutschland aber ohne Pardon durchgefochten würde. Die Ostberliner Staatsanwaltschaft hatte die von Würzburg erbetene Auslieferung Helms 1953 aus diesen Gründen mit großen Worten abgelehnt: „Der große Einfluss der amerikanischen Imperialisten in Westdeutschland, der zu einem Aufleben des Faschismus und damit zu einer Gefährdung des Friedens und der Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlandes führt, lässt es zweifelhaft erscheinen, ob [...] Kriegs- und Menschlichkeitsverbrecher die gerechte Strafe verbüßen. Die Begnadigungspraxis in Westdeutschland kann meine Zweifel nur bestärken. [...] Sie dürfen versichert sein, dass [...] beide Beschuldigte nicht nur gerecht bestraft werden, sondern ihre Strafe auch tatsächlich verbüßen“, hatte sie nach Würzburg geschrieben. Drei Jahre später standen die Zeichen der Zeit in der DDR anders.
Die Untersuchungshaft jeweils einbezogen, hatte Erwin Helm für seine Kriegsverbrechen als verantwortlicher Gerichtsherr des fliegenden Standgerichts eine Strafe von drei Jahren und fünf Monaten verbüßt, Bähr war vier Jahre und 2 Monate inhaftiert. Der Strafsenat 1a bei dem Stadtgericht in Ostberlin verurteilte ihn zusammen mit Bruno Bähr am 11. September 1953 zu lebenslangem Zuchthaus. Schon 1956 kam er wieder auf freien Fuß. Er siedelte in die Bundesrepublik um. In den Unterlagen der „Birthler“-Behörde existieren keine Hinweise darauf, dass der Grund für seine Übersiedlung darin lag, dass er von der Staatssicherheit der DDR zu einer Zusammenarbeit gedrängt wurde. Da er für seine Verbrechen als Standgerichtsherr kein zweites Mal belangt werden konnte und ein bestehender Haftbefehl gegen ihn wegen dieses Grundsatzes aufgehoben wurde, lebte er unbehelligt in Baden-Württemberg. Er arbeitete möglicherweise in einer Uhrenfabrik. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung in Baden-Württemberg lehnte sein Ansinnen auf Versorgungsbezüge nach §131 in den 1970er Jahren ab. Erwin Helm starb am 25. November 1993.
Grab von Leutnant Adalbert Kapperer
Bildunterschrift: Grab von Leutnant Adalbert Kapperer, Foto: Privat
Während all das geschah, kämpfte der Bruder von Adalbert Kapperer in Aschaffenburg Mitte der 1950er Jahre um die Rehabilitierung des Toten. Er traf dabei in der Öffentlichkeit nicht überall auf Verständnis. Durch das Todesurteil galt Adalbert Kapperer zum Zeitpunkt seines Todes als ausgeschlossen aus der Wehrmacht. Obwohl das Würzburger Schwurgericht das Todesurteil gegen ihn als rechtswidrig bezeichnet hatte, durfte seine Familie ihn deshalb zunächst nicht in das Sterberegister beim Standesamt seines Heimatortes Aschaffenburg eintragen lassen, wie es für gefallene Wehrmachtangehörige üblich war. Es bedurfte der Unterstützung eines Aschaffenburger Bundestagsabgeordneten und einer Intervention aus dem Bundesinnenministerium, bis der Eintrag im Aschaffenburger Standesamt im August 1955 endlich erreicht war. Die Todesursache lautet nun endlich und vollkommen richtig „unschuldig hingerichtet“.
Damit war das Todesurteil gegen Adalbert Kapperer zwar nicht durch ein bundesdeutsches Gericht aufgehoben, und es hatte auch keinen offiziellen Gnadenakt gegeben. Dennoch war Adalbert Kapperer damit in Öffentlichkeit und Familie rehabilitiert. Heute ist er nach dem Gesetz zur Aufhebung von nationalsozialistischem Unrecht von 1998 auch juristisch und damit vollständig rehabilitiert.